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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Mehrfacher Fachrichtungswechsel?



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ggy15
23.09.2018, 07:53
Hallo an alle!

Ich bin gerade etwas verzweifelt und hoffe, jemand von euch hat vllt ähnliche Erfahrungen gemacht und kann mir weiterhelfen.

Kurz zu meiner Situation: ich arbeite momentan als Assistenzärzte in der Pädiatrie einer Uniklinik. Ende des Jahres hätte ich dann zwei Jahre Weiterbildung voll. Pädiatrie war immer mein absolutes Traumfach, je länger ich aber dort bin, desto mehr fällt mir auf, dass viele Sachen doch nicht so toll sind, wie ich dachte. Die Arbeit mit den Kindern macht mir zwar Spaß, die ewigen Gespräche mit den Eltern sind aber schon oft sehr anstrengend. Am meisten stört mich aber, dass ich oft das Gefühl habe, dass mir das, was ich mache, nicht ausreicht. Ich würde irgendwie gerne "mehr" machen, also mehr praktischer arbeiten, so in Richtung Intensivmedizin und vor allem würd ich gerne Notarzt fahren. Dazu kommt, dass ich wirklich viele Überstunden mache und die weder bezahlt noch mit Freizeit ausgeglichen bekomme, was oft schon sehr frustrierend ist.

Nun hab ich lange überlegt, ob ich vlt was anderes machen sollte und bin zunächst auf Innere gekommen, was ich mir aber wegen der vielen doch sehr alten Patienten irgendwie schwer vorstellen kann. Nun denke ich schon länger über Anästhesie nach und denke, dass mir das schon Spaß machen könnte, gerade weil man damit auch viele praktische Dinge lernt, die für den Notarzt wichtig sind. Und ich glaub die Arbeitszeiten sind wirklich unschlagbar. Andererseits hab ich dann Sorge, dass ich es später bereuen könnte, gewechselt zu haben, da man zum einen in der Anästhesie kaum Möglichkeiten hat, sich niederzulassen. Andererseits ist es ja schon oft so, dass man als Anästhesie doch nicht so gut angesehen ist und man eben Dienstleister für die Chirurgen ist, was ja vllt auch etwas frustran sein kann.

Meine Frage wäre deshalb, ob schon mal jemand sein Fach gewechselt hat und dann später doch wieder zum ersten Fach zurück gekommen ist? Oder kommt das total doof? Wäre es vllt besser, die Pädiatrie jetzt einfach durchzuziehen und ggf. später noch was anderes zu machen?
Ich bin total hin und her gerissen in letzter Zeit, ich denke schon mehrere Monate über den Wechsel nach, aber kann mich einfach nicht entscheiden. Für ein paar Tipps wäre ich sehr dankbar!

anignu
23.09.2018, 10:44
Dazu kommt, dass ich wirklich viele Überstunden mache und die weder bezahlt noch mit Freizeit ausgeglichen bekomme, was oft schon sehr frustrierend ist.
Das ist ein Problem des HAUSES und nicht des FACHS.

Wenn dir "Ansehen" wichtig ist, dann musst du Hubschrauber-Notarzt werden. Zumindest glauben die, dass sie der Nabel der Welt sind. Oder Neurologie-Chefarzt. Ähnliches Gottheitsniveau.
Ich mach Gefäßchirurgie. Die "normalen" Leute verstehen in keinster Weise was das ist und die meisten Ärzte finden es aufgrund der "Stinkefüße" eklig. Ist mir doch egal. Die "normalen" Leute haben keine Ahnung und die ärztlichen Kollegen, die glauben dass Gefäßchirurgie = Stinkefüße sind, offensichtlich auch nicht. Ansehen? Nicht mein Problem. Mein Job macht Spaß und bringt ausreichend Geld mich und meine Familie zu versorgen. Darum geht's mir.

Anästhesisten als Hilfsarbeiter für die Chirurgen: stimmt in gewisser Weise. Aber zumindest der sadistische Teil der anästhesiologischen Kollegen kann den Chirurgen auch gern mal spüren lassen wer hier die Kontrolle hat. Noch schnell eine OP am Wochenende? Ist grad schlecht. Jetzt ist grad Pause, dann Mittagessen, dann müssen die Patienten auf Intensiv angeschaut werden, dann der Patient vorbereitet werden etc. Da kann so eine kleine Popo-Abszessspaltung am Wochenende gern mal drei bis vier Stunden brauchen bis sie dran kommt (so sind in unserem Haus 2 von 30 Anästhesisten drauf, der Rest ist "normal"). Ansehen dieser beiden Kollegen bei den Chirurgen? Unterirdisch. Ist es denen egal? Ja. Holen die sich ihre Bestätigung ganz woanders? Ja.

Notarzt fahren: kann man auch als Kinderarzt. Warum nicht. Ich kenn auch hervorragende Urologen oder Neurochirurgen die Notärzte sind. Man muss sich dann auch mal für andere Sachen interessieren und sich ein wenig einlesen etc. Es ist ja nicht per se so, dass Anästhesisten die tollsten Notärzte sind. Die können intubieren und haben (meist) gute Erfahrungen damit einen Patienten zu stabilisieren und einigermaßen stabil ins Krankenhaus zu bringen. Aber wenn du mal eine völlig dislozierte trimalleoläre Sprunggelenksfraktur von einem Anästhesisten gebracht bekommst bei der der Anästhesist den Patienten halt mit Opiaten abgeschossen hat (so weit so gut) aber die Fraktur in keinster Weise reponiert hat so dass der zu erwartende Weichteilschaden eine Katastrophe ist und die Behandlung völlig fehlerhaft (OSG-Luxationsfrakturen müssen so schnell wie möglich reponiert werden!). Dann ist dir klar: Anästhesisten sind grundsätzlich vom Fach her gut geeignet aber auch die machen teils gravierende Fehler. Einem Chirurgen wäre das sicher nicht passiert. Bei einem Chirurgen sind dafür tendentiell andere Defizite zu erwarten.
Insofern: was willst du? In der Notfallmedizin wirst du IMMER auf Sachen treffen die du nicht kennst. Du kannst auch, Engagement vorausgesetzt, als Pädiater ein guter Notarzt werden. Dafür brauchst du das Fach nicht wechseln.

Wenn du mehr praktisch machen willst warum machst du dann nicht Kinderchirurgie? In Bayern würde da zumindest bis zu ein Jahr angerechnet.

freak1
23.09.2018, 10:50
Und es gibt in großen Städten doch auch spezielle Kindernotärzte die für die kleinen dazu gerufen werden, falls der "normale" Notarzt nicht weiter weiß. Oder du spezialisierst dich auf Kinderintensivmedizin?

Solara
23.09.2018, 11:23
Wechsel doch die Klinik erstmal, bevor du das Fach wechselst, letzteres scheint dir ja grundsätzlich Spaß zu machen.

Ob jetzt Chirurgen bessere Notärzte sind: nein. Wenn ich sehe, was mir von chirurgischen Notärzten so in den Schockraum gebracht wird - weder eine Ahnung von Herzrhythmus (die einzige Aussage war: bradykard, keine Ahnung ob das ein flimmern oder oder oder war) noch von Standarddosierung ganz alltäglicher Medikamente. Übrigens alle Fälle nicht von Anfängernotärzten gebracht.

Aber in einem Punkt kann ich A. Zustimmen: Notarzt kannst du auch als Pädiater fahren.

escitalopram
23.09.2018, 11:24
Dazu kommt, dass ich wirklich viele Überstunden mache und die weder bezahlt noch mit Freizeit ausgeglichen bekomme, was oft schon sehr frustrierend ist.

Das liegt aber nicht am Fach an sich, sondern am AG und ehrlich gesagt vor allem an dir. Warum duldest du das?


Andererseits ist es ja schon oft so, dass man als Anästhesie doch nicht so gut angesehen ist und man eben Dienstleister für die Chirurgen ist, was ja vllt auch etwas frustran sein kann.

Ich möchte weder Chirurg noch Anästhesist werden, aber solche Vorurteile sind absurd. Bei Nicht-Medizinern vielleicht nachvollziehbar, aber doch nicht bei praktizierenden Ärzten. Außerdem: Ich würde nicht nach Ansehen außen suchen. Wenn du von dir überzeugt bist und das machst, was du liebst, brauchst du dir keine Gedanken zu machen, was deine Nachbarn etc. von deiner Spezialisierung halten. Und wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, helfen dir auch nicht die besten Titel und Top-Positionen...




Ob jetzt Chirurgen bessere Notärzte sind: nein. Wenn ich sehe, was mir von chirurgischen Notärzten so in den Schockraum gebracht wird - weder eine Ahnung von Herzrhythmus (die einzige Aussage war: bradykard, keine Ahnung ob das ein flimmern oder oder oder war) noch von Standarddosierung ganz alltäglicher Medikamente. Übrigens alle Fälle nicht von Anfängernotärzten gebracht.


Das kann man sicherlich nicht pauschalisieren, aber aus meiner kurzen NA-Zeit im PJ, kann ich das bestätigen. Und es ging wirklich um alltägliche Medikamente!

WackenDoc
23.09.2018, 11:31
Was spricht dagegen, sich mal die Anästhesie anzuschauen? Kannst ja immernoch in die Kinderheilkunde zurück. Vielleicht dann auch in ein Haus was das Prinzip Arbeitszeit für Gehalt kapiert hat.

freak1
23.09.2018, 11:32
Ich glaube man muss auch zwischen "Ansehen" und den ganz normalen Chirurgen-/Anästhesisten-/Urologen-/Gynäkologen-/Whatever-Witzen unterscheiden. Es gibt doch für jedes Fach das ein oder andere Klischee das die anderen Fachrichtungen ein bisschen ins Lächerliche ziehen, das heißt noch lange nicht, dass man das andere Fach nicht respektiert.

Wir Radiologen sitzen doch bekanntlicherweise auch nur in unserem dunklen Kämmerchen und vernichten große Mengen coffeinhaltiger Getränke. ;)

Solara
23.09.2018, 11:49
Freak, das ist kein Vorteil über euch, das ist ne Tatsache :-winky

Klar, Anästhesie kann man immer brauchen, insbesondere auf ner Päd. Intensivstation - ich würde dennoch das Haus wechseln.

Choranaptyxis
23.09.2018, 11:55
In meiner Heimatstadt ist es so, dass die Kinderärzte (zugegebnermaßen meist die Oberärzte) aus 1-2 nahen Kliniken Kinder abholen, wenn es dort bei Geburten Probleme gibt und eine Verlegung nicht mehr möglich ist bzw ne Not-Sectio gemacht wird. Da hat man durchaus auch gelegentlich, tippe ich mal, nen Adrenalin-Kick und die Eltern dürften einem auch dankbar sein.

LasseReinböng
23.09.2018, 12:42
Ich glaube man muss auch zwischen "Ansehen" und den ganz normalen Chirurgen-/Anästhesisten-/Urologen-/Gynäkologen-/Whatever-Witzen unterscheiden. Es gibt doch für jedes Fach das ein oder andere Klischee das die anderen Fachrichtungen ein bisschen ins Lächerliche ziehen, das heißt noch lange nicht, dass man das andere Fach nicht respektiert.



Als Anästhesist muß man schon damit klarkommen, primär in der 2. Reihe mitzuspielen bzw. ein Dienstleister für andere zu sein.
Da wird nicht immer so auf Augenhöhe kommuniziert. "Ich Arzt, du Betäuber". :-)

escitalopram
23.09.2018, 13:37
Als Anästhesist muß man schon damit klarkommen, primär in der 2. Reihe mitzuspielen bzw. ein Dienstleister für andere zu sein.
Da wird nicht immer so auf Augenhöhe kommuniziert. "Ich Arzt, du Betäuber". :-)

Wie mental zurückgeblieben muss man als Chirurg sein, um so zu denken. Echt peinlich. :-wow (Grundsätzlich gemeint, ich beziehe das auf niemanden hier persönlich.)

Meuli
23.09.2018, 13:37
Eigentlich sind wir ja die richtigen Ärzte und die Chirurgen die Handwerker :-))

Feuerblick
23.09.2018, 13:42
Um mal zum Thema zu kommen: Warum probierst du es nicht aus? Ein Fremdjahr schadet nicht und in manchen Fächern ist ein solcher vorübergehender Fachwechsel sogar vorgesehen und/oder anrechenbar. Insofern...

davo
23.09.2018, 13:56
Man kann ja auch als Pädiater in der Intensivmedizin arbeiten, und auch als Pädiater Notarzt fahren. Das ist IMHO beides kein Grund, das Fach zu wechseln.

Ein Haus, indem man umsonst mehr arbeiten muss, würde ich natürlich schnellstmöglich verlassen.

Aber Grund für einen Fachwechsel sehe ich da auf den ersten Blick nicht.

Ich verstehe auch nicht ganz, wie der Wunsch nach mehr "Action" langfristig mit dem Wunsch nach Niederlassung zusammenpassen soll. Vielleicht einfach eine vorübergehende Sturm-und-Drang-Phase weil du jetzt genug Erfahrung gesammelt hast um dich im Arbeitsalltag sicher zu fühlen, und du deshalb den Wunsch nach "mehr" hast? :-p

Solara
23.09.2018, 14:34
Wie mental zurückgeblieben muss man als Chirurg sein, um so zu denken. Echt peinlich. :-wow

Escitalopram, weißt du, welche Fachrichtung Lasse macht?

ggy15
23.09.2018, 14:51
Vielen Dank erstmal für eure Antworten.
Ja ihr habt Recht, natürlich könnte ich auch einfach pädiatrische Intensivmedizin machen. Und über den Wechsel des Hauses hab ich auch schon nachgedacht, eben auch wegen der Arbeitszeiten, aber ich denke mir, wenn ich eh wechseln will, dann kann ich ja vielleicht, so wie Feuerblick das gesagt hat, tatsächlich mal ein Fremdjahr zwischenschieben. Wahrscheinlich schadet es ja nicht im Lebenslauf. Hoffe ich zumindest ;)
Ob ich mich niederlassen will, weiß ich übrigens noch nicht, ich denke nur, es wäre vielleicht nicht schlecht, sich die Möglichkeit offen zu lassen.

Das mit dem "Ansehen" der Anästhesisten war vielleicht bisschen blöd formuliert von mir. Natürlich weiß ich, dass man als Anästhesist ja auch wirklich viel Ahnung haben muss und eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe hat. Aber ich kann mir eben schon vorstellen, wie es ja einige auch gesagt haben, dass manche Chirurgen das nicht so sehen und man dann eben "nur der Anästhesist" ist, ohne jemandem was unterstellen zu wollen. Wie ich mitbekommen habe, ist das Verhältnis zwischen Chirurgen und Anästhesisten an unserer Uni ziemlich gut. Und wenn vielleicht im Einzelfall nicht, dann muss man vielleicht einfach drüberstehen.

Tja, schwierige Entscheidung. Ich bin mir irgendwie selbst nicht so sicher, was ich eigentlich will :D

Pflaume
23.09.2018, 21:13
Mach doch ein Jahr Anästhesie. Schaden wird dir das nicht. Vielleicht bleibst du dabei. Vielleicht gehst du in die Päd zurück. Vielleicht gehst du nach 2 Jahren in die Päd zurück, bleibst aber tatsächlich beim NEF-Fahren. An meiner Uni gab es früher einen OA der Pädiatrie (Leiter der Kinderintensiv), der regelmäßig NEF fuhr.

LasseReinböng
23.09.2018, 23:16
Die Frage mit der NEF-Fahrerei ist, ob das noch irgendetwas mit dem Fach zu tun hat, was man an der Klinik ausübt. In den meisten Kliniken, die sich am Notarztwesen beteiligen, besetzt erst einmal die Anästhesie das NEF. Dann erst kommen die Internisten und dann die Chirurgen. Ich kann letztlich auch als Pädiater die 89jährige Omi mit SHF ins Krankenhaus jökeln aber ich glaube wohl kaum, daß irgendeine Pädiatrie in Deutschland dafür extra ihr Personal abzieht, da haben die ganz sicherlich keine Lust zu.

Was man in seiner knappen Freizeit als Pädiater, Augenarzt oder Psychiater macht ist Privatvergnügen.

WackenDoc
24.09.2018, 15:54
Ob jetzt der Pädiater Omma Hertha mit ihrem ACS in die Klinik fährt oder der Chirurg, macht jetzt auch keinen großen Unterschied.

freak1
24.09.2018, 17:03
Wie gesagt, es gibt doch in größeren Städten einen speziellen Kindernotarzt, der hinzugezogen werden kann, wenn der "erste" Notarzt nicht klar kommt.