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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wie lange Patienten krankschreiben- Richtwerte?



MrGroot
25.04.2019, 21:00
Hallo zusammen,

gibt es eine Webseite oder ein Buch, wo man nachlesen kann, wie lange man Patienten krankschreiben kann/soll?
Mir ist klar, dass die definitive Dauer der Arbeitsunfähigkeit von vielen Faktoren abhängt, aber gibt es irgendwo Richtwerte?

Danke euch!

WackenDoc
25.04.2019, 21:28
Gibt es nicht und es hängt auch von der Tätigkeit ab.

anignu
26.04.2019, 00:00
Einfache Regel: als Assistenzarzt im Krankenhaus sowieso nur bei D13 und da dann maximal 5 Tage. Den Rest sollen die Unfallchirurgen mit dem Patienten in der Sprechstunde ausmachen.

Wobei ich nicht davon ausgehe dass das die Antwort war die du gesucht hast. Für welchen Bereich willst du denn das wissen?

MrGroot
26.04.2019, 14:55
Danke euch für die Antworten. :D

Ich hatte konkret diese Situation:
Neurologische Station: Eine Patientin mit Bandscheibenvorfall (die wahrscheinlich operiert wird) hat mich gefragt, wann sie wieder arbeiten kann. Ich habe ihr gesagt, dass ich es nicht weiß und sie sollte lieber den Oberarzt bei der nächsten Visite fragen. Sie war dann etwas enttäuscht, dass ich nicht mal einen approximativen Wert nennen konnte.
Mir ist dadurch eingefallen, dass sowas bei uns an der Uni gar nicht gelehrt wird und dazu in meinen Büchern nichts steht, obwohl wahrscheinlich viele Patienten sowas gerne wissen möchten...

Wie sollte man dann hier vorgehen? Wie lernt man das?
Tatsächlich den Oberarzt jedes mal fragen bis man ein Gefühl dafür entwickelt?

Evil
26.04.2019, 15:42
Gerade bei solchen Erkrankungen ist der Verlauf sehr individuell, das kann man schlicht nicht vorhersagen.

Feuerblick
26.04.2019, 15:54
Grobe Richtwerte lernt man eigentlich in der Weiterbildung. Aber eben nur grob. Krankheitsbild A = ungefähr XX Tage, Krankheitsbild B = ungefähr YY Tage AU. Dass das individuell absolut nicht passen muss, ist klar.
Frag doch mal deine OÄ nach Richtwerten. Oder ggf. auch den Sozialdienst, wenn es Erkrankungen sind, bei denen eine Reha folgt.

Alles andere eignet man sich nach und nach an. Meistens schreibt man am Anfang eher zu kurz als zu lang krank. Das pendelt sich mit etwas Erfahrung dann ein.

WackenDoc
26.04.2019, 15:54
Hängt von der genauen OP ab. Hängt vom Heilungsverlauf ab. Hängt von der Tätigkeit des Patienten ab.
Hängt von eventuellen neurologischen ausfällen ab.

juke5489
26.04.2019, 16:07
wie die anderen schon gesagt haben, das wissen wie lang leute ungefähr bis zur rekonstitution brauchen erwirbt man erst mit zunehmender erfahrung.
häufig muss man ehrlicherweise sagen lernt man es wenn man nur in der akutklinik tätig ist überhaupt nicht.
weil man die verläufe außerhalb der klinik oft nicht kennt.
hier hilft es wenn man eine sprechstunde hat, in der man auch tätig ist.
das ist meist die einzige station im rahmen der klinischen ausbildung, wo man auch mal einen langzeitverlauf mitbekommt und dann auch die krankheitsbilder nach der akutphase kennenlernt. nach einer weile fällt es dir dann nicht mehr so schwer grobe aussagen zu machen, aber auch hier stimmt natürlich: kein fall ist wie der andere...

davo
26.04.2019, 16:14
In diesem Fall ging es ja wahrscheinlich überhaupt nicht um die Krankschreibung per se, sondern um Ängste bzgl. der Reaktion des Arbeitgebers, eine mögliche Gefährdung der aktuellen Stelle, usw.

FirebirdUSA
26.04.2019, 20:34
Davo hat meiner Meinung nach Recht: Vermutlich hättest du die Situation auflösen können in dem du fragst was der Patient arbeitet, erläutern können das Bewegung eher der Genesung bei BSV förderlich ist und es keine allgemein gültigen Aussagen gibt. Dann den Patient vorsichtig aushorchen (selbst erzählen lassen) ob er Sorge hat zu früh anzufangen, um seinen Job Sorge hat, etc. Dann kann man am Ende immer noch sagen wir können es im Detail noch gemeinsam mit OA besprechen der schon viel mehr vergleichbare Fälle gesehen hat.

anignu
26.04.2019, 22:20
Die Patienten fragen doch ständig wann sie wieder was ganz genau machen dürfen. Und jeder Arzt erzählt ihnen dann was anderes...

Wann darf ich wieder Sport machen? -> Welchen Sport machen Sie denn?
Manche meinen Triathlon, andere meinen gemütlich mit dem Rad zum Bäcker in den Ort fahren. Da gibts Unterschiede. Meist darf man, nach welcher OP auch immer, eher bald Radfahren aber eher noch nicht so bald einen Triathlon machen.

Aber es gibt auch einigermaßen klare Richtwerte für manche Bereiche: bis eine OP-Wunde (die Haut) einigermaßen verheilt ist, dauert es meiner Meinung nach gut 2 Wochen. In dieser Zeit sollte niemand die Wunde längere Zeit aufweichen lassen. Also nicht Baden oder Schwimmbad oder sowas. Nach offener Bauch-OP dauert es 6 Wochen bis das Peritoneum wieder einigermaßen zusammengewachsen ist und Knochen beim Erwachsenen brauchen auch so ca. 6 Wochen bis man wieder einigermaßen alles machen kann. Spazieren gehen und Radfahren kann man meist wieder einigermaßen früh, Kraftsport / Kampfsport / Ballsportarten oder Sachen wie Schwimmen/Baden eher spät.

Bandscheibenvorfall ist meiner Meinung nach wirklich extrem individuell. Vor allem auch wenn noch nicht mal klar ist ob operiert wird oder nicht. Das reicht von "am nächsten Tag wieder arbeiten" (bei BSV ohne OP) bis "Totalausfall in dem Beruf". Und willst du das der Patientin sagen? Nein. Man kann aber vieles sagen. Dass das alles Spekulation ist, vom zukünftigen Krankheitsverlauf abhängt etc., Sätze einbringen wie "nicht unter 2 Wochen Krankschreibung" (bei BSV mit OP, ab Zeitpunkt BSV. Bis OP vergeht ja meist auch schon bissl Zeit) und dann Vollgas der Patientin ins Gewissen reden: "es geht um Ihre Gesundheit" "was nützt es Ihnen wenn Sie zu früh wieder anfangen und es dadurch dann schlimmer wird" "ganz wichtig danach ist die Krankengymnastik" und noch anschließen dass "die Nachbetreuung und Krankschreibung übernimmt dann der Hausarzt und der sieht Sie ja dann regelmäßig".
Damit hast du der Patientin irgendeine Zahl gesagt, gesagt wen sie in Zukunft fragen soll, dass es ihr eigentlich niemand sagen kann und dass sie dich in Zukunft nicht mehr fragen soll. Gut, oder? Klappt bei den meisten Patienten ;-)

WackenDoc
27.04.2019, 08:47
Das Problem ist wohl eher dass die Ausgangsfrage ein anderes Thema ist als sich dann im Verlauf herausgestellt hat.

Die Frage ist ja doch recht fachspezifisch. Für einige OPs gibt es Anhaltspunkte was der Patient nach welcher Zeit machen kann und darf. Kennen viele ja nach Knochenbrüche oder Kreuzband-Ersatz. Für häufige/typische OPs gibt es Merkblätter für die Patienten. Diese Zeiten finden sich in den Lehrbüchern bei den entsprechenden OPs. In meinem Praxisleitfaden Allgemeinmedizin gibt es z.B. eine Tabelle für verschiedene Knochenbrüche. Die kann man als Anhalt für komplikationslosen Verlauf nehmen.

Und dann muss man eben das was der Patient kann und darf mit den Anforderungen des Berufs abgleichen.
Bei längeren AUs, hohen körperlichen Anforderungen, dauerhaften Einschränkungen sollte dem Patienten ein BEM-Verfahren eingeleitet werden (geht über den Arbeitgeber) und man kann dem Patienten raten, sich beim Betriebsarzt vorzustellen. Der vereint quasi das medizinische Wissen mit dem Wissen um die Belastungen des Arbeitsplatzes.

Feuerblick
27.04.2019, 11:08
Dass das oft nicht passiert (also das Abgleichen mit dem Beruf) erlebe ich immer wieder. Da wird vom Hausarzt kritiklos über Monate krankgeschrieben, obwohl der eigentliche Auslöser lange vorüber ist. Da würde ich bei fehlendem Fachwissen doch den Facharzt fragen...
Beispiel: Patient hatte vor einem dreiviertel Jahr eine Vitrektomie wegen einer Netzhautablösung. Alles längst gut verheilt. Visus halt auf dem Auge schlecht, auf dem anderen gut. Da wird kritiklos weiter krankgeschrieben, obwohl der Patient einen Büro-Arbeitsplatz hat. Eigentlich sollte man da die AU beenden, mit der Firma ggf. besprechen, wie man den Arbeitsplatz gestalten kann und los gehts wieder. :-nix

Wäre also absolut wünschenswert, wenn solche Dinge, die im täglichen Leben ja durchaus relevant sind, im Studium gelehrt würden. Aber die Fächer, die damit zu tun haben, werden ja gerne mit Statistik zusammengelegt und sind entsprechend verhasst.