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xyl15
04.01.2019, 20:34
Hallo,

ich habe eine Frage für eine Bekannte, die Anorexia nervosa hat mit zur Zeit einem BMI von roundabout 11. Sie ist jetzt in einer rennomierten Fachklinik, aber dort eher unzufrieden, weil sie sich als Erwachsene Person nicht ernst genommen fühlt und es viele "unsinnige" Regeln gibt, die ohne Erklärung befolgt werden müssen, z.B. Reihenfolge der Brotbelage, Beim Essen keinen Schal tragen , keine Kosmetika, die nach Lebensmitteln riechen....


Sie ist sehr reflektiert und wirklich gewillt, aus ihrer Erkrankung raus zu kommen. Jetzt fragt sie sich, ob sie evtl. in einer normalen internistischen Station besser oder ebenso aufgehoben wäre. Es geht ih hauptsächlich um die Überwachung wegen Wassereinlagerungen (hatte sie extrem) und Refeeding-Syndrom.

Welche Station könnte so etwas leisten (gastro? Psychosomatik wohl eher nicht?) und was wäre eine Einweisungsdiagnose? Anorexie? kachexie?

Uns was kann medizinisch getan werden, ohne störungsspezifische Therapie?


Vielleicht hat jader ein oder andere mit so einem Fall Erfahrung!

Feuerblick
04.01.2019, 20:37
Bei allem Verständnis für deinen Wunsch zu helfen: Ich glaube nicht, dass es bei Anorexie nur darum geht, den miesen BMI wieder hübsch zu bekommen. Insofern gehören für mich derart Erkrankte in eine entsprechende Fachklinik.
Dieses Aufbegehren gegen möglicherweise unsinnige Regeln klingt für mich eher nach Aufbegehren gegen die störungsspezifische Therapie.
Aber ich bin kein Psychiater.... :-nix

Relaxometrie
04.01.2019, 20:41
Insofern gehören für mich derart Erkrankte in eine entsprechende Fachklinik.
Dieses Aufbegehren gegen möglicherweise unsinnige Regeln klingt für mich eher nach Aufbegehren gegen die störungsspezifische Therapie.
Genau das habe ich beim Lesen des ersten Posts auch gedacht.
Egal, in welcher Klinik sie behandelt werden wird...sie wird vermutlich IMMER etwas auszusetzen haben.

Relaxometrie
04.01.2019, 20:44
Uns was kann medizinisch getan werden, ohne störungsspezifische Therapie?
Nichts, was auf Dauer sinnvoll ist.
Natürlich kann man in einer rein internistischen Behandlung einen halbwegs normalen BMI erzwingen. Aber das alleine bringt einem Patienten mit einer Anorexie überhaupt nichts.

roxolana
04.01.2019, 23:00
Sie ist jetzt in einer rennomierten Fachklinik, aber dort eher unzufrieden, weil sie sich als Erwachsene Person nicht ernst genommen fühlt und es viele "unsinnige" Regeln gibt, die ohne Erklärung befolgt werden müssen, z.B. Reihenfolge der Brotbelage, Beim Essen keinen Schal tragen , keine Kosmetika, die nach Lebensmitteln riechen....


Hört sich für mich nicht nach unsinnigen Regeln an. Warum sollte man denn beim Essen unbedingt einen Schal tragen wollen? Um darunter Lebensmittel zu verstecken? Ich kann schon nachvollziehen, warum die Klinik auf diesen Regeln beharrt, ich vermute mal, die wurden aus gutem Grund eingeführt. Und ein BMI von 11 ist schon ne Hausnummer... Ich hab mal ausgerechnet, wie viel ich dafür wiegen müsste: 31 kg... Das kann eine nicht-spezialisierte Klinik vermutlich gar nicht leisten.

ninakatharina
05.01.2019, 07:21
Wir behandeln auf unserer ITS/IMC hin und wieder anorektische PatientInnen, wenn sie zu mager für unsere Psychosomatik sind. Und zwar nur so lange, wie nötig, d.h. in unserem Fall: BMI>13, kein Refeeding, keine Elektrolytverschiebungen. Dann verlegen wir auf die Psychosomatik oder müssen entlassen, wenn ersteres nicht gewünscht. Ich verstehe deinen Wunsch, sehe da aber mehrere Probleme und kann dir nur ans Herz legen, dir das anzuhören, deine Freundin aber dahingehend zu motivieren und zu bestärken, dass sie da bleibt, aus Folgenden Gründen:
1. Medizinisch: in solchen Fachkliniken ist man auf das Krankheitsbild spezialisiert, du würdest ja auch keine Appendizitis vom HNO-Arzt operieren lassen , oder?
2. Sozial: auf internistischen Stationen wird sich wenig Möglichkeit für Austausch mit anderen Patienten finden, sind doch die meisten alt und mit sich selbst beschäftigt... Und man bleibt ja doch lange stationär mit solch einem Krankheitsbild.
3.Personell: auf internistischen Stationen ist die individuelle Betreuung, Erstellung und Einhaltung von Essplänen, Krisenbewältigung, etc. nicht gegeben, dafür gibt es in den wenigsten Fällen genügend Kapazitäten beim medizinischen Personal
4. es liegt in der Natur des Krankheitsbildes, dass deine Freundin um jede Regel, jede Essportion, etc.diskutiert - auch wenn sie motiviert ist: das Gehirn ist bei solch einem BMI auf Dauersparflamme. Sie wird vermutlich sehr eingeengt auf die Thematik sein. Anorexie ist da leider heimtückisch.

Überdies erscheinen mir die Regeln eigentlich recht normal, meiner (geringen) Erfahrung nach kommt man anders auch nicht weiter, die meisten AnorektikerInnen sind ja auch dran gewöhnt, sich selbst strenge Regeln aufzuerlegen.

xyl15
05.01.2019, 08:04
Danke für eure Antworten!

Das sehe ich unbedingt genau so, dass rein die Erhöhung des BMI überhaupt selten weiter bringt.

Ich wollte nur mal nachfragen, ob es auch positive Erfahrungen diesbezüglich gibt.

Allerdings sehe ich es schon als Problem, dass es für erwachsene Patienten mit Anorexie nicht unbedingt entsprechende Therapiekonzepte gibt, sondern es ist vielfach sehr "von oben herab" und nichts mit "gleichberechtiger Patient" und Aufklärung.
Zwar sind die meisten jugendlich, ich denke aber, dass man mit Erwachsenen, die die Krankheit schon 10- 20 Jahre haben, eine andere Therapieform entwickeln müsste, die es meinem Eindruck nach noch nicht so richtig gibt,

rafiki
05.01.2019, 10:07
ich denke aber, dass man mit Erwachsenen, die die Krankheit schon 10- 20 Jahre haben, eine andere Therapieform entwickeln müsste,

Wozu? Ihr Gehirn ist mindestens genauso krank wie die der jugendlichen Pat. und sterben tun sie mit einem BMI von 11 genauso elend.

Nessiemoo
05.01.2019, 17:57
Was wir im Studium gelernt haben damals wird es eben durch die strenge Regeln versucht das Gehirn aus dem Einfluss der Krankheit rauszukommen. Bis zu einem BMI von 13 kenne ich auch so, dass eher die internistische Station zuständig ist, aber vermutlich wird sie in der Fachklinik mitbetreut?

erdbeertoertchen
05.01.2019, 18:09
Mit einem BMI von 11 sind anorektische Patienten nicht klar denkend, daher brauchen sie enge Strukturen. Es wird von diesen Patienten sehr oft alles oder vieles der Therapie in Frage gestellt. Daher gibt es oft den Versuch der Diskussion seitens der Patienten über Kleinigkeiten. Zumindest bei uns und ich denke auch in anderen Kliniken wird sich auf keine Diskussion eingelassen.
Die Regeln sind am Anfang sehr streng und je höher der BMI wird, desto lockerer wird es. Manche Regeln sind für Patienten und auch aussenstehende nicht nachvollziehbar.
ZB das mit dem Schalverbot beim Essen kann sein, weil manche Magersuechtige zB Butter reinschmieren, um Fett zu vermeiden. Daher diese Regel. Keine Dinge, die nach Essen riechen, der richtige Umgang mit Essen und das Hungergefuehl muss wieder erlernt werden, und zwar in der Therapie.
Man muss sich klar machen, dass die ue Therapie nicht gegen den Patienten geht, sondern gegen die Magersucht und gerade diese ist sehr heimtückisch. Die Patienten nehmen sich als zu dick war und reden sich ein, sie können es ambulant schaffen, dem ist nur bis zu einer gewissen Krankheitseinsicht so.
Ich kenne deine Freundin nicht und ich habe nur stationär Erfahrung, aber bis jetzt konnten sich alle Patientinnen, die ich hatte, mit so einem BMI nur sehr schwer auf die Therapie einlassen und haben mit allen Mitteln versucht Kalorien zu vermeiden oder wollten entlassen werden. Und bei deiner Freundin hört es sich für mich ähnlich an.

erdbeertoertchen
05.01.2019, 18:12
Was wir im Studium gelernt haben damals wird es eben durch die strenge Regeln versucht das Gehirn aus dem Einfluss der Krankheit rauszukommen. Bis zu einem BMI von 13 kenne ich auch so, dass eher die internistische Station zuständig ist, aber vermutlich wird sie in der Fachklinik mitbetreut?

Wir haben auch schon BMI von 10,3 aufgenommen. Oder BMI von 12,3, KJP, keine Innere, vielleicht ist es im Erwachsenenbereich anderst?

Kandra
05.01.2019, 18:16
Kommt ja auch auf den körperlichen Zustand des Patienten an. Ich gehe davon aus, dass eure Patienten mit diesen BMIs einmal internistisch abgeklärt wurden (nächtliche Bradykardien etc) und für stabil befunden wurden. Das ist zumindest bei uns das Hauptkriterium ab wann die Kinder in die Psychosomatik überwechseln, den BMI berechnen wir eigentlich nur interessehalber.

erdbeertoertchen
05.01.2019, 18:20
Genau, Abklärung Kinderklinik und danach zu uns verlegt.

eny
10.01.2019, 08:58
Die Sache ist halt, dass sie, egal wo sie hingeht, sich an irgendwas wird halten müssen, solange sie dort ist.
Nach dem was ich gesehen habe, werden Anorexiepatienten eher selten auf der Inneren aufgenommen und auch eher ungern.
Ein weiteres Problem sehe ich auch bei ihrem aktuellen BMI von 11, da wird sie kaum um eine Fachklinik herumkommen, ausser es würde irgendwo eine Ausnahme gemacht, die aber wohl über persönliche Kontakte laufen müsste.

morgoth
10.01.2019, 09:18
Aber warum sollte denn überhaupt eine Ausnahme gemacht werden?
Sie kann ja die Fachklinik wechseln, da kann es ja mal wirklich nicht passen. Aber ganz ehrlich, alles möglich breittreten, bloß weil man einen Schal beim Essen anhaben will, da fehlt mir als Psychiater aber wirklich ein bisschen das Verständnis, insbesondere weil die Patientin ja als reflektiert und motiviert beschrieben wurde.

Andersrum wird eher ein Schuh draus, wie in den Vorposts beschrieben. Natürlich kann es krankheitsbedingt dazu kommen, dass solche Themen plötzlich sehr wichtig erscheinen, aber dann hat man erstmal den Bereich der "Erwachsenenmedizin" auf Augenhöhe verlassen und braucht eher ein anderes Konzept.

Mondschein
10.01.2019, 10:42
Ich hatte - ähnlich wie Ninakatharina - als Internistin schon mehrfach anorektische Patientinnen auf der Intensiv - wegen E'lytverschiebungen etc. Und ich würde dringend davon abraten, "freiwillig" mit Anorexie in die Innere zu gehen (und wir lehnen das auch regelmäßig ab, wenn es nicht gute, intensivpflichtige, Gründe für ein Bett bei uns gibt. Wir können das einfach nicht. Wir sind anorektischen Patientinnen quasi psychiatrisch nicht gewachsen. Klar kriegen die auch bei uns einen Essensplan, aber wir können nicht dauernd die Regeln überwachen und uns in Diskussionen über ein halbes Brötchen verwickeln lassen. Häufig gibts dann auch Konflikte mit Pflegekräften und uns Ärzten, weil uns allen einfach das Verständnis für die Erkrankung ziemlich fehlt und wir damit halt keine Erfahrung haben.
Wenns internistische Probleme gibt, klar, dann muss es halt ein paar Tage gehen. Aber Anorexie ist eine psychiatrische Erkrankung und gehört in die Hände von Fachleuten. Das ist für die Patienten meines Erachtens viel besser als mal eben schnell in der Inneren ein bisschen auf Refeeding aufpassen... Und mehr tun und können wir wirklich nicht.

Und sorry, wer das als Patient nicht versteht, hat meines Erachtens eben genau KEINE Krankheitseinsicht.

xyl15
10.01.2019, 12:38
Danek für eure Ansichten! ich sehe das im Grunde so ähnlich.

Es besteht allerdings das Problem, dass die meisten Fach-Therapiekliniken erst ab einem BMI von 12 oder 13 aufnehmen, eben weil sie nicht genügend internistisch und überwachungsmäßig ausgestattet sind.
Da besteht irgendwie eine Versorgungslücke, denn nur wenige Patienten/-innen schaffen das alleine (klar, sonst wären sie nicht krank)
Bleibt vorübergehend doch nur eine internistische Station, oder was sonst noch?

davo
10.01.2019, 12:41
Was wäre denn mit einer psychiatrischen Abteilung eines primär somatischen Krankenhauses?

bristol
10.01.2019, 12:57
Das ZI in Mannheim hat - soweit ich weiß die einzige - internistisch geführte ITS in einem psychiatrischen Krankenhaus, und das ZI ist sicherlich eine sehr gute Fachklinik. Allerdings sehe ich nach deinen Schilderungen auch eher das Problem bei krankheitsbedingt verminderter Krankheitseinsicht

Kandra
10.01.2019, 13:08
Danek für eure Ansichten! ich sehe das im Grunde so ähnlich.

Es besteht allerdings das Problem, dass die meisten Fach-Therapiekliniken erst ab einem BMI von 12 oder 13 aufnehmen, eben weil sie nicht genügend internistisch und überwachungsmäßig ausgestattet sind.
Da besteht irgendwie eine Versorgungslücke, denn nur wenige Patienten/-innen schaffen das alleine (klar, sonst wären sie nicht krank)
Bleibt vorübergehend doch nur eine internistische Station, oder was sonst noch?

Ich dachte sie ist schon in einer Fachklinik?