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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Perspektiven nach dem Medizinstudium (Wissenschaft/Forschung)



Jona173
26.01.2019, 21:36
Hallo!

Kurz zu mir: Ich komme jetzt in das Halbjahr 12/2 (Rheinland-Pfalz), mache also nächstes Jahr mein Abitur.
Meine Interessen liegen besonders im naturwissenschaftlichen Bereich, allerdings wurde ich sowohl durch diverse Forenbeiträge, als auch durch Bekannte von dem Vorhaben, Biochemie zu studieren, abgeschreckt.

Grundsätzlich sehe ich mein späteres Berufsbild in der Wissenschaft, nicht in der Tätigkeit als Arzt.
Ich habe allerdings auch über die Aussichten gelesen, die man mit diesem Berufswunsch hat, das klingt ja erst einmal nicht so berauschend. Daher habe ich nach Alternativen gesucht und relativ oft wird da das Medizinstudium genannt.
Auf der Suche nach einer entsprechenden Facharztweiterbildung im eher naturwissenschaftlich-medizinischen Bereich bin ich relativ schnell auf den Facharzt für Biochemie und den Facharzt für Physiologie gestoßen. Leider findet man dazu nicht wirklich viele Informationen und hier im Forum scheint auch kaum jemand in diesen Bereichen tätig zu sein. Daher habe ich leider keine Vorstellung, wie das entsprechende Berufsbild da aussieht.

Dieser Beitrag hat meine Aufmerksamkeit erweckt:

https://www.medi-learn.de/foren/archive/index.php/t-78867.html

Nun frage ich mich: Sieht es für vorklinische Fachärzte tatsächlich so gut aus?
Diese Beschreibung käme meinem Berufswunsch ja tatsächlich sehr nahe, ich will mich allerdings nicht auf die Aussage eines einzigen Nutzers verlassen.

Alternativ käme auch Pharmazie in Frage, wobei mir da als Plan B der Beruf des Arztes dann doch deutlich eher zusagt, als der des Apothekers.

Auch habe ich über entsprechende MD/PhD-Programme gelesen, die eher für die Forschung qualifizieren, wie wahrscheinlich ist es denn, in so ein Programm reinzukommen?

Vielen Dank im Voraus!

LG Jonathan

davo
26.01.2019, 22:17
In ein medizinisches PhD-Programm reinzukommen ist meiner Wahrnehmung nach nicht besonders schwer, da der Anteil der Medizinstudenten, der sich dafür interessiert, verschwindend gering ist. Selbst von denen, die mit Begeisterung eine experimentelle Doktorarbeit machen, will fast niemand so ein PhD-Programm absolvieren.

Fächer wie Biochemie oder Physiologie sind wirklich winzig. 2017 gab es z.B. in ganz Deutschland nur 39 berufstätige Fachärzte für Biochemie - davon kein einziger unter 40 :-)) Keine Ahnung wie wahrscheinlich es ist, dort eine Stelle zu finden. In den klinisch-theoretischen Fächern hingegen (Laboratoriumsmedizin, Mikrobiologie, Pathologie, usw.) scheint es bei entsprechendem Interesse nicht besonders schwer zu sein eine Stelle zu finden.

EVT
26.01.2019, 23:43
Wie stellst du dir denn deinen späteren Berufsalltag vor? Hast du schonmal Praktika absolviert?

infusomator
26.01.2019, 23:46
Zu den vorklinischen Fachärzten kann ich leider nichts beitragen, wusste gar nicht, dass es diese auch bspw. für Biochemie gibt... :D

Was die PhD Programme angeht so kann ich auch bestätigen, dass die Nachfrage danach eher gering ist und wenn man darein möchte auch darein kommt. Häufig kommt man nach der Vorklinik im Rahmen einer Promotion mit einer Forschungsgruppe in Kontakt. Dann kommt es darauf an wie viel man forschen möchte. In meinem Jahrgang haben einige viel Zeit im Labor verbracht, mit Urlaubssemestern und auch Auslandsaufenthalten. Diese Kommilitonen hätten kein Problem an ein PhD Programm zu kommen. Ich denke, dass der Umschwung von Medizin in die Forschung kein Problem darstellt, ob die Arbeitsbedingungen da besser sind musst du beurteilen.

Was ich noch bedenken würde ist, dass im Humanmedizinstudium relativ wenig Ausbildung auf die Verfahren im Labor und Forschungsarbeit an sich entfällt. Man lernt halt die Grundlagen von Biochemie, Physiologie, Biologie, ... aber immer sehr im Kontext zum Menschen und auf eher geringen Level. Ich denke, da werden die Naturwissenschaftler sicher mehr lernen.

Mit dem Medizinstudium hälst du dir aber viele Möglichkeiten offen. Es gibt auch Professoren, die vornehmlich nur grundlagenwissenschaftlich arbeiten und sogar teilweise gar nicht mehr klinisch. Meistens dann durch Heisenberg Professur und co. gefördert. Also es gibt unglaublich viele Möglichkeiten. Vielleicht schaust du dir mal verschiedene Lebensläufe oder Abteilungen auf deren Internetseiten an.

Jona173
27.01.2019, 10:28
Wie stellst du dir denn deinen späteren Berufsalltag vor? Hast du schonmal Praktika absolviert?

Leider nicht. Werde ich auf jeden Fall vorher noch tun, habe ja glücklicherweise noch etwas Zeit dazu.
Wie gesagt, ich bin grundsätzlich nicht komplett abgeneigt gegenüber dem Arztberuf.
Mein Hauptinteresse gilt halt eher den Naturwissenschaften, daher würde ich natürlich lieber in der Wissenschaft tätig sein.
Ist es überhaupt möglich, ein Praktikum an einem Institut oder in der universitären Forschung zu machen?

davo
27.01.2019, 10:35
Wenn ich mal etwas zynisch sein darf:

Von 100 Studenten, die meinten, dass sie sich für Naturwissenschaften und Forschung interessieren, bleiben nach einer experimentellen Doktorarbeit und dem Versuch, das erste Paper zu veröffentlichen, nicht mehr sooo viele übrig :-))

Möglich ist alles. Schreib halt mal ein paar Arbeitsgruppen. Allerdings ist die Frage, ob so ein Praktikum dir einen realistischen Einblick bietet, denn das monate- und jahrelange Hin und her bis die Versuche endlich so halbwegs funktionieren, bis das Paper endlich geschrieben ist, bekommst du in so einem Praktikum natürlich nicht mit. Im Praktikum wirkt alles neu und total spannend :-p

Jona173
27.01.2019, 10:40
In ein medizinisches PhD-Programm reinzukommen ist meiner Wahrnehmung nach nicht besonders schwer, da der Anteil der Medizinstudenten, der sich dafür interessiert, verschwindend gering ist. Selbst von denen, die mit Begeisterung eine experimentelle Doktorarbeit machen, will fast niemand so ein PhD-Programm absolvieren.






Was die PhD Programme angeht so kann ich auch bestätigen, dass die Nachfrage danach eher gering ist und wenn man darein möchte auch darein kommt. Häufig kommt man nach der Vorklinik im Rahmen einer Promotion mit einer Forschungsgruppe in Kontakt. Dann kommt es darauf an wie viel man forschen möchte. In meinem Jahrgang haben einige viel Zeit im Labor verbracht, mit Urlaubssemestern und auch Auslandsaufenthalten. Diese Kommilitonen hätten kein Problem an ein PhD Programm zu kommen. Ich denke, dass der Umschwung von Medizin in die Forschung kein Problem darstellt, ob die Arbeitsbedingungen da besser sind musst du beurteilen.



Das klingt ja schon mal sehr vielversprechend :-D




Was ich noch bedenken würde ist, dass im Humanmedizinstudium relativ wenig Ausbildung auf die Verfahren im Labor und Forschungsarbeit an sich entfällt. Man lernt halt die Grundlagen von Biochemie, Physiologie, Biologie, ... aber immer sehr im Kontext zum Menschen und auf eher geringen Level. Ich denke, da werden die Naturwissenschaftler sicher mehr lernen.

Mit dem Medizinstudium hälst du dir aber viele Möglichkeiten offen. Es gibt auch Professoren, die vornehmlich nur grundlagenwissenschaftlich arbeiten und sogar teilweise gar nicht mehr klinisch. Meistens dann durch Heisenberg Professur und co. gefördert. Also es gibt unglaublich viele Möglichkeiten. Vielleicht schaust du dir mal verschiedene Lebensläufe oder Abteilungen auf deren Internetseiten an.



Dass die Naturwissenschaftler da mehr lernen, kann ich mir sehr gut vorstellen. Prinzipiell sprechen mich solche Studiengänge auch eher an, problematisch ist halt, dass besonders im biomedizinischen Bereich die Absolventenzahlen echt hoch sind, es scheint eher unwahrscheinlich, auf Dauer unbefristet in der Forschung tätig zu sein. Daher würde ich mir, wie du es schon sagst, gerne andere Möglichkeiten offen lassen, um nicht später umsonst studiert zu haben. Medizin klingt da für mich nach einer guten Alternative.

Vielen Dank schon mal für die zahlreichen Antworten :-)

Choranaptyxis
27.01.2019, 10:49
Und wie sieht es mit Humanbiologie als Alternative aus? Das wäre ja auch die Forschung, die du dir vorstellst? Inwieweit da Absolventenzahlen hoch sind, weiß ich allerdings nicht, da ich nur eine Freundin habe, die über den Weg jetzt Forschung betreibt.

davo
27.01.2019, 10:57
Auf Dauer unbefristet in der Forschung zu sein ist IMMER schwer. Auch als Arzt. Aber als Arzt hast du eben den großen Vorteil dass du, anders als die ganzen Humanbiologie-, Biomedizin- usw. -Absolventen, eine sichere Alternative hast. Deshalb mein Verweis auf Fächer wie Mibi oder Patho: Da kannst du an einer Uniklinik arbeiten, wo dann ein gewisser Anteil an Forschung je nach Arbeitsmarktlage gewünscht bis verpflichtend ist, aber du kannst eben auch als Nur-Arzt arbeiten, d.h. selbst wenn du draufkommst dass dich Forschung nicht interessiert, oder du nicht gut genug für die Forschung bist, hast du trotzdem eine Jobgarantie. Das ist IMHO der riesengroße Vorteil des Medizinstudiums in diesem Zusammenhang.

Und bei Berichten von Leuten, die "Forschung betreiben" musst du immer sehr genau nachfragen - meist sind das Doktoranden (die darauf hoffen, dass sie nachher eine Post-Doc-Stelle finden) oder Post-Docs (die hoffen, dass sie nachher eine Professur bekommen). Tatsächlich schaffen tun es nur sehr wenige. Die meisten hoffen auf eine bessere Zukunft.

test
27.01.2019, 11:00
Ich würde das Humanmedizin Studium jedem anderen Studium in den Lebenswissenschaften vorziehen.
So lange man sich den Abschluss des klinischen Anteils zutraut.

Man hat einfach viel bessere Rückfalloptionen, wenn es mit der Forschung nicht so klappt, wie man es sich gewünscht hat, sowohl in der praktischen, theoretischen Medizin aber auch in der Industrie.

Man hat viel weniger Konkurrenz, da zumindest zur Zeit und die letzten Jahre der Anteil der Mediziner, der sich für wissenschaftliche Tätigkeiten interessiert, niedrig ist. Insofern gibt es sehr viele Förderinstrumente. Der Clinician Scientist steht ja sogar im Koalitionsvertrag. ;-)

Die Konkurrenz in den vorklinischen Fächern (Physiologie, Anatomie z.B) ist oft nicht sehr hoch, so dass man hier sicher recht gut voran kommen kann. Man muss sich aber bewußt machen, dass man selbst als Lehrstuhlinhaber in einem theoretischen Fach ohne Aufgaben inder Patientenversorgung in aller Regel mindestens um den Faktor 2-3 (manchmal noch mehr) weniger verdient als in einem Fach mit Aufgaben in der Patientenversorgung.

MAn weiß am Anfang noch nicht, ob einem klinisch-praktische, klinisch-theoretische oder rein theoretische Tätigkeiten wirklich liegen und gefallen werden. Mit Humanmedizin muss man sich da aber nicht vorher festlegen und kann es später entscheiden.

Es mag sein, dass man weniger grundlagenorientierte MEthoden im MEdizinstudium lernt. DAs muss man sich halt selber durch Eigenstudium und entsprechende Dr. Arbeit aneignen (inzwischen gibt es ja auch viele Graduiertenschulen, die dabei helfen). Auf der anderen Seite vermittelt kein anderes Studium einen so umfassenden Überblick über Physiologie, Pathophysiologie und Therapien beim Menschen. Dieser Überblick fehlt Naturwissenschaftlern leider oft sehr. Das trifft meiner Meinung nach auch immer noch (wenn auch abgeschwächt) für den STudiengang Humanbiologie zu, der auch die o.g. Nachteile hat, genau wie molekulare Medizin.

EVT
27.01.2019, 13:48
Ich frage mich immer, was Schüler sich unter Forschung vorstellen, wenn sie noch gar keine Einblicke hatten.. nur weil man Chemie und bio in der Schule toll fand? Keine Lust auf Patienten?

WackenDoc
27.01.2019, 14:01
Hast du denn schon irgendwas in Richtung Forschung gemacht? Jugend forscht oder Schülerförderprojekte an der Uni?

Jona173
27.01.2019, 14:08
Ich frage mich immer, was Schüler sich unter Forschung vorstellen, wenn sie noch gar keine Einblicke hatten.. nur weil man Chemie und bio in der Schule toll fand? Keine Lust auf Patienten?

Das klingt jetzt sehr klischeehaft, aber bei mir ist es in der Tat meine eigene Neugierde.
Ich möchte nicht die aktuellen Erkenntnisse anwenden (Arzt), sondern eigene Methoden erkunden und entwickeln.
Aus meinem Bekanntenkreis weiß ich, dass das nicht so einfach ist, wie es klingt. Monatelanges Arbeiten an ein- und demselben Versuch ist sicherlich frustrierend. Und die Situation als Post-Doc muss anscheinend katastrophal sein. Dennoch möchte ich es ausprobieren, nicht umsonst informiere ich mich über das Medizinstudium, da mir hier ja die anderen Möglichkeiten auch noch offen bleiben. Ich habe prinzipiell keine soziale Phobie oder Ähnliches, ich könnte mir also schon vorstellen, irgendwann mal als Arzt tätig zu sein. Vorher hätte ich einfach gerne eigene Erfahrungen in der Wissenschaft gemacht :-)

Echinococcus
28.01.2019, 13:43
Spätestens wenn die jugendliche Naivität nachlässt wirst du dich freuen, neben der Forschung noch eine Menge Alternativen zu haben.
Medizin ist mit Abstand die cleverste Variante, irgend etwas Life-Science verbundenes zu studieren (wenn eben auch mit Focus auf Life und weniger Science), aber die Vorklinik-Fachärzte sind dann doch nicht die ganz clevere Alternative. Habe mit Fachärzten dieser Richtung zu tun und die kommen aus der Uni ohne einen zweiten Facharzt nicht raus. Bei uns ist aktuell eine Professorin für eines dieser Fächer quasi als Assistenzarzt in meinem Institut tätig, weil sie dringend ein anderes Standbein braucht.

Die Klinisch-theoretischen Fächer sind eine ganz andere Hausnummer, bessere Work-Life Balance bei sehr guten Gehaltsaussichten wirst du im medizinischen Bereich kaum finden.