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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Fragen zum Arbeitszeitgesetz



Relaxometrie
27.02.2019, 21:19
Ich habe keinen passenden Thread gefunden (wahrscheinlich schlecht gesucht :-peng ) und dachte, daß ich mal einen Thread erstelle, in dem immer wieder alle möglichen Fragen zum Arbeitszeitgesetz gestellt werden können.
Meine aktuelle Frage:

Die Hausdienste unseres Dienstsystems wurden umgestellt; jetzt haben wir an Wochenenden und an Feiertagen Hausdienste, die 12 Stunden dauern. Eine offizielle Pause, in der man also wirklich das Telefon abgibt, gibt es nicht. Gibt es da jetzt wieder irgendwelche Ausnahmen, die solche Dienste ohne Pausen doch legal machen?
Meiner Meinung nach gilt schlicht und ergreifend das Arbeitszeitgesetz, welches bei Diensten, die länger als neun Stunden dauern, eine Pause von 45 Minuten vorschreibt.

Rettungshase
27.02.2019, 21:40
Der AG wird sagen: "Naja, natürlich können Sie sich Ihre Mittagspause frei einteilen." Wenn dann das Telefon klingelt, isses Pech.
Wie das jemand qualifiziert rechtlich beantwortet, fänd ich aber auch spannend.

anignu
27.02.2019, 22:25
12h-Dienste sind doch eh "nur" Bereitschaftsdienste. 12h Volldienst ist ja nicht zulässig. Also ist man ja quasi ständig in der Pause und wird nur "bei Bedarf" geholt. LOL!

Aber mal im Ernst: was ist denn die bessere Alternative? Ich bin froh dass wir solche Dienste haben, denn mit möglichst langen Diensten reduziert sich die Anzahl. Ich hab keinen Bock NOCH ein Wochenende mehr zu arbeiten. Bei uns ist die Wochenend-Arbeitsbelastung totaler Wahnsinn. Also haben sie mehrfach überlegt einen "Visitendienst" einzuführen. Super. Damit ich zwar an dem einen Wochenende ein wenig entlastet werde aber dafür im Monat gleich noch ein Wochenende rein kommen muss...

Carina2
27.02.2019, 22:32
Kurze Zwischenfrage: Warum sind 12h Volldienst nicht zulässig?

Shizr
27.02.2019, 23:35
Weil du bei einer Arbeitszeit von sechs bis neun Stunden mindestens 30 Minuten Pause haben musst (die laut ArbZG im voraus feststehen muss) und bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden mindestens 45 Minuten Pause. Die Pausenzeit darf in Abschnitte von mind. 15 Minuten aufgeteilt werden.
Arbeitnehmer länger als sechs Stunden ununterbrochen arbeiten zu lassen, verstößt gegen das Arbeitszeitgesetz.


Es gibt zwar Ausnahmeregelungen für z.B. Krankenhäuser (§ 7 Abs. 2 Nr. 3), die vermutlich primär dem Zweck dienen, das "vorher feststehen müssen" auszuhebeln, denn das ist im Krankenhaus zugegebenermaßen teilweise schwierig umzusetzen.
Dafür braucht es allerdings eine dezidierte Regelung im Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung. Ich bin nicht überzeugt, dass es sowas überall gibt.

Gibt es eine solche Regelung nicht explizit, gilt das ArbZG uneingeschränkt, was bedeutet, dass jeder einzelne Verstoß mit einer Geldbuße bis 15.000 Euro belegt werden kann.
Hach, wäre das schön, eine Welt, in der diese Regelung nicht nur auf dem Papier besteht, sondern auch tatsächlich durchgesetzt wird.

anignu
27.02.2019, 23:42
Mein Fehler. Hatte noch das "klassische" Arbeitszeitgesetz im Kopf. Aber es gibt da ja noch den Tarifvertrag (z.B. TVÄ VKA) in dem mehr erlaubt ist.
Im Endeffekt ist es wie in der regulären Arbeit, man könnte sein Telefon schon abgeben aber die Wenigsten machen es. Oder wie ich es von der Pflege gelernt hab: man muss sich seine Pausen einfach nehmen. Dann sitzt man sich halt hin und trinkt entspannt einen Kaffee oder isst was.

WackenDoc
28.02.2019, 04:57
Denke aber dran, dass euch die Pausenzeit vermutlich automatisch abgezogen wird. Konntest du deine Pause gar nicht nehmen, dann lass dir die Zeit unbedingt gutschreiben. Tunlichst in Verbindung mit einer Überlastungsanzeige. Aber ja, die Pause zählt, auch wenn du das Telefon am Mann hast. Nur Telefonieren stoppt die Pause und dann muss man schauen, ob du z.B. auf die Mindestzeit von 15min kommst. 5min sind keine Pause.

tarumo
28.02.2019, 14:12
Aber mal im Ernst: was ist denn die bessere Alternative? Ich bin froh dass wir solche Dienste haben, denn mit möglichst langen Diensten reduziert sich die Anzahl. Ich hab keinen Bock NOCH ein Wochenende mehr zu arbeiten..

Sehr kurzsichtige Denkweise. Die Alternative ist, daß der AG eben Personal einstellt, bis das AZG umsetzbar ist. So hilfst Du deinem AG, den Personalschlüssel niedrig zu halten und verhinderst die Neueinstellung von KollegInnen, die zur Senkung der Dienstfrequenz beitragen könnten. Spätestens, wenn weitere Leute gekündigt haben oder schwanger sind, hast Du dann ruckzuck wieder die hohe Dienstfrequenz, dann aber mit den langen Diensten. Das wiederum senkt die Wahrscheinlichkeit, daß sich nochmal neue KollegInnen finden lassen.

Für "opt-out" gilt im übrigen das Gleiche.

h3nni
28.02.2019, 15:53
5min sind keine Pause.

Gab/gibt es nicht "Kurzzeitpausen" in der Länge von 5 Minuten? Das bilde ich mir zumindest vom Rettungsdienst her ein. 12 h Schicht, 8h Vollarbeit, 3h Bereitschaft, 1h Kurzpausen, die bezahlt werden.

Mano
28.02.2019, 16:20
12h Arbeitszeit (zzgl. 45 Minuten Pause) sind tatsächlich möglich (zumindest im Schichtbetrieb), dürfen aber glaube ich max. 4 am Stück sein mit ausreichenden Erhohlungszeiten.
Auf die Pause hast du natürlich ein Anrecht. Und Pause ist natürlich nicht zwischen zwei Telefonanrufen mal eben ins Brot beißen, sondern den Arbeitsplatz ohne Telefon verlassen und draußen eine zu Rauchen und dabei mit der Familie telefonieren oder eben kurz zum Laden gegenüber um fürs Abendessen einzukaufen.
ABER: Bevor du das einforderst - und ich denke du hättest spätestens vor Gericht gute Chancen das durchzusetzen - überlege welche Alternativen der Arbetigeber hat:
- Bereitschaftsdienst? Mehr Arbeit, weniger Geld.
- Pausenablöse-Dienste? Dann kommt noch ein weiterer Kollege für wenige Stunden am Wochenende in die Klinik.
- 6h-Schichten!?
- Oberarzt kommt als Pausenablöse für dich jeweils 45 Minuten in die Klinik? Meinst du die schauen dich danach auch nur mit dem A... an?
Dann doch lieber ein Gentleman-Agreement, bei dem man sich die Pausenzeiten als Überstunden anrechnen lässt oder statt 45 Minuten nachts auch mal 2h Sofa-Pause machen darf wenn wenig los ist...

WackenDoc
28.02.2019, 16:27
Ja, es gibt Kurzpausen (vor allem bei bestimmten Tätigkeiten), aber die rechnen nicht auf deine Pausen an. Schlichtweg weil Pausen der Erholung und Erhalt der Arbeitsfähigkeit dienen und das bei zu kurzer Pausenzeit nicht gegeben ist.

Dass man während seiner Pause das Telefon "bewacht" ist denke ich ok. Wenn man der einzige Diensthabende ist, geht es ja auch nicht anders. Für 45min kann ja keiner rein kommen und dich ablösen. Das wäre schon lebensfremd. ABER: Es ist ein Problem, wenn der Diensthabende so viel zu tun hat, dass er nie eine Erholungspause machen kann. Dann müsste die Arbeit oder die Schicht anders organisiert werden.

anignu
01.03.2019, 00:39
Sehr kurzsichtige Denkweise. Die Alternative ist, daß der AG eben Personal einstellt, bis das AZG umsetzbar ist. So hilfst Du deinem AG, den Personalschlüssel niedrig zu halten und verhinderst die Neueinstellung von KollegInnen, die zur Senkung der Dienstfrequenz beitragen könnten. Spätestens, wenn weitere Leute gekündigt haben oder schwanger sind, hast Du dann ruckzuck wieder die hohe Dienstfrequenz, dann aber mit den langen Diensten. Das wiederum senkt die Wahrscheinlichkeit, daß sich nochmal neue KollegInnen finden lassen.

Für "opt-out" gilt im übrigen das Gleiche.
Genau. Sehr kurzsichtig. Da finde ich deine Lösung wie unter http://www.medi-learn.de/foren/showthread.php?101190-Keine-Bereitschaftsdienste-trotzdem-Facharzt-werden&p=2086225&viewfull=1#post2086225 vorgeschlagen schon viel besser. Einfach mit Tricks das Kollegenschwein raushängen lassen und sich vor Diensten drücken. DAS ist die Lösung. Wenn sich alle vor Diensten drücken muss der Arbeitgeber ständig neue Leute einstellen um die Dienste zu besetzen, die sich dann wieder vor den Diensten drücken, also wieder neue Leute usw. In deiner offensichtlich "sehr weitsichtigen" Weltanschauung hast du damit ein System an ständig größer werdenden Abteilungen erschaffen und die Arbeitgeber werden das sicherlich sehr bereitwillig mitmachen. Gratulation...

Der Arbeitgeber wird ständig versuchen die Arbeitszeitmodelle so zu gestalten dass möglichst günstig doch irgendwie alle Dienste besetzt sind. Da sitzen irgendwelche Controller oder Beratungsfirmen oder sonstwas die können das gut ausrechnen. Und man selbst (z.B. über Assistentensprecher o.Ä.) sollte versuchen in den eh schon besch... Dienstmodellen das Beste rauszusuchen. Und da bin ich immer noch der Meinung für Dienste: möglichst selten in die Klinik fahren und dafür möglichst lange zu arbeiten um die Dienste wieder hinter sich zu haben. Vor allem wenn man fachübergreifende Dienste hat und einen damit die Dienste im eigenen Fach nicht voranbringen (Beispiel als Gefäßchirurg in der Notaufnahme mit gefühlt 85% Unfall und 12% Abdomen und 3% anderes Zeug). Also lieber am WE 2 12h-Dienste als 3 8h Dienste. Oder lieber einen 16h-Kombi (Voll+Bereitschaftsdienst) über Nacht als einen Schichtdienst. Lieber einen anstrengenden 12h Dienst am Wochenende als zusätzlich einen 2h-Visitendienst usw.

tarumo
01.03.2019, 10:09
Da sitzen irgendwelche Controller oder Beratungsfirmen oder sonstwas die können das gut ausrechnen...


Vor allem wenn man fachübergreifende Dienste hat und einen damit die Dienste im eigenen Fach nicht voranbringen (Beispiel als Gefäßchirurg in der Notaufnahme mit gefühlt 85% Unfall und 12% Abdomen und 3% anderes Zeug).

Merkst Du was? In den Augen Eurer Controller bzw. der Geschäftsführung sind Gefäßchirurgen also schon mal keine rare Spezies, die man am Wochenende und nachts zuhause behält, damit sie sich dann tatsächlich ausgeruht den Verschlüssen oder Dissektionen widmen können, sondern eine willig-billige Verfügungsmasse, die man auch für "fachübergreifende" ( = fachfremde) Dienste verschleißen darf. Noch dazu gefügig genug, das eh schon lasche AZG weiter aufzuweichen, und den geschuldeten "Facharztstandard" gleich mit dazu. Als weiteres Dankeschön des AG wird die WB in die Länge gezogen. Herzlichen Glückwunsch!

Kein Wunder, daß dann auch der Nachwuchs ausbleibt. Übrigens gehen Controller/Berater/Geschäftsführer auf der Suche nach Einsparungen den Weg des geringsten Widerstandes. Habe z.B. noch nie gehört, daß die Vergütung eines GF eines kommunalen KH auf die Höhe eines Werkleiters (z.B. Wasserversorgung oder Müllabfuhr) reduziert werden sollte, oder bei Unikliniken meinetwegen auf die Höhe eines leitenden Forst- oder Finanzdirektors. Warum? Weil die Herrschaften sich zu wehren wissen und eine Consultingfirma, die sowas fordern würde, schnell die Aufträge loswäre.

Desweiteren ist die Ausgestaltung des AZG bzgl. Pausenmöglichkeit NICHT Sache der Ärzte, sondern des AG. Klappt in anderen Branchen ja auch. Zur Not muß halt mehr Personal ran.

Punkt 2: ich bin grundsätzlich auch für ein "gentlemen agreement" bzgl. Diensteinteilung. Nur wird das eben nur kurzfristig Abhilfe schaffen. Zum einen ist es politisch nicht gewünscht, daß der Patientenzustrom in die KH-Ambulanzen wirksam begrenzt wird, zum zweiten haben tatsächlich immer mehr Patienten keinen ambulanten Ansprechpartner mehr und zum dritten steuert gerade die Chirurgie in einen massiven Nachwuchsmangel. Das wiederum u.a. wegen solchen Ansichten wie oben...

Der Punkt, wo Du dann doch wieder jedes oder bestenfalls jedes zweite WE arbeiten mußt, wird dann halt einfach ein Jahr oder so später erreicht.

Übrigens hat der MB in der aktuellen Tarifrunde eine Limitierung der Dienste "gefordert". ich bin sehr gespannt, was daraus wird.

tarumo
01.03.2019, 10:35
Genau. Sehr kurzsichtig. Da finde ich deine Lösung wie unter http://www.medi-learn.de/foren/showthread.php?101190-Keine-Bereitschaftsdienste-trotzdem-Facharzt-werden&p=2086225&viewfull=1#post2086225 vorgeschlagen schon viel besser. Einfach mit Tricks das Kollegenschwein raushängen lassen.

und dazu:
1) kein "Trick", sondern völlig legitime Ausschöpfung der Möglichkeiten im Rahmen der Weiterbildung. Offensichtlich scheint das Bedürfnis nach "wenig oder gar kein Dienst" durchaus häufig vorzukommen. Wenn sich jemand ein "dienstfreies" Fach sucht, ist er dann auch "Kollegenschwein"? Oder soll die Studienplatzvergabe gleich an die Dienstverpflichtung geknüpft werden?
2) die Idee ist nicht von mir, sondern persönliches Umfeld, mehrfach so erlebt. Nebeneffekt: die "Nichtdienstler" hatten den FA-Katalog sogar eher voll, mit allen damit verbundenen persönlichen und finanziellen Vorteilen.
3) eine der betreffenden Kliniken hat sogar daraufhin das Dienstmodell umgestellt, weil sonst irgendwann gar keiner mehr da gewesen wäre. es geht also, wenn man sich wehrt.
4) braucht man sich nicht aus falsch verstandener Solidarität irgendwo reinreiten, z.B. was die fehlenden Fachkunden angeht. Wenn eine fehlende FK vor Diensten "schützt", ist das nicht unkollegial, sondern geltende Rechtslage. Punkt.

Nach zig Jahren Dienst an einem Maximalversorger brauche ich mich wirklich nicht zu verstecken. Dienstfolgen waren neben einer angeschlagenen Gesundheit erhebliche finanzielle Verluste (zum Schluß gab es quasi nur noch Grundgehalt und Minusstunden dazu) und eine in Größenordnung von mehreren Jahren (für jeden Tag BD zwei Tage Arbeitszeitverlust) verlängerte WB.
Vielleicht wird das mit dem elektronischen Logbuch erst richtig augenfällig, wie stark hier die WB behindert wird. Die Möglichkeit, daß der Chef "irgendwas" bescheinigt, entfällt dann nämlich.
Ich verstehe nicht, wie man das auch noch gut finden kann.