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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Manipulation Arbeitszeit-Dokumentation



'you
11.01.2019, 11:33
Mal wieder eine arbeits(zeit)rechtliche Frage... vielleicht kann mir jemand weiterhelfen, die Internetsuche war leider nicht erfolgreich.

An unserem Haus ist es zuletzt vermehrt dazu gekommen, dass die Personalabteilung nachträglich die Arbeitszeitdokumentation verändert. Wir haben eine digitale Arbeitszeiterfassung, in die wir unsere Arbeitszeit & die Überstunden eintragen. Arbeitet man nun über 9 h und trägt sich keine zusätzlichen 15 min Pause ein (weil man sie natürlich nicht genommen hat...), wird durch die Personalabteilung nachträglich die Pause eingetragen und somit täglich die Arbeitszeit um 15 min gekürzt.

Dasselbe, wenn man nach einem 24h-Dienst länger bleibt, um eine Übergabe zu machen (der 24h Dienst endet 7 Uhr, der Kollege kommt 7 Uhr - genau 0 Sekunden Zeit, dienstrelevante Patienten und die komplette eigene Station zu übergeben, das Telefon zur Pforte zu bringen, sich umzuziehen...). Die eingetragene Zeit wird einfach gestrichen.

Mir ist natürlich klar, dass so die Arbeitszeitkonten arbeitszeitgesetz-konform frisiert werden sollen... Aber gibt es dazu irgendeine Rechtsprechung, die dies verbietet? Eigentlich ist es ja Arbeitgeberpflicht, die Pause zu gewähren. Kann ich sie aus "betrieblichen" Gründen (kranker Mensch mit Arztbedarf vor mir...) nicht nehmen, kann mir doch nicht einfach die Arbeitszeit abgezogen werden?

Vielen Dank!!!

Matzexc1
11.01.2019, 11:38
Anonyme Meldung an das Gewerbeaufsichtsamt wäre mein Gedanke.

anignu
11.01.2019, 16:08
Doch, natürlich kann dir die Personalabteilung grundsätzlich erstmal die Dreiviertelstunde abziehen. Weil du sie nehmen hättest müssen laut Arbeitszeitgesetz. Und da du studiert hast ist von einer gewissen Intelligenz auszugehen, daher darf pauschal davon ausgegangen werden, dass du die Pausen genommen hast weil du sie ja nehmen musst.

Es läuft eigentlich genau andersrum! Wenn du aus betrieblichen Gründen die Pausen nicht nehmen konntest, musst du in den meisten Kliniken einen Antrag auf Gutschrift eben dieser Zeit stellen, weil du die Pause ja nicht nehmen konntest. Ansonsten wird selbstverständlich die Pause abgezogen...

Bei uns macht das übrigens nicht die Personalabteilung sondern der Computer automatisch.


Das mit dem 24h-Dienst ist wieder ein anderes Problem. Wenn ihr keine Übergabezeiten geplant habt, dann solltet ihr das mal klären. Und Übergabezeiten euch dann auch genehmigen lassen.

'you
11.01.2019, 16:33
Doch, natürlich kann dir die Personalabteilung grundsätzlich erstmal die Dreiviertelstunde abziehen. Weil du sie nehmen hättest müssen laut Arbeitszeitgesetz. Und da du studiert hast ist von einer gewissen Intelligenz auszugehen, daher darf pauschal davon ausgegangen werden, dass du die Pausen genommen hast weil du sie ja nehmen musst.


Naja, ganz so pauschal ist es eben nicht. § 14 ArbZG, Außergewöhnliche Fälle: "(2) Von den §§ 3 bis 5, 6 Abs. 2, §§ 7, 11 Abs. 1 bis 3 und § 12 darf ferner abgewichen werden, […] 2. bei […] unaufschiebbaren Arbeiten zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen [...]."
Die genannten Paragraphen enthalten u.a. auch die vorgeschriebenen Pausenzeiten.

WackenDoc
11.01.2019, 16:38
Dann solltest du aber auch konsequenterweise eine Überlastungsanzeige stellen und einen Antrag auf Gutschrift der Zeit stellen.

Das gleiche für längere Dienstzeiten. Bzw. bei den Diensten passiert euch das ja wegen fehlerhafter Dienstplanung.

Bei uns werden die Pausenzeiten auch automatisch abgezogen egal ob wir die Pause nehmen. Und unsere Arbeitszeiten werden automatisch bei 10h gekappt und müssen dann manuell beantragt und vom Chef genehmigt werden.

anignu
12.01.2019, 02:35
Antrag auf Gutschrift der Zeit stellen.
Genau: prinzipiell wird davon ausgegangen, dass der Arbeitnehmer die vorgeschriebenen Zeiten einhält. Ist dies nicht der Fall (zu wenige Pausen gehabt, mehr als 10h gearbeitet etc.) dann ist dies ja prinzipiell erstmal nicht erlaubt aber in besonderen Fällen wiederum schon. Also muss man begründen wieso man die Arbeitszeiten nicht eingehalten hat.

Und unsere Arbeitszeiten werden automatisch bei 10h gekappt und müssen dann manuell beantragt und vom Chef genehmigt werden.
Unsere Arbeitszeiten werden automatisch bei einer Überschreitung von mehr als 20 Minuten gekappt (also 20 min nach offiziellem Dienstschluss). Also schreibt man halt pro Monat 10-20 Begründungen wieso es länger gedauert hat.

WackenDoc
12.01.2019, 09:00
Wir haben Gleitzeit, da ist das etwas praktischer.
Das Problem mit den 10 Stunden tritt immer mal wieder bei Reisetätigkeiten auf. Oder mir ist es passiert, dass ich zum einer Besprechung gefahren bin, die länger gedauert hat als geplant und dann noch die Fahrtzeit dazu kam. Wird aber problemlos akzeptiert und ist auch so von der Personalabteilung abgesegnet.

Feuerblick
12.01.2019, 09:18
Bei uns fragt die Zeiterfassungssoftware dann einfach nach, ob man das wirklich so eingeben möchte. Wird aber problemlos angenommen und bisher gab es da noch keine Nachfrage aus der Personalabteilung.
Ansonsten werden auch bei uns vom System automatisch die Pausenzeiten abgezogen. Dass man seine Pausen nicht nehmen kann, ist allerdings in unserem Bereich schon mehr als unwahrscheinlich ;-)

Rettungshase
14.01.2019, 19:50
Wenn die Software dir 15min Pausenzeit abzieht, schreib dir doch 15min extra auf.

tarumo
14.01.2019, 20:08
Die Personalabteilung handelt zwar nicht moralisch, aber IMHO juristisch korrekt. Andernfalls würde sie sich gleich selbst mit angreifbar machen. Die Pausen obliegen zunächst mal dem AN (wenn der LKW-Fahrer keine Pausen macht, ist nicht nur der Chef schuld).
Ich würde auch für jeden einzelnen Tag die entfallenden Pausen dokumentieren und eine Zeitgutschrift beantragen. Wenn das laufend vorkommt, wird sich das KH nicht auf "Plötzliche Notfälle" oder "krankheitsbedingten Personalmangel" rausreden können, wenn diesbezüglich Ärger ins Haus steht.

Übrigens beklagt der MB in einem langen Artikel im DÄB diese Woche wieder mal die Arbeitsüberlastung und miese Bezahlung im Bereitschaftsdienst und will u.a. endlich mal eine objektive elektronische Zeiterfassung in der nächsten Tarifrunde verpflichtend durchsetzen (jetzt aber wirklich mal, also echt jetzt). Nachdem der Artikel sinngemäß auch schon die letzten 15 Jahre hätte gedruckt werden können, bin ich mal skeptisch und gespannt, was dabei rauskommt. Ich tippe mal auf 2,xx % (knapp unter der Inflationsrate), vielleicht im BD 1 EUR/h mehr und eine weitere Wischiwaschiregelung zur Zeiterfassung. Wer hält dagegen?

sturmrabe
15.01.2019, 08:15
Wenn Arbeitszeiten nicht korrekt erfasst werden sollte man sich überlegen ob man das dem Arbeitgeber durchgehen lässt. Schließlich sind wir sehr gut ausgebildete und wertvolle Arbeitskräfte. Wenn die Klinik keine sinnvolle Arbeitszeitregelungen hat muss man dagegen vorgehen. Man sollte das in der AssistentInnenschaft besprechen, einen gemeinsamen Kurs wählen und den dann verfolgen. Dazu gehören: Überlastungsanzeigen die bei Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit gestellt werden (am besten von allen in ausreichenden Mengen), sonst begeht man ein Übernahmeverschulden; mit dem Chefarzt reden; mit dem Personalrat reden.
Am Ende des Weges kann ein kollektives Kündigen eines etwaigen Opt-Outs stehen. Wir ÄrztInnen sollten aufhören uns ausbeuten zu lassen und ja, das fängt meiner Meinung nach mit geschenkten Übergaben an.

Matzexc1
15.01.2019, 14:13
Übrigens beklagt der MB in einem langen Artikel im DÄB diese Woche wieder mal die Arbeitsüberlastung und miese Bezahlung im Bereitschaftsdienst und will u.a. endlich mal eine objektive elektronische Zeiterfassung in der nächsten Tarifrunde verpflichtend durchsetzen (jetzt aber wirklich mal, also echt jetzt). Nachdem der Artikel sinngemäß auch schon die letzten 15 Jahre hätte gedruckt werden können, bin ich mal skeptisch und gespannt, was dabei rauskommt. Ich tippe mal auf 2,xx % (knapp unter der Inflationsrate), vielleicht im BD 1 EUR/h mehr und eine weitere Wischiwaschiregelung zur Zeiterfassung. Wer hält dagegen?

Ich wette nie wenn es keine Chance auf einen Gewinn gibt. Ich finde den MB allerdings besser als Verdi.

Sebastian1
15.01.2019, 14:45
Nunja, ein Blick auf oeffentlicher-dienst.info und in die historischen Gehaltstabellen zeigt schon, was die Tarifpolitik so gebracht hat. Das sind in der alleruntersten Einkommensstufe €1.000/Monat mehr in den letzten 10 Jahren (Brutto-Grundgehalt ohne alle sonstigen Leistungen).
Was aktuell ja eine Forderung ist, ist die Begrenzung der Bereitschaftsdienste auf eine Anzahl x pro Monat. Finde ich insofern nicht so dolle, weil ich ausschliessliche BD mache. Käme das so, dann müsste ich - sobald die AVR die Regelungen übernimmt - eine AT-Regelung vereinbaren...
Aber ich glaube nicht, dass die Forderung aktuell tatsächlich durchsetzbar ist.

'you
15.01.2019, 21:18
Vielen Dank für Eure Rückmeldungen!
Ich werde sicher nicht mehr vergessen, mir die nicht genommenen Pausenzeiten einzutragen. Trotzdem bleibt die Wut, dass da jemand gemütlich sitzt und meine Arbeitszeiten kürzt - ohne jegliches Unrechtsbewusstsein, und auch ohne mich darüber zu informieren. Zumal jede Überstunde schriftlich begründet wird und somit auch die Unmöglichkeit, eine Pause zu nehmen.



Übrigens beklagt der MB in einem langen Artikel im DÄB diese Woche wieder mal die Arbeitsüberlastung und miese Bezahlung im Bereitschaftsdienst und will u.a. endlich mal eine objektive elektronische Zeiterfassung in der nächsten Tarifrunde verpflichtend durchsetzen (jetzt aber wirklich mal, also echt jetzt). Nachdem der Artikel sinngemäß auch schon die letzten 15 Jahre hätte gedruckt werden können, bin ich mal skeptisch und gespannt, was dabei rauskommt. Ich tippe mal auf 2,xx % (knapp unter der Inflationsrate), vielleicht im BD 1 EUR/h mehr und eine weitere Wischiwaschiregelung zur Zeiterfassung. Wer hält dagegen?

Finde es auch erstaunlich, dass der MB tatsächlich mal Forderungen zu den Arbeitsbedingungen stellt. Man darf gespannt sein. Teil der Forderungen ist auch: "insbesondere eine Kappung von Arbeitszeiten zur Dokumentation einer tatsächlich nicht vorhandenen Kongruenz mit den arbeitszeitrechtlichen Vorschriften ist ebenso unzulässig wie der Abzug von Pausenzeiten, sofern diese nicht tatsächlich gewährt worden sind".
Eigentlich unglaublich, dass man sowas überhaupt erst fordern muss...

WackenDoc
15.01.2019, 21:40
Ähm- normalerweise sitzt da niemand und beömmelt sich, dass er den doofen Ärzten wieder Pausen abziehen kann. Das machen die Zeiterfassungsprogramme automatisch.

Und Überstunde bedeutet doch nicht automatisch "konnte Pause nicht nehmen".

tarumo
16.01.2019, 07:36
Am Ende des Weges kann ein kollektives Kündigen eines etwaigen Opt-Outs stehen. Wir ÄrztInnen sollten aufhören uns ausbeuten zu lassen und ja, das fängt meiner Meinung nach mit geschenkten Übergaben an.

Warum ruderst Du gleich wieder zurück? Ein kollektives opt-out- outopten wird es niemals geben, irgendjemand wird immer bei Cheffe lieb Kind machen wollen oder eine an den Job geknüpfte Aufenthaltsgenehmigung in D haben. Tip: suche Dir zwei, drei Mitstreiter (das entschärft "Vergeltungsmaßnahmen") und laß die Verweiger die Mehrarbeit alleine machen. In einer meiner WB-Kliniken war es sogar üblich, daß die jeweils Pause nehmenden KollegInnen ihre Telefone anderweitig deponiert haben- damit die Pause auch Pause bleibt.