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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Pneumoniediagnostik und Vorgehensweise in der Praxis ?



Borisdiekatze
26.01.2019, 13:41
Hallo,

ich finde es generell ziemlich schwierig, klinisch zwischen Pneumonie und banalem grippalen Infekt zu unterscheiden. Deshalb frage ich mal zu zwei Fällen hier die erfahrenen Kliniker (sind so in der Kombination nicht vorgekommen, aber immer mal Ähnliches):

Wie würdet ihr in folgenden Fällen vorgehen? Voraussetzung: Psychiatrie, Laborergebnisse kommen erst nach 1-2 Tagen, Röntgen nicht im Haus. Ich habe keine nennenswerte klinische Erfahrung.

1) Patient > 60, mobil, heftiger lockerer Husten, auch nachts (Patient kann kaum schlafen), Atemfrequenz nicht erhöht. Etwas Dyspnoe. Kein Schnupfen. Keine Tachykardie. Perkussion der Lunge o.B. Auskultation kann ich kaum beurteilen, weil beim Einatmen gleich gehustet wird. Rasseln, Kinstern usw. nicht beurteilbar. Nur exspiratorischer Stridor deutlich. Fieber 38,5. Zustand besteht so etwa eine Woche. Sputum soll eher wäßrig, nicht gelb oder grün sein (nicht gesehen). Sauerstoffsättigung normal. Patient steht häufiger auf und raucht leicht bekleidet vor der Tür. Vorerkrankungen keine.

Ich würde da Labor abnehmen lassen mit DiffBB, CRP und PCT. Wenn PCT und CRP normal, kein Antibiotikum, sondern abwarten. Auch, wenn Husten und Fieber schlimmer wird und Atemnot stärker? Im Nachtdienst nichts machen.

Paracetamol würde ich nicht geben, weil Fieber nicht so hoch. Ambroxol auch nicht: Der Husten ist ja locker. Ggf. Hustenstiller zur Nacht? Aber ist das sinnvoll, bei lockerem Husten? Ich würde nicht verlegen, kein Röntgen.
Ab wann würdet ihr da was machen?

2) Anderer Fall: Patient > 60 mit bekannter schwerer COPD. Kommt mit Dyspnoe, Husten und Sauerstoffsättigung 88%. Fieber 39,5. Ich kenne den Patienten nicht, weiß also nicht, ob Dyspnoe und Sauerstoffsättigung "normal" für ihn sind, ist den Akten usw. auch nicht entnehmbar. Husten hat nach Auskunft der Pflege zugenommen. Kommunikation nur eingeschränkt möglich. Perkussion und Auskultation auch wieder nur exspiratorischer Stridor, aber ebenfalls wegen verschiedener Faktoren kaum auswertbar. Patient sitzt im Rollstuhl und raucht weiterhin (fährt mit Rollstuhl raus).
Den hätte ich gerne gleich in die Innere verlegt, einfach aus Unsicherheit, und bis dahin Sauerstoff gegeben unter Beobachtung. In jedem Fall Verlegung, wenn Sauerstoffsättigung sinkt, denke ich mal? Oder wovon würdet ihr das abhängig machen?
Angenommen, die Innere schickt ihn wieder zurück mit dem Hinweis, dass keine exazerbierte COPD usw., Patient geht es aber weiterhin schlecht. Wann würdet ihr neues Konsil anfordern/wieder verlegen?
Und wie wäre das im Nachtdienst? Müßte man sofort verlegen? Sollte man Sauerstoff geben, auch wenn keine ständige Beobachtung möglich? Oder z.B., wenn um 21 Uhr diese Situation vorlag und um 2 Uhr dann Sättigung auf z.B. 85% fällt, erst Notfallverlegung?

Danke für Tipps!

WackenDoc
26.01.2019, 15:26
Kennst du den CRB-65?

Und "keine Pneumonie" bedeutet ja nicht "keine Behandlung". Bei beiden Patienten würde ich erstmal nicht von einer Pneumonie ausgehen.
Der erste spricht eher für eine normale Bronchitis. Evtl. auf dem Boden einer COPD, evtl. auch Herzinsuffizienz oder beides.
Beim zweiten am ehesten exazerbierte COPD, man weiss es aber nicht.
Im Zweifel halt röntgen. Bei dyspnoeischen Patienten ist das doch eh Standard.

Auf was für einer Abteilung arbeitest du und warum hat die Innere den zweiten patienten nicht direkt bekommen?

ninakatharina
26.01.2019, 15:30
Fall 1: wieso kein Röntgen? Gibts von dem ne Sauerstoffsättigung?

Fall 2: in jedem Fall in die Innere...Röntgen, Blutkulturen, Sputumkulturen, kap. Astrup machen - ohne wäre ich auch mit der O2-Gabe zurückhaltend, wer weiß was er für eine SaO2-Hausmarke hat... Evtl ist er sogar was für eine intensiv, muss man nach Klinik entscheiden. Die fehlenden path. Atemgeräusche sind bei Emphysemthorax nicht hinweisend - ebenso wenig, dass der Patient raus fährt zum Rauchen - diesbezüglich sind gerade langjährige psy-patienten oft indolent.

rafiki
26.01.2019, 18:00
Pragmatisches Vorgehen aus psychiatrischer Sicht:
Pat. 1: Erstmal Verhaltensaufklärung. Wenn das Fieber wirklich schon eine Woche besteht, wäre mir das zu lange (also eher mal internistisch abklären). Wenn nicht, dann abwarten, kein Hustenstiller, ausreichend trinken. Übrigens kann eine Pneumonie auch ohne Fieber einhergehen und grüner Schleim ist keineswegs ein Beweis für eine bakterielle Infektion.
Pat. 2: Antibiose und Cortison ansetzen, engmaschig beobachten, zu üblichen Geschäftszeiten Konsil, bei Zustandsverschlechterung notfallmäßig verlegen. (halte es aber für unwahrscheinlich, dass er mit der Temperatur noch selbstständig mit dem Rollstuhl hinausfährt).

Borisdiekatze
26.01.2019, 19:06
Danke!
CRB-65 kenne ich, aber das ist ja für die Entscheidung, ob stationäre oder ambulante Behandlung, wenn man schon weiß, dass es Pneumonie ist. Die Kandidaten vom Fall1 hatten eine normale Sauerstoffsättigung.

Ich arbeite in der Psychiatrie. Patient2 war halt psychiatrischer Patient mit entsprechendem Verhalten.
Röntgen bedeutet Konsil => Patient muss in anderes Krankenhaus transportiert werden. Das bedeutet Stress für ihn und ggf. auch für die anderen Patienten, weil von der Pflege jemand mit muss (oder sogar zwei). Ab wann würde ich denn röntgen ...? Also sicher nicht jeden, der mal hustet. Husten + Fieber + exspiratorisches Giemen schon ...?

Blutkultur hatte ich erst auch dran gedacht bei Fieber. Ergebnis kommt da allerdings auch erst in 1-2 Tagen. BAL für Sputumkulturen können wir nicht machen. Das wäre dann schon was für die Innere.

@rafiki: auch danke! Das zu Fieber und Sputum weiß ich. Nur ich dachte, dass man so grob zur Frage, ob Antibiose oder nicht, so vorgehen könnte: Patient 1-2 Wochen trockener Husten oder selbst bei produktivem Husten mit wässrigem/weißlichen Sputum, keine starke Dyspnoe => keine Antibiose. Wenn CRP erhöht und nicht anders erklärbar => trotzdem Antibiose.
Wenn das Sputum sich verändert hat von weißlich zu grün/dick auf jeden Fall Antibiose. Antibiose auch wenn Perkussion/Auskultation in Richtung Pneumonie weisen und CRP erhöht ist (oder PCT, sofern bestimmt). So richtig harte klinische Kriterien für Pneumonie habe ich leider nicht gefunden.

Die Welt war schon noch einfacher, als man für jede Frage fünf Lösungsmöglichkeiten präsentiert bekommen hat :-blush

davo
26.01.2019, 19:46
Die Psychiatrien, die ich im Laufe meiner Famulaturen und Uni-Praktika kennengelernt habe, hatten immer sehr große Angst vor somatischen Problemen (auch vor banalen) und hätten den zweiten Patienten sofort verlegt. Ich würde da mal ganz grundsätzlich Rücksprache mit deinen Oberärzten halten um zu sehen, wie die solche Situationen handhaben. Dienste wirst du als Anfänger ja hoffentlich erst mal nicht machen.

ninakatharina
26.01.2019, 20:40
Man muss den letzten Pat.2 natürlich klinisch sehen, aber mit der Sättigung, Fieber und Dyspnoe muss er doch eh in die Innere, zumindest um mal liebevolle Diagnostik zu bekommen, mit dem kann man doch eh keine Therapie machen in dem Zustand, mit Angst hat das m.E. nix zutun.

@Blutkulturen: da wächst frühestens nach 24-48h was,aber man sollte sie halt im Fieberschub, also annehmbar wenn die Bakterien ins Blut eingeschwemmt werden, und vor Beginn einer Antibiose abnehmen.

rafiki
26.01.2019, 20:55
mit dem kann man doch eh keine Therapie machen in dem Zustand,

(Geronto-)Psychiatrie hat zumeist ziemlich wenig mit "Therapie machen" zu tun.

ninakatharina
26.01.2019, 21:35
Mag sein, aber da deshalb muss man sich ja noch lange nicht den Schuh anziehen, einen internistisch schwerkranken Patienten da zu konservieren, bis er in der CO2-Narkose dann mit Notarzt und CPAP verlegt werden muss.

Achja, vor Verlegung mal noch abchecken, ob er nicht eine etablierte Heim-O2-Therapie hat, die ihm jetzt in der Klinik fehlt :-)

Coxy-Baby
27.01.2019, 08:07
@Blutkulturen: da wächst frühestens nach 24-48h was,aber man sollte sie halt im Fieberschub, also annehmbar wenn die Bakterien ins Blut eingeschwemmt werden, und vor Beginn einer Antibiose abnehmen.

Na ob man die Aussage so stehen lassen kann wage ich aber auch zu bezweifeln....

ninakatharina
27.01.2019, 08:41
Was meinst du genau?

Bei septischen Pat. mag mal eine BK schneller positiv werden, nach Stunden.. Aber die Regel ists wohl eher nicht.

Gesocks
28.01.2019, 14:32
24 bis 48 h wären für S. pneumoniae-Bakteriämien untypisch lang. Es geht eher um 12 h, Nachweise nach 24 h sind im Gegenteil selten.

(EDIT: ... bei anderen Erregern so ähnlich, z. B. Martinez, J.A. et al. (2007), Microbial and clinical determinants of time-to-positivity in patients with bacteraemia https://doi.org/10.1111/j.1469-0691.2007.01736.x)

Fieber-Timing habe ich irgendwann mal nachgeschlagen. Die Daten sagen einhellig, dass es der Nachweis-Wahrscheinlichkeit nichts nützt.

ninakatharina
29.01.2019, 06:08
Danke! :-winky