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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Tipps und Tricks für den Umgang mit geistig behinderten Menschen



Blaulichtgurke
06.01.2019, 14:57
Hallo,
Aus gegebenem Anlass stelle ich diese Frage mal in die Runde, wie ihr im Einsatz mit (erwachsenen) Menschen umgeht, die eine geistige Behinderung haben, und die z.B. verängstigt sind, unkooperativ, nichts verstehen etc. quasi auf dem Stand eines Kindes sind und sich gegen euch wehren.
Welche Tricks habt ihr da auf Lager?
Mit Vorname + Du ansprechen? Stofftier anbieten?
Unser gestriger Patient (m, 30, schätze geistig wie ein ~ 12 Jähriger) hatte Angst vor uns, ist vor uns weggelaufen, hat uns getreten als wir ihn "eingefangen" haben und hat uns angeschrien. Er bekam vom NA dann Midazolam via MAD, weil dieser, ich zitiere "keine Lust auf diesen Kindergarten" hatte.
Wie handhabt ihr das? Hier kommen ja mehr psychologische Aspekte infrage. Sind da unsere Frauen auf dem RTW im Vorteil was solche Einsätze angeht.
Ich denke, solche Patienten "mit Gewalt" festzuhalten wirken noch mehr traumatisierend.
Ich weiß es gibt nicht DEN EINEN geistig behinderten Menschen, die Varianz ist groß, aber meine Frage beziehen sich auf das aktuelle Beispiel und im Allgemeinen wie ihr das handhabt.

P.S. Unser Patient war alleine unterwegs, war einkaufen und hatte dort laut Zeugen einen Krampfanfall gehabt, augenscheinlich unverletzt, war beim Eintreffen aber wieder wach und ansprechbar, sogar in der Lage zu fliehen aber halt unkooperativ und wollte nicht mit.

LG
Blaulichtgurke

Muriel
06.01.2019, 18:39
Ich kenne das ja nur aus der Praxis, aber dort fange ich niemals an, einen erwachsenen Menschen einfach zu duzen. Wenn mir die ja eigentlich immer vorhandene Begleitung sagt "er hört nur auf Thomas und Du" , dann switche ich natürlich, aber prinzipiell finde ich es respektlos, direkt mit Du anzufangen.

Feuerblick
06.01.2019, 19:02
Aus der Erfahrung heraus (Kindersprechstunden mit überwiegend mehrfachbehinderten Kinder, Allgemeine Sprechstunden mit vielen Down-Patienten und Mehrfachbehinderten): Ein Rezept gibt es nicht. Der eine reagiert nur auf Vorname und „Du“, der nächste reagiert nur, wenn man ihn weder anschaut noch direkt anspricht, der nächste dreht schon am Rad, wenn er nur Kittel o.ä. sieht und der nächste ist komplett zugänglich und freundlich.

Ich bin immer gut damit gefahren, mir die Situation erstmal anzuschauen. Auch im Einsatz kann man erstmal auf Entfernung freundlich „Guten Tag“ sagen, vielleicht erstmal mit Angehörigen reden etc. Dann merkt man schnell was geht und was nicht. Und es entspannt die Situation ungemein.

Körperliche Gewalt finde ich persönlich nicht gut, aber auch hier kann es Situationen geben, in denen man handeln muss, weil sonst Patient und andere Menschen gefährdet sind. Aber im Regelfall sollte das nicht notwendig sein.

WackenDoc
06.01.2019, 19:43
In der Rettungsdienstsituation:
Erstmal entscheiden ob der Patient unmittelbar gefährdet ist. In dem Fall ja erstmal nicht. Blutet nicht, atmet, kann sich eigenständig bewegen. Wird vermutlich auch nicht der erste Krampfanfall gewesen sein.

Da muss man auch nicht mit 4 Mann auf den Patienten los. Abstand halten, einer versucht eine Verbindung herzustellen (halt der bei dem die größten Erfolgsaussichten bestehen, merkt man oft). Selber vorstellen.

Parallel versuchen rauszufinden wer der Patient ist, wo er herkommt, versuchen Familie, Betreuer, Einrichtung zu erreichen.

Ob Du oder Sie in der Situation angemessen ist wird man ein wenig nach Bauchgefühl entscheiden müssen.

Man kann es auch mit Smalltalk versuchen wenn sich ein Thema anbietet. Manchmal findet man was wenn man die Augen aufhält.

Blaulichtgurke
06.01.2019, 21:14
Da muss man auch nicht mit 4 Mann auf den Patienten los. Abstand halten, einer versucht eine Verbindung herzustellen (halt der bei dem die größten Erfolgsaussichten bestehen, merkt man oft).



In unserem Fall war der kräftige Kollege fix genug um den Patienten von hinten unter die Arme zu packen und festzuhalten. Ein Gespräch kam nicht wirklich zustande weil unser (genervter) NA sofort zur Chemie gegriffen hat.
Wie hättet ihr reagiert wenn es euch nicht gelungen wäre den Patienten festzuhalten und sich dieser z.B. in seiner Furcht auf einen Baum begibt und partout nicht runterkommen geschweige denn mit euch reden will?
Die Frage stelle ich mir gerade weil auf dem Parkplatz wo der Einsatz stattgefunden hat eine Grünanlage angrenzt wo etliche Bäume stehen.

Feuerblick
06.01.2019, 21:21
Auf so nen Baum muss man auch erstmal hochkommen. Da hätte ich nun am wenigsten Sorge gehabt. Eher, dass er vor ein Auto rennt oder sowas. Ich würde, wenn ich nicht zwingend muss, einen Patienten niemals einfach festhalten. Stell dir vor, du wärest der Patient, würdest nicht kapieren, was da gerade abgeht und dann schnappt dich einer und hält dich fest. Nicht schön, oder?

Blaulichtgurke
06.01.2019, 21:34
Auf so nen Baum muss man auch erstmal hochkommen. Da hätte ich nun am wenigsten Sorge gehabt. Eher, dass er vor ein Auto rennt oder sowas. Ich würde, wenn ich nicht zwingend muss, einen Patienten niemals einfach festhalten. Stell dir vor, du wärest der Patient, würdest nicht kapieren, was da gerade abgeht und dann schnappt dich einer und hält dich fest. Nicht schön, oder?

Sicher ist das nicht schön für denjenigen, was wäre denn die Alternative? Einfach weglaufen lassen? Deshalb frage ich ja.

WackenDoc
06.01.2019, 21:36
Wenns mal soweit gekommen ist, isses zu spät. dann ist es gelaufen. Sedierung ist dann durchaus konsequent um weiteren Schaden abzuwenden. Ich bin dann eher für i.m. statt i.n. aber das ist wohl Geschmackssache.

Nach Möglichkeit vorher versuchen die Eskalation zu vermeiden. Straßenverkehr wäre für mich auch die größere Gefahr als eine Grünanlage.
Manchmal kommt die Fluchtreaktion auch plötzlich und unerwartet.

Im Einzelfall ist es schwer zu sagen.