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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Erfahrungen mit Cannabinoiden



rafiki
17.07.2019, 19:54
Liebe somatische Kollegen,
wie sind eure Erfahrungen mit Cannabisprodukten bei der Behandlung chronischer Schmerzen, Spastizität oder Übelkeit bei Malignomen? Wie verbreitet ist der Einsatz mittlerweile?

Evil
17.07.2019, 20:07
Nachdem eine Patientin mit Phantomschmerzen nach Amputation in einer Schmerzklinik auf Cannabinoide eingestellt worden war, habe ich mich mal durch den ganzen Antragsaufwand gekämpft. Hat die Kasse trotzdem abgelehnt. Und derzeit läuft sie ganz gut mit Metamizol und Amitryptilin.
In der Umgebung hier kenne ich keinen, der regelmäßig Cannabinoide anwendet, auch der palliativmedizinische Konsiliardienst nicht.

Feuerblick
17.07.2019, 20:25
Direkte Erfahrungen kann ich nicht anbieten, nur das, was ich aus Patientenakten mitbekomme.
Hier in der Ecke gibt es einige Schmerztherapeuten und Allgemeinmediziner, die Cannabinoide fast schon inflationär einsetzen. Bezüglich Schmerzerkrankung und Cannabinoidtherapie finde ich die Positionierung der DGS (gab kürzlich eine Stellungnahme) recht realistisch. Additiv bei ansonsten weitestgehend austherapierten Patienten insbesondere bei neuropathischen Schmerzen scheint das teilweise gut zu wirken. MS-Patienten mit schmerzhaften Spastiken profitieren wohl auch in vielen Fällen. Für Übelkeit und Inappetenz bei Chemotherapie lese ich eher so „lala“ Erfahrungen. Alles andere hat wohl eher Placebo-Charakter und entlastet entweder den behandelnden Arzt oder fliegt wieder aus der Medikation.
Klar, es gibt zu allem vom Ohrensausen bis Schweißfüßen positive Berichte bei „Selbstmedikation“, aber fassbar oder vorhersagbar ist da offenbar nix.
Kurz: Kann in ausgewählten Fällen und bei ausgewählten Krankheitsbildern additiv (!) eine gute Sache sein, wird aber offenbar deutlich überschätzt.

WackenDoc
17.07.2019, 21:34
Es gibt alle paar Monate Übersichtsartikel zur aktuellen Studienlage im Ärzteblatt.

Nein, es ist nicht das Wundermittel als das es gehyped wird.So wie Feuerblick sagt.

Feuerblick
17.07.2019, 21:36
Naja, was man halt so „Studienlage“ nennt ;-)
Fun Fact: CBD-Öl wird von Promidamen für die Füße genutzt, damit die Pfoten in den HighHeels nicht so wehtun... :-))

Kackbratze
18.07.2019, 00:11
Cannabinoide nutzen wir, mit wechselhaften Ergebnissen, zur Appetitsteigerung bei Palliativpatienten.

Feuerblick
18.07.2019, 09:40
Die Verläufe, die ich so mitbekomme (schwerkranke Menschen sind auch bei uns ständig in Begutachtung... mal Medikamente, mal Pflege, mal Hilfsmittel etc), zeigen auch sehr wechselhafte Ergebnisse, die nur bedingt vorhersagbar sind.

Eilika
18.07.2019, 14:23
Kenne ein paar Patienten, die echt profitierten. Habe aber keine Ahnung, bei wie vielen es nicht wirkt...

Sebastian1
18.07.2019, 19:41
Früher auf ICU bei entsprechenden Patienten zur Appetitsteigerung. Keine kontrollierten Daten, nur gefühltes Wissen: Mein Eindruck war, dass der Unterschied bei den Patienten was den Appetit anbetrifft, nicht relevant war. Der "Heisshunger-Kiffer-Fressflash" war's jedenfalls bei keinem.

annekii
18.07.2019, 20:07
Meine Tochter bekommt Dronabinol zur Tonussenkung seit einigen Jahren. (Schwerste Mehrfachbehinderung mit Spastik und vielem mehr). Es hat aber auch deutlich positiven Einfluss auf ihre Stimmung. Ob es durch weniger Schmerzen oder weniger Tonus oder was auch immer kommt, wissen wir nicht. Wir wollten es letztens absetzen, weil wir den Eindruck hatten, dass es ihr die Wirkung des Pregabalins, was sie nun zusätzlich bekommt, so viel toller und stärker ist, dass wir Dronabinol rausnehmen könnten. Aber die Reduktion hat trotz langsamem Vorgehens wieder mehr Spastizität gebracht und hat sich wieder gebessert, als wir wieder auf der alten Dosis waren.
Ob es Appetit steigernd wirkt, weiß ich nicht, weil sie komplett über Sonde ernährt wird.

karinmuc
27.09.2019, 16:26
Hallo,

Ich habe Cannabis Erfahrung bei Migräne. Leider unter chronischer Migräne, klassisch mit visuellen Auren. Dazu kommen Spannungskopfschmerzen, häufig einseitig als Clusterkopfschmerzen. Ich habe alle gängigen Medikamente durch (Triptanen, Topiramat, ...), ohne großen Erfolg.

Jetzt verwende ich Cannabis mit zumindest deutlicher Schmerzlinderung. Meistens als selbst hergestellter Extrakt in Olivenöl. Daneben setze ich auch gekauftes CBD-Öl (Bedrolite) ein. Versuche den THC Content eher niedrig zu halten, vor allem abends. Sonst könnte es sein, dass ich Schlafprobleme bekomme, und das macht bei mir die Migräne nur schlimmer. Tagsüber nehme ich so alle paar Stunden Cannabis in irgendeiner Form.

Die Anzahl der Schmerztage hat sich bei mir nicht verringert, aber die Schmerzen sind deutlich gedämpfter. Ich habe neulich hier stand mal ein ungeschickt platzierter Werbelink, dass auch Botox gegen Migräne helfen kann, und dabei wohl auch die Anzahl der Schmerztage verringert. Bin gerade am Klären, ob das meine KK eventuell übernehmen würde, dann möchte ich das alternativ ausprobieren.

LG,
Karin

Feuerblick
03.02.2020, 15:28
Toll zitiert... wann kommt der Werbelink oder die Werbung in der Signatur? :-))

Kackbratze
04.02.2020, 02:29
Ja, wo kann ich das legal kaufen? Da habe ich ja noch NIE von gehört!!!!

Gersig
04.02.2020, 21:20
Ich nutze Cannabinoide gelegentlich im palliativen Setting, insbesondere bei Inappetenz und therapieresistenter Übelkeit. Die Wirkung ist meist ganz erfreulich, aber selten durchschlagend. Ebenso bei chronischen neuropathischen Schmerzen. Ein nettes Gimmick, mehr aber meistens oft nicht :-meinung