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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wie gut/schlecht verdienen niedergelassene Ärzte wirklich?



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sepitet
08.12.2018, 09:03
Hallo zusammen,

ich habe lange gesucht, aber keine neutrale Quelle gefunden. Könnt ihr mir sagen, ob ich es richtig verstanden habe? Oder etwas übersehe?

Vom Reinertrag eines Praxisinhabers muss dieser noch Einkommenssteuer, alle Versicherungen sowie die Beiträge zu Versorgungseinrichtungen bezahlt werden. Oder fehlt hier noch was?

Ein Cousin von mir arbeitet als freiberuflicher Programmierer in ganz Deutschland an verschiedenen Standorten.
Wenn er von seinem Umsatz seine Kosten für Fahrten, Hotelübernachtungen, Fortbildung, usw. abzieht, kommt er damit meiner Meinung nach auf eine mit dem Reinertrag vergleichbare Größe.

Mein Cousin arbeitet ca. 50 Stunden die Woche und pendelt am Wochenende nochmal 10 Stunden.
Ein niedergelassener Arzt arbeitet sicherlich auch 60 Stunden in der Woche.

Wenn beide jetzt 150 T€ "Reinertrag" p.a. erzielen, bleibt in jedem Fall am Ende noch sehr viel Geld über.

Oder übersehe ich hier etwas?

Ich würde mich auf sachliches Feedback freuen :).

Evil
08.12.2018, 09:57
Das kommt ungefähr hin, wobei es eher 50h sind.

sepitet
08.12.2018, 10:53
Danke für deine schnelle Antwort.

Und wie ist das mit der Bedienung des Kredits für den Erwerb der Praxis? Muss man das vom Reinertrag auch noch abziehen?
Habe hierzu unterschiedliche Angaben gefunden.

Ich möchte einfach nur verstehen, wieso mir aus finanziellen Gründen vom Medizinstudium abgeraten wird.
Ich finde 150 T€ Reinertrag bei 50h sehr, sehr gut. Bin aktuell Gesundheits- und Krankenpfleger und muss zwar nur die Arbeitnehmerbeiträge zu Krankenversicherung und Rente, usw. bezahlen.
Aber wenn ich das mal vergleichbar rechne, würde ich als Arzt ein Vielfaches verdienen.

Was übersehe ich?

Ursa
08.12.2018, 11:04
HAllo @sepitet,
Vom Reinertrag musst du auch noch all die anderen persönlichen Steuern wie Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag,... abziehen.
Natürlich musst du, um zu sehen, was dir wirklich zum "verprassen" übrig bleibt, alle deine Kosten abziehen vom Reinertrag. Dazu gehören alle Kredittilgungen, evtl. Sparpläne für zusätzl. Altersvorsorge, Privatkredite+ deren Tilgungen, private Miete und deren NK, Privatversicherungen, …
Da kommt sicher ein ordentliches Sümmchen als Abzug raus. Im Grunde alles, was du nicht schon ohnehin als Betriebsausgaben geschäftlich abziehen konntest von der ESt. Meine Angaben sind garantiert nicht vollständig, aber wenigstens ein Gedankenanstoß.

sepitet
08.12.2018, 11:07
Hallo @Ursa,

danke für deinen Hinweis. Aber diese Ausgaben hat jeder andere arbeitende Mensch in Deutschland, ob selbstständig oder abhängig beschäftigt, doch auch.
Wieso heißt es dann von Ärzten immer, sie würden so schlecht verdienen?

Kackbratze
08.12.2018, 11:23
Wir bekommen nicht das bezahlt, was wir arbeiten. Im Krankenhausbereich sind das unbezahlte Überstunden, Nachtdienststunden mit Abschlägen, bei den Niedergelassenen sind das Untersuchungen die nicht oder nicht adäquat bezahlt werden.
Ein Selbstständiger würde nicht einen Finger bewegen, wenn die Arbeitsstunde nicht vergütet wird, wir lassen uns ausnutzen. Weil wir so gerne helfen und die Politik das schamlos ausnutzt.

sepitet
08.12.2018, 13:42
Wir bekommen nicht das bezahlt, was wir arbeiten. Im Krankenhausbereich sind das unbezahlte Überstunden, Nachtdienststunden mit Abschlägen, bei den Niedergelassenen sind das Untersuchungen die nicht oder nicht adäquat bezahlt werden.
Ein Selbstständiger würde nicht einen Finger bewegen, wenn die Arbeitsstunde nicht vergütet wird, wir lassen uns ausnutzen. Weil wir so gerne helfen und die Politik das schamlos ausnutzt.

Aber sind 150 T€ nicht genug, unabhängig davon, ob man alles vergütet bekommt oder nicht?

jijichu
08.12.2018, 13:45
Aber sind 150 T€ nicht genug, unabhängig davon, ob man alles vergütet bekommt oder nicht?

Das ist aber nicht im Krankenhaus der Fall, lies Dir nochmal den Post von Kackbratze durch. Und nein, es ist nicht egal, da Du ggf. trozdem die Ausgaben hast (Personal, equipment), die sich ja nicht danach richten, was Du vergütet bekommst.

sepitet
08.12.2018, 13:49
Aber das ändert doch nichts an der Tatsache, dass am Ende ein Reinertrag in Höhe von 150 T€ übrigbleibt.
Dass Krankenhausärzte Überstunden leisten, die sie nicht bezahlt bekommen, hat damit doch gar nichts zu tun.

Choranaptyxis
08.12.2018, 13:54
Quelle: (https://www.hna.de/geld/gehalt-arzt-viel-verdienen-aerzte-zr-9776779.html)Durchschnittliches Jahresgehalt (brutto)
Chefarzt 279.000 Euro
Oberarzt 114.000 Euro
Facharzt 84.000 Euro
Assistenzarzt (Arzt in Weiterbildung) 68.000 Euro
Das sind bei Weitem keine 150k.

rafiki
08.12.2018, 13:59
Quelle: (https://www.hna.de/geld/gehalt-arzt-viel-verdienen-aerzte-zr-9776779.html)Durchschnittliches Jahresgehalt (brutto)
Chefarzt 279.000 Euro
Oberarzt 114.000 Euro
Facharzt 84.000 Euro
Assistenzarzt (Arzt in Weiterbildung) 68.000 Euro
Das sind bei Weitem keine 150k.

Und dieses Oberarztgehalt auch nur bei besten Tarifverträgen mit 42 h/Woche in der obersten Gehaltsstufe (ohne Hintergrunddienste u. a.).

Bluej
08.12.2018, 14:06
https://www.praktischarzt.de/arzt/gehalt-arzt/

Evil
08.12.2018, 15:17
Man muß das etwas differenzierter betrachten.
Leistungsgerecht werde ich mit meiner Praxis zwar nicht vergütet, trotzdem verdiene ich nicht schlecht.

sepitet
08.12.2018, 16:06
Man muß das etwas differenzierter betrachten.
Leistungsgerecht werde ich mit meiner Praxis zwar nicht vergütet, trotzdem verdiene ich nicht schlecht.

Kannst du das vielleicht etwas näher erläutern? Was wäre deiner Meinung nach leistungsgerecht?

sepitet
08.12.2018, 16:09
Und dieses Oberarztgehalt auch nur bei besten Tarifverträgen mit 42 h/Woche in der obersten Gehaltsstufe (ohne Hintergrunddienste u. a.).

114 T€ verdient man in der freien Wirtschaft höchstens als Manager im DAX30-Konzern mit 50h/Woche und dauernder Erreichbarkeit. Auf 84 T€ kommen auch die allerwenigsten.
Und Einstiegsgehälter für bspw. Ingenieure liegen bei max. 50 T€.

Warum werden die o.g. Gehälter als zu gering angesehen?

rafiki
08.12.2018, 16:51
Unter anderem weil sehr viel in Weiterbildung investiert wurde, bei mir zum großen Teil selbstfinanziert, mittlerweile an die 50k.

sepitet
08.12.2018, 17:16
Unter anderem weil sehr viel in Weiterbildung investiert wurde, bei mir zum großen Teil selbstfinanziert, mittlerweile an die 50k.

Das muss man in der freien Wirtschaft aber auch, ein MBA kostet bspw. auch oft schnell 50 T€.
Verzeih mir, aber das ist für mich teilweise Jammern auf sehr hohem Niveau.

Kackbratze
08.12.2018, 18:07
Ja, ich freue mich immer, wenn alle froh und dankbar sind, dass ich im Dienst nicht zu Hause bin, ich pro Woche unbezahlte Überstunden mache und mit Glück meine Kinder ins Bett bringen kann.
Bezahlt werde ich nach 8/15Uhr-Taktung und der Rest der Arbeit, der nach der Patientenversorgung übrig bleibt (Briefe korrigieren, Fortbildungen organisieren, Gespräche mit Niedergelassenen, Gutachten, Konferenzen für Beiwerk wie IT, QM und Co) fällt in den Nachmittag. Ohne Uhr und Vergütung. Nachtdienste werden pauschal abgegolten.

Ich jammere auf hohem Niveau, da ich mit meinem Gehalt meine Familie ernähren kann. Was allerdings stört ist die Tatsache, dass ich soviel arbeite, als ob ich 2 Familien ernähren müsste, aber dafür nicht das Gehalt bekomme. Aber den bull$hit von Politikern und Leuten die NICHT im Krankenhaus arbeiten, dass ich doch gefälligst noch mehr machen soll und die Klappe zu halten habe, weil es ja so viele Leute gibt, die weniger verdienen.

Ach ja? Dann sollen die auch Abi machen, sich durch das Studium quälen und die Eier haben Leuten mal die Wahrheit (sie haben Krebs, ihr Kind ist tot, es gibt keine Heilung) ins Gesicht zu sagen. Wir zerstören gleichzeitig unseren Körper und unseren Geist indem wir maximale Stress-Situationen (Schockraum, NotOP, Angehörigengesrpäche) regelmäßig durchstehen dürfen und sollen uns parallel nicht beschweren, wenn Leute, die vom Schreibtisch aus arbeiten meinen, wieviel wir zu verdienen haben.

Es ist kein Wunder, dass Praxen nicht besetzt werden, Leute im Krankenhaus fehlen und die, die da sind, ihre Stundenanzahl reduzieren oder stumpf abwandern in Länder wo die Stechuhr pünktlich den Feierabend verkündet ODER der maximale Stress adäquat vergütet wird.

Coxy-Baby
08.12.2018, 18:11
Schön zusammengefasst :-top

rafiki
08.12.2018, 18:18
J
Wir zerstören gleichzeitig unseren Körper und unseren Geist indem wir maximale Stress-Situationen (Schockraum, NotOP, Angehörigengesrpäche) regelmäßig durchstehen dürfen


Füge aus meinem Fach hinzu: Maximale Stresssituationen u. a. mit Suizidenten, die es entweder bereits versucht haben oder einem täglich erzählen, wie sie es machen wollen, Patienten, die überhaupt nicht in der Klinik sein wollen, von denen die Gesellschaft aber will, dass sie eben selbiger fern bleiben, die mit Gewalt drohen oder anwenden. Und natürlich en masse Patientengeschichten mit psychisch traumatisierenden Lebensgeschichten, die vom Arzt "contained" werden wollen.
Für all das lass ich mich ohne Schuldgefühle gut bezahlen.