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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Tips und Tricks einer pädiatrischen Anamnese/Untersuchung



Pünktchen
11.11.2003, 11:34
Hi :-)


Ich möchte euch auf ein spezielles Thema aufmerksam machen, das inigo im Thread Der erste Fall angesprochen hat.

Eine pädiatrische Untersuchung und auch die Anamnese ist anders als bei einem Erwachsenen. Man braucht das richtige Händchen dafür und irgendwann hat man die Erfahrung, wie Kinder reagieren....

Es wäre schön, wenn man ihr, die schon erfahren seid in solchen Untersuchungen...mal beschreibt was zu beachten ist...welche Themen man wie angeht...
Am besten mit vorformulierten Fragen, damit man sich ein solches Gespräch vorstellen kann...


LG
Pünktchen :-)

Bille11
11.11.2003, 16:07
ja also... ich sag das jetzt mal so, wie uns die meisten dozenten damit konfrontieren, wenn sie uns erklären, wie man untersuchen/anamnesieren soll...

"isch mach dat so:"


(wobei ich einschränken muss: kaku (=u-kurs) päd habe ich erst nächste woche, und in meinen 2 monaten famulatur im sommer habe ich 5 kinder gesehen, diese allerdings ganz allein untersucht/anamnesiert - unfallchirurgie halt.. da wo man alles darf... *s* die docs waren aber auch lieb)

die kinder, die ich bisher untersucht habe, waren zwischen 2 und 12 jahre alt, die meisten 3-5. hatten entw. beinbruch, armbruch, schussverletzung oder eine sturzprellung auf der stirn (kommt eben vor), sowie eine tumor-rezidiv-schwellung (=alter kunde des hauses, kennt alles viiiel besser als famulus;-)) gehabt..

zuallererst bin ich da rein gegangen und habe geschaut, ob mama und/oder papa dabei sind.. wenn ja, dann offiziell bei denen vorgestellt, dann bei den kids. die eingangsfrage "was denn passiert sei" geht bei mir direkt an das kind. je nach alter verdeckt in "bewunderung/feststellung" des offensichtlichen.. (verband o.ä.) - gespräch über den unfall mit dem kind.. wenn das kind zu schüchtern, zu klein (keine wirkliche formulierung), dann habe ich mama/papa mithelfen lassen.. nach dieser hergangsfrage ging die untersuchung eigentlich immer problemlos.. "darf ich das mal angucken/~fassen".. anschauen, vorsichtige untersuchung, dann bewegungsfxn/gezielte untersuchung; wenn das kind jetzt nicht mehr wollte, hab ich das akzeptiert, an einer der anderen extremitäten durchgecheckt und dann nochmal die betroffenen extremitäten.. das lief meist gut.. zwischendurch muss man das kind eben auch mal ablenken (irgendeine frage zum kindergarten/schule/spielen geht da gut), aktive bewegungen ausführen lassen.. auch mal mit der lampe (klar doch, zum gucken) spielen lassen.. währenddessen habe ich meist von mama/papa bei den kleinen nochmal den unfallhergang gecheckt..
wenn das ganze dann beendet war, hab ich ein paar allgemeine fragen gestellt.. (akute allg. erkrankungen, chronisches, allergien (schokoladenallergie!!:-oopss) , und den ganzen kram, den man fragen kann).. bei den größeren erst das kind, dann die eltern.. und den eltern raum gegeben, ihrerseits fragen zu stellen (die dann meist auch kamen, super-timing!;-))
musste ich jetzt blut abnehmen, habe ich das gemacht (waaahh.. bei den kleinen ist das wirklich nicht nett, pieksen zu dürfen)..
ansonsten röntgenbild angeschaut/kind gezeigt/mama,papa gezeigt..
und dann hab ich mich auch meist schon empfohlen.. *s*

ein mädel wollte (schmerzen) mittendrin (untersuchung hatte ich zum glück schon!) GAR nicht mehr.. da hab ich es gefragt, ob ich gehen solle (autonomität wahren) und mich noch grad mit der mutter über den rest der anamnese unterhalten.. ist eben so.. war aber nicht wirklich tragisch..

;-) mal sehen, was ich die kommende zeit lerne, was man noch so alles mit kindern anstellen kann.. mögen tu ich die nicht so sehr.. erst, wenn sie wieder weg sind.. ;-)

Die Niere
11.11.2003, 17:11
Also ich bin kein Pädiater und mach den Job jetzt grad mal 5 Wochen, aber habe dafür pro Tag so 3 - 6 Anamnesen+Untersuchung usw. (Poliklinik und Ambulanz halt)

Ich stelle mich eigentlich immer bei den Eltern und den Kindern vor (Reihenfolge ist egal) und wenn das Kind mir die Hand nicht geben möchte ist natürlich auch gut.

Dann lasse ich alle Sitzen...biete dem Kind noch einen eigenen Stuhl an...je nach Alter und Präferenz.

Dann kommt bei mir eigentlich (außer richtiger Notfall mit Dyspnoe o.ä.) immer erst die Anamnse ohne Untersuchung. Wie schon geschrieben, spreche ich dann immer erst die Kinder an und schwenke dann auf die Eltern, wenn das Kind nicht weiterkommt, wenn ich schwierige Dinge wissen möchte oder etwas verrifizieren möchte, dass das Kind gesagt hat. Wenn dem Kind langweilig wird, kann man ihm entweder ein Buch geben oder es einfach im Raum spielen lassen.

Thematisch sieht das bei mir dann immer so aus:

- Frage nach aktueller Problematik (auch wenn man die schon weiß - manchmal ergeben sich durch die offene Frage weitere Ebenen)
- SS + Geburt: Auffälligkeiten, SSW, Geburtsmasse & -gewicht, APGAR
- weitere Entwicklung: Entwicklungsmeilensteine rechtzeitig erreicht?, Impfungen, Kinderkrankheiten, Perzentilenentwicklung (oft Frage nach dem gelben Vorsorgeheft - gerade bei Kleinwuchs)
- längerdauernde oder chronische Krankheiten, OP's, längerdauernde Medikamenteneinnahme, häufige Infekt o.ä.
- Schule?, Kindergarten?, welche Klasse?, viele Freunde? (soziale Kontakte)
- Hobbies, Sport: Leistungsfähigkeit
- Essen: Appetit, Verdauung, BS
- Familienanamnese: Vater, Mutter, Geschwister, sontige Auffälligkeiten in der Familie

Das wärs eigentlich grob...selbstverständlich muß man bei spez. Erkrankungen wiederum andere tiefergehende Fragen stellen, aber das ergibt sich dann meist aus der Situation heraus.

Bei der ganzen Befragungsgeschichte ist es immer ratsam, das Kind - wenn es nicht mitmachen will oder ihm langweilig ist - Fragen zu stellen, die zwar nicht unbedingt wichtig sind, dem Kind aber das Gefühl von Vertrauen und Wichtigkeit vermitteln. Ich frage z.B. bei der Schule oft auch nach dem Berufswunsch und man unterhält sich dann eine Zeit darüber oder gerade bei den Hobbies gibt es viele Möglichkeiten dem Kind positive Signale zu geben.

Dann habe ich es auch immer als sinnvoll angesehen, dem Kind ehrlich gegenüber zu treten - wenn ich also in meinen Bogen adipöser ER schreibe, dann spreche ich das auch an, ob er damit zurecht kommt, Hänseleien, wie das seiner Meinung nach entstanden ist, ob er Lust hätte ein paar gute Tipps dahingehend zu bekommen (wir haben bei uns eine klasse Diätassistentin).

Dann gehts zur Untersuchung:
Ich bitte die Kinder dann immer sich bis auf die Unterwäsche auszuziehen und auf die Liege zu legen, dabei sollten man denen natürlich immer viel Zeit lassen und sie nicht drängen. Einige werden dann panisch und weinen los - dann ist es das beste, wenn man die Mutter natürlich mit zur Liege nimmt, die dann die ganze Zeit die Hand des Kindes halten kann o.ä. Sehr wichtig ist auch, dass man immer genau erzählt was man machen möchte und z.B. nicht einfach die LK's am Hals anpackt ohne dem Kind was davon zu sagen - aber das versteht sich wohl von selbst.

Ablenkung ist natürlich auch immer gut, gerade bei der Palpation des Abdomens, wenn die Kinder sich nicht so richtig entspannen möchten, dann helfen Fragen nach Schule, Hobby und Ferien oft weiter. Bei Benutzung des Stethoskopes bei kleinen Kindern zeige ich das denen dann oft und lasse sie das auch mal anfassen. Einige Kinder haben Angst vor dem "Auflegen" des Stehoskopes und dann zeigt man das mal an sich, dann ggf. an der Mutter und dann mal am Bauch des Kindes und tastest sich so heran. Dann geht es meistens.

Meine Reihenfolge ist diese:
Erstmal anschauen: Beine, Hände, Exantheme, costale Einziehungen o.ä., Habitus,
Abdomen (auskultation, dann perkussion, dann palpation[auch Leber und Milz])
Herzauskultation
Pupillenreflexe
NAP
dann ggf. Gelenkbewegung
-> dann lasse ich die Kinder meist am Rand der Liege sitzen und mache weiter mit:
Lungenauskultation
Nierenlager
WS
LK Palpation
SD Palpation
Meningismus
dann ggf. motorische Entwicklungsgeschichten, Reflexe...

Immer zuletzt !!!: in die Ohren und den Mund schauen, danach ist bei einigen kindern schluss und sie finden den Arzt nur noch sch*** - dann wenn nötig die BE als allerletztes

So viel zum Standard - was aber wenn das Kind panisch wird, schreit, nicht will, sich wehrt usw. muß man entscheiden, wie weit man gehen will und muß. Viele Untersuchsschritte können z.B. auch auf dem Arm der Mutter/des Vaters erfolgen - das wird oft besser toleriert. Wenn aber alles nichts hilft, der Teil der Untersuchung aber nötig ist, dann sollte man das den Eltern erklären und dann ggf. mit deren Hilfe das Kind in eine Postion bringen, in der es sich nicht mehr wehren kann und man es zu der Untersuchung "zwingt" - das gilt natürlich wirklich nur für wirklich Benötigtes, nicht um seinen Untersuchungskatalog voll zu machen.

Bei BE - insbesondere von Säuglingen - solle man den Eltern immer erklären wie das jetzt abläuft (manchmal sind wir zu dritt dabei, die das Kind festhalten müssen, Blut abnehmen und Röhrchen reichen müssen) - dabei kommt es immer wieder vor, dass das Kind wirklich panisch hysterisch schreit und sich nicht beruhigen kann - das kann schon ganz schön hart sein, deswegen sollte man den Eltern immer anbieten, wenn sie es möchten kurz den Raum zu verlassen - damit sie selbst es nicht so schwer haben. Am besten ist natürlich, wenn sie die andere Hand des Kindes halten, aber auch das hilft nicht immer.

Ablenkung ist natürlich auch hier das A und O...und natürlich immer erklären, was passiert und ach ja, nie das Kind anlügen. Wenn man verspricht keine BE zu machen, dann sollte man auch keine machen - das zerstört jegliches Vertrauen und macht den weiteren Verlauf nur noch schwerer. Deswegen habe ich mir als PJ'ler angewöhnt, darüber keine Aussagen zu machen, denn die Entscheidung liegt nicht bei mir und ich möchte den Kindern keine falschen Hoffnungen machen...

Es gibt wahrscheinlich noch Unmengen zu erzählen, aber das reicht ggf. als ersten Ansatz...

gruesse, die niere

Pünktchen
12.11.2003, 08:43
Ich hab doch was beizutragen:

Versuche je nach Alter die Kinder selbst ausziehen zu lassen!
ihr könnt Motorik, Koordination beobachten und wenn sich ein Kind die Strümpfe ausziehn kann, habt ihr auch gleich nen Menigismus überprüft :-)


Bei der Mundinspektion (solange ihr nicht den Würgereflex auslösen müsst) die Kinder erst einmal so den Mund öffnen und "A" sagen lassen!
Achja eine ausgestreckte Zunge verdeckt manchmal mehr als man denkt....so tut ihr den Kindern weniger Unangenehmes an und habt manchmal herrliche Ausblicke auf Rachen und Tonsillen ;-)