Leichte Durchfallerkrankungen können mit Phytotherapie allein behandelt werden. Bei subakuten Enteritiden, Enterokolitiden und funktioneller Diarrhö ist Phytotherapie symptomatisch, bei infektbedingten Durchfallerkrankungen oder Lebensmittelvergiftung adjuvant einsetzbar. Bei schweren bakteriellen Enterokolitiden kann sie adjuvant zu Antibiotika verwendet werden.
Diarrhö
Durchfall bedeutet eine Zunahme der täglichen Stuhlfrequenz auf mehr als drei Stühle pro Tag und/oder eine vermehrte Stuhlmenge (> 250 g/d). Grundsätzlich unterscheidet man akute Durchfälle, die häufig Leitsymptom bakterieller, parasitärer oder viraler Infektionen oder einer Lebensmittelvergiftung durch bakterielle Toxine sind oder auch nach Einnahme von Medikamenten auftreten. Chronische Durchfälle dauern länger als zwei Wochen und lassen sich einteilen in sekretorische, osmotische und entzündliche Diarrhö sowie Diarrhö durch Motilitätsstörungen.
Ernährung
Die akute bakterielle Enteritis wird am besten mit Nahrungskarenz behandelt. Allgemein können bei akuter Diarrhö Mineralstoffverluste gut mit fettloser Gemüsebrühe und Kräutertee ausgeglichen werden. Anschließend sollte ein langsamer Kostaufbau erfolgen.
Phytotherapie
Akute bis subakute und funktionelle chronische Durchfälle werden mit gerbstoffhaltigen, schleimstoffhaltigen und ätherisch-ölhaltigen Phytotherapeutika sowie durch Adsorption von Giftstoffen und Eindickung des Speisebreis durch Quellstoffe behandelt. Chronisch entzündliche Durchfälle müssen kausal therapiert werden, antiphlogistische, spasmolytische, sedierende und karminative Phytotherapeutika eignen sich hier als Adjuvans.
Gerbstoffhaltige Phytotherapeutika
Zu den gerbstoffhaltigen Phytotherapeutika gehören Tormentillwurzel (Tormentillae rhizoma), getrocknete Heidelbeeren (Myrtilli fructus), Brombeerblätter (Rubi fruticosi folium) und Eichenrinde (Quercus cortex). Sie bewirken eine Abdichtung der Oberfläche der Darmschleimhaut und haben eine adstringierende und indirekt bakteriostatische Wirkung. Kontraindikationen sind nicht bekannt, als unerwünschte Wirkungen werden bei Tormentillwurzel und Eichenrinde gelegentlich Magenbeschwerden angegeben. Tees mit gerbstoffhaltigen Drogen werden bei Diarrhö ungesüßt getrunken, um zusätzliche osmotische Durchfälle zu vermeiden.
Quell- und Schleimstoffdrogen
Quell- und Schleimstoffdrogen sind Flohsamen (Psyllii semen), Indischer Flohsamen (Plantaginis ovatae semen) und Leinsamen (Lini semen), die stuhlregulierend, flüssigkeits- und toxinbindend wirken. Bei Stenosen im Magen-Darm-Trakt, drohendem oder bestehendem Darmverschluss, schwer einstellbarem Diabetes mellitus und Schluckstörungen sind Flohsamen kontraindiziert, ebenso bei Kindern unter zwölf Jahren. In Einzelfällen kann es zu Hypersensitivitätsreaktionen kommen, bei unzureichender Flüssigkeitsaufnahme kann eine Ösophagusobstruktion auftreten.
Leinsamen sind kontraindiziert bei entsprechender Überempfindlichkeit, Stenosen im Gastrointestinaltrakt, nicht funktionellen Erkrankungen des Ösophagus oder der Kardia, Schluckstörungen, Obstruktionsileus, paralytischem Ileus oder Megakolon. Bei Kindern unter zwölf Jahren ist ihre Anwendung nicht zu empfehlen. Da Leinsamen vermutlich einen estrogenen Effekt haben, wird auch die Einnahme für Frauen mit hormonabhängigen Tumoren und in der Schwangerschaft und Stillzeit nicht empfohlen. Häufig kommt es zu Meteorismus. Überempfindlichkeitsreaktionen sind sehr selten. Eine Überdosierung kann zu abdominellen Beschwerden, Flatulenz und möglicherweise zu einer intestinalen Obstruktion führen.
Das ätherische Öl der Kamillenblüten (Matricariae flos) wirkt antiphlogistisch. Kontraindikationen sind nicht bekannt. Als unerwünschte Wirkungen treten selten Magenbeschwerden auf.
Wann welches Phytotherapeutikum?
Bei akutem, unspezifischem Durchfall sind Heidelbeeren und Brombeerblätter mild bis mittelstark wirksame, Tormentillwurzel und Eichenrinde stark wirksame Drogen.
Bei chronischer Enteritis eignen sich Fenchelfrüchte (Foeniculi fructus), Melissenblätter (Melissae folium), Kalmuswurzelstock (Calami rhizoma) und Pfefferminzblätter (Menthae piperitae folium). Alle Phytotherapeutika können für längere Zeit angewendet werden.
Bei HIV-Enteropathie können Indische Flohsamenschalen adjuvant angewendet werden. Es sollte ein Abstand von 30–60 min zur Einnahme von anderen Arzneimitteln eingehalten werden, da ansonsten deren Resorption behindert werden kann. In dieser Indikation sind Flohsamenschalen-Präparate erstattungsfähig. Bei Neigung zu rezidivierenden Diarrhöen unklarer Genese werden adjuvant Flohsamenschalen eingesetzt. Bei rezidivierenden Durchfällen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen eignen sich Tormentillwurzelstock oder Kamillenblüten zur adjuvanten Therapie.
Als mikrobiologische Therapie eignet sich Trockenhefe (Saccharomyces boulardii bzw. cerevisiae). Sie wirkt antagonistisch gegenüber einer Reihe von Darmkeimen und erhöht vorübergehend die Abwehrlage des Organismus. Bei Überempfindlichkeit gegen Bier- und Bäckerhefe, bei geschwächter Immunabwehr und bei Patienten mit Zentralvenenkathetern ist Trockenhefe kontraindiziert, bei Kindern bis zwei Jahren besteht eine relative Kontraindikation. In Einzelfällen kommt es zu Blähungen und Unverträglichkeitsreaktionen.
Hydrotherapie
Eine feuchtwarme Bauchauflage mit einem Heublumensack wirkt bei Diarrhö spasmolytisch und wohltuend. Bei Schmerzen eignen sich heiße Sitzbäder, heiße Leibumschläge und -wickel.
Hinweis: Dieser Artikel stammt aus (
MMW Fortschritte der Medizin, Heft 21, 2010). Er wurde mit freundlicher Genehmigung der Redaktion
MMW Fortschritte der Medizin hier präsentiert.