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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Dr. Dolor als Anästhesist!



Henk from Hell
18.07.2006, 18:19
Hier mein erster Schreibversuch in Sachen Dr. Dolor.....


Das beruhigende Piepsen von Überwachungsgeräten erfüllte den Bereitschaftsraum, als Dr. Dolor aus seinem wohlverdienten Schlaf und – was noch viel schlimmer war – aus einem seiner nicht studententauglichen Träume von Schwester Ulla gerissen wurde. Den Anflug von schlechtem Gewissen angesichts der Tatsache, dass diese Ruhe auf seine Ignoranz sämtlicher unruhigen Piepslaute während seines Bereitschaftsdienstes zurückzuführen war, unterdrückte er sofort. Rudel stand wie ein treuer und grotesk dummer Schoßhund mit einer Tasse Kaffee, einer brennenden Zigarette und den Todesbescheinigungen der Nacht neben der Bereitschaftsliege und reizte Dolor schon in den ersten Sekunden nach dem Aufwachen bis zur Tötungsbereitschaft. Mit einem gegrummelten „Danke“ nahm er das Dargebotene entgegen und verscheuchte Rudel, um sich auf die Aufwachhilfen und die Namen der Verstorbenen konzentrieren zu können.

Nachdem die Nikotin- und Koffeinreservoirs aufgefüllt und die alltägliche Bürokratie erledigt war, machte sich Dolor auf zu einer kurzen Visite auf der Intensivstation.
Mit dem unvermeidlichen Schleimer Rudel und dem neuen PJ`ler Uwe im Schlepptau und unter Mitarbeit des Intensivpflegepersonals begutachtete er den Zustand der armen Teufel,
deren Zustand so schlecht war, dass ein Aufenthalt auf Dolors Intensivstation für sie als Verbesserung gewertet wurde. Als er die zur Lebenserhaltung notwendigen Schritte in die Wege geleitet hatte und das Pflegepersonal wieder vor Aufgaben gestellt hatte, die es Dolors Meinung nach ausreichend überforderte, fühlte er sich bereit für einen weiteren Tag in der Intraoperativen Intensivmedizin. Er füllte seine Taschen mit den nötigen Vorräten an Opiaten und übertrug die Verantwortung für die Intensivstation und die fehlenden Fentanylampullen seinem Assistenzarzt Rudel. Mit beschwingtem Schritt betrat er die OP-Abteilung, wo sich seine gute Laune innerhalb von Minuten verflüchtigte. Nicht nur hatte sich irgendjemand seiner geliebten Thermokaffeetasse bemächtigt und ihm einen Praktikanten aus dem Rettungsdienst zugeteilt, auch PJ´ler Uwe, der sich in Inkompetenz und Schleimigkeit mit Rudel messen konnte, war aufgetaucht. Wie um den Tag komplett zu versauen hatte Dolors ungeliebter Chefarzt ihn auch noch Professor Makel zugeteilt, einen Perfektionisten und Pedanten von Plastischem Chirurgen. Dieser hatte nicht nur die unangenehme Angewohnheit,
OPs nur ab vier Stunden aufwärts zu planen, er bestand auch auf Schwester Ulla als Instrumenteurin, was ihm den Ausblick auf ihre Kurven mit einem sterilen Kittel versperrte.
Nachdem er zwei jugendliche Patienten für unspektakuläre, aber bitternötige Kieferplastiken eingeleitet und ausgeleitet hatte, steuerte der Tag seinem Tiefpunkt entgegen: Eine lange, lange Osteoplastik an Unter- und Oberkiefer. Nach der Einleitung, die das Prädikat „Langweilig“ verdiente und nachdem die schluchzende Mutter des Patienten aus dem Vorraum verjagt war, begann der Professor zu stümpern. Als er schließlich Unter- und Oberkiefer aus der Schädelbasis gelöst und in handliche Stücke gesägt und gemeißelt hatte, begann er damit, diese mit in Liebe und langwieriger Kleinarbeit zurechtgebogenen Metallplättchen neu zu verbinden. Im Gegensatz zu Uwe und dem blassgrünen Praktikanten döste Dolor friedlich, als der Notfall schließlich eintrat. Irgendwie hatte der Professor es geschafft, trotz der gewissenhaften Fixierung den transnasalen Tubus zu ziehen. Der Patient nahm dies zum Anlass, trotz Weisungsgemäß eigentlich leerem Magen zu erbrechen und das Erbrochene umgehend zu aspirieren. Die folgenden zehn Minuten gehörten Dolor. Er schaffte es, mit seinen Tätigkeiten den Praktikanten in Ohnmacht fallen zu lassen und Uwe für sein kommendes Berufsleben zu traumatisieren. Der Versuch der Neuintubation und Absaugung gingen zwar noch relativ unblutig über die Bühne. Als Dolor sich jedoch entschied, auch noch eine Tracheotomie zur Sicherung der durch den fachmännisch zerlegten Kiefer blockierten Atemwege vorzunehmen und darüber zu beatmen, hörte er befriedigt den Praktikanten hinter sich auf dem Boden aufschlagen. Nachdem er den nun wieder stabilen Patienten an den herbeigerufenen Rudel übergeben hatte, und nicht ohne sorgfältig auf die Finger des noch bewusstlosen Praktikanten zu treten, verließ er den OP, um sich unblutigere Kleider zu holen, Schwester Ullas bewundernde Blicke im Rücken.
Er wusste, warum er Anästhesist geworden war…

krumel
18.07.2006, 19:14
Wirklich gut! Gratulation!