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  1. #1
    Kramtante
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    Da ich dazu neige, gnadenlos abzuschweifen bei solchen Geschichten, habe ich einfach mal ganz unkreativ die Fragen aus dem Eingangthread übernommen.

    1. Allgemeine Daten zur Klinik
    Martin-Luther-Krankenhaus Berlin, Abteilung für Unfallchirurgie, Caspar-Theyß-Str. 27-31, 14193 Berlin-Grunewald, Tel.: 030-8955-3025, Chefarzt ist Prof.Dr.Hertel, Ansprechpartner für Famulaturen ist OA Dr.Goeldel
    Im Internet zu erreichen unter www.mlk-berlin.de
    Das MLK hat ca. 320 Betten, ist ein Haus der Regelversorgung mit den Abteilungen Innere Medizin, Plastische Chirurgie, Allgemeinchirurgie, Unfallchirurgie, Gynäkologie und Geburtshilfe sowie Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin. Die unfallchirurigische Abteilung hat ca. 70 Betten auf 2 Stationen verteilt sowie 2 von 5 OP-Sälen.

    2. Betreuung und Arbeitsklima
    Die Betreuung erfolgte durch die Stationsärzte, die fast durchgehend Fachärzte für Chirurgie/Unfallchirurgie sind. Ich wurde einer Station zugeteilt, auf der normalerweise drei Stationsärzte sind (zwei Fachärtze, ein AIPler bis 01.10., danach Assistenzarzt ;)). Permanent anwesend sind sie zu dritt aber selten, da mindestens einer immer wegen OP, Urlaub oder Dienst nicht da ist. Wechselt immer und ist tagesabhängig.
    Vorneweg: Die Betreuung habe ich als gut empfunden. In den ersten Tagen bzw. in der ersten Woche wird einem recht genau auf die Finger geschaut, was man kann oder nicht kann. Es wird viel erklärt, wie was gemacht werden soll, es werden Tips gegeben, vermeintliche Standards erklärt (die sich z.T. als Gusto des entsprechenden Stationsarztes entpuppen. *lol*). Danach werden entsprechend Aufgaben verteilt. Kann man etwas nicht: Bescheid sagen! Es wird einem gezeigt und erklärt. Es gilt ein wenig das Sesamstrassen-Prinzip: "Wer, wie, was? Wieso, weshalb, warum, wer nicht fragt..."
    Die Betreuung habe ich, dank "meiner" Stationsärzte was die Anleitung für praktische Tätigkeiten anbelangt, als sehr lehrreich und gut empfunden, auch wenn die Art, Dinge beizubringen, z.T. etwas schräg war. Dazu später mehr.
    Leider musste man sich manchmal Aufgaben "suchen" wenn keiner der Ärzte auf Station war, das hielt sich zeitlich aber in Grenzen. Wenn mal wirklich gar nichts los was, gab's auch immernoch den OP, da gab's immer was zu gucken und meist auch was zu tun.
    Famulanten waren wir im Winter drei, dafür keine PJler. Im Sommer waren es drei PJler auf den Stationen, zwei in der Rettungsstelle und drei AIPler (wobei sich die Arbeitsaufgaben mit denen der AIPler nicht überschneiden). Plus zwei Famulanten.
    Der Umgang im Team ist ausnahmlos gut. Das "Du" mit den Fachärzten und Assistenten ist normal, nur Oberärzte und Chef werden gesiezt (auch wenn die Oberärzte einen duzen...). Manchmal kommen ein wenig schräge Sprüche und Witze, die z.T. sehr zynischer Natur sind, sie sind aber nicht böse gemeint und eigentlich nie gegen Kollegen gemünzt (und als Kollege wird man schon behandelt). Es wird ordentlich "Danke" und "Bitte" gesagt und gebrüllt wird im OP auch nicht. An meinem ersten Tag (mein erstes Mal am Tisch) wurde mir gesagt: "Wir brüllen hier nicht rum und werfen auch nicht mit Messern." Das habe ich als sehr angenehm empfunden und hat meine Vorurteile gegenüber der Chirurgie ziemlich entkräftet.

    3. Praktische Tätigkeiten / Aufgaben / Tagesablauf
    Meine Vorkentnisse waren nach dem ersten klinischen Semester eher dünn. Ich hatte keinen Chirurgie-Kurs vorher, nur Pharma, MiBi und KLIC. Das war eher wenig und hat mir dort nicht überragend viel gebracht. Die Dinge, die wichtig sind, werden einem recht schnell beigebracht bzw. dies geschieht z.T. mittels "Try-and-Error-Methode". Sprich: Man wird vor ein Rö-Bild gestellt, soll dazu was erzählen (ohne grosses Publikum natürlich), erzählt, erzählt, erzählt. Antwort: "Gut. Alles falsch. Also, das ist so und so..." Man wird aus der Reserve gelockt! Das mag einigen Leuten ziemlich fies vorkommen, ABER: Ist es nicht! Fehler werden aufgezeigt, aber es wird immer ein Konzept mit an die Hand gegeben, was man besser machen soll und auf was man achten soll. Ich möchte hier hervorheben, dass es Ärzte in der Abteilung gibt, die sehr viel wert darauf legen, dass man ein Handlungskonzept hat, anhand dessen man sich über Therapie und Diagnostik Gedanken macht. Sprich: Warum mache ich was zu welcher Zeit, was ist wichtig, und was weniger wichtig. Wenn man einen Eindruck dessen bekommen und dies ein Stück weit verinnerlicht hat, dann hat man in meinen Augen eine Menge mitgenommen.
    Mein Aufgabengebiet hat sich nicht grossartig von dem unterschieden, was man eben als PJler so macht: Blutabnehmen, Zugänge legen (kommt allerdings wohltuend selten vor), Aufnahmen für elektive Eingriffe machen. Bei den Aufnahmen hat man, wenn man begriffen hat, um was es geht, relativ freie Entscheidung, was an zusätzlicher Diagnostik gemacht werden sollte. Da man aber keine Rö-Anforderungen selbst unterschreiben darf, ist die Gefahr, da eklatant was falsch zu machen, recht gering, da das eh immer dem Stationsarzt/Diensthabenden unterschrieben werden muss.
    Ausserdem sagen die Schwestern meist recht genau, was noch fehlt und was ggf. noch laufen müsste.
    Arbeitszeiten sind vom 7.30 Uhr bis 15.42 Uhr. Also grob gesagt bis ca. 16Uhr, wenn nichts los ist, kann man auch mal um 14 Uhr gehen, sagt niemand was.
    Tagesablauf
    7. 30 Uhr-ca. 8 Uhr Röntgen-Demonstration mit OA Radiologie, danach kurzes
    Durchsprechen des OP-Programms, "Gibt's was besonderes?" Die Dauer der Veranstaltung kann in Abhängigkeit von Röntgen-Bildern sehr unterschiedlich sein.

    8 Uhr (ca.): Beginn Stationsarbeit. Für Famulanten und PJler erstmal Blutabnehmen, danach Visite.
    8.15 Uhr Unter PJlern und Famulanten wird sich nach der Besprechung abgesprochen, wer in den OP geht, falls "Student im Praktischen Jahr" an einer der ersten Positionen mit auf dem Programm steht. Da kann die Blutabnahme auf Station auch an jemand anderen weitergegeben werden oder mittags gemacht werden, OP geht vor.

    8-ca. 10.30Uhr: Visite. Dabei: Pflaster kleben, Redons ziehen, Klammern entfernen, zuhören, Organisatorisches mitmachen.

    ab 10.30 Uhr: Allg.Verwaltungskrempel. Sprich: QS-Bögen machen, AHB-Anträge ausfüllen etc. pp. Wer Briefe schreiben bzw. diktieren lernen will: Hier ist der richtige Ort, das zu tun. Jeder der Stationsärzte bringt einem das bei und macht darauf aufmerksam, was wichtig ist. (Unfall-)Chirurgische Arztbriefe unterscheiden sich z.T. doch gravierend von denen in der Inneren Medizin.

    Ausserdem gibt's Aufnahmen, Verbände machen bzw. Patienten nach OPs aus diesen rauschschneiden.

    Mittags geht's abhängig vom Stationsarzt zum Mittagessen (dazu unten mehr).
    Nachmittags gibt's dann entweder noch Aufklärungen oder restliche Aufnahmen, aufs Labor reagieren (EK's anhängen, Medikation umstellen) und noch mehr Verwaltung.
    Dies gilt für den reinen Stationsablauf.
    Zwischendurch ruft auch gerne mal der OP an.

    Im OP sind die Aufgaben recht einfach umrissen: Haken halten. ABER: Bei Nachfrage (bei den OAs) wird gut erklärt, beim Chef auch ohne Nachfragen (er erzählt eigentlich immer, manchmal weiss man nicht so recht, wen er damit meint, aber es ist immer interessant und gut verständlich). Wer nur Haken halten will, kann das machen, wer ein wenig mehr machen möchte, bekommt schnell die entsprechenden Dinge beigebracht. Als ich im MLK anfing, konnte ich keine Schere richtig halten, am Ende der Famulaturen durfte ich bei kleinen Eingriffen 1.Assistenz mitmachen, Nähen, Knoten etc. blabla, eben das ganze Programm für den Nachwuchs. Es ist abhängig vom persönlichen Einsatz, wieviel die Leute einem zumuten. Die PJler sitzen meist ihr Pflichtertial ab und sind nicht gerade übermotiviert, deshalb stechen motiverte Famulanten meist positiv raus.
    Ein Wort noch zum Nähen: Man muss sich gnadenlos vordrängeln, da sonst die Naht entweder vom Operateur selbst gemacht wird (ok, mit einer Ausnahme), oder es wird getackert. Den Umgang mit dem "Royal Auto Suture" beherrscht man aber recht schnell und ist eher langweiliger Natur. Der Chef näht übrigens grundsätzlich selbst und tackert und adaptiert selbst... Interessant zum Zusehen, mehr aber auch nicht.
    Man lernt im OP auf jeden Fall gut das ganze Drumherum: Waschen, anziehen, abdecken etc. Das macht in meinen Augen eine Menge aus und fällt schnell unter den Tisch, wenn es darum geht den eigenen "Lernzuwachs" zu beurteilen.

    4: Drumherum
    Die Verpflegung in der Kantine ist meinen Augen zu teuer (€2,60) und schlecht. Man kann gut drauf verzichten, für Studenten gibt's Mitarbeiterpreise in der Cafeteria. Im Bistro gelten ebenfalls Mitarbeiterpreise, es gibt aber eine grössere Auswahl. Dafür sitzt man unter Besuchern und Patienten.
    Eine Unterkunft für auswärtige Famulanten kann über das Sekretariat von Prof. Hertel (Frau Koch) im Schwesternwohnheim organisiert werden. Wieviel das kostet, muss man bei ihr erfragen.
    Die Verkehrsanbindung ist gut. Der S-Bahnhof Halensee (Berliner S-Bahnring) ist in ca. 10 Minuten zu Fuss zu erreichen, die Bushaltestelle Bismarckplatz in ca. 5 Minuten, die Bushaltstelle Grieser Platz liegt direkt am Krankenhaus. Das MLK liegt am westlichen Ende des Kurfürstendamms in einer gehobenen Wohngegend.
    Arbeitskleidung in Form von Kittel und Hose wird gestellt, als Oberbekleidung reicht ein T-Shirt oder Hemd. OP-Kasaks sind verboten. Schuhe so wie überall (Birkenstocks, Nike, Addidas...).

    5: Resumee
    Gut gefallen hat mir das kollegiale Klima und das "Learning by Doing". Weitere Pluspunkte sind der enorme Zuwachs an praktischen Erfahrungen und Fähigkeiten, das Gefordert werden.
    Überhaupt nicht gefallen hat mir, dass man z.T. gegen den schlechten Ruf von "faulen" PJlern ankämpfen muss, das manchmal und auf wenige Ausnahmen begrenzte zickige OP-Personal. Es gibt dort Leute, die einen für grundsätzlich hirnamputiert halten. Dagegen kann und sollte man sich aber wehren.
    Mein fachlicher und emotionaler Zustand am Anfang der Famulatur war aufgekratzt und total ahnunglos. Am Ende abgeklärter, ein wenig routiniert (aber nur ein wenig) und sehr sehr müde. Aber zufrieden ob dessen, was ich gelernt habe. Ausserdem ist es ein gutes Gefühl zu wissen, dass man wirklich nützlich mitarbeiten kann und dafür auch mal ein Lob zu bekommen.
    Körperlich: Bischen Rückenschmerzen und deutliche Bizepszunahme. ;)

    Spontan eigefallen wären mir noch folgende Dinge: Die Abteilung ist in Berlin eine der Adressen für Knie-Chirurgie. Ausser bei Eichhorn in Straubing hat man wohl selten die Möglichkeit, so gute Kreuzbandchirurgie zu sehen. Wen das interessiert, der hat hier die Möglichkeit, wirklich viel zu lernen.
    Entsprechend ist auch die Struktur der Patienten: Sehr viele Privatpatienten, viele BG-Sachen.
    Es gibt eine Kooperation mit dem Ev.Krankenhaus Hubertus in Form eines Endozentrums, der dortige Chef kommt zwei Mal die Woche ins Haus und operiert Knie-TEPs (mit Navigation) und Hüften. Das Klima ist dort ein wenig rauher, aber auch nicht bösartig.
    Die Rettunstelle ist eher klein, das Haus ist kein Traumazentrum, entsprechend auch die Verletzungen die durch die Tür kommen.
    Es gibt zweimal pro Woche eine PJ-Fortbildung (Innere/Gyn und Chirurige/Unfallchirurgie/Anästhesie), die auch von Famulanten besucht werden kann (lt.Chef auch soll).
    Bei Problemen ist der Stationsarzt Ansprechpartner. Allerdings haben auch die Oberärzte und der Chef dafür ein offenes Ohr. Der Chef fragt auch gezielt nach im Sinne von "Gibt es Kritik? Was sollen wir besser machen?" Dabei keine Angst haben, sondern Kritik äussern, er nimmt sie sich zu Herzen!
    Ein Wort noch zur Hierarchie: Trotz des grossen Namens des Chefs (Hertel gilt in Berlin als Kreuzbandpapst, operiert Sportler und Promis Land auf, Land ab und war Ruder-Weltmeister mit dem Deutschlandachter 1966) ist diese nicht sehr ausgeprägt. Man braucht vor niemandem einen Kniefall zu machen und fragen stellen darf man allen! Sie werden gut beantwortet und Kritik gehört!

    Fazit: Die Unfallchirurige im MLK bietet jedem etwas, egal, ob man seine ersten Schritte in der Chirurgie macht oder sich für einen speziellen Bereich der Extremitätenchirurgie interessiert. Wer "nur" Stationsarbeit machen will, wird sich hier austoben können und viele Dinge lernen, die in der Uni eher stiefmütterlich behandelt werden, aber trotzdem den entscheidenen Unterschied für die Kliniktätigkeit ausmachen.
    Geändert von sunrise10086 (21.12.2004 um 11:55 Uhr)
    "If you're gonna be dumb, you'd better be tough."-Johnny Knoxville



  2. #2
    Premium Mitglied Deluxe Avatar von Rugger
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    Klasse Bericht!

    R.



  3. #3
    unsensibel Avatar von Lava
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    schon wieder woanders
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    FA
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    Ich schließe mich an.

    Wenn du Vorurteile gegenüber der Chirurgie hattest, wie bist du dann auf die Idee gekommen, in der U-Chi zu famulieren?
    "tja" - a German reaction to the apocalypse, Dawn of the Gods, nuclear war, an alien attack or no bread in the house Moami



  4. #4
    -= Harnverhalter =- Avatar von Die Niere
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    Hi Sunrise,

    auch wenn Rugger und Janine es bereits schon gesagt haben. Der Bericht ist wirklich super und es hat Spass gemacht ihn zu lesen.

    weiter so, die niere
    “Don't waste your time on jealousy. Sometimes you're ahead, sometimes you're behind. The race is long, and in the end, it's only with yourself” - Mary Schmich (Chicago Tribune)



  5. #5
    Kramtante
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    Erstmal vielen Dank für die Blumen. Damit hatte ich nicht gerechnet, aber trotzdem danke.

    Warum hatte ich Vorurteile? Nun ja, man hört ja so einiges... Cholerische Ärzte, widerwärtige Chauvinisten, blutiges Gemetzel etc. Weiterhin hatte ich mein Pflegepraktikum (zumindest einen Teil) auf einer unfallchirurgischen Station gemacht, und da war es wirklich eklig vom Klima her.
    Mit dieser Famulatur wollte ich der Unfallchirurgie (die ich prinzipiell interessant fand) noch eine letzte Chance geben. Und ich wollte möglichst früh sehen, ob ich ein chirurgisches Fach überhaupt ab kann (langes Stehen , das viele Blut usw.). Letztendlich muss ich sagen: Jupp, geht alles.
    "If you're gonna be dumb, you'd better be tough."-Johnny Knoxville



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