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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ewiges Thema: Innere oder Chirurgie? - Erfahrungen bei Entscheidungsfindung gesucht



infusomator
15.09.2018, 12:55
Hallo zusammen,
mein PJ neigt sich dem Ende und ich habe zwei Stellenzusagen jeweils für die Uniklinik: einmal in der interventionellen Inneren und einmal in der Unfallchirurgie. Nun bin ich sehr am abwägen, was nun die beste Entscheidung ist. Ich weiß, dass mir keiner die Entscheidung abnehmen kann, aber ich bin auf der Suche nach Erfahrungen von Einigen, die an der gleichen Stelle standen wie ich. Die Forensuche habe ich schon bemüht, ich bin aber nun auf der Suche nach aktuelleren Beiträgen.

Für mich ist es wichtig ein breites Gebiet zu haben. Außerdem möchte ich eine gute Ausbildung bekommen und Notfall- sowie Intensivmedizin machen. Später möchte ich einmal Familie haben und würde dafür auch karrieremäßig Abstriche machen. Die Niederlassung als Plan B finde ich nicht verkehrt. Im PJ konnte ich mich für Vieles begeistern, in der Inneren hat mir die Verordnung von Medis schon Spaß gemacht, in der Chirurgie dann auch das praktische Arbeiten im OP.

Für die Innere spricht der Verstand: bessere Arbeitsbedingungen/Zeiten, bessere Niederlassungsmöglichkeiten, mehr Flexibilität bei späterer Facharztwahl, Intensivrotation ist auch auf chirurgische Station möglich, Notarzt wird nicht gefördert

Für die Chirurgie spricht der Reiz: praktisches Arbeiten, hohes Ansehen bzw. gutes Gefühl wenn man irgendwann mal z.B. ein Polytrauma versorgen kann, Notarzt (Boden/Hubschrauber) sowie eigene Intensivstation wird gefördert. Allerdings habe ich wenig Interesse an klassischer Orthopädie sondern eher nur an der Unfallchirurgie, Niederlassung deshalb schlecht möglich.

Insgesamt bin ich vom menschlichen her wahrscheinlich eher "internistisch" veranlagt und Innere würde sicher auch gut klappen. Allerdings hat Chirurgie immer noch den "Reiz", auch wenn hier das Risiko hoch ist, dass es doch nicht das Wahre ist. Vielleicht suche ich etwas, was es nicht gibt, aber war jemand an einem ähnlichen Punkt und kann seine Erfahrungen oder Gedanken dazu berichten?

Vielen Dank und beste Grüße

h3nni
15.09.2018, 14:21
Also m. E. hat auch interventionelle Innere was von praktischem Arbeiten, man steckt ja irgendwas irgendwo rein und arbeitet mit den Händen. Und interventionell tätige können auch hohes Ansehen erwerben, oder gehts um Ansehen nach außen? Das würde ich nicht in meine Berufswahl einfließen lassen, was jetzt mein Nachbar von mir denkt. Notarzt kann man als Internist genauso gut werden, es ist sogar die Frage, ob nicht vielerorts die Chirurgen sich aus der Intensivmedizin relativ raushalten und die Internisten das nicht eher selbstständig machen. Und bis man an ner großen Klinik aufn Hubi kommt, das kann auch lange lange dauern, da oft kein allzu großer Pool an Personal gewünscht wird.

Wie wärs denn mit ner Basisweiterbildung in einem Gebiet (Common Trunk oder eben internistisch) und dann mal weiterzusehen? Dann hat man Einblicke und Verständnis auch für den anderen Bereich

easy-bisy
15.09.2018, 14:53
Wenn dir der OP Spass macht, versuche die Chirurgie doch mal aus.
Ich behaupte einfach mal, in den ersten 6 Monaten (=Probezeit) unterscheiden sich die beiden Fächer nicht so wahnsinnig voneinander. Da geht es darum, Abläufe und Standards kennenzulernen, mal ein wenig in OPs bzw. Funktion (Sono, Katheter, Gastros etc.) reinzuschnüffeln, Stationsarbeit zu machen und die ersten Dienste zu meistern.
Wenn du dir jetzt noch total unsicher bist, nehm dir doch einfach vor, nach einem Jahr noch mal die Stelle zu wechseln und die andere Seite kennen zu lernen. Für den FA kannst du dir eigentlich immer ein Fremdjahr anrechnen lassen.
Die wenigsten Ärzte bleiben ihr ganzes Berufsleben lang in der gleichen Abteilung und Fachrichtungswechsel sind auch nicht ungewöhnlich. Jetzt schon für die nächsten 30 Jahre zu planen macht m.M. nach eh keinen Sinn.
Deine Lebensumstände, Hobbies und beruflichen Ziele werden sich hoffentlich auch noch verändern und entwickeln. Damit ändern sich oft auch die Anforderungen an den Job.

Lakemond
15.09.2018, 19:40
Außerdem möchte ich eine gute Ausbildung bekommen (...). Später möchte ich einmal Familie haben und würde dafür auch karrieremäßig Abstriche machen

Was suchst du denn in einer Uniklinik???

CYP21B
16.09.2018, 08:38
Rein vom theoretischen her haben mich die internistischen Fächer im Studium schon sehr interessiert, besonders wenn es um Specials wie Endokrino ging. Für den Facharzt kam es aber nie wirklich in Frage weil ich da schon total für Uch angefixt war.

In meine Augen ist das eine komplett andere Denke und auch Arbeitsweise. Jemand der eher der Uch-Typ ist wird sicher nicht in der Inneren glücklich und umgekehrt. Zu Innere kann ich logischerweise nicht soviel sagen, aber mich haben schon internistische Schichten in der Notaufnahme fertig gemacht weil da gefühlt einfach nichts voran ging. Die Unterschiede in der Mentalität der Fächer kann man aber denk ich schon im Pj ganz gut rausgekommen.

Ich finde in der Uch super dass man nicht nur ein Gelenk fokussiert macht sondern quasi alles (zumindest im Dienst). Vom Gedanken des Generalisierten muss man aber denke ich weg. Man wird nicht der super Operateur plus Intensivmediziner und fliegt gleichzeitig noch RTH. Irgendwo muss man seine Schwerpunkte setzen. Denke das ist in anderen Fächern ähnlich. Unterschied in O+U ist aber dass das Fach im Gegensatz zur Inneren im Studium quasi nur oberflächlich angeschnitten wird.

Das man als Chirurg nichts denken muss ist in meinen Augen genauso ein Gerücht wie dass man ein Medizinstudium nur mit auswendig lernen besteht. Das ist vielleicht möglich, aber man ist dann unter Garantie kein guter Arzt bzw. Chirurg. Der praktische Aspekt kommt gegenüber den konservativen Fächern dazu. Dazu ists ziemlich wichtig dass man ein passables räumliches Vorstellungsvermögen hat. Zwei linke Hände sind nicht so super aber das ist in einem interventionellen Fach kaum anders.

In der Chirurgie kommt man in der Regel von Beginn an mit dem Op in Kontakt. Sei es beim assistieren oder bei kleinen Sachen als Operateur. In der Inneren kann es sein dass man die Funktion erst relativ spät kennenlernt.

John Silver
20.09.2018, 20:49
Innere und Chirurgie sind nicht so weit auseinander, wie es häufig behauptet wird. Ein guter Internist ist genauso auf Zack wie ein guter Chirurg. Das Problem der Inneren Medizin besteht m.E. darin, dass alle Slowpocks und sonstige Pfeifen in die Innere gehen, weil‘s sich halt anbietet, und das Fach zum Sammelbecken für diese Typen wird.

Im vorliegenden Fall ist meine Empfehlung, über Allgemein- bzw. Viszeralchirurgie nachzudenken. Man hat deutlich mehr differentialdiagnostisch zu tun, als in der UCH, man hat deutlich mehr Berührungspunkte mit der Inneren, und wenn man seine Spezialgebiete geschickt wählt, kann man sich prima niederlassen.

Was ich wirklich nicht verstehe, ist die Entscheidung, an eine Uniklinik zu gehen. Mit Deinen Karrierezielen ist eine Uniklinik m.E. die so ziemlich schlechteste Wahl, die Du treffen kannst. An einer Uniklinik dauert es besonders häufig besonders lange, bis man mehr als den üblichen Stationsdeppen geben darf, sei es nun OP oder Funktion - beides sieht man in nahezu allen Uniklinika in den ersten Jahren kaum, es sei denn, man ist aus irgendeinem Grund beim Chef beliebt. Nirgendwo muss man so viel Stehvermögen, Nehmerqualitaten und Analflexibilität aufweisen wie an einer Uniklinik, insbesondere in den von Dir favorisierten Fächern. All das nimmt man nur dann auf sich, wenn man ein klares Ziel der Habilitation und Chefarztposition hat.

Pflaume
21.09.2018, 13:05
Das Problem der Inneren Medizin besteht m.E. darin, dass alle Slowpocks und sonstige Pfeifen in die Innere gehen, weil‘s sich halt anbietet, und das Fach zum Sammelbecken für diese Typen wird.

Die machen aber meistens nicht wirklich Innere, sondern müssen eher 2 Jahre Innere machen, um die Voraussetzungen für ihr eigentliches Wunschfach zu erfüllen. Um wirklich Internist zu werden, braucht man meiner Meinung nach auch eine gewisse Motivation und Stehvermögen. Klein (vom Lernaufwand, Arbeitseinsatz, Spektrum her) ist das Fach nun wirklich nicht.

Nessiemoo
21.09.2018, 16:27
Aus dem Freundeskreis kenne ich drei, die weg von Chirurgie getauscht haben, einen umgekehrten Trend gab es noch nicht.

Xylamon
22.09.2018, 00:50
Für mich ist es wichtig ein breites Gebiet zu haben. Außerdem möchte ich eine gute Ausbildung bekommen und Notfall- sowie Intensivmedizin machen. Später möchte ich einmal Familie haben und würde dafür auch karrieremäßig Abstriche machen. Die Niederlassung als Plan B finde ich nicht verkehrt. Im PJ konnte ich mich für Vieles begeistern, in der Inneren hat mir die Verordnung von Medis schon Spaß gemacht, in der Chirurgie dann auch das praktische Arbeiten im OP.

Für die Chirurgie spricht der Reiz: praktisches Arbeiten, hohes Ansehen bzw. gutes Gefühl wenn man irgendwann mal z.B. ein Polytrauma versorgen kann, Notarzt (Boden/Hubschrauber) sowie eigene Intensivstation wird gefördert. Allerdings habe ich wenig Interesse an klassischer Orthopädie sondern eher nur an der Unfallchirurgie, Niederlassung deshalb schlecht möglich.


Das war von dir nicht angeführt, aber hast du schon einmal über Anästhesie nachgedacht? Okay, das mit dem hohen Ansehen kannst du in vielen Kliniken vergessen, aber ansonsten findest du hier viele der genannten Aspekte. Gerade für Notfall- und Intensivmedizin, aber auch Polytraumamanagement lernst du da mit am meisten. Klar, das Leben als Saalassistent ist auf die lange Sicht nicht für jeden der Bringer, aber wenn's soweit ist, dann kannst du ja den Absprung in Richtung Innere und/oder konservative Intensivmedizin (CAVE: Arbeiten im Drei-Schichtsystem ist in allen Fachbereichen nicht sehr sozialverträglich) machen. Und bis dahin hast du einiges an Handwerkszeug gelernt, was du als NA und ITS-Arzt gut gebrauchen kannst (Airway- und Kreislaufmanagement, Katheterverfahren u.v.m.)