Auswahl nach Folge-und Begleiterkrankungen
Wichtige Nebenwirkungen der Antihypertensiva der ersten Wahl fasst (s. Tab. 2) zusammen. Bei Patienten, bei denen bereits vor der Behandlung ein Symptom besteht, das durch ein bestimmtes Antihypertensivum verstarkt wird, wird man diese Substanz nach Moglichkeit vermeiden. So wird man bei einem Hypertoniker, der zu Kopfschmerzen neigt, die antihypertensive Therapie nicht mit einem Kalziumantagonisten vom Dihydropyridintyp beginnen. Thiaziddiuretika und ß-Blocker verschlechtern die Glukosetoleranz und begunstigen das Neuauftreten eines Diabetes mellitus. ß-Blocker fuhren auserdem zu einer Gewichtszunahme. Diuretika und ß-Blocker sollten daher nach Moglichkeit vermieden werden bei Patienten mit Diabetes mellitus sowie bei Patienten mit metabolischem Syndrom oder dessen Komponenten, wie Bauchfettleibigkeit, hochnormalen Plasmaglukosespiegeln und pathologischer Glukosetoleranz.Manche Antihypertensiva haben infolge ihrer pharmakologischen Eigenschaften neben ihrem blutdrucksenkenden Effekt gunstige Wirkungen auf Symptome von Folge-oder Begleitkrankheiten der Hypertonie. Bei Herzinsuffizienz senken ACE-Inhibitoren und AT1Antagonisten durch Dilatation der Venen die Vorlast des Herzens. Sie vermindern die Aldosteronsekretion und wirken dadurch der Flussigkeitsretention entgegen. Sie verzogern die Ausbildung einer Herzhypertrophie, einer interstitiellen Fibrose und einer linksventrikularen Dilatation. ß-Blocker senken die Herzfrequenz und wirken antiarrhythmisch. Interventionsstudien haben gezeigt, dass ACE-Inhibitoren, AT1-Antagonisten und ß-Blocker die Mortalitat und Morbiditat bei Herzinsuffizienz senken. Diuretika vermindern die durch Herzinsuffizienz bedingte Odembildung und bessern dadurch verursachte Beschwerden. Sie sind daher neben ACE-Inhibitoren, AT1-Antagonisten und ß-Blockern die bevorzugt eingesetzten Antihypertensiva bei Hypertonikern mit Herzinsuffizienz. ß-Blocker wirken am Herzen negativ dromotrop. Sie haben daher einen bevorzugten Platz bei Hypertonikern mit Vorhofflimmern, deren Kammerfrequenz gesenkt werden soll. ß-Blocker senken den myokardialen Sauerstoffbedarf besonders wahrend physischer oder psychischer Belastung. Kalziumantagonisten verbessern die Sauerstoffzufuhr zum Myokard durch eine Senkung des Koronarwiderstands. Sie verhindern Koronarspasmen und fuhren zu einer Umverteilung des Koronarflusses in ischamische Bereiche.
- ß-Blocker und Kalziumantagonistenwerden daher bevorzugt bei Hypertonikern mit koronarer Herzkrankheit eingesetzt.
Hinweise auf eine eingeschrankte Sicherheit kurzwirksamer Kalziumantagonisten bei koronarer Herzkrankheit haben sich bei Einsatz langwirkender Substanzen nicht bestatigt. Eine 2003 publizierte Metaanalyse kam zu dem Schluss, dass bei der Vermeidung hochdruckbedingter Krankheiten, wie koronare Herzkrankheit und Schlaganfall, sowie bei der Verhinderung kardiovaskularer Todesfalle ACE-Inhibitoren, Kalziumantagonisten, Diuretika und ß-Blocker gleichwertig sind. AT1-Antagonisten sind in dieser Metaanalyse nicht berucksichtigt, da zu dieser Zeit zu wenige Interventionsstudien mit diesen Substanzen vorlagen. In einer 2005 veroffentlichten Metaanalyse von Lindholm et al. wurden die mit ß-Blockern erhaltenen Studienergebnisse den insgesamt mit Diuretika, Kalziumantagonisten, ACE-Inhibitoren und AT1-Antagonisten erzielten Resultaten gegenubergestellt. Dabei zeigte sich, dass ß-Blocker weniger wirksam sind als die anderen Antihypertensiva bei der Verhinderung von Schlaganfallen, dass sie aber gleich effektiv sind bei der Verhinderung von Myokardinfarkten und bei der Verbesserung der Lebenserwartung. Die Ergebnisse der Metaanalyse von Lindholm et al. werden wesentlich beeinflusst durch die MRC-Studie und durch ASCOT. In beiden Studien waren die Blutdruckwerte während der Behandlungsphase bei den mit ß-Blockern behandelten Patienten deutlich höher als in der Kontrollgruppe, wodurch die Unterschiede in der Schlaganfallinzidenz zumindest zum Teil erklärt werden können. In INVEST wurden insgesamt 22.576 Hypertoniker mit koronarer Herzkrankheit entweder mit dem ß-Blocker Atenolol oder mit dem Kalziumantagonisten Verapamil behandelt. Während des Studienverlaufs waren die Blutdruckwerte in beiden Patientengruppen praktisch identisch. Der primäre Endpunkt (Summe von Todesfällen, nichttödlichen Herzinfarkten und nicht-tödlichen Schlaganfällen) wurde in beiden Gruppen gleich häufig beobachtet. Auch nicht-tödliche Schlaganfälle als sekundärer Endpunkt traten in beiden Patientengruppen gleich häufig auf. Die Ergebnisse der Metaanalyse von Lindholm et al. sollten daher mit Zurückhaltung interpretiert werden.Die antihypertensive Therapie ist in der Regel eine Dauertherapie.
Nach Möglichkeit sollten hierfür Medikamente mit einer Wirkungsdauer von 24 h eingesetzt werden. Die damit mögliche einmal tägliche Dosierung erhöht die Zuverlässigkeit der Medikamenteneinnahme und vermeidet Blutdruckschwankungen. Besondere Beachtung sollte auch den nur subjektiv empfundenen Nebenwirkungen gewidmet werden, die zu Unregelmäßigkeiten bei der Tabletteneinnahme oder gar zum Therapieabbruch führen können. Empfehlungen zur Hochdrucktherapie auf der Basis von differenzialdiagnostischen Überlegungen enthält (s. Tab. 3.)