teaser bild

Benutzername:

Passwort:

Jetzt registrieren

Passwort futsch!?

;-)

Ausbildung bei ZVS-Absage

Krankenpflege als Alternative

Petra Meier

Krankenpflege als Alternative

Voller Vorfreude und Hoffnung werden alle Jahre wieder diverse Internetseiten durchforstet, bei Ebay die Preise für Anatomie-Atlanten in die Höhe getrieben, Diskussionsforen strapaziert und die Arbeitsämter wegen der neuen ZVS-Infohefte gestürmt: Die Bewerbungen für das Wintersemester beginnen und viele Abiturienten diesen Jahres und wartende Abiturienten der letzten Jahre stellen sich die Frage: Werde ich einen Studienplatz für Medizin bekommen?

Der Wahrheit ins Auge blicken

Für einige wird dieser Wunsch in Erfüllung gehen. Der größere Teil muss sich allerdings laut ZVS-Infoheft nach einer Alternative umsehen, wie harte Zahlen belegen: Im Wintersemester 2004/05 beispielsweise wurden 8.444 Studienplätze verteilt. Dies klingt erst einmal nach einer großen Zahl, dem gegenüber standen allerdings 33.921 Bewerber. Es bedeutet also, dass auf einen Studienplatz für Medizin vier Bewerber kamen. Noch entmutigender waren die Zahlen des Sommersemesters 2005: Dort gab es 9,9 Bewerber auf einen Studienplatz. Ein sehr großer Teil bekam also keinen Studienplatz. Doch was dann? Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder die Augen vor der Wahrheit verschließen und sich die Frage erst dann stellen, wenn eine endgültige Absage kommt oder sich rechtzeitig Alternativen zur Wartezeitüberbrückung zu überlegen. 
Natürlich kann man jobben und wenn man mal keine Lust hat, zu Hause bleiben. Hört sich gut an, gerade nach der anstrengenden Abi-Zeit. Aber viele erschrecken sich dann, wenn sie nach dem zweiten, dritten und vierten Wartesemester immer noch keine Zusage bekommen haben und bemerken, dass sie zwei Jahre lang eigentlich „nichts“ gemacht haben...
Besser ist es, sich über die oben genannten Zahlen im Klaren zu sein und sich frühzeitig mit Beschäftigungen zur Überbrückung der Wartezeit auseinander gesetzt zu haben. Man kann sich beispielsweise für ein freiwilliges soziales Jahr oder als Au Pair bewerben. Allerdings stellt sich dann nach Ablauf eines Jahres erneut die Frage, wie man weitere Wartesemester überbrückt.

Wartesemester sinnvoll überbrücken

Sollte man aufgrund seiner Abinote schon absehen können, dass man eine längere Wartezeit vor sich hat, ist es sicherlich ratsam über den Beginn einer Ausbildung nachzudenken. Sicherlich ist es hart, sich mit diesem Gedanken anzufreunden, da man das Gefühl haben könnte, dass es sich um eine endgültige Entscheidung handelt. Eine Ausbildung dauert ca. drei Jahre und der Gedanke daran, noch solange sein eigentliches Berufsziel hinauszuschieben, könnte das Durchstehen dieser Zeit unmöglich erscheinen lassen. Auf diese Weise kann man in seiner Wartezeit aber etwas erreichen und eine abgeschlossene Berufsausbildung zu haben, gibt ein Gefühl von Sicherheit. Sollte doch früher als erwartet eine Zusage eintreffen und die Sehnsucht zu groß sein, kann man diese immer noch beenden.

Auf welche Quellen ich mich beziehe? Ich bin selbst eine der wartenden Abiturienten. Ich habe letztes Jahr mein Abitur gemacht, welches leider nicht den erhofften Notendurchschnitt gebracht hat. Natürlich habe ich mir versucht einzureden, dass ich trotzdem einen Studienplatz bekomme. Allerdings wollte ich mich für alle Fälle absichern, obwohl das nach meiner damaligen Meinung nahezu unnötig war. Also habe ich mich für die „Variante Ausbildung“ entschieden und kämpfte mich durch etliche Berufs-Kataloge. Es erschien mir sinnvoll einen Beruf in der Medizin-Branche zu ergreifen, da man dabei schon einige Kenntnisse erlangt, welche für das Studium nützlich sein könnten. Dabei stehen mehrere Möglichkeiten zur Auswahl, wie zum Beispiel eine MTA-, Physiotherapie-, Hebammen- oder eine Ausbildung zur Krankenschwester. Meine Wahl fiel auf das letztere, da ich der Meinung war, dass man damit genau an der Basis, also in der Nähe der ärztlichen Tätigkeiten, ist und außerdem angemessen verdient. Ich bekam nach einem Bewerbungsgespräch auch gleich die Zusage. Dann liefen schon die Vorbereitungen für die Ausbildungs-Untersuchungen, Einführungsgespräche und letzten Endes die Unterzeichnung des Ausbildungsvertrages, was mir persönlich am schwersten gefallen ist, denn ich wollte doch Arzt sein und keine Krankenschwester. Einige Wochen später dann eine ernüchternde Nachricht: Eine Absage von der ZVS. Für mich ist damit eine Welt zusammengebrochen (ohne die Sache jetzt unnötig dramatisieren zu wollen). In diesem Gemütszustand habe ich dann auch die Ausbildung begonnen. Wie man sich vorstellen kann, nicht gerade die besten Voraussetzungen. Die ersten Wochen war Schule und im Verhältnis zum Abitur war das ein komplett anderes Niveau, da auch Abgänger aus der zehnten Klasse dabei waren. Das Tempo der Stoffvermittlung war nur schleppend und die Unterrichtsthemen waren nicht einmal annähernd interessant. Denn was tangiert mich, als zukünftiger Arzt, wie Patienten gewaschen werden und deren Stuhlgang beurteilt wird. Ich war froh, als die langweilige Schulzeit um war und wir in die Praxis geschickt wurden. Meine erste Einsatzstation war ein Pflegeheim mit Schwerstpflegefällen, wo sich schon nach den ersten Tagen herausstellte, dass das nicht besser war als die Schule. Im Gegenteil, denn dort warteten schwere Arbeit und noch schwerere Schicksalsschläge auf mich. Diese Menschen waren größtenteils kaum ansprechbar. Ich hatte es mit Schlaganfall-, Lähmungs- und Wachkomapatienten zu tun. Einige sogar kaum älter als ich. Zu diesen emotionalen Belastungen kam auch noch die schwere Arbeit, denn über 20 Patienten wollten jeden Tag gewaschen, gewindelt, gefüttert und beschäftigt werden. Außerdem musste ich diese heben muss, zum Beispiel aus dem Bett in den Rollstuhl usw., wobei viele von ihnen wohlgenährt und deutlich größer waren als ich. Mit den Schwestern der Station bin ich auch nicht so super ausgekommen, da Krankenschwestern gerade Schülern gegenüber eine ungewöhnliche Umgangsart haben. Ich möchte das auf keinen Fall generalisieren, aber dies fiel mir auch auf anderen Stationen auf.

So quälte ich mich zwei Monate immer abwechselnd durch die totlangweilige Schulzeit und die schwere Arbeit, immer nur mit dem kleinen Lichtblick vor Augen, dass bald wieder die Bewerbungen für das Studium liefen. Für mich war klar, dass ich diese Ausbildung auf keinen Fall zum Ende bringen würde, wenn ich die Möglichkeit bekämme zu studieren. Aber auch zum Sommersemester kam eine Absage.


Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir

Nun bin ich schon über ein halbes Jahr dabei und meine Kontrahaltung gegenüber der Ausbildung hat sich etwas relativiert. Ich werde mich trotzdem dieses Wintersemester noch einmal bewerben, sollte es jedoch nicht klappen, werde ich die Ausbildung erst einmal zu Ende machen. Ich möchte zwar immer noch sehr gerne studieren, aber mit der Zeit sehe ich auch Vorteile, die sich durch die Ausbildung für das Studium ergeben. Beispielsweise habe ich damit schon mein Pflegepraktikum abgeleistet und muss mich damit nicht im Studium rumschlagen. Ich bin, wenn ich das Studium beginne, vorerst finanziell unabhängig, weil ich bis zum Ausbildungsende sehr viel Geld zusammen gespart haben werde. Hält man die Ausbildung ein halbes Jahr durch, wird es auch langsam interessanter, denn der Stoff wird anspruchsvoller – man lernt nicht nur anatomische Begriffe und Zusammenhänge, sondern beispielsweise auch wie Spritzen verabreicht werden und außerdem wird man in einigen Fächern von Ärzten unterrichtet. Das dabei erlangte Wissen kann mit Sicherheit auch im Studium von Nutzen sein. In der Praxis hat man die Möglichkeit bei ärztlichen Tätigkeiten über die Schulter zu schauen. Dabei kann man auch gleich austesten, ob das wirklich das ist, was man sich unter dem Berufsbild Arzt vorgestellt hat. Und wer sich schon etwas intensiver mit dem „AdH“ (Auswahlverfahren der Hochschulen) beschäftigt hat, weiß, dass einige Unis eine vorangegangene Ausbildung im medizinischen Bereich sehr zu schätzen wissen. Außerdem kann in dieser Ausbildung etwas noch viel wichtigeres erworben werden: Die Fähigkeit menschlich zu sein. Denn wenn so intensiver Kontakt zu anderen Menschen gewährleistet ist, muss man sich früher oder später mit ihnen beschäftigen. Dadurch realisiert man das vielleicht die „nervige Omi“ in Zimmer 2 eine sehr liebe Person ist, die nur etwas Zuneigung sucht, weil sie niemandes hat. Ich habe gelernt jeden Patienten, oder vielmehr jeden Menschen, als Individuum zu betrachten und nicht als etwas nur zur Arbeit gehöriges...

Es ist jedem selbst überlassen, ob das Krakenschwester- bzw. Krankenpflegerdasein etwas für ihn ist. Das Klischee von auf Stöckelschuhen durch die Gegend laufenden Krankenschwestern, die einfach nur gut aussehen müssen, weil sie später eh einen Arzt heiraten, trifft allerdings alles andere als zu. Die Arbeit ist sowohl körperlich als auch psychisch schwer und nicht zu unterschätzen. Ich bin der Meinung, dass man in dieser Ausbildung durch eine „gute Schule“ geht, die für das Leben prägt und besonders den Umgang mit Menschen verändert. Es ist ohne Frage eine Einstellungssache, denn wer sich selbst ständig als „Arzt“ sieht, wird sich schwer damit abfinden können, nicht nur den Ärzten, sondern auch noch dem Pflegepersonal untergeordnet zu sein. Letzten Endes gehört sicherlich eine Form von Resignation dazu, aber ich habe mir schon von einigen Medizinstudenten bestätigen lassen, dass diese sich bezahlt macht.
In diesem Sinne wünsche ich allen Studienbewerbern noch viel Glück!