Das EuGH mag ja an sich edle Absichten verfolgen, wenn man es aber nun in all seinen Konsequenzen bedenkt, werde ich zumindestens damit nicht wirklich glücklich. Denn ehrlich gesagt, was hat es uns denn bisher gebracht bzw. was wird es denn noch im Stande sein zu erreichen ? Also erst einmal die Fakten, ich verdiene seit der Einführung der neuen Regelung 500 Euro weniger ( von ehemals 2150 Euro nun 1650 Euro ). Das ist schon ein sehr schmerzlicher Einschnitt, aber das muß ich hier ja wohl niemandem erklären. Daraufhin erfolgt normalerweise das Argument, daß ich dafür nun doch mehr Freizeit hätte. Nun ja, in meinem speziellen Fall ein schwaches Argument, denn was habe ich davon bis 22.00 Uhr meinen Spätdienst zu leisten, um dann am nächsten Tag wieder um 7.30 Uhr in der Klinik zu sein? Bis ich meine Übergaben gemacht habe und der letzte Handschlag auf Station getan ist, ist es sowieso meistens schon 22.30 Uhr, und wenn man so wie ich 45 bis 50 Minuten nach Hause fährt, dann lohnt es sich nun wirklich nicht, nur zum Schlafen nach Hause zu fahren. Ich übernachte also wie viele andere die nicht gerade um die Ecke wohnen in der Klinik, weil es einfach keinen Sinn macht für 9 Stunden das Klinikum zu verlassen. Außerdem passiert es ziemlich häufig, daß man kurz vor 22 Uhr noch einmal auf die RST gerufen wird (solange der Neurologe da ist wird das halt ausgenutzt). Und wer mal ernsthaft neurologisch tätig war weiß, daß so ein Konsil bzw eine Aufnahme locker eine Stunde dauern kann. Wir haben dann zwar die Anweisung um 22 Uhr einfach zu gehen und den Fall an unseren Hintergrund zu übergeben. Und wenn der aber deswegen nicht reinkommen will, dann muß der Internist den Pat. halt aufnehmen. Ehrlich gesagt, macht das natürlich keiner von uns, es ist dann aber schon ärgerlich, wenn man eigentlich Schluß hat und 5 min vor Dienstende noch ein Schlaganfall reinkommt. Das zum Thema mehr Freizeit. Mir ist es dann ehrlich gesagt lieber, wenn ich dann regulär bis zum nächsten Tag durcharbeite, um dann nach der Übergabe gegen 9 Uhr die Klinik verlassen kann und einen ganzen freien Tag vor mir habe. Das mögen andere ganz anders sehen, aber zusammengefaßt arbeite ich lieber von 7.30 bis zum nächsten Tag 9 Uhr als von 11.15 Uhr bis 22 Uhr und am nächsten Tag wieder regulär von 7.30 Uhr bis offiziell 16.00 Uhr. Aber ich verstehe es schon, wenn vor allem unsere chirurgischen Kollegen keinen Bereitschaftsdienst mehr wollen. Alles in allem bislang kein wirklicher Zugewinn. Mal ganz abgesehen davon, daß die Qualität der Versorgung natürlich rapide abnimmt. Wie schon gesagt, die Internisten versorgen dann die neurologischen Notfälle, und das läuft leider häufig schief. Oft werden auch Schlaganfallsymptome gar nicht richtig erkannt, vor allem dann, wenn die Klinik etwas dezenter bzw nur bei subtiler neurologischer Untersuchung erkennbar ist. Dazu gehören beinbetonte Hemiparesen ( grob neurologisch wird nur der Armhalteversuch durchgeführt), Hemianopsien ( werden dem Augenarzt vorgestellt ) bzw natürlich komplexere Krankheitsbilder, wie zum Beispiel ein Wallenbergsyndrom, das man auch bei bereits erfolgter Demarkation gewöhnlch im cCT nicht sieht. Ich will da jetzt auch nicht zu sehr ins Detail gehen, aber manch einer unserer Patienten würde, wenn eine fachspezifische Behandlung erfolgt wäre, möglicherweise ein kleineres neurologisches Defizit mit sich herum tragen. Hinzu kommt, daß natürlich mit zunehmender Dauer der Regelung unsere Hintergründe immer weniger Lust haben nachts in die Klinik zu fahren. Eine verständliche, aber auch irgendwie beängstigende Entwicklung. Und abgesehen davon haben die Internisten mit Abstand die schlechtesten Bedingungen mit ihrem fachübergreifenden Schichtdienst. Sie tragen die Verantwortung für die Pat., auch wenn sie von dem entsprechenden Fach keine guten Kenntnisse besitzen, und es bedarf schon einiger Überwindung für einen frischgebackenen internistischen Assistenzarzt nachts den Chefarzt der Neurologie zu wecken, weil man einen Pat. nicht richtig einschätzen kann. Also versuchen es viele erst einmal selber und manchmal geht es dabei halt leider schief.
Man mag nun argumentieren, daß die Umsetzung des EuGH Urteils schlecht sei, aber was soll denn anders werden? Es ist einfach nicht möglich unter den neuen Bedingungen die gleiche Qualität beizubehalten. Man macht es sich einfach zu leicht zu sagen, das Krankenhaus müsse mehr Leute einstellen um einen Schichtdienst aufzubauen. Und woher soll das Geld kommen ?? Durch die Einführung des DRG Systems verdienen die meisten Krankenhäuser de facto weniger als zuvor, aber auch wenn sie genauso viel erwirtschaften würden, reicht das Geld doch nicht aus, um in sämtlichen Fachrichtungen neue Leute einzustellen, zumal ja bekanntermassen viele Krankenhäuser um das finanzielle Überleben kämpfen. Also von der Seite her, denke ich nicht, daß wir da noch sehr viel Positives erwarten können. Nicht, daß ich ich jetzt falsch verstanden werde, ich würde es mehr als begrüßen, wenn neue Assistenzärzte eingestellt werden würden, um einen Schichtdienst aufzubauen. Und schön wäre es auch ein vernünftiges Gehalt dabei zu bekommen und nicht mit 1650 Euro die Klinik zu verlassen. Aber ob sich das jemals realisieren läßt wage ich ernsthaft zu bezweifeln