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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Landarztquote in NRW - die Details zum Verfahren stehen fest



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Rap Dinar
16.10.2019, 13:01
Das würde mich auch interessieren, wer damit angefangen hat und wie es so abläuft Gruß Ali

Pflaume
19.11.2019, 17:22
Endlich habe ich mir das Landarztgesetz NRW (https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_vbl_detail_text?anw_nr=6&vd_id=17535&sg=0) und den Vertrag (https://www.lzg.nrw.de/lag/h_lag-nrw/verpflichtung/index.html) endlich mal durchgelesen und bin bezüglich einiger Formulierungen schon ins Schwitzen geraten (mitleidvoller Angstschweiß für die 147 Leute, die unterschrieben und einen Platz darüber bekommen haben).

Zum einen hat mir die im Vertragstext sehr ausführlich beschriebene Aufzählung der Dinge, die "unverzüglich" zu erledigen sind, und dass jeweils zum 1.11. die Lückenlosigkeit in der Weiterbildung nachgewiesen werden muß, einen Schweißausbruch bereitet, da aus meiner Sicht der Vertrag (konkreter als das Gesetz) darlegt, dass bereits durch eine einmonatige Verzögerung zwischen Abschluß des Studiums und Beginn der Weiterbildung oder überhaupt irgendwann im Verlauf eine einmonatige Verzögerung (somit "Lücke") dem Text nach bereits die Vertragsstrafe von 250.000 Euro auslösen würde. Ob das verhältnismäßig ist, müßten ggf. dann wohl Gerichte klären.

Der zweite Punkt, der mir aufgefallen ist, ist, dass nirgends so richtig konkret das drin steht, was tarumo postuliert: Dass man zwangsweise einfach irgendwohin versetzt wird. Ich würde bei laienhafter Lektüre des Gesetzes und Vertrags annehmen, dass ich mir aus den "unterversorgten Gebieten" irgendwas aussuchen kann und dann mit der KV ausmachen kann, dass ich da hingehe. Aber das scheint im Vertrag nicht zugesichert, und ich bin - auch wenn es nirgends im Landarztgesetz oder im Vertrag konkret so steht - ziemlich sicher, dass tatsächlich die KV die Möglichkeit hat, einem auf Antrag auf einen Kassensitz einfach irgendeinen beliebigen zuzuweisen, selbst wenn man nur Interesse für einen bestimmten bekundet hat. Das läuft zwar in meinem Bundesland (bisher) nicht so, sondern da können einem nur konkrete Sitze zugewiesen werden, um die man sich auch beworben hat. Aber um die "Unverzüglichkeits-Anforderung" aus Gesetz und Vertrag zu erfüllen, wird wahrscheinlich verlangt werden können, dass man sich grundsätzlich um jeden offenen Sitz bewirbt und nicht erst lang rumprobiert, ob man was da bekommt, wo man es sich am ehesten noch vorstellen könnte. Auf diesem Wege scheint es mir tatsächlich genau so zu sein, wie tarumo das ganze interpretiert hat: Man liefert sich absolut vollständig der Situation in 12 Jahren aus. Bei bloßer Lektüre des Gesetzes als unerfahrener Teenager oder Anfang-20-er ohne konkrete Kenntnisse aus dem Gesundheitssystem wäre mir das, was da an Maximal-Härte droht, aus dem Text heraus aber nicht klar geworden.

Der Studienplatz über die Landarztquote scheint mir wirklich eine absurd harte Verpflichtung zu sein, die kein Mensch bei Verständnis der Bestimmungen unterschreiben könnte.

Hier (https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/105662/Landarztstudienplaetze-in-Nordrhein-Westfalen-gehen-zum-grossen-Teil-an-Frauen) Neuigkeiten darüber, wer die Studienplätze bekommen hat: Zu meiner Überraschung ein relativ hohes durchschnittliches Alter von 24 Jahren, also nicht ausschließlich frische Abiturienten ohne jede Lebenserfahrung. Und verstehe ich das richtig, dass über 1.000 Leute die Bewerbung über die Landarztquote abgeschickt haben? Für mich unvorstellbar.

Shizr
19.11.2019, 18:47
Endlich habe ich mir das Landarztgesetz NRW (https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_vbl_detail_text?anw_nr=6&vd_id=17535&sg=0) und den Vertrag (https://www.lzg.nrw.de/lag/h_lag-nrw/verpflichtung/index.html) endlich mal durchgelesen
Danke für die Links.

In der Tat ziemlich aufschlussreiche Lektüre.

Man fragt sich wirklich, welcher halbwegs zurechnungsfähige Mensch einen solchen Vertrag unterzeichnen kann.



§ 3 Abs. 3 Satz 2
Der Beginn der Weiterbildung gemäß § 1 Absatz 1 schließt in der Regel unmittelbar an das Studium an.
Das ist so gruselig unbestimmt, dass es meiner Meinung nach behördlicher Willkür Tür und Tor öffnet.

Auf mich persönlich bezogen: Approbation am 02.12.2015, Beginn der Weiterbildung 01.01.2016.
Ist das schon "Verzug"?
Damit wird dem Bewerber m.E. eine örtlich und zeitlich praktisch unbegrenzte Flexibilität abverlangt.
Eine auch nur theoretisch mögliche Stelle einen Tag früher könnte den Verpflichteten da schon in Verzug setzen.



§ 3 Abs. 4 Satz 2
Der/Die Verpflichtete informiert sich unmittelbar nach Abschluss der Weiterbildung gemäß § 1 Absatz 1 bei den Kassenärztlichen Vereinigungen über freie Hausarztsitze in einem unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Gebiet in Nordrhein-Westfalen und beantragt die Zuweisung eines solchen Hausarztsitzes.
Für mich liest sich das so, dass der "Landarztquotist" damit mehr oder weniger pauschal die Zuweisung irgendeines dieser Kassensitze beantragen muss und nicht eines konkreten Sitzes. Oder aber der Quotist muss sich auf jeden einzelnen freien Sitz bewerben.



Man liefert sich absolut vollständig der Situation in 12 Jahren aus. Bei bloßer Lektüre des Gesetzes als unerfahrener Teenager oder Anfang-20-er ohne konkrete Kenntnisse aus dem Gesundheitssystem wäre mir das, was da an Maximal-Härte droht, aus dem Text heraus aber nicht klar geworden.
Genau so sehe ich das auch.
Ich habe sogar den Eindruck, dass genau das beabsichtigt ist.

ehem-user-31-01-2020-1555
19.11.2019, 22:13
Es gibt Landarztpraxen die sehr gut laufen und trotzdem vakant sind, und es gibt Landarztpraxen die absolut runtergewirtschaftet sind. Wenn die Leute zwangsverteilt werden, haben einige eine gute Praxis in gutem Zustand und andere eine Praxis die erstmal grundsaniert werden muss. Was ist, wenn die Bank nicht mitspielt eine ruinöse Praxis zu finanzieren? Was ist, wenn der Landarzt keine Ahnung von Wirtschaft hat und pleite geht?

nie
20.11.2019, 04:12
Ich find dieses Modell auch absolut irre und frage mich, wie das überhaupt jemand mitmachen kann. Aber mit Abschaffung der Wartezeit greifen halt viele nach dem letzten Strohhalm und sagen zu allem ja und amen, was sie in dieses Studium reinbringt.

Wobei viele auch einfach eine falsche Vorstellung von Land haben. Da erzählen mir Leute aus einer 30.000 Einwohner-Stadt, dass sie aus einem „Kaff aus dem Pampa“ kommen und irgendwie haben bei Stichwort Landleben auch viele so eine romantisierte Bullerbü-Illusion.

Ich bin in so einer Gegend aufgewachsen. Hier gibt es überwiegend Dörfer mit dreistelliger Einwohnerzahl, der öffentliche Nahverkehr nahezu nicht existent und die ganze Gegend strukturell komplett unterversorgt. Man kann nichtmal ein Brot kaufen ohne sich dafür ins Auto setzen zu müssen. Dazu kommen schwierige Menschen, die allen, was von außen kommt, aus Prinzip ablehnend gegenüber stehen. Und im Gegensatz zu den Filmen, wo irgendwann doch alle auftauen und man auch noch die große Liebe in dem bockigen aber gutaussehenden Handwerker findet, finden einen in meiner Heimat auch nach 20 Jahren noch alle scheiße weil man ja „zugezogen“ ist. Und gleichzeitig ziemlich überzogen Ansprüche daran haben, was der „Dokta“ so zu leisten hat und um was er sich gefälligst zu kümmern hat. Um danach dann wortreich drüber zu meckern, dass ja alles scheiße ist.

Um nichts in der Welt würde ich dort auch nur einen Tag als Arzt arbeiten wollen. Wobei mein Heimatdorf noch recht gut an die Zivilisation angebunden ist, direkt an der Autobahn liegt und die nächste Kreisstadt nur 30 Minuten Autofahrt entfernt ist. Und ich bin nichtmal ein kompletter Fremdkörper weil ich da geboren und aufgewachsen bin und aus einer „eingeborenen“ Familie stamme. Aber „die hat studiert und wohnt jetzt in der Stadt“ ist auch nicht unbedingt ein Qualitätsmerkmal.

tarumo
20.11.2019, 07:11
Es gibt Landarztpraxen die sehr gut laufen und trotzdem vakant sind, und es gibt Landarztpraxen die absolut runtergewirtschaftet sind. Wenn die Leute zwangsverteilt werden, haben einige eine gute Praxis in gutem Zustand und andere eine Praxis die erstmal grundsaniert werden muss.

Angenommen, man hat sich verpflichtet, um den Führerschein machen zu dürfen, einem schmierigen Gebrauchtwagenhändler einen Wagen abzukaufen. Die Zuteilung des Autos liegt ausschließlich im Ermessen des Autohändlers. Bekommt man da den besten oder den schlechtesten Wagen auf dem Hof?

"Zuweisung" heißt es im Vertrag, und das ist doch eindeutig. Kein Mitspracherecht.


Was ist, wenn die Bank nicht mitspielt eine ruinöse Praxis zu finanzieren? Was ist, wenn der Landarzt keine Ahnung von Wirtschaft hat und pleite geht?

Das sind genau die Punkte, die ich vor ein paar Monaten aufgeführt habe. Und es werden eher die prekären Praxen sein, dort wo schon der Alteigentümer gescheitert ist und professionelle Sitzaufkäufer abgewunken haben.
Für den Vertrag ist das egal, pacta sunt servanda.
Wenn die Landarztverträge nicht kassiert werden wg. Sittenwidrigkeit, wird dem Aspiranten nur die Wahl zwischen 250.000 Strafzahlung oder Kreditaufnahme in erheblicher Höhe bleiben (die "Praxis" wird entweder leer sein oder mit Sperrmüll und Elektroschrott eingerichtet) , sofern es überhaupt Kredit gibt. Somit ist die Privatinsolvenz zum Greifen nahe und, da es mit 250.000 EUR Verbindlichkeiten gegenüber der Finanzverwaltung dann auch kein "certificate of good standing" der Ärztekammer geben wird, ist auch eine Flucht ins Ausland nicht mehr möglich.

Der feuchte Traum von Politik und Krankenkassen wird wahr- "leibeigene" Ärzte!

Wer sowas unterschreibt, dem ist nicht mehr zu helfen, da aber immer mehr Bundesländer nachziehen und die Quote von den "normalen" Studienplätzen abgezwackt wird, sinken für alle die Chance auf einen "normalen" Studienplatz, was dann wiederum die Nachfrage nach derartigen Verträgen in die Höhe treibt.
Wenn sich in NRW keiner beworben hätte, dann wäre das ganze sang- und klaglos eingestampft worden.
Aber so...danke für nichts.
Übrigens, was hält die Politik denn nach diesem Dammbruch von einer Quote von sagen wir mal 30% ab? Oder 50%. Oder 100%?

tarumo
20.11.2019, 07:32
: Zu meiner Überraschung ein relativ hohes durchschnittliches Alter von 24 Jahren, also nicht ausschließlich frische Abiturienten ohne jede Lebenserfahrung.

Der advocatus diaboli sagt:
Wenn ich jemanden erpressen will, dann muß der/diejenige auch was zu verlieren haben. Eine unverpartnerte, mittelose Abiturientin hat das nicht (im Laufe des Studiums und WB wird man kaum 250 000 EUR zurücklegen können). Aber mit 25, 26 Jahren hat man schon gearbeitet, evt. schon was gespart, vielleicht schon eine pfändbare Wohnung und einen Lebenspartner, der dann nolens volens bürgen muss...
Mit Ende 20, Anfang 30 wird man wohl eher noch über Wartezeit reinkommen als sich sowas anzutun.

Eine Bank vergibt auch eher Kredite an 24jährige als an 18jährige Abiturienten.

Besonders interessant ist (bei 70% weiblichen Bewerbern) ob eine Schwangerschaft dann auch als schuldhafte Verzögerung gewertet und geahndet wird (hat hier jemand was von Zwangsverhütung gesagt?) , ebenso ist Elternzeit oder Teilzeit NICHT vorgesehen, soweit ich das herauslesen kann.

ehem-user-31-01-2020-1555
20.11.2019, 08:49
Die Frage ist, was passiert, wenn man das Studium freiwillig abbricht oder man aufgrund Prüfungsversagen zwangsexmatrikuliert wird? Greift da wohl auch eine Vertragsstrafe? Das wäre wirklich der Gipfel. So einen Vertag würde ich nicht unterschreiben. Es kann ja auch sein, dass man im Studium merkt, dass einem die Allgemeinmedizin gar nicht liegt und man lieber in einem Fach ohne Patientenkontakt arbeiten will.

tarumo
20.11.2019, 09:52
Es kann ja auch sein, dass man im Studium merkt, dass einem die Allgemeinmedizin gar nicht liegt und man lieber in einem Fach ohne Patientenkontakt arbeiten will.

Genau für diesen Fall ist ja die drakonische Strafe festgelegt. Es geht übrigens auch nicht um Patientenkontakt, auch wer dann doch lieber HNOler, Chirurg oder Neurologe werden will, hat Pech gehabt und muß blechen.

Und noch ein Punkt: in vielen Wahlprogrammen (Parteien nenne ich nicht) wie z.B. aktuell in Thüringen zur Wahl neulich sind Einzelpraxen explizit nicht mehr erwähnt und es wird von Polikliniken und MVZ gefaselt. Es besteht also eine reale Chance, daß man sich zur Praxisübernahme verpflichtet hat, während die jeweilige Landesregierung genau diese abschaffen will. Genau mein Humor. Wenn man Umfragen glauben darf, kann das ganze auch bundesweit passieren, z.B. mit RRG.

Ich schreibe übrigens deswegen "Strafe" weil man uns jahrelang weisgemacht hat, ein Medizinstudienplatz koste den Staat so ca 100-150.000 EUR. Wenn die nicht auf einmal viel teurer geworden sind (was ich bezweifle) dann ist das ganze tatsächlich eine Geldstrafe und nicht etwa eine "Rückerstattung" von fiktiven Studienplatzkosten.

Pflaume
20.11.2019, 12:46
Aber mit 25, 26 Jahren hat man schon gearbeitet,
So hatte ich das noch gar nicht gesehen. Deine Folgerung mit der Erpressbarkeit durch finanzielle Reserven finde ich etwas weit hergeholt, da auch bei den älteren zum Ende des Studiums die finanziellen Reserven minimiert worden sein dürften. Aber grundsätzlich dein der Gedanke vermutlich in die richtige Richtung: Man hat im Schnitt relativ alte Studenten ausgewählt, weil man sich von denen irgendwas erhofft, z.B. eine geringere Studienabbrecherquote oder dass sie ihre Kinder schon während des Studiums bekommen und nicht erst, wenn sie Hausarzt sein sollen. Es wird jedenfalls vermutlich schon so sein, dass sich nicht in erster Linie ältere Studenten um diese Studienplätze beworben haben, sondern in erster Linie ältere Studenten für die Studienplätze ausgewählt worden sind.


Es besteht also eine reale Chance, daß man sich zur Praxisübernahme verpflichtet hat, während die jeweilige Landesregierung genau diese abschaffen will. Genau mein Humor.Im Gesetz und Vertrag steht nur, dass man sich einen Hausarzt-Kassensitz zuweisen lassen muß. Der ist natürlich (zumindest nach heutigen Regelungen) an eine bestimmte Örtlichkeit gebunden, also konkret eine Praxis. Ob man an dem Ort dann eine Hausarzt-Einzelpraxis oder ein Hausarzt-MVZ betreibt, das die Anforderungen des Kassensitzes erfüllt, dürfte der KV bzw. dem Landarztvertrag aber wahrscheinlich relativ egal sein. Muß man abwarten, welche Regeln in 10 Jahren bzgl. Kassensitzen und MVZ oder was auch immer es bis dahin gibt gelten.


Besonders interessant ist (bei 70% weiblichen Bewerbern) ob eine Schwangerschaft dann auch als schuldhafte Verzögerung gewertet und geahndet wird (hat hier jemand was von Zwangsverhütung gesagt?) , ebenso ist Elternzeit oder Teilzeit NICHT vorgesehen, soweit ich das herauslesen kann.
Eine Schwangerschaft wird sicher keine schuldhafte Verzögerung sein, da würde dann doch sehr schnell und laut "Diskriminierung!" gerufen werden. Elternzeit - weiß man nicht. Ich vermute, dass auch Elternzeit als "Ausrede" zählen wird. Allerdings würde ich erwarten, dass Zeiten wie Elternzeit dann an die zehn Pflichtjahre hinten dran gesetzt werden. Da die ganze Zeit von der Zuweisung eines Hausarzt-Sitzes die Rede ist, gehe auch ich davon aus, dass ein halber Hausarzt-Sitz die Bedingungen höchstens zur Hälfte erfüllt. Ggf. wird entsprechenden Wünschen dann evtl. entgegengesetzt, dass man ja den vollen Hausarzt-Sitz nehmen und für die halbe Zeit jemanden in der eigenen Praxis anstellen könne. Auch das wäre sicherlich wieder genau dein Humor. :-angel

Schwangerschaft, Familie und psychische Erkrankungen dürften sicherlich die führenden Gründe werden, mit denen die baldigen Studentinnen und Studenten in 12 Jahren versuchen werden, sich der Vertragsstrafe zu entziehen, wenn ihnen klar wird, worauf sie sich eingelassen haben. Starke Häufungen von Schwangerschaft und psychischen Erkrankungen kann man ja in jedem Bereich beobachten, in den keiner will.


Die Frage ist, was passiert, wenn man das Studium freiwillig abbricht oder man aufgrund Prüfungsversagen zwangsexmatrikuliert wird? Lies dir die Seiten durch, die ich oben verlinkt habe. Bei endgültigem Abbruch des Studiums oder endgültigem Nichtbestehen gibts keine Strafe.

Muriel
20.11.2019, 14:04
Meine Begründung bei den Älteren wäre eher gewesen, dass die Jüngeren noch Hoffnung haben, anders einen Platz zu bekommen und nicht wie manche Mittzwanziger frustriert ihre aufs "sichere" Pferd Wartezeit gesetzte Felle davon schwimmen sehen.

davo
20.11.2019, 14:16
Ich denk mir auch, dass viele ältere sich eher mit dem "gemütlichen" Job als Hausarzt/Landarzt "zufrieden geben". Das klingt jetzt sehr negativ, so meine ich das eigentlich gar nicht. Ganz im Gegenteil. Aber ich fand es schon recht auffällig, dass viele der jungen Studenten beim Studienanfang unbedingt viel Action wollten, Chirurgie, Kardiologie, usw. - das lässt dann im PJ schon oft stark nach, und unter den Innere-Assistenzärzten, die von ein paar Jahren in der Klinik zermürbt sind, gibts dann schon recht viele die die Niederlassung als hausärztlicher Internist zumindest als mögliche Option in Erwägung ziehen.

Ich wär mir also gar nicht sicher, ob der Alterseffekt durch die Auswahl zustandekam. Kann durchaus auch einfach ein Bewerbungseffekt gewesen sein.

Das mit der Zwangszuweisung an finanziell unattraktive Orte sehe ich auch nicht so schlimm. Die KV ist eben NICHT ein Gebrauchtwagenhändler. Für die KV ist nicht ein Hausarzt gut, der wenig Geld macht, sondern ein Hausarzt, der großen Bedarf deckt.

tarumo
20.11.2019, 14:22
Ob man an dem Ort dann eine Hausarzt-Einzelpraxis oder ein Hausarzt-MVZ betreibt, das die Anforderungen des Kassensitzes erfüllt, dürfte der KV bzw. dem Landarztvertrag aber wahrscheinlich relativ egal sein.

Nach dem Vertrag dürfte man natürlich auch sofort nach Abschluss der WB ein hausärztliches MVZ mit sich als Geschäftsführer gründen, sofern man persönlich der vollen Verpflichtung in der Versorgung nachkommt. Nur sich anstellen lassen ist nicht erlaubt.



Elternzeit - weiß man nicht. Ich vermute, dass auch Elternzeit als "Ausrede" zählen wird. Allerdings würde ich erwarten, dass Zeiten wie Elternzeit dann an die zehn Pflichtjahre hinten dran gesetzt werden.


Ich muß das nochmal herausarbeiten: Das perfide ist doch, daß es eben NICHT darum geht, eine Art Stipendium wie bei der Bundeswehr oder in den totalitären Ländern, die auch Ärzte zwangsverteilt haben "abzuarbeiten". Nein, man verpflichtet sich, nach der WB als SELBSTSTÄNDIGE aufzutreten und da ist kein BV, kein Erziehungsurlaub, Elternzeit oder sonstwas vorgesehen. Schwangere Selbstständige müssen sich da ja auch selbst drum kümmern und Vorsorge treffen. Die Möglichkeit, nicht zu arbeiten oder zu reduziertem Pensum schließt der Vertrag ausdrücklich aus. Wenn überhaupt, geht das nur während des Studiums oder der Klinikzeit. Die Frage, ob EZ während der WBZ eine "schuldhafte Verlängerung" ist, werden die Gerichte klären müssen.



Schwangerschaft, Familie und psychische Erkrankungen dürften sicherlich die führenden Gründe werden, mit denen die baldigen Studentinnen und Studenten in 12 Jahren versuchen werden, sich der Vertragsstrafe zu entziehen, wenn ihnen klar wird, worauf sie sich eingelassen haben. Starke Häufungen von Schwangerschaft und psychischen Erkrankungen kann man ja in jedem Bereich beobachten, in den keiner will.

Die Linie der KV, wenn es um die Zuweisung für die Zwangsbereitschaftsdienste und die zunehmende Rücknahme von Befreiungen davon geht, ist jetzt schon folgende: solange man überhaupt als Arzt arbeiten kann, ist alles zumutbar. Und man hat die Möglichkeit, jederzeit (auf eigene Kosten) einen Vertreter zu beauftragen. So wird man dann auch bei Erkrankungen und Schwangerschaften argumentieren. Eine psychische Erkrankung, die einen quasi ans Krankenhaus "fesselt" ist mir jetzt nicht bekannt. Und die Schiene, daß man aufgrund einer psychischen Erkrankung gar nicht mehr als Arzt arbeiten könne, gegenüber dem Land NRW zu vertreten, was ja immerhin die Approbation ausstellen wird oder schon hat, halte ich für sehr riskant. Von Nebenwirkungen (BUV) ganz zu schweigen.

Und: es gilt ja noch eine gewisse Residenzpflicht. Das Kassenarztrecht kennt aber keine Ortspräferenz oder soziale Härtefälle. Wenn der Göttergatte nicht zufällig Forstwirt, Holzbauingenieur ist oder einen anderen "ländlichen" Beruf hat, werden hier Beziehungen zerrissen. Im Extremfall wird der Partner, den man an der Uni kennengelernt hat, ans entgegensetzte Ende von NRW "verteilt". Macht, wie schon gesagt, die betreffenden Damen für eine Heirat ziemlich unattraktiv (muß man so deutlich sagen). Berufssoldaten wissen, wovon ich schreibe...

tarumo
20.11.2019, 14:46
Die KV ist eben NICHT ein Gebrauchtwagenhändler. Für die KV ist nicht ein Hausarzt gut, der wenig Geld macht

Grundsätzlich ist es allen öffentlich-rechtlichen Stellen, die Geld verwalten und auszahlen müssen, lieber, wenig auszahlen zu müssen zu als viel...


sondern ein Hausarzt, der großen Bedarf deckt

Der Bedarf ist ja geplant (was per se ja schon ein Widerpruch ist). Die KV untersteht dem Sozialministerium und das wird von Politikern geleitet, die gerne wiedergewählt werden wollen. Von einem transparenten Auswahlverfahren lese ich auch nichts- die zugewiesene Praxis wird vmtl. im versiegelten Umschlag per Einschreiben bekanntgegeben. Und ohne 14tägiges Rückgaberecht, wie es sonst üblich ist.

Als KV würde ich genau die Praxen auswählen, die 1) relativ wenig Auszahlung erwirtschaften 2) aber dafür besonders viele Patienten behandeln und 3) an Orten liegen, wo der Bürgermeister besonders laut "hier" schreit oder man anderweitig "vergschaftlhubert" ist.
Insgesamt also ein tragfähiges Geschäftskonzept, was die Bank ganz genauso sehen wird:-))

Vielleicht landet die erste schnuckelige Quotenlandärztin "zufällig" im Wahlkreis von Laumann , Emsdetten-Saerbeck-Ladbergen, wo aktuell gleich mehrere Sitze offen sind:-D

Pflaume
20.11.2019, 15:22
Stimmt, bezüglich Elternzeit hatte ich da einen Knoten im Hirn. Das schützt einen ja kein Stück, wenn man selbständig ist.

ehem-user-31-01-2020-1555
20.11.2019, 18:13
@tarumo: Darf ich fragen du Kliniker oder Niedergelassener bist? Nur aus Interesse, weil du dich ganz gut mit den Tücken der Niederlassung auskennst

Relaxometrie
20.11.2019, 19:09
Wenn die Landarztverträge nicht kassiert werden wg. Sittenwidrigkeit
Genau diese Wort (sittenwidrig) habe ich kürzlich auch in einer Diskussion über die Landarztquote benutzt.
Bzw. sollte ich es eher "Gespräch über die Landarztquote unter Kollegen und Oberärzten" nennen. Eine wirklich Diskussion war es gar nicht, weil wir uns alle einige waren, daß diese Verträge sittenwidrig sind.
Aber die Studenten-in-spe, die einen solchen Vertrag unterschreiben, sind erwachsene Menschen. Sie wissen zwar nicht, was sie (sich da an-) tun; aber sie sind ja geschäftsfähig :-nix

Shizr
20.11.2019, 19:28
aber sie sind ja geschäftsfähig :-nix
Und? Sittenwidrig können diese Verträge dennoch sein, und damit wären sie nichtig.
Ich wäre nicht mal überrascht, würden diese Verträge gerichtlich als sittenwidrig beurteilt.
Auch öffentlich-rechtliche Verträge können sittenwidrig sein.


Meine Hypothese:
Schwangerschaft und Elternzeit während der Weiterbildung bewirken einen "Aufschub" der Verpflichtung, die Zeiten müssen hinten drangehängt werden. Wird man nach Abschluss der Weiterbildung schwanger, ist man angeschi**en.
Dass eine Schwangerschaft während der Weiterbildung als "schuldhaftes" Trödeln angesehen wird und diese Perversion dann auch noch gerichtlich abgesegnet wird, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.


Ich denke, die Landarztquote wird noch einer Menge Juristen dabei helfen, ihre Brötchen zu verdienen, bis diese unausgegorene, nicht zu Ende gedachte Idiotie endlich einigermaßen abschließend geklärt ist.
Eine dumme Idee war es, ist es, und wird es weiterhin sein. Aber es ist halt eine schnelle, einfache "Lösung" für ein Problem, dessen tatsächliche Ursachen die Politik zwar kennt, aber nicht beheben möchte.

Am Stammtisch kommt sowas sicherlich super an. "Seht her, wir tun etwas gegen den Landärztemangel!"

Relaxometrie
20.11.2019, 19:54
Ja, Stammtischniveau trifft es gut.
Dabei gäbe es wirklich bessere Lösungen. Z.B. die fachlichen Lücken bei niederlassunswilligen Ärzten schließen und dann versuchen, sie ohne sittenwidrige Verträge in die Niederlassung zu bringen. Z.B. mich :-D
Ich habe inzwischen ja eine bunte Mischung an fachlichen Erfahrungen gesammelt, bin bisher aber bzgl. der Sonographieausbildung auf keinen grünen Zweig gekommen. Wenn man mir z.B. eine Sonographieausbildung und noch vielleicht ein Jahre Innere Medizin mit ein wenig Ausbildung angedeihen lassen würde, würde ich mich fit für die Niederlassung fühlen. Und vermutlich gibt es einige solcher Kollegen, die vielleicht noch die ein oder andere Sache lernen sollten, insgesamt aber relativ schnell als Weiterbildungsassistent für Allgemeinmedizin in die Niederlassung gehen könnten.
Aber die Politik ist zu solchen Dingen offensichtlich nicht fähig und verkauft sittenwidrige Verträge lieber als einen superduper-Wurf gegen den Landarztmangel :-keule:-wand :-keule

ehem-user-31-01-2020-1555
20.11.2019, 20:30
Der Politiker Laumann, der ja an der Landarztquote nicht ganz unschuldig ist, hat ja eine sehr interessante Vita. Eine Uni hat der wahrscheinlich noch nie von innen gesehen.
Es muss den Bewerbern aber auch klar sein, dass sie der Trend der Urbanisierung auf alle Bereiche bezieht. Ob es in so kleinen Orten noch den Dorfapotheker gibt? Handwerker? Bäckereien? Das ist nicht nur ein ärztliches Problem.