Famulatur im Fach Geburtshilfe Universität Kaunas Litauen
Auslandsaufenthalt mit Geburtshilfe, Sectio und Co
Hardy Koch
Wie kommt man dazu ausgerechnet in Litauen, einem postsozialistischem Land mit eben den gleichen Zuständen eine Famulatur zu machen? Ich denke es war eine Herausforderung, in einem famulaturtouristisch weniger bewanderten Teil Europas zu sehen, wie man noch mit relativ simplen Methoden ohne Hightech-Medizin, letztere ohne weiteres auch meistern kann.
Ebenso war es die Faszination für das Baltikum mit seinen Menschen, seiner Natur und deren Besonderheiten. Die Bewerbung für die Famulatur lief sehr unbürokratisch ab. Eine kurze E-mail an die Studentenbetreuung der Universität und schon hatte man die Zusage in der Tasche. Darüberhinaus erfragte man noch die Umstände der Unterkunft und schon ging es ab nach Litauen. Freundlicherweise erstattet das Akademische Auslandsamt unter Regie von Frau Kienle die Reisekosten zurück. Diese belaufen sich auf ca. 230-250 DM.
Leider konnte man aber nur zwischen denen zur Zeit laufenden englischsprachigen Kursen wählen, so dass ich mich aus Chirurgie, Anästhesiologie und Geburtshilfe für das letztere entschieden.
Kaunas - zweit grösste Stadt Litauens mit ca. 400000 Einwohnern liegt genau an der Mündung des Flusses Nerus in die Nemunas, dem grössten Fluss im Land.Es gibt sehr viele schöne Kirchen in der Stadt, die der Fülle von Konfessionen Rechnung tragen. Ähnlich sieht es mit der ethnischen Verteilung aus. Neben dem Löwenanteil Litauern leben gerade hier in den Ballungszentren eine grosse Anzahl Russen, Polen, Weissrussen, Letten und Juden.
Jene Tatsache und die ehemalige Zugehörigkeit zur UdSSR machen deutlich, dass man hier mit seinem Englisch nicht allzu viel anfangen konnte. So dass es in meinen Augen schon ein grosser Vorteil war, wenn man ein paar Brocken Russisch konnte.
Nach der 19stündigen Busfahrt quer durch Polen kamen wir, das waren zwei Kommilitonen und ich, in Kaunas völlig erschöpft und nach einer Dusche sehnend in Kaunas an. Diana eine Studentin aus dem 2. Stj. hiess uns herzlich willkommen und schleuste uns Unwissende durch den Dschungel der Stadt. Nachdem wir das erste Mal in unserem Leben mit einem Trolley-Bus, einer Mischung aus Bus und Strassenbahn, gefahren waren, kamen wir dann endlich an einem Hochhaus aus der Plattenbau-Ära an. Dies sollte also unser Heim für die folgenden drei Wochen werden.
Unterkunft
Die Doppelzimmer in einer separaten Wohnung mit Bad waren, zu unserem Erstaunen, sehr modern eingerichtet. Es gab extra eine für ausländische „Kurzbesucher“ eine renovierte Etage in diesem Haus. Dieses war leider nur von Nicht-Litauern bewohnt, denen jedoch der Zutritt zu unserer „Nobeletage“ verwehrt blieb, da nur wir einen Schlüssel bekamen. Kurz und gut - man hatte ausser in der kurzen Zeit des Unibesuchs keinen Kontakt zu litauischen Studenten, was wir alle sehr bedauerten. Doch hatten wir schnell bemerkt, dass wir nicht ganz allein auf dem Flur waren, sondern teilten ihn und die Küche mit einer Kompanie Kakerlaken.
Für das Zimmer zahlten wir 50 $ für drei Wochen. Der erste Tag in der Klinik, wie auch die folgenden, wenn ich ehrlich bin, waren sehr kurz. Der studentische Arbeitstag begann gegen 9.00 Uhr. Nach einer knappen Begrüssung durch den Klinikdirektor wurden wir einer Gruppe von Studenten zugeteilt, die wie wir noch nie etwas von Geburtshilfe gehört hatten. Es wurde zu unserem Glück in gebrochenen Englisch doziert. Hier also hatte das Medical English schon Einzug gehalten.
Es sollten ein paar Tage mit stupiden theoretischen Basics folgen, bevor wir in die Praxis entlassen worden. So hatten wir also innerhalb der kürzesten Zeit die Geburtshilfe drauf - vielmehr sollten wir das.
In den kommenden Wochen konnten wir uns in der Klinik frei bewegen und uns alles anschauen, wonach uns begehrte. So sahen wir oft Ultraschalluntersuchungen und konnten auch selbst einmal unser Glück versuchen. Weiterhin waren wir Dauergast im Kreissaal und OP, wo uns meist der Chef des Kreissaales Dr. Gintautas, eine Kapazität auf seinem Gebiet, selbst betreute, und unternahmen Visiten auf den gynäkologischen Stationen und der Neonatologie.