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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst als Berufseinsteiger



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chunminie
01.09.2018, 01:07
Hallo,
ich habe mich für meine alle erste Stelle beworben und würde gerne meine Facharztausbildung in Gefäßchirurgie machen. Jedoch kann ich mich zwischen 2 Krankenhäusern nicht entscheiden. Vielleicht könnt ihr mir da besser helfen?


1. Klinik:
Maximalversorgungshaus hier in meiner Nähe. Die Abteilung hat ca 13-15 Ärzte, davon sind 6 OA. Die Ärzte schienen mir ganz sehr nett zu sein. Die Assistenzärzte haben mir gesagt, dass sie sich gegenseitig unterstützen und dass ich mit 5-6 Bereitschaftsdienste im Monat rechnen kann. Oberärztlich soll die Betreuung jetzt nicht so toll sein, und die Einarbeitung je nach Situation 1-3 Wochen. Die Gefäßchirurgie macht dort eigentlich eher die offenen Operationen. Die endovaskulären Eingriffe werden eher von der Radiologie übernommen.

2. Klinik:
eher eine etwas kleinere Klinik und besitzt mit seinen 30 Betten für die Gefäßchirurgie eine recht große Abteilung. Sie haben gerade 2 aktive Assistenzärztinnen, 1 Assistenzärztin ist im Mutterschutz, 1 FA und 2 OA. Dieses Team ist kleiner aber genauso sympathisch. Anscheinend kommen hier die Assistenzärzte recht öfters in den OPs und jeder von den Ärzten schreibt Briefe oder macht Visite. Also keine richtige Hierarchie und alle scheinen recht gut im Team zu arbeiten. Hier wird Endovaskulärchirurgie von den Gefäßchirurgen durchgeführt. Sie haben keine Nachtdienste, sondern eher Rufbereitschaft. Das liegt daran, dass die Notaufnahme von den Allgemeinchirurgen betrieben wird. Diese Ärzte kümmern sich um kleine Probleme auf Station usw und rufe nur dann den Gefäßchirurgen, wenn es ein größeres Problem gibt. Am nächsten Tag wird nach einer Rufbereitschaft normal gearbeitet. Mir wurde gesagt, dass man erst nach 2-3 Monaten den ersten Dienst macht. Die Betreuung scheint sehr gut sein. Aber ich kann mit 1 Tag hospitieren nicht viel dazu sagen.

So, wie ihr seht, sind beide Krankenhäuser grundverschieden und ich bin sehr durcheinander, welches Krankenhaus besser für den Anfang wäre. Ich habe Angst, dass ich in einer großen Klinik vllt untergehen könnte. Bei einer kleinen Klinik weiß ich nicht, ob ich alles sehen würde, obwohl sie mir eigentlich versichert haben, dass sie alles anbieten. Wegen Rufbereitschaftdienst vs richtiger Bereitschaftsdienst bin ich mir jetzt nicht sicher was besser ist. Findet ihr es blöd als Berufsanfänger nur Rufbereitschaftsdienst zu haben? Würde das aus mir einen schlechten Arzt machen?

Was sagt ihr dazu? Wie würdet ihr euch entscheiden?

Feuerblick
01.09.2018, 04:27
Bei 5-6 Bereitschaftsdiensten nach nur 1-3 Wochen Einarbeitung und bei schlechter oberärztlicher Betreuung wäre Haus 1 für mich schon mal absolut raus... :-nix
Und nein, viele Bereitschaftsdienste machen aus dir keinen besseren Arzt, denn die Weiterbildung sollte in der normalen Regelarbeitszeit tagsüber stattfinden und nicht im Dienst... :-meinung

Kackbratze
01.09.2018, 10:59
Wie ist denn die Einarbeitung in der 2. Klinik?

chunminie
01.09.2018, 15:53
Wie ist denn die Einarbeitung in der 2. Klinik?

Also die Einarbeitungszeit soll länger sein. Rufbereitschaftsdienste würden erst nach 2-3 Monaten beginnen.

chunminie
01.09.2018, 15:56
Danke schön.

Viele sagen mir halt, Rufbereitschaft wären keine richtigen Dienste und damit würde ich kaum was gescheites lernen. Deswegen war ich halt sehr unsicher und wollte eure Meinung dazu hören.

Feuerblick
01.09.2018, 16:02
Wie gesagt: Du sollst in der Regelarbeitszeit was lernen. Wenn du nur im Bereitschaftsdienst lernst, dann läuft irgendwas in der Weiterbildung grundlegend falsch!

juke5489
01.09.2018, 16:26
ob das dienstmodell jetzt eines mit anwesenheits- oder rufbereitschaft ist, sagt weder etwas über die zu erwartenden arbeitszeiten im dienst, noch über das 'lernpotential' aus und es macht in meinen augen keinen unterschied welches dienstsystem am anfang zu bevorzugen sei.

ich bin in einer klinik, wo wir nach der regulären arbeitszeit bis 20 uhr bereitschaft und ab dann bis zum nächsten morgen rufbereitschaft haben. damit bin ich sehr glücklich, aber das system hat auf die von dir angesprochenen faktoren keinen einfluss.

rufbereitschaft ist schöner, weil es zu 100% (+ zuschläge) bezahlt wird, wenn man aktiv ist und man im eigenen bett schlafen kann wenn man es nicht ist. aber jeder hat sein lieblingssystem.

bei der suche nach der geeigneten klinik für dich solltest du eher einen fokus auf die ausbildungsbedingungen und die generellen arbeitsbedingungen legen.

Pflaume
01.09.2018, 16:42
Ich habe als Internist eine Zeitlang in einer Klinik gearbeitet, die etwas ähnlich wie die von dir zweitgenannte Klinik klingt, und da relativ viel mit den Gefäßchirurgen zu tun gehabt, weil ich ein paar internistische Betten auf der gemischt internistisch-gefäßchirurgischen Station und später dann auf der Intensivstation die postoperativen gefäßchirurgischen Patienten betreut habe. Ich bin der Meinung, dass in dieser Klinik die geringe Größe der gefäßchirurgischen Abteilung bestimmt zum Vorteil der Assistenten war. weil die, wie du es beschreibst, relativ gleichberechtigt am gesamten operativen und prä- und postopertiven Alltag beteiligt worden sind. In unserer Klinik mußten die gefäßchirurgischen Assistenten sich allerdings an den allgemeinchirurgischen Vordergrund-Diensten beteiligen... Natürlich sieht man in einer kleinen Klinik nicht alles, was man gefäßchirurgisch machen kann, aber für die ersten paar Jahre war glaube ich die Ausbildung in dem Haus, in dem ich gearbeitet habe, recht gut und praxisorientiert.

anignu
02.09.2018, 00:51
Ein zukünftiger Gefäßchirurg! Endlich. Ich bin mir schon ziemlich einsam hier vorgekommen. Sind ja irgendwie nicht so viele...

Thema Bereitschaftsdienste / Rufbereitschaft. Das kommt völlig drauf an wie die Dienste gestaltet sind und was man lernen will oder lernen soll. Ich hab Bereitschaftsdienste gemacht in denen in für >100 Patienten (Chirurgie, Innere + HNO) sowie für Intensivstation und Notaufnahme zuständig war. Als einziger Arzt im ganzen Haus. Üblicherweise lief das so ab dass ich zwischen 22 und 23 Uhr noch einmal über Intensiv und alle Stationen ging und gefragt hab ob es noch was gibt. Anschließend hab ich mich ins Bett gelegt und meist durchgeschlafen. Klar, mit Notaufnahme kann immer was kommen aber das war selten. Das sind so die einen Bereitschaftsdienste. Eine Nacht -> zwei Tage die einem fehlen auf Station/OP -> eher wenig zu lernen, dafür völlig entspannt. Oder die Dienste einer anderen Klinik: Maximalversorger, als Gefäßchirurg zuständig für alles was viszeralchirurgisch oder gefäßchirurgisch war + viszeralchirurgische Konsile nachts + OPs + Unterstützung in der Notaufnahme. Es gab viele Dienste in denen ich komplett durchgearbeitet hab und die Dringlichkeit der Konsile priorisieren musste. Es waren Höllendienste, aber ich hab als Gefäßchirurg (unter OA-Anleitung) soviele Ileus und lapAE operiert dass ich bald nicht mehr wusste was mein Fach ist etc... Völlig anderes Modell. Sauanstrengend, ich hab so viel gelernt. Vor allem wenn man in einer Nacht meist 10 viszeralchirurgische Konsile macht wird man maximal gebrieft. Der Hintergrund war immer erreichbar und die waren mit uns fachfremden sehr geduldig. Aber ist halt nicht Gefäßchirurgie... Dass ich im Bereitschaftsdienst mal was gefäßchirurgisches gemacht hab ist in den vielen Jahren sehr selten vorgekommen. Wenn Operationen schon laufen wenn man kommt (nein, Gefäßchirurgen überziehen nie ;-) ) dann kommt man ja nicht hin und sagt als Assistent "ich bin jetzt da, ich übernehm, der Rest geht heim". Nein, man stellt sich hinten an und löst den 1. oder 2. Assistenten aus.
Rufbereitschaft: ich kenn Rufbereitschaft als Rufbereitschaft für fachärztliche Fragen bzw. als Operateur oder als reine Rufbereitschaft für OP-Assistenz oder als Rufbereitschaft für Probleme auf der eigenen Station. Ist halt die Frage was für eine Art Rufbereitschaft das ist. Ohne genauere Erklärung man es keinen Sinn sich darüber Gedanken zu machen.

Wo lernst du am Meisten: grundsätzlich lernt man am Meisten wenn man erstmal anwesend ist. Also wenn du im Vordergrund (Bereitschaftsdienst) für die Notaufnahme zuständig bist und die ganze Nacht unfallchirurgischen Schwachsinn (Rückenschmerzen seit Millionen von Wochen, Hüftschmerzen seit Monaten will aber keine TEP sondern eine Siebtmeinung etc.) beschäftigt bist, dann lernst du nichts für Gefäßchirurgie. Aber du lernst was fürs Leben und für die Arbeit in der Notaufnahme. Operationen: es gibt Abteilungen in denen darf man nur im Tagesablauf operieren und andere in denen man quasi nur im Dienst operiert. Ist halt so. Muss man halt versuchen in Erfahrung zu bringen um entscheiden zu können was besser ist.

Gefäßchirurgie an großen und kleinen Häusern: ich kenn Gefäßchirurgie inzwischen von Maximalversorger und eher kleinem Haus und kann sagen, dass der Unterschied im Spektrum vor allem in Komplikationen anderer Abteilungen besteht. Bei Maximalversorgern hat man mehr andere Abteilungen die mehr machen und damit mehr Komplikationen verursachen können. Und die können teils wirklich wild sein. Der Rest kann gleich sein. Aktuell arbeite ich in einem Haus das eher als klein zu bezeichnen wäre, aber die gefäßchirurgische Abteilung ist meiner Meinung nach auf hohem Niveau. Wir machen alles von Varizen über pedale Bypässe, endovaskuläre Sachen, Hybrideingriffe bis hoch zu Carotiden in Lokalanästhesie und vierfach fenestrierte Prothesen. Einzig die offenen thorakoabdominellen Aorten-Eingriffe machen wir nicht. Aber wenn ein kleines Haus mehr als 100 Carotiden im Jahr macht ist das sicher nicht schlecht. Das hat auch den Vorteil, dass für Assistenzärzte mal die eine oder andere Carotis abfällt.
ABER: in kleinen Häusern ist es oft so, dass sie eher die Wald- und Wiesen-Gefäßchirurgie machen. Es sollten schon genug Aorten und Carotiden und elektive Eingriffe dabei sein. Wieso fragst du nicht einfach nach den Zahlen? Kannst mir ja auch mal eine PN schreiben um welches Haus es geht und wie deren Zahlen so sind, dann schau ich mal was ich rausfind.

Endovaskuläres Arbeiten: das endovaskuläre Arbeiten gehört zur Arbeit des Gefäßchirurgen der Neuzeit dazu. Wenn ein Gefäßchirurg heutzutage die endovaskulären Techniken nicht beherrscht, ist er aus dem letzten Jahrtausend. Das klingt grausam, ist es aber auch. Wenn man endovaskuläre Techniken nicht beherrscht, verbaut man sich extrem viele Möglichkeiten und auch Wissen. Die Frage ist halt wieviel macht man selbst im OP. Bei uns ist es so dass auch aufgrund der Qualität unserer Radiologen die nur die einfacheren/häufigen Sachen bekommen. Sobald es schwieriger wird machen wir es selbst im OP. Unsere peripheren Bypässe enden dann auch fast grundsätzlich mit einer Abschlussangiographie und im Zweifel werden die Operationen mit endovaskulären Techniken ergänzt. Klassisch: Femoralis-TEA + Angioplastie ggf. Stent Beckenachse oder Femoralis-TEA + Angioplastie ggf. Stent AFS.
Nochmal zum Thema Wissen: der Gefäßchirurg stellt die Indikationen und betreut die Patienten nicht der Radiologe. Die Radiologen machen ihre Arbeit und schaffen es oder auch nicht in einer Qualität die gut ist oder auch nicht. Was aus den Patienten dann tatsächlich wird, wie die Komplikationen behandelt werden, wie die Strategien bei Misserfolg sind etc. -> Problem der Gefäßchirurgen. Umso mehr man also kann umso besser.

Langsam komme ich glaub ich mal zu deinen eigentlichen Fragen:

Findet ihr es blöd als Berufsanfänger nur Rufbereitschaftsdienst zu haben? Würde das aus mir einen schlechten Arzt machen?
"Schlechter Arzt" -> nein. Ein Arzt der nicht alles weiß? Vermutlich. Die Frage ist: WAS WILLST DU? Willst du eine möglichst breite chirurgische Ausbildung? Dann fang in der Unfallchirurgie an, wechsel dann zur Viszeralchirurgie und erst zum Schluss in die Gefäßchirurgie. Dann hast du eine, in einem gewissen Umfang, breite chirurgische Ausbildung. Oder du willst noch mehr, dann mach erst ein Jahr Psychiatrie, dann ein Jahr Gastroenterologie, dann Kardio, dann Derma, dann Uro, Pulmo etc... und komm dann erst in die Gefäßchirurgie. Dein Wissen ist dann noch breiter, aber bist du deshalb ein besserer Arzt? Ist jemand der ein guter Gefäßchirurg ist aber bei "Rückenschmerzen seit Millionen Wochen" in der Notaufnahme kein klares Konzept hat ein schlechter Arzt? Nein. Dieser Gefäßchirurg ist ein schlechter Unfallchirurg. Aber Moment, das wollte er ja gar nicht sein. Du kennst die Klassifikationen nach Neer/Powell/Garden/Weber/Rockwood/etc. nicht? Egal. Man kann trotzdem ein guter Arzt sein.

Antwort: ein schlechter Arzt kannst du nur durch dich selbst werden!
Ein guter Arzt ist einer der sich um die Patienten kümmert, der seine Grenzen kennt, der einen Patienten nach bestem Wissen und Gewissen berät, der dem Patienten die medizinisch besten Möglichkeiten empfiehlt etc. Frei nach Kant "Ein guter Arzt behandelt seine Patienten so wie er selbst behandelt wollen würde".

Ich habe Angst, dass ich in einer großen Klinik vllt untergehen könnte.
Untergehen: ja. Aber auch verstecken. In einer großen Abteilung kann man auch mal problemlos die Dinge ein wenig schleifen lassen oder Dienste werden leichter übernommen. Es fällt halt auch mehr unter den Tisch. Profilierung ist aber wiederum schwieriger. In einer kleinen Abteilung kann man sich schnell und gut profilieren, bei Leistung kann man schnell die Wertschätzung aller bekommen, bei Neid oder Missgunst oder Missverständnissen aber auch wieder schnell...

Oberärztlich soll die Betreuung jetzt nicht so toll sein
Und das sagen sie einem Bewerber? Wow. Mutig. Das ist ja wie "ihre Weiterbildung ist uns eigentlich egal". Ich mein vor allem in der Gefäßchirurgie, was glaubst du von wem ich gelernt hab? Von den Oberärzten (und vom Chef). Und es lief so oft drauf raus, dass ich Visite gemacht hab und mir irgendwelche Wunden suspekt vorkamen ich mir aber nicht sicher war. Ich also das Handy gezückt hab, ein Foto gemacht hab und es später dem nächstbesten Oberarzt gezeigt hab. In der Gefäßchirurgie ist auch viel Gefühl dabei und viel "selber sehen" oder "selber untersuchen". Hätte ich nicht so tolle Oberärzte gehabt hätte ich weit nicht so viel gelernt.

Was sagt ihr dazu? Wie würdet ihr euch entscheiden?
Ich glaub meine Meinung hab ich ausreichend zum Ausdruck gebracht, ein Aspekt fehlt mir aber noch völlig: die Intensivzeit!

Die Intensivzeit ist zumindest in meinem Bundesland ungefähr DAS Problem der chirurgischen Ausbildung. Jeder muss sie machen, es gibt zu wenig Plätze, jeder will so schnell wie möglich etc. Die Sache ist: wenn du die Intensivzeit hast, dann bist du deutlich wertvoller als jemand der diese Zeiten noch nicht hat. Also für Bewerbungen woanders hin.

Insofern: wenn mir die Klinik 1 garantieren würde dass ich komplett den Common Trunc incl Intensivzeit und Notaufnahmezeit innerhalb der ersten 2 Jahre bekommen würde und Klinik 2 mir sagen würde "ist schwierig, Intensiv müssen wir noch schauen"... dann? Klar. Klinik 1. Denn eines ist klar: es geht nicht nur drum die Gefäßchirurgie zu lernen. Es geht auch darum irgendwann den Facharzt zu bekommen. Und Facharzt ohne Intensivzeit geht nicht. Nach der Intensivzeit wechseln schon.

anignu
02.09.2018, 00:52
Ui. Viel zu lang geworden...

Nessiemoo
02.09.2018, 12:36
Also von deinen Erzählungen klingt Klinik 2 erstmal sympatischer, v.a die gute Einarbeitung.
Klar, man lernt auch in Diensten was und die gehören ja auch zur Ausbildung, aber in Rahmen der Facharztweiterbildung wirst du wohl auch sowieso auf Intensiv und in die Notaufnahme rotieren und da auch Dienste machen (müssen), insofern verpasst du auch nichts.
Bei uns haben auch die Gefäßchirurgen auch einen Spätdienst gehabt, und dann ab 10 Uhr abends Rufdienst, vielleicht gibt es sowas auch in deinem Haus.

Fr.Pelz
02.09.2018, 12:40
Bin ich die einzige, die eine gefäßchirurgische Rufbereitschaft nach 2-3 Monaten als Berufsanfänger ein bisschen sehr früh findet? Gibts dann noch einen Hintergrund, eine Rufbereitschaft der Rufbereitschaft quasi - oder sollst du dann Aortenaneurysmata im Dienst allein operieren können?

freak1
02.09.2018, 14:42
Ich gehe mal stark davon aus das es eine Assistenten-Rufbereitschaft ist und es natürlich noch einen FA/OA im Hintergrund gibt. Alles andere wäre ja mehr als fahrlässig.

Autolyse
02.09.2018, 14:53
Ich unterstelle mal, dass es darum geht, dass sich der chirurgische Assistent nicht mit dem gefäßchirurgischen Oberarzt zu lange feststellt. Gefäßchirurgische Notfälle sind nun einmal wesentlich aufwendiger als die laparoskopische Appendektomie von 20 Minuten Schnitt-Naht-Zeit und gehen dann auch noch häufiger in die Verlängerung, wenn die Fußpulse in der Schleuse schon wieder weg sind und allerspätestens dann ist die Ambulanz rettungslos übergelaufen.

freak1
02.09.2018, 17:19
Wenn ich da an die ganzen Ileusbäuche im PJ denke (Rekord 7h bei zigfach voroperiert und Adhäsiolyse des Grauens) waren die gefäßchirurgischen Notfälle die ich gesehen habe (keine Aortensachen) doch viel zügiger fertig als andersherum. :-))

Solara
02.09.2018, 17:29
Wenn ich da an die ganzen Ileusbäuche im PJ denke (Rekord 7h bei zigfach voroperiert und Adhäsiolyse des Grauens) waren die gefäßchirurgischen Notfälle die ich gesehen habe (keine Aortensachen) doch viel zügiger fertig als andersherum. :-))

Dann habt ihr schnelle GCHler und langsame Bauchchirurgen.

anignu
02.09.2018, 19:11
Dann habt ihr schnelle GCHler und langsame Bauchchirurgen.
Nein nein... ich kenne auch einen Fall in denen wurde mal ein Ileus wirklich lange operiert... Aber auch häufig die 20-30min lap-Ileus mit Lösung der einen Bride.

Man muss ja den Durchschnitt sehen. Im Durchschnitt dauern gefäßchirurgische Notfälle (Abszessspaltungen mal ausgenommen) einfach mal deutlich länger als viszeralchirurgische Notfälle (Abszessspaltungen hier auch ausgenommen). Und sie sind häufiger von der Dauer schlechter planbar. Dafür sind sie aber auch häufig dringender und das hat schon einen großen Vorteil wenn man nicht erst warten muss bis: der Anästhesist den ersten Notfall prämediziert hat, dann irgendwann der erste Notfall eingeschleust wird, dann operiert, dann ausgeschleust, dann machen Anästhesie und OP-Team erstmal Pause, dann wird der zweite Notfall prämediziert etc... Je nach Anästhesist und Motivation sind bei uns die Wechselzeiten im Dienst (also die Naht-Schnitt-Zeit) zwischen 30 Minuten (fast nie, außer bei einer Anästhesistin) über eineinhalb Stunden (häufig) bis zu zweieinhalb/drei Stunden (selten außer bei zwei bestimmten Anästhesisten, da immer). Wenn man also weiß man hat noch einen Notfall zu operieren und der Anästhesist heißt ... und es kommt noch ein kurzer Punkt vor einem dran, dann hat man noch vier Stunden Zeit. Da bin ich dann lieber als erster dran und Gefäßchirurgie sticht fast immer. Notsectio mal ausgenommen.

anignu
02.09.2018, 19:19
und gehen dann auch noch häufiger in die Verlängerung, wenn die Fußpulse in der Schleuse schon wieder weg sind
Das kenne ich ehrlich gesagt irgendwie gar nicht. Ich wüsste nicht, dass wir das jemals gehabt hätten. Bei uns bekommen quasi alle Patienten eine Abschlussangiographie und nach Entfernung der Abdeckung werden nochmal die Fußpulse gedopplert. Insofern kommt gar keiner auf die Idee an der Schleuse nochmal zu dopplern. Erst wieder irgendwann auf der Intensivstation. Vielleicht.

Aber klar: die OP dauert so lange bis die Abschlussangiographie zufriedenstellend ist. Und dann 15 Minuten zunähen. Und wenn die Angio halt noch nicht gut ist, dann war es nur eine Zwischenangio und es dauert noch ein wenig. Noch ein kleiner Patch, noch ein Jump, noch einmal PTA und erneut die Angio. Und wieder von vorn ;-)

Nessiemoo
02.09.2018, 21:51
Bei uns hat man auch bei dringenden konsiliarischen gefäßchirurgischen Fragen dann den Assistenzarzt zuhause angerufen, und er hat dann (falls notwendig) seinen Oberarzt angerufen. Sozusagen als Filterfunktion (also jetzt keine richtigen Notfälle, aber z.B dringende OP für den nächsten Tag).

anignu
02.09.2018, 22:49
Bei uns nicht nur bei konsiliarischen Fragestellungen: wenn die Unfallchirurgen vor Ort mal wieder nicht in der Lage sind eine VAC dicht zu bekommen (die Leistenfalte! Immer!), wenn die Anästhesisten bei Unterschenkelquerschnittsverschluss auf Knöchelebene keine Pulse dopplern können (wir auch nicht! Verschluss = nicht dopplerbar!) usw. Also es gibt schon genug Fragestellungen für einen Gefäßrufdienst auch ohne dass man operieren muss...

Wobei ich sagen muss: ich find das nicht schlecht, als Assistenzarzt diese Rufbereitschaften zu machen. Ich mach auch ohne Facharzt seit paar Jahren einen gefäßchirurgischen Hintergrunddienst den eigentlich Fachärzte (also unsere Oberärzte) machen. Ich werd also bei sämtlichen Fragen zu Gefäßpatienten oder vermeintlich Gefäßpatienten primär angerufen und entscheide dann oder fahr rein oder stellt die Indikation zur OP. Aber wenn es dann zur OP kommt gab es für mich immer einen Oberarzt der dann mit ins Haus kommen musste. Die Festlegung vom Chef war "während der OP muss der OA im Haus sein", die Oberärzte sind dann halt doch immer in den OP gekommen, weil ein mehrstündiges Warten in einem Kammerl ist auch Blödsinn. Aber dadurch lernt man extrem viel. Auch dieses Reindenken in die Angaben der Kollegen und was man dann durch Fragen rausfinden kann und wo man doch wieder reinfahren muss um den Patienten selbst zu sehen... Mir hat dieser Hintergrunddienst also diese Rufbereitschaft sehr viel gebracht in meiner Weiterbildung.