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cycy90
20.07.2019, 11:42
Hallo, in den Kollegenkreis!

Ich gehöre leider zu den juristisch recht unbedarften Menschen und fühle mich auch nach Durchsicht der Suchergebnisse hier leider nicht vollständig erhellt. Sollte ich einfach zu dumm zum adäquaten Suchen hier im Forum sein, freue ich mich infach über einen Link - mea culpa.

Also es geht um das Dienstmodell bei meinem (noch) aktuellen AG. Konkreter wie oben genannt um die Ruhezeit nach Rufdiensten.

Es gestaltet sich so, dass wir nach der Regelarbeitszeit (7.30-16h) Rufbereitschaft haben. Regelhaft bleibt man dann meistens bis ca. 19h und hat danach Ruhe. An solchen Tagen ist es natürlich kein Problem am nächstren Tag wiederzukommen.

Es passiert aber natürlich auch durchaus, dass man von 7.30 - z.B. 21/22/23/24h da ist. D.h., dass man dann entsprechend nicht zu Hause war und abgesehen von einer Mittagspause von 30 Min. und in guten Fällen einer zweiten Pause von 15 Minuten durch gearbeitet hat.

Ist es in dem Fall tatsächlich rechtens, dass man solange es über 5 1/2h Ruhezeit gibt (d.h. man war vor 2h zu Hause) man am nächsten Morgen um 7.30h wiederkommen muss?
In solchen Fällen strebt man bei uns dann an den Betroffenen früher nach Hause zu schicken, aber Anwesenheit pünktlich morgens muss sein.

Pflegerischerseits gilt bei uns im selben Haus eine Ruhezeit von 11h, weshalb sich mir die abweichende Regelung für ärztliche Kollegen nicht wirklich erschließt, denn mit meiner Approbationsurkunde habe zumindest ich keine übermenschlichen Superkräfte erlangt.


Danke euch vorab! (:

WackenDoc
20.07.2019, 21:34
Es gibt keine Regelung im Arbeitszeitgesetz, was irgendwas von 5 1/2 Stunden sagt. 11 Stunden und in Krankenhäusern sind 10 möglich.

Autolyse
20.07.2019, 21:42
Es gibt keine Regelung im Arbeitszeitgesetz, was irgendwas von 5 1/2 Stunden sagt. 11 Stunden und in Krankenhäusern sind 10 möglich.
Stimmt. Es sind sogar nur 5 Stunden.
§ 5 II ArbZG erlaubt die Verkürzung auf 10 Stunden in Krankenhäusern und bei Rufbereitschaft ist eine Halbierung auf 5 Stunden durch § 5 III ArbZG möglich. Wenn ihr keine abweichende Regelung in einer Betriebsvereinbarung habt, dann weiterhin viel Vergnügen im selbstgewählten Beruf.

FM4
20.07.2019, 22:13
Stimmt. Es sind sogar nur 5 Stunden.
§ 5 II ArbZG erlaubt die Verkürzung auf 10 Stunden in Krankenhäusern und bei Rufbereitschaft ist eine Halbierung auf 5 Stunden durch § 5 III ArbZG möglich...

Ist doch eigentlich ein Scherz mit den 5 Stunden ...

Bin auch gespannt was aus dem neuen EU Gesetz wird ... "Ausnahmen in Krankenhäusern sind möglich" ...

WackenDoc
21.07.2019, 06:31
(3) Abweichend von Absatz 1 können in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen Kürzungen der Ruhezeit durch Inanspruchnahmen während der Rufbereitschaft, die nicht mehr als die Hälfte der Ruhezeit betragen, zu anderen Zeiten ausgeglichen werden.

Ahhh, jetzt weiss ich wie die auf 5 1/2 kommen. Die halbierung bezieht sich auf Absatz 1 mit den 11 Stunden.

Da müsste aber ein Arbeitsrechtler mal prüfen, ob die ersten Stunden, bis man überhaupt mal das Krankenhaus verlässt, überhaupt als "Inanspruchnahme während der Ruhezeit" zählt oder ob das nicht Bereitschaftsdienst statt Rufbereitschaft ist.

Was macht der Diensthabende dann morgens? Die Fälle der Nacht in der Frühbesprechung übergeben? Was verhindert, dass ihr nach dem regulären Dienst nach Hause in die Rufbereitschaft könnt?

tragezwerg
21.07.2019, 06:41
Ich hatte mal irgendwo gelesen, dass man im Rufdienst 5,5 Stunden ZUSAMMENHÄNGEND geruht haben muss, in der Summe aber trotzdem 10/11 Stunden Ruhezeit braucht. Aber sich finde die Quelle dazu nicht mehr...

cycy90
21.07.2019, 10:30
(3) Abweichend von Absatz 1 können in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen Kürzungen der Ruhezeit durch Inanspruchnahmen während der Rufbereitschaft, die nicht mehr als die Hälfte der Ruhezeit betragen, zu anderen Zeiten ausgeglichen werden.

Ahhh, jetzt weiss ich wie die auf 5 1/2 kommen. Die halbierung bezieht sich auf Absatz 1 mit den 11 Stunden.

Da müsste aber ein Arbeitsrechtler mal prüfen, ob die ersten Stunden, bis man überhaupt mal das Krankenhaus verlässt, überhaupt als "Inanspruchnahme während der Ruhezeit" zählt oder ob das nicht Bereitschaftsdienst statt Rufbereitschaft ist.

Was macht der Diensthabende dann morgens? Die Fälle der Nacht in der Frühbesprechung übergeben? Was verhindert, dass ihr nach dem regulären Dienst nach Hause in die Rufbereitschaft könnt?


Es handelt sich um eine anästhesiologische Abteilung an einem Maximalversorger.

Nach dem regulären Dienst werden nachgemeldete oder ortsgebundene (also die Patienten, die zu krank sind, um in die Prämed-Ambulanz zu kommen) prämediziert. Das dauert durchschnittlich so bis 19h. Schwankt aber natürlich sehr tagesabhängig (früher als 18h wird es eher nie, nach 22h schlafen die Patienten und wir müssen nicht mehr aufklären, yeah).

PROBLEMATISCH und sehr anwesenheitsverlängernd ist aber, dass man nach Bedarf auch noch für Saalauslösungen und halt weiteres OP-"Notfall"programm, Schockräume etc. herangezogen wird.
Es gab mal einen Spätdienst (wie ich hörte sogar mal 2 Ärzte im Spätdienst), der aber aufgrund von Personalmangel eingestampft worden und von einem "Langdienst" (d.h. einen Kollegen, der von 7.30-18.15h bleiben muss) ersetzt worden ist. Das fängt den Arbeitsanfall überraschenderweise natürlich nicht adäquat auf und sorgt auf allen Seiten (Anä, Chirurgie, Pflege, Pat) für Frust.

Was verhindert, dass wir später kommen?
Morgens soll man dann auf jeden Fall wieder pünktlich da sein, damit kein Saal steht / später anläuft....
DAS entspricht bei diesem privaten Klinikbetreiber nämlich Armageddon.

DANKE euch schonmal allen für euren Input!!!

Die pflegerischen Kollegen, die im Betriebsrat sind, wollen das ärztliche Dienstmodell auf jeden Fall nochmal diskutieren. Auf Seiten der Kollegen herrscht eher der Status "Es war ja schon immer so" oder auch bei den zahlreichen aus dem Ausland stammenden Kollegen einfach der Fokus auf dem "Geld", was diese Rufdienste ja geben.

WackenDoc
21.07.2019, 10:35
Dann wäre der Beginn der Rufbereitschaft der Moment in dem du das Haus verlässt und nicht Ende des regulären Tagesdienstes.

Autolyse
21.07.2019, 11:39
Nein. Es liegt im Ermessen des Arbeitgebers, ob er die nach Ende der Regelarbeitszeit noch anfallende Arbeit über Rufbereitschaft oder Überstunden abdeckt (siehe hier Rn 22 (https://openjur.de/u/172009.html)), solange er die Belastungsgrenzen einhält. Die sind formell für die Rufbereitschaft zwar maximal 10% der gesamten Rufbereitschaftszeit, aber in der Praxis genauso irrelevant wie die maximal 49% im Bereitschaftsdienst. Die Belegschaft möchte den Mehrverdienst und wird daher jede Auslastungserfassung so generieren, dass das gewünschte Ergebnis rauskommt, was natürlich auch den Geschäftsführer freut, weil es billiger ist.

Als Nachtrag die Fundstelle für die 5 Stunden: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Wank, § 5 ArbzG Rn 8 unter Berufung auf die Materialien in denen die entsprechende gesetzgeberische Wertung so auch zu finden ist (siehe die Bundestagsdrucksache S. 25, linke Spalte, "zu Absatz 3" (http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/12/058/1205888.pdf).

rosa_banana
21.07.2019, 11:54
Im von Autolyse verlinkten Urteil geht es doch aber um Bereitschaftsdienst ("an einem vom Arbeitgeber ausgewiesenen Ort"), nicht um Rufbereitschaftsdienst. Ich habe es in Erinnerung, dass direkt an den normalen Tagdienst anknüpfende Arbeit, quasi ohne einmal das Krankenhaus verlassen zu haben, als Überstunden galten und die Rufbereitschaft erst begann, als wir das KH verlassen haben.

WackenDoc
21.07.2019, 12:23
Und die Frage der Vergütung des Bereitschaftsdienstes kann nochmal komplett anders gelagert sein als die Ruhezeit in einer Rufbereitschaft

Autolyse
21.07.2019, 14:04
Ich zitiere aber nicht das Urteil in seiner Gesamtheit, sondern nur eine Randnummer auf die es ankommt. Bundesgerichte entscheiden immer nur en passant den Fall und treffen dabei grundsätzliche Aussagen (lies § 543 II ZPO).

Die entscheidende Passage lautet:
[c) Der Arbeitgeber darf grundsätzlich in Ausübung seines Weisungsrechts bestimmen, welche Art von Leistungen der Arbeitnehmer zu erbringen hat (vgl. Senat 4. Dezember 1986 - 6 AZR 123/84 - EzBAT SR 2c BAT Bereitschaftsdienst Nr. 1, zu II 2 der Gründe). Er darf also entweder Rufbereitschaft, Bereitschaftsdienst oder Überstunden anordnen und ist auch berechtigt, die in einem Dienstplan im Voraus getroffene Anordnung zu ändern. Statt der zunächst dienstplanmäßig vorgesehenen Rufbereitschaft darf er somit Überstunden anordnen (vgl. Senat 26. November 1992 - 6 AZR 455/91 - BAGE 72, 26, 28).

Darf er die eine Form der Arbeitsleistung mit der anderen substituieren, so gilt das in jede Richtung, solange deren Voraussetzungen eingehalten werden.

MissGarfield83
21.07.2019, 14:43
@autolyse : Heisst das im Umkehrschluss, dass der Arbeitgeber einen 24h Dienst anstatt Regeldienst anordnen kann? Ich dachte mit Erstellung des Dienstplanes wäre das Direktionsrecht des Arbeitgebers verwirkt?

Bille11
21.07.2019, 14:59
Ich zitiere aber nicht das Urteil in seiner Gesamtheit, sondern nur eine Randnummer auf die es ankommt. Bundesgerichte entscheiden immer nur en passant den Fall und treffen dabei grundsätzliche Aussagen (lies § 543 II ZPO).

Die entscheidende Passage lautet:
[c) Der Arbeitgeber darf grundsätzlich in Ausübung seines Weisungsrechts bestimmen, welche Art von Leistungen der Arbeitnehmer zu erbringen hat (vgl. Senat 4. Dezember 1986 - 6 AZR 123/84 - EzBAT SR 2c BAT Bereitschaftsdienst Nr. 1, zu II 2 der Gründe). Er darf also entweder Rufbereitschaft, Bereitschaftsdienst oder Überstunden anordnen und ist auch berechtigt, die in einem Dienstplan im Voraus getroffene Anordnung zu ändern. Statt der zunächst dienstplanmäßig vorgesehenen Rufbereitschaft darf er somit Überstunden anordnen (vgl. Senat 26. November 1992 - 6 AZR 455/91 - BAGE 72, 26, 28).

Darf er die eine Form der Arbeitsleistung mit der anderen substituieren, so gilt das in jede Richtung, solange deren Voraussetzungen eingehalten werden.

Ich verstehe das so, dass die Zeiten (das Zeitfenster) des Dienstes vorgegeben sind, wohl aber nicht der Inhalt.

Dh. als Anästhesistin und Notärztin kann mir am Vortag mitgeteilt werden, dass aus einem 24h Notarzt-Dienst mit 8h Arbeitszeit und 16h Bereitschaftsdienst in eine 8h OP-Schicht und dann anschliessend 16h Bereitschaftsdienst im Notarztdienst umgewandelt wird. Oder ein anders gearteter Rufdienst oder Präsenzdienst sich an 8h Regelarbeitszeit anschliesst als der geplante. ZB eine 8h Intensivschicht statt eines 12h Rufdienstes. Solang die Ruhezeiten zum nächsten Dienst stimmen ist dieses Direktionsrecht dem Arbeitgeber frei.

Autolyse
21.07.2019, 15:07
Genauso ist es. Die Zeit ist fest (schon alleine, weil in Krankenhäusern der Dienstplan im Regelfall mitbestimmt ist (außer in der Pseudomitbestimmung der Kirchen)), aber der Inhalt und die Form der Arbeitsleistung kann geändert werden.

Mano
21.07.2019, 17:52
Das macht keinen Sinn, da es de facto die Aktivzeit in der Rufbereitschaft abschaffen würde. Jeder Arbeitgeber würde die dann ja als Bereitschaftsdienst (d.h. mit 60-95% bezahlt) statt als Aktivzeit (100% + Überstundenvergütung + Fahrtzeiten) werten.

Ansonsten würde ich vermuten, dass sich Ruhezeiten von gerade mal fünf Stunden ziemlich sicher auf die Gesundheit niederschlägt. Sprich: Wenn du morgens nach 5h Ruhezeit (d.h. 3-4 Stunden Schlaf) nicht in der Lage bist 100% Arbeitsleistung zu erbringen, bist du (zum Schutz der Patienten und des Arbeitgebers vor potentiellen Behandlungsfehlern) verpflichtet, dich krank zu melden...

Autolyse
21.07.2019, 18:27
Wann muss die Arbeitszeit vorbei sein, damit ein Mitarbeiter nach Bereitschaftsdienst am nächsten Tag zum Dienst antanzen kann? Genau...

rosa_banana
21.07.2019, 18:51
10 stunden? Wenn nein, wieso nicht?

WackenDoc
21.07.2019, 19:14
Im Zweifel könnte man mal die Gewerbeaufsicht bzw. den zuständigen Gewerbearzt fragen.

cycy90
21.07.2019, 19:55
Das macht keinen Sinn, da es de facto die Aktivzeit in der Rufbereitschaft abschaffen würde. Jeder Arbeitgeber würde die dann ja als Bereitschaftsdienst (d.h. mit 60-95% bezahlt) statt als Aktivzeit (100% + Überstundenvergütung + Fahrtzeiten) werten.

Ansonsten würde ich vermuten, dass sich Ruhezeiten von gerade mal fünf Stunden ziemlich sicher auf die Gesundheit niederschlägt. Sprich: Wenn du morgens nach 5h Ruhezeit (d.h. 3-4 Stunden Schlaf) nicht in der Lage bist 100% Arbeitsleistung zu erbringen, bist du (zum Schutz der Patienten und des Arbeitgebers vor potentiellen Behandlungsfehlern) verpflichtet, dich krank zu melden...

Sehe ich auch so. Wurde mir auch partiell von Kollegen ans Herz gelegt, aber Krankmeldung ist natürlich keine Dauerlösung.

Allerdings wurde ja auch schon das Thema "Erfassung der Arbeitsbelastung" angesprochen und hierbei wurde in der Abteilung wohl tatsächlich alles Mögliche dokumentiert, um den per se indizierten Schichtdienst zu umgehen.

Meine masochistische Leidenstendenz ist jedenfalls nicht groß genug, um sowas aus Dauer mitzumachen. Würde die Kündigung nicht schon eingereicht sein, wären Gewerbeaufsicht oder ähnliche Instanzen sicher eine Option, aber so gilt das dann wohl diesen Kram die Restzeit noch mitzumachen und die nächste Stelle besser auszusuchen..