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  1. #1
    Motivation in Person Avatar von RS-USER-Claudi
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    Eigentlich hatte der Frühdienst für Schwester Ulla recht vielversprechend angefangen. Einen Kaffee mit diesem unverbrauchten Studenten, der Frauenherzen höher schlagen ließ, ein vielsagender Blick...
    Der Zeitpunkt hätte also ungünstiger nicht sein können, um hektisch die Tür zur Stationsküche aufzureißen. Die Unterkursschülerin - am heutigen Morgen eigentlich für die Grundpflege zugeteilt - stammelt, mit Frau Jordan auf 107 stimme etwas nicht. Du meine Güte! Wenn eine Schülerin im 1. Lehrjahr so etwas sagte, konnte das nur eins bedeuten.
    Theoretisch hätte man seinen Kaffee also noch getrost austrinken können, aber von alleine würde die blasse Gestalt im Türrahmen sicher nicht verschwinden. Also ging man gemeinsam nachschauen. So ist es halt, wenn die Verantwortung auf den schmalen Schultern der einzigen examinierten Kraft in dieser Schicht ruhte. Kaum hatten sie das Zimmer 107 betreten, meldete sich auch schon lautstark die Bettnachbarin: "Dass die tot ist, hätte ich Ihnen gleich sagen können! Ich dachte nur, es sei Schülerin Ankes Aufgabe, die Verstorbene zu waschen."
    Genau das hatte sie tatsächlich hingebungsvoll getan und sich nur darüber gewundert, dass ihre freundliche immerwährende Ansprache so ganz ohne jede Resonanz geblieben war. Nun gut - so hatte man mehr oder weniger einen Arbeitsschritt gespart und Anke konnte dann ja später einen Abstecher in die Leichenhalle machen, wenn Dr. Dolor den Totenschein ausgefüllt hatte. Schließlich weiß jeder, dass nur der Arzt den Tod feststellen kann -egal wie steif sich der Patient schon anfühlte.
    Bis dahin könnte man die Verlegung der vorlauten Bettnachbarin
    in die Innere Abteilung vorziehen, bevor sich die Geschichte in
    allen Zimmern herumgesprochen hatte. Um alles musste man sich
    selbst kümmern und das, wo sie doch selbst ein bisschen Zuwendung(vorzugsweise männlicher Art) so bitter nötig gehabt hätte!
    Das Badezimmer würde im Fall des Falles wahrscheinlich eher
    einen ruhigen Ort abgeben, als die Stationsküche, dachte Schwester Ulla, als sie ihre Birkenstocklatschen in die Ultrasolwanne fallen ließ. Eine Patientin hatte ihr bei der Mobilisation schwallartig auf die Füße gekotzt, weil Anke beim Halten der Nierenschale den Bogen einfach noch nicht raus hatte. Gut, dass ihr anderes Paar Schuhe, mit dem sie am Sonntagmorgen auf einer Urinpfütze einen bühnenreifen Spagat hingelegt hatte, inzwischen getrocknet war.
    Tagsüber musste man sie füttern, aber nachts pullerten sie ins
    Waschbecken oder auf den Fußboden!
    Mittlerweile war auch Dr. Dolor aufgetaucht und hatte Frau
    Jordan auf Zimmer 107 - Gott habe sie selig - 10 Minuten lang
    mit guten Besserungswünschen vollgequatscht, bis er endlich
    merkte, dass sie ab heute auf seine morgendlichen Visiten
    verzichten würde. Das kommt davon, wenn man vor eigenmächtigen Patientenkonsultationen keine Rücksprache mit der diensthabenden Schwester hielt. Andererseits sollte sie der Schülerin klar machen, dass zur abschließenden Totenversorgung das vollständige Abdecken mit einem Laken gehört...



  2. #2
    Motivation in Person Avatar von RS-USER-Claudi
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    11.03.2003
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    Seufzend betrachtete sie sich im Spiegel und versuchte mit Hilfe der kosmetischen Segnungen des 21. Jahrhunderts ein wenig Farbe auf ihr alterndes Gesicht zu zaubern. Die Konkurrenz schlief nicht - schlimmer noch - die nächste Generation wuchs heran und die Auszubildenden von heute schienen immer jünger zu werden. Vielleicht lag das aber auch daran, dass Dr. Dolor als Mitglied des Prüfungsausschusses bei der Auswahl neuer Schüler ein Wörtchen mitzureden hatte. Trotzdem - so weit wie Pflegehelferin Silke, wegen ihrer hohen Stimme von allen kurz "Piepsi" genannt, würde sie nicht gehen und vor der Oberarztvisite die Krankenakten mit Fotos ihres letzten FKK-Urlaubs spicken...
    Nur zu gut konnte sie sich an diese Visite erinnern, in der Dr. Dolor mit hin und herschwingender Zunge von Zimmer zu Zimmer gehechelt war. Unglaublich wie weit sich manche erniedrigten, nur um einen Arzt abzuschleppen.
    Nachdem die "Altbausanierung" abgeschlossen war, legte Schwester Ulla ihre Schminkutensilien zurück in den Spind und verlies tatkräftig den Umkleideraum. Höchste Zeit einmal nach den anderen zu schauen - ob sie denn auch alle schön arbeiteten, wie es sich für pflegerisches Hilfspersonal gehörte.
    Die morgendliche Plackerei war optimal delegiert - wie immer. Schließlich musste sich ihr Staatsexamen in irgendeiner Weise auszahlen und mit dem Tragen der Verantwortung war Schwester Ulla wirklich mehr als genug beschäftigt. Im Pflegearbeitsraum stand Schülerin Anke und scheuerte die
    Bettpfannen, Piepsi versuchte sich mit der Technik des Inhalators vertraut zu machen - na wenn sie damit mal nicht überfordert war - mit ihrem lächerlichen Rote-Kreuz-Kurs. Und der Student, der sich angeboten hatte heute den Pflegekräften ein wenig unter die Arme zu greifen, ja wo war er denn geblieben? Wollte er nicht Herrn Desdermann in die Wanne stecken? Ulla eilte sofort zielsicher zum Bad und riss unverhofft die Türe auf.
    Und tatsächlich - ein hygienisch reiner Patient in einem vollen Wasserfass und ein erschrockener Student, der gerade noch auf dem Rand des Badezimmerporzellans saß und jetzt, mit dem Heck zuerst, zu seinem Schützling in die Wanne plumpste. Glücklicherweise war dieser kachektisch genug, so dass beide ausreichend Platz im gemütlichen Nass fanden. Eine Wasserwelle schwappte über den Rand und ergoss sich über den gekachelten Boden, Herr Desdermann zog geistesgegenwärtig an der Notfallschnur.
    Erstaunlich schnell stand Piepsi in der Tür - mit ihrem Schmollmund und dem viel zu kurzen Kittel. Na das war doch genau die richtige Aufgabe für sie:
    Einen nackten alten Mann ins Bett bringen! Schwester Ulla hatte zwar nur nasse Füße bekommen - und das kannte sie ja schon - wollte aber unbedingt in den Umkleideraum etwas trockenes anziehen. Und der Student musste natürlich mit, bevor er sich erkältete. Fürsorgepflicht nannte man so etwas und Widerstand war zwecklos. Also zogen die beiden los. Schwester Ulla mit einem Mopp, die zu boden fallenden Tropfen aufwischend, hinter diesem erfrischten tropfnassen jungen Mann her.
    Und als sie diesmal die Tür des Umkleideraums hinter sich zuzog, wusste sie wieder warum sie Krankenschwester geworden war.



  3. #3
    Maskottchen Avatar von RS-USER-Finn
    Registriert seit
    20.01.2001
    Beiträge
    547
    Hallo liebe Dolor-Fan´s:

    Dieser Roman ist jetzt auch als Artikel erhältlich.
    Hier geht´s zum "Schwester-Ulla-Roman"...

    Gruss, Finn.
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    Mein Name ist Finn und als Maskottchen auf Rippenspreizer.de bin ich sozusagen Mädchen für alles!



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