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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Noradrenalin und Betablocker auf der Intensivstation



Boergemaus
03.01.2014, 00:57
Hi.

Ich habe eine Frage zum Thema Noradrenalin und Betablocker auf der Intensivstation.

Bei uns ist es, ich nenne es einmal "verpönt", bei Patienten mit laufendem Noradrenalinperfusor gleichzeitig
dauerhaft Betablocker z.B. zur Frequenzsenkung zu verabreichen.
Hintergrund ist sicher die gedachte sich aufhebende Wirkung bezüglich des Blutdruckes, da Noradrenalin als alphaadrenerger Vasokonstriktor und (etwas weniger?) betaadrenerger Inotropiesteigerer den Druck oben halten soll und demgegenüber z.B. Metoprolol über eine (mehr oder weniger selektive) beta1-Blockade am Herzen die Inotropie (Chrono-/Dromo-/Bathmotropie) und somit den Druck insgesamt erniedrigt.
Betablocker hemmen jedoch meines Wissens auch die Dilatation der glatten Gefäßmuskulatur und müssten zumindest theoretisch dadurch den Blutdruck erhöhen (wenn auch auf Grund der beta1-Selektivität sicher nur gering).
Mir ist nicht klar, ob sich die Wirkung des Noradrenalins auf den Blutdruck duch die Gabe von z.B. Metoprolol wirklich deutlich abschwächt.

Häufig stehe ich vor dem Problem, dass ältere septische Patienten mit laufendem Noradrenalinperfusor plötzlich und auch teilweise länger andauernd eine mehr oder weniger ausgeprägte Tachyarrhthmie trotz Volumentherapie entwickeln und ich entweder mit Betablocker oder dann Amiodaron gegensteuern muss.
Welches das probate Mittel ist und warum ihr welches verwendet würde ich gern wissen.
Gebe ich in dieser Situation (auch längerfristig) Betablocker zur Frequenzsenkung und damit erhoffter Blutdruckstabilisierung oder mache ich damit, wie oben genannt, die Noradrenalinwirkung zunichte oder schadet das eher nicht? Zur weiteren Frequenzkontrolle wäre ja ohnehin der Betablocker indiziert.
Amiodaron hat zwar nicht diese Nebenwirkung auf den Blutdruck und hilft oft auch sehr gut, jedoch ist es mit sehr vielen anderen Nebenwirkungen behaftet und die Indikation viel enger zu stellen.

In einer kürzlich publizierten Studie bezüglich Beatblocker und Sepsis blieb der mittlere arterielle Druck erhalten, trotz eines deutlich geringeren Noradrenalin-verbrauchs in der Esmolol-Gruppe.
(http://www.aerzteblatt.de/archiv/152487/Intensivmedizin-Sind-Betablocker-bei-septischem-Schock-nuetzlich?src=search).

Also: wie ist euer Vorgehen in dieser Situation und was würdet ihr empfehlen?
Würdet ihr Betablocker auch bei ITS-Patienten mit bestehendem bekannten Vorhofflimmern und aktueller Hypotonie mit Noradrenalinpflichtigkeit absetzen? Wenn ja, wie behandelt ihr dann auftretende Tachyarrhythmien?

Danke für eure Antworten!

Sebastian1
03.01.2014, 03:53
Bei Septikern bin ich eher zurückhaltend mit Betablockern, weniger wegen einer Überlegung bezüglich Noradrenalin, sondern weil ich schon mehrfach erlebt habe, dass diese Patienten mitunter extrem darauf reagieren können, auch in geringen i.v.Dosen. orale Medikation die ich allerdings fort, um nicht im Rebound zu landen. Was ansonsten noch gut funktioniert wäre Digitoxin. Ansonsten ausgeglichene Elyte, Volumenstatus oder, wenn es nicht anders geht wegen Instabilität, Kardioversion. Letzteres eher zurückhaltend...

Fr.Pelz
03.01.2014, 17:28
Bei uns wird dann auch häufig digitalisiert.

derAnda
03.01.2014, 18:37
Bei Septikern bin ich eher zurückhaltend mit Betablockern, weniger wegen einer Überlegung bezüglich Noradrenalin, sondern weil ich schon mehrfach erlebt habe, dass diese Patienten mitunter extrem darauf reagieren können, auch in geringen i.v.Dosen. orale Medikation die ich allerdings fort, um nicht im Rebound zu landen. Was ansonsten noch gut funktioniert wäre Digitoxin. Ansonsten ausgeglichene Elyte, Volumenstatus oder, wenn es nicht anders geht wegen Instabilität, Kardioversion. Letzteres eher zurückhaltend...

Dem kann ich nur zustimmen. Jemanden seine Bedarfstachykardie zu therapieren kann unschön enden. Musste ich leider auch schon ein paar mal miterleben. Gerade septische Patienten sind ja nie richtige euvoläm. Daher bin ich mit ß-Blockern zur Frequenzkontrolle eher zurückhaltend. Gleiches gilt für Amiodaron, zumal ältere Herrschaften da nach Umspringen in den Sinusrhythmus auch gerne unangenehm langsam werden können. Volumen und E'lyte (damit geht man ja auch häufige Ursachen einer spontanen Tachyarrhythmie an), Digitalis z.B. bei anhaltendem tachykarden VHF, Amiodaron erst wenn ich die anderen Optionen ausgeschöpft habe und Kardioversion wenn's wirklich druckwirksam ist.


Nebenbei: anders als man bei der von dir ja richtig beschriebenen Wirkweise von Noradrenalin eigentlich vermuten sollte, beobachtet man ja häufig eher Reflexbradykardien unter NA. Die Beta Wirkung kommt gefühlt erst bei sehr hohen Dosen zum tragen.

Boergemaus
06.01.2014, 18:09
Danke für eure Antworten!

Richtig, eine Digitoxinbehandlung wird in solchen Fällen bei uns auch manchmal durchgeführt, jedoch ist
das Vorgehen eigentlich nie einheitlich.
Beim Digitoxin habe ich das Problem, dass es erstens (so zumindest meine Erfahrung) nicht so rasch wirkt
und ich zweitens die Patienten eigentlich nicht dauerhaft auf Digitalis einstellen möchte.
Grund sind Studien, welche auf eine erhöhte Mortalität bei Patienten mit VHF hinweisen.
(http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23186806).
Würdet ihr dann Digitoxin nur kurzzeitg einsetzen und es nochfolgend, sollte das VHF ausreichend frequenzkontrolliert sein, wieder absetzen? Eher nicht, oder?
Hat jemand Erfahrungen mit Kalziumantagonisten wie Verapamil oder Diltiazem in solchen Fällen?

Ich finde die ganze Sache ehrlich gesagt ziemlich kompliziert :-)