PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Studium nach dem Physikum noch abbrechen?! Ich bin verzweifelt...



Daniel3000
09.09.2018, 18:36
Hey hey,

Ich wende mich leider in einer für mich sehr schwierigen und unangenehmen Lage an euch, da ich mir ein paar Ratschläge und Denkanstöße erhoffe. Und auch, weil ich mir das ganze einfach mal von der Seele reden will. Vorwarnung, das Ganze ist eine ziemlich lange Geschichte...

Kurz zu meiner Situation: Ich (m24) hab gerade mein Studium zur Hälfte geschafft, sprich ich komme zum WS ins 7. Semester. Ich hab mein Physikum auf Anhieb bestanden, bin noch in Regelstudienzeit, hab eine Doktorarbeit in Aussicht und bin noch nie durch eine Prüfung gefallen. Rein akademisch betrachtet ist also alles tip top, ich lerne auch sehr gerne und hab viel Interesse an der Medizin.

Trotzdem bin ich seit Monaten so verzweifelt, dass ich kaum an etwas anderes denken kann und mein komplettes Studium (Leben???) in Frage stelle: Ich bin einfach komplett überfordert mit dem Krankenhausalltag. Das geht so weit, dass ich glaube meine Famulaturen und das PJ nicht schaffen zu können. Mittlerweile geht mir dieses Problem ernsthaft an meine Lebensfreude und meine psychische Gesundheit.

Ich war schon immer ziemlich schüchtern/introvertiert und arbeite gerne ruhig und alleine. Ich habe echtes Interesse an Medizin und Naturwissenschaften und lange Lernphasen machen mir nichts aus. Klar, ab und zu bin ich auch mal frustriert, aber alles in allem lerne ich sehr gerne. Auch strukturierte Laborarbeit bereitet mir viel Freude.

Menschlicher Kontakt hingegen laugt mich vollkommen aus. Versteht mich nicht falsch, ich bin eine freundliche Person und habe durchaus den Anspruch an mich anderen gerecht zu werden und ihnen zu helfen ... aber es ist sooo anstrengend. Ich hab einfach keine Freude am Umgang mit Patienten oder Kollegen, und auch wenn ich gelegentlich gerne etwas mit meinen Freunden unternehme ist und bleibt das doch etwas WOVON ich mich erholen muss. Demnach ist die Arbeit in Krankenhaus der absolute Horror für mich. So viele emotionale Patienten, der raue Umgangston unter Kollegen, Zeitdruck ohne Ende, als Praktikant fühlt man sich sowieso sehr verloren... allein schon der Lautstärkepegel macht mir zu schaffen, ich werde super schnell gereizt und unkonzentriert wenn irgendwo im Hintergrund Tumult und Lärm herrscht oder man bei seiner Arbeit unterbrochen wird. Manchmal habe ich den Eindruck mir fehlt irgendein "Filter" mit dem ich Unwichtiges ausblenden und an mir abprallen lassen kann...

Nach außen hin wirke ich dabei allerdings scheinbar durchaus normal (also weder unhöflich noch übermäßig unsicher noch sonstwas), in Gegenteil, ich wurde schon öfter gelobt, wie freundlich und selbstsicher ich doch rüberkomme, aber es kostet SO VERDAMMT VIEL Energie dieses Bild aufrecht zu erhalten.

Bei meinen Pflegepraktika in der Vorklinik bin ich ständig heulend in die Klinik gefahren, weil ich einfach heillos überfordert war. Meistens hab ich dann den Tag mit viel Angst und Unwohlsein hinter mich gebracht und bin dann völlig fertig zu Hause angekommen, wo ich mich endlich in ein dunkles, leises Zimmer legen konnte und mir die Decke über den Kopf ziehen konnte. Ein Hobby oder selbst ein Spaziergang wäre mir da manchmal echt zu viel sensorischer Input gewesen.

Natürlich stellt sich da die Frage warum ich überhaupt angefangen habe Medizin zu studieren, wo doch von Anfang an klar war, dass Kontakt mit anderen Menschen unvermeidbar sein würde. Ich denke die Kurzfassung ist, dass ich mich überschätzt habe. Ich wusste immer, dass ich nicht die extrovertierteste Person bin, aber ich dachte das Medizinstudium wäre eine gute Möglichkeit mich aus meinem Schneckenhaus zu locken und meine persönlichen Grenzen zu überschreiten.
In der Vorklinik war auch alles noch in Ordnung. Ich kam mit dem Lernpensum überraschend gut zurecht und interessierte mich für die meisten Fächer. Ja, das KKP war super ätzend, aber ich dachte (und viele andere Menschen haben mich in diesem Gedanken bestärkt) das ich mich dem Unangenehmen nur oft genug stellen zu bräuchte und irgendwann würde ich mich daran gewöhnen... naja, diese Rechnung ging nicht so ganz auf. Eigentlich wurde es über die Jahre immer schlimmer. Und ehrlich gesagt fühle ich mich mit meinem Problem sehr, sehr alleine. Natürlich haben eine Menge Medizinstudenten Probleme mit dem Studium, aber bei den meisten scheinen es eher Probleme mit der ewigen Lernerei zu sein. Alle erzählen einem immer "nach dem Physikum wird alles besser und interessanter", und irgendwie lassen einen solche Sprüche durchhalten, aber bei mir ist einfach das Gegenteil der Fall. Ich fühle mich sehr unwohl in der Klinik. Wenn am nächsten Tag eine Veranstaltung auf Station oder Übungen mit Schauspielpatienten anstehen kann ich nachts nicht schlafen. Und es wird immer noch mehr Patientenkontakt und immer klinischer! Dabeu will ich überhaupt nicht lernen wie man Beine eingipst oder sowas, die naturwissenschaftlichen Grundlagen lagen mir viel mehr. Ich will zurück in die Vorklinik!

Ich bin momentan einfach so frustriert und verzweifelt. Ich habe so viel Zeit und Energie in dieses Studium gesteckt und es in vielerlei Hinsicht bisher sehr gut gemeistert. Trotzdem bringt mir das überhaupt nichts. Ich schaffe die Praktika einfach nicht. Ich wünschte ich hätte mich niemals so verausgabt, für nichts und wieder nichts. Was bringt es mir wenn ich akademisch super bin wenn ich das Studium nicht zu Ende bringen kann?! Ich habe keine Hobbies mehr, hab keine Lust mehr morgens aufzustehen, hatte übers letzte Jahr verteilt einige handfeste Nervenzusammenbrüche (wobei da auch einige private Probleme ihren Anteil hatten). Meine einzige Famulatur habe ich am ersten Tag abgebrochen. Ich schaffe es einfach nicht, will nur noch alleine sein, will eine Arbeit in der in in Ruhe und alleine vor mich hinarbeiten kann. Schon beim Gedanken im PJ ein ganzes JAHR im Krankenhaus verbringen zu müssen bekomme ich Angst.

Durch die konstante soziale Überforderung bin ich nun noch viel schüchterner und empfindlicher geworden als ich früher war. Ich hab das Gefühl, dass ich dadurch einen richtigen psychischen Knacks abbekommen habe.
Ich habe mich sooo sehr angestrengt mich der Welt und ihren Erwartungen anzupassen aber ich kanns einfach nicht. Ich bin nicht dafür geschaffen mit Menschen zu arbeiten.

Warum ich noch nicht abgebrochen habe? Weil ich noch nicht ganz loslassen kann. Ich habe mit sehr viel Idealismus und Überzeugung ins Studium gestartet. Es interessiert mich wirklich tiefgreifend, und ich habe noch immer den starken Wunsch etwas zu tun, mit dem ich die Welt in irgendeiner Art und weise bereichere. Ich bin sicher, dass ich ein ziemlich guter und begeisterter Pathologe/Mikrobiologe/Labormediziner wäre. Das sind allesamt Berufe, die ich mir wirklich gut für mich vorstellen kann. Aber ich schaffe das Studium nicht. Ich bin nicht auf dem falschen Weg, der Weg ist nur so verdammt hart. Deshalb kann ich noch nicht ganz aufgeben... Nochmal von vorne etwas anderes zu studieren möchte ich aus finanziellen Gründen meinen Eltern nicht mehr antun, auch wenn diese mich bei allem unterstützen würden. Ich fühle mich so verdammt egoistisch. Wenn ich mich doch nur noch drei Jahre zusammenreißen könnte! Aber ich glaube es geht nicht...

Erschwerend kommt noch hinzu, dass ich mich an meinem Studienort überhaupt nicht wohlfühle, meine Wohnsituation beschissen ist und ich keinen wirklich festen Freundeskreis an der Uni habe... Ich bin so hin und hergerissen. Ein Teil von mir sagt "Was ist denn das für ein Leben?! Schmeiß einfach alles hin und mach was das dich glücklich macht" und der andere Teil sagt "Aufgeben ist nicht". Aber ab wann schlägt krampfhaftes Durchhalten zum Preis der eigenen Gesundheit in pure Dummheit um?

Puuh, entschuldigung für mein ewiges Rumgejammer, aber ich musste das alles mal runterschreiben. Mir ist sehr wohl bewusst, dass andere Leute viel geben würden um in meiner Position zu sein und ich eigentlich nicht wirklich ein Recht habe mich zu beschweren... und dass viele von euch sagen werden "Tja so jemand sollte eben kein Arzt werden" oder "So jemand schnappt den wirklich geeigneten Leuten den Platz weg". Das ist mir auch klar, aber jetzt sitze ich eben schon in der Scheiße. Ich hab es wirklich, wirklich versucht aber so langsam weiß ich nicht weiter.

Da sich dieses ganze Problem schon etwas länger zieht und ich irgendwie auf keinen grünen Zweig komme war ich auch schon bei der Beratungsstelle der Uni, beim Psychologen und habe demnächst noch einen Termin beim Psychiater. Für professionelle Hilfe ist also gesorgt. Trotzdem habe ich die Sorge, dass das ganze nur in oberflächlicher Symptombekämpfung enden wird. Das eigentliche Problem ist ja, das meine Persönlichkeitsstruktur null zu meinem Beruf passt... auch wenn ich mir sehr wünschen würde, dass es anders wäre. An welchem Punkt hört man auf, sich in eine Form zu pressen, in die man einfach nicht reinpasst?? Wann lohnt es sich einfach nicht mehr weiter zu kämpfen?? Wann darf man sich erlauben aufzugeben?? Würdet ihr so ein Studium durchziehen?

So, das war ein ganz schöner Roman. Falls irgendjemand bis hierher gelesen hat würde ich mich sehr über Input und Ratschläge freuen. Natürlich muss ich letztendlich alleine entscheiden, wie es weitergeht, aber momentan sehe ich einfach den Wald vor lauter Bäumen nicht...

Vielen Dank und liebe Grüße,

Ein verzweifelter Daniel

ehem-user-11022019-1151
09.09.2018, 19:25
Hallo, Herzlich willkommen hier.

Ich denke, es wird schwierig sein, dir einen Rat zu geben, ohne dich zu kennen, doch deine Schilderung lässt mich vermuten, dass du ein maximal introvertierter Mensch bist.
Ob sich das ändern wird, wenn du einen anderen Beruf ergreifst, bezweifle ich, denn auch da wirst du zwangsläufig mindestens während der Ausbildung mit Menschen zu tun haben.
Ich würde tatsächlich eher dazu tendieren, das Studium zu beenden, nicht, weil du schon so weit bist und viel investiert hast, sondern weil du gerade als Arzt die Möglichkeit hast, deine Nische zu finden, in der du dich entfalten kannst, einfach weil der Beruf so weit gefächert ist.
Nichtsdestotrotz musst du dir Hilfe suchen, um Bewältigungsstrategien aufzubauen, ich weiß, wie schwer es ist, als introvertierter Mensch täglich von Menschen umgeben zu sein, die einen nur müde machen.

Alles Gute dir weiterhin!

Krötino
09.09.2018, 20:36
Auch von mir ein Hallo.

Wie Cantabile schon schrieb : ohne dich wirklich zu kennen ist es eigentlich unmöglich irgendeinen fundierten Rat zu geben. Beim lesen deines Textes ist mir jedoch etwas aufgefallen und das würde ich gerne mit dir teilen. Du schreibst dir schon viele gute Gedanken zu deiner Situation gemacht zu haben, jedoch einige vielleicht noch nicht ganz zu Ende gedacht? Bei der Beschreibung von den Dingen die dir liegen dachte ich sofort: schon mal an Pathologie, Mibi, Lab Med gedacht? Du anscheinend ja auch schon. Dann schreibst du aber, dass du glaubst deine Persönlichkeitsstruktur würde vielleicht nicht zu deinem zukünftigen Beruf passen. Ich möchte dir gerne den Gedankenanstoß geben, dass deine Persönlichkeitsstruktur vielleicht momentan mit der dazu benötigten Ausbildung kollidiert. In so vielen Fachrichtungen sind letztendlich viele Teile des Studiums sehr irrelevant.. Und häufig ändert sich auch der Umgangston von Haus zu Haus dramatisch. Du hast deine einzige Famulatur nach einem Tag abgebrochen. In meinen Augen fehlt dir hierfür vielleicht auch die nötige Referenz. Bevor du eine weitreichende Entscheidung triffst würde ich versuchen (vielleicht mit Hilfe des von dir erwähnten Psychiater möglich?) diese Erfahrung in Form von mindestens zwei Famulaturen zu sammeln.

Alles Gute!

ProximaCentauri
09.09.2018, 21:39
Nicht nur MiBi, Patho, Labormedizin o.ä. kommen mir da in den Sinn, sondern z.B. auch Medizinische Codierung/Controlling oder allenfalls Forschung. Ich würde daher nicht primär davon ausgehen dass du für deinen Beruf nicht geeignet bist, sondern dass du einfach die richtige Nische für dich finden musst.

Ich war früher, vor meinem Medizinstudium, auch so wie du. Deswegen habe ich initial aufs Studium verzichtet und Naturwissenschaften studiert. Es hat sich bei mir erst auch in den letzten Jahren entwickelt, dass ich nun viel besser damit klar komme, ständig sozialen Kontakt zu haben, das hätte ich direkt nach dem Gymnasium nicht gekonnt, da war ich davon völlig überfordert.

xyl15
09.09.2018, 22:23
Ich kann dich auch zu einem guten Teil verstehen, ich bin auch sehr introvertiert und mich strengen viele Menschen gleichzeitig an, wenn auch nicht so extrem.

Ich bin jetzt im PJ im Wahlfach Allgemeinmedizin in einer kleinen Praxis- und es ist genau meins! Ich mag Menschen schon, nur nicht viele und alles gleichzeitig und keinen Rückzugsraum.

Innere war anstrengend, aber okey, und vor Chirurgie graust es mich, ehrlich gesagt.

Ich würde an deiner Stelle versuchen, das Studium zu schaffen, denn danach kannst du dir wirklich eine Nische passend für dich suchen.
Vielleicht kannst du mit psychologischer/therapeutischer Unterstützung die Klinik irgendwie hinkriegen, dir im PJ genau überlegen, wo und in welchem Fach du das machen kannst. Wäre es im Ausland leichter?

Denn in einem anderen Beruf bist du ebenso Menschen ausgesetzt, später kannst du sicher eine passende Stelle finden.
Alles Gute an Dich!

runningMan18
10.09.2018, 10:25
Mir fallen da, wie schon erwähnt, Bewältigungsstrategien ein. Du musst einfach lernen mal auf Durchzug zu stellen. Und ein Semester mal abzuschalten und das Studium zu pausieren, wäre vermutlich auch keine schlechte Idee.
Um deinen Beruf später brauchst du dir keine Gedanken machen. Die Medizin ist ja so breit gefächert, da findest du mit Sicherheit etwas. Und wenn dich die Vorklinik so interessiert, wie wärs, sich nach dem Studium bei Thieme oder Amboss zu bewerben und dann im Bereich "Vorklinik" als Medizinjournalist zu arbeiten? Es gibt so viele Sachen, wo du keinen Patienten-Kontakt hast.
Wenn es möglich wäre, würde ich in Zukunft auch darauf achten, deine Famulaturen und dein PJ in sehr kleinen Krankenhäusern zu machen, vor allem auf dem Land. Dort ist es schon ruhiger. Einfach aus der Großstadt raus. Ich will nicht sagen, dass es super entspannt in kleinen Krankenhäusern ist, die sind ja schließlich auch Wirtschaftsunternehmen, aber etwas ruhiger ist es da allemal.

davo
10.09.2018, 11:02
Die Aussage zu deinem fehlenden Freundeskreis lässt mich etwas daran zweifeln, ob soziale Kontakte wirklich der Kern deines Problems sind.

Es klingt für mich einfach so als hättest du ein Problem mit stressigen Situationen in denen man wenig Kontrolle über die Situation hat, als bräuchtest du öfters mal eine "Rückzugsmöglichkeit". Das kann man sich IMHO problemlos einrichten. In meiner UCH-Famulatur konnte ich z.B. stets entscheiden was ich machen will, wieviel ich machen will, ob ich in die Ambulanz gehen will, ob ich in den OP gehen will, usw. Und in meinen Psychiatrie-Famulaturen hätte ich theoretisch auch den ganzen Tag im Arztzimmer sitzen können und es hätte niemanden gestört. Ich will damit nicht empfehlen, dass du das machst. Aber ich vermute, dass das Wissen, dass du das jederzeit tun könntest, die ganze Situation für dich schon deutlich entschärfen wird.

Du hast drei Monate Pflegepraktikum erfolgreich hinter dich gebracht, wo es wahrscheinlich sehr viel "unvermeidbaren" "Stress" und sehr viele "unvermeidbare" Patientenkontakte gab, also kannst du deine Famulaturen und das PJ bestimmt auch geschickt einrichten. Es gibt viele Hausarztpraxen wo man nur den halben Tag da sein muss. Es gibt Rehakliniken und psychiatrische Kliniken, in denen das Arbeitstempo ein ganz anderes ist, du ständig die Möglichkeit hast, mal "Pause" zu machen, du dich meist in Ruhe mit einem Patienten nach dem anderen auseinandersetzen kannst statt das Gefühl zu haben alles gleichzeitig machen zu müssen, usw. Und auch in der Inneren Medizin gibt es solche Möglichkeiten - ein Bekannter ist Onkologe, den hab ich mal in der Ambulanz besucht, dort ist alles extrem entspannt. Das Praktikum in der Palliativstation war noch extremer. Oder man macht das Innere-PJ eben in einer Rehaklinik. Oder, die Extremvariante, man macht das PJ in Australien, wo es in vielen Krankenhäusern überhaupt niemanden interessiert wie oft man da ist. (Und wieder: Ich will dir das nicht empfehlen, aber zu wissen dass man jederzeit weg könnte wird den Stress wahrscheinlich deutlich reduzieren.)

Die kleinen ländlichen Krankenhäuser, die runningMan empfohlen hat, kann ich auch nur empfehlen. In Unikliniken gehört es ja oft schon fast zum guten Ton dazu, dass man, selbst wenn es gar keinen Stress gibt, ständig von angeblichem Stress redet, und jeden tatsächlichen Stress viel dramatischer wirken lässt als er tatsächlich ist. In kleineren Krankenhäusern ist diese Attitüde IMHO viel seltener.

Und keine Angst, der klinische Studienabschnitt ist großteils pure Theorie. Abgesehen vom Praxissemester hatten wir nur hin und wieder kleine Häppchen an Patientenkontakt. Ansonsten ist es genau wie in der Vorklinik - man setzt sich hin und lernt Theorie. Nur dass Stoff und Klausuren meist deutlich leichter als in der Vorklinik sind :-p

Wenn du mit deiner Wohnsituation am Studienort unzufrieden bist, dann solltest du daran mal was ändern. Wenn du mit deinem Mangel an Freunden am Studienort unzufrieden bist, dann solltest du daran ebenfalls mal was ändern. Das sind alles Dinge die du selbst verändern kannst, und die auch deine Zufriedenheit mit dem Studium stark erhöhen werden.

Und natürlich ist die Persönlichkeit eines Menschen nicht zu 100% unveränderlich. Sonst wäre ja jede Form der Psychotherapie völlig sinnlos :-p Statt gleich mit einer negativen Einstellung ("nur oberflächliche Symptombekämpfung") an deinen Termin mit dem Psychiater ranzugehen, würde ich das also eher als Chance sehen herauszufinden welche Dinge du selbst verbessern kannst (wie z.B. Wohnsituation, Freundeskreis, Art der Famulaturen, Art der PJ-Tertiale) und wie du lernen kannst mit Situationen die dich anstrengen besser umzugehen.

Ich kenne mehrere Ärzte, die ähnlich veranlagt sind wie du - einer ist Assistenzarzt in der Neuropathologie, einer ist Oberarzt in der Onkologie, eine ist Pathologin, eine ist Assistenzärztin in der Radiologie... gibt glaube ich genug Möglichkeiten, sich das als Arzt gut einzurichten. Und zwar, und das ist ein wichtiger Punkt, meines Erachtens viel mehr Möglichkeiten als wenn man z.B. BWLer ist.

Ich glaube also, dass es genug Möglichkeiten gibt, wie du dir den Rest des Studiums angenehmer gestalten kannst, und dass du diese Möglichkeiten erst alle ausschöpfen solltest, bevor du dich zum Abbruch entscheidest.

Markian
10.09.2018, 13:15
Ich würde dir empfehlen das Studium erstmal zu pausieren. Nimm dir ein oder vielleicht sogar zwei Semester und mach ein paar Praktika in alternativen Berufsfeldern, dann wirst du sehen, ob sich das Problem durch einen Berufswechsel lösen lässt. Ich würde dir aber auch raten die Einstellung "Ich kann das nicht" schleunigst beiseite zuschieben. Das hemmt dich nur. Ich würde dir außerdem empfehlen eine Famulatur in der Psychosomatik oder Psychiatrie zu machen. Die Leute sind fast durchgehend sehr nett und geduldig. Vielleicht kriegst du so schon mal zwei weg ohne dich zu überfordern. Die Doktorarbeit würde ich an deiner Stelle momentan nicht annehmen, da es nur ein weiterer Stressfaktor ist.
Atme tief durch, du bist gut so wie du bist. Aus meiner Erfahrung sind es eher die zu extrovertierten, die auf Widerstand stoßen.

Unkrautvergehtnicht
10.09.2018, 18:08
Hi Daniel,
Ich finde es sehr reflektiert wie du über dein Problem schreibst.
Also ich gebe jetzt auch mal meinen Senf zu der Sache dazu.
1.) Mach eine Pause, wenn du denkst, dass es dir gut tut. Allerdings klingst du für mich sehr ehrgeizig und strukturiert, vielleicht stresst dich das noch mehr? Wenn gar nichts mehr funktioniert, gehe zur psychologischen Uniberatung. Die haben oft offene Sprechstunden und können einem in genau diesen Situationen oftmals weiterhelfen.

2.) Du könntest dir z.B. ein Forschungsprojekt suchen (eventuell auch im Ausland und wenn du Glück hast springt nebenbei eine Doktorarbeit bei raus). Such nach Uni Kooperationen oder schau dir mal RISE weltweit vom DAAD an, das könnte auch ein guter Einstieg sein. Aber Vorsicht, wenn dich Menschen stressen. Ich fand das Labor menschlich manchmal anstrengender als das Krankenhaus.

3.) Ich kann deine Angst vor der Praxis wirklich verstehen. Ich bin auch eher ein Theoretiker und hatte oft richtig Panik vor den Famulaturen. Ich habe mir sogar mal einen Platz organisiert, den ich unbedingt wollte, bin 10 h mit dem Auto dort hingefahren und bin wieder umgedreht und habe das Krankenhaus am Ende niemals betreten. Wenn ich mich überwinden kann, macht mir die Arbeit mit den Patienten aber Spaß. Bei mir ist es eher die Angst davor etwas falsch zu machen und der Umgang mit den Patienten.

4.) Hab keine Zukunftsangst: Es gibt so viele Möglichkeiten nach dem Studium theoretisch zu arbeiten. Das PJ bringt man auch rum und man kann z.B. Mibi -und Tropenmedizin als Wahlfach wählen, da verbringt meist sogar 8 ganze Wochen im Labor und es ist zudem noch ein sehr spannendes Fach! Oder du gehst in die Nuklearmedizin (da ist der Patientenkontakt richtig gering!). Oder in die Epidemiologie, da werden händeringend gute Leute gesucht. Ode Pathologe oder Pharmakologe oder oder oder….

Und falls du wirklich nicht weiterstudieren willst, kannst du an manchen Unis dein Physikum als Bachelor anerkennen lassen, z.B. für einen Master in Neuroscience. Es ist also gar nichts verloren und du kannst auch wechseln.

Migole
11.09.2018, 18:06
Willkommen im Forum :-)

Du erinnerst mich sehr daran wie ich vor dem Studium im ersten KPP war. Ich würde dir gerne eine PN schicken da mir das hier zu privat wäre. Wäre super wenn du die aktivieren könntest.

Daniel3000
11.09.2018, 20:20
Ist aktiviert, ich würde mich über eine Nachricht freuen :) Auch euch anderen vielen Dank für eure ausführlichen Antworten, ich bin noch nicht wirklich zum Antworten gekommen, muss das alles erstmal durchdenken...

Migole
13.09.2018, 20:42
PN kommt am Wochenende :-)

proxi21
14.09.2018, 16:43
Hallo, würde mich gern einklinken, weil ich wirklich sehr ähnliche Probleme habe.

@Migole

Wenns für dich okay ist, würde ich auch gerne erfahren, wie du damit umgegangen bist.

Herzlichen Dank

Migole
15.09.2018, 18:57
@proxi21

Deine PNs sind leider nicht aktiviert.

proxi21
15.09.2018, 19:02
Sollte nun gehen :)

nickl
18.09.2018, 07:56
Hallo, würde mich gern einklinken, weil ich wirklich sehr ähnliche Probleme habe.

@Migole

Wenns für dich okay ist, würde ich auch gerne erfahren, wie du damit umgegangen bist.

Herzlichen Dank

Ich würde mich auch sehr über eine PM freuen. :-)