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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Landarztquote nun auch in Bayern



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tarumo
20.02.2020, 07:37
Auswendig lernen (und sehr oft nicht wirklich verstehen) ist da nämlich das Tagesgeschäft.

Irgendwas von "oben" angeordnetes machen, ohne zu hinterfragen oder zu verstehen, prädestiniert doch geradezu als "Quotenstudent*in". Speziell in NRW, wo man dann gleich noch auf eigenes Risiko ein unverkäufliches Kleinunternehmen zwangsübernehmen muß.

Leider verschlechtert die "Landarztquote" wiederum die Chance auf einen "normalen" Studienplatz, da diese Plätze ja aus dem normalen Kontingent abgezweigt werden. Und damit beißt sich die Katze in den Schwanz. Im Sinne der Schwarmintelligenz oder Spieltheorie wäre ein gemeinsamer Boykott sinnvoll gewesen, damit sich die individuellen Chancen nicht noch weiter verschlechtern, und die Politiker stattdessen mal in die Schaffung von neuen Plätzen investieren müssen. Aber mal sehen, wenn 50% der Plätze auch weiterhin nicht besetzt werden können, verschwindet dieser faule Zauber genauso schnell wie er gekommen ist...

Mr. Pink online
20.02.2020, 08:19
Bei aller Sozialromantik dürft ihr nicht vergessen, dass Vater Staat und somit nicht zuletzt der Steuerzahler unser teures Studium bezahlt hat. Insgesamt wäre es begrüßenswert wenn mehr Planwirtschaft Einzug halten würde. Überversorgung mit bestimmten Facharztgruppen auf der einen Seite und auf der anderen Seite Brain drain aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen sind ebenbürtige Faktoren bei der künftigen Krise unseres Gesundheitssystems. Will man das Schiff noch retten, dann muss man hart durchgreifen: Kassensystem reformieren, mehr Planwirtschaft im Studium und besserer Ausgleich von Vergütungen im ambulanten Sektor.

tarumo
20.02.2020, 08:52
Bei aller Sozialromantik dürft ihr nicht vergessen, dass Vater Staat und somit nicht zuletzt der Steuerzahler unser teures Studium bezahlt hat.

Auch wenn es leicht OT wird:
-In Deutschland ist Bildung für *alle* umsonst (für manche auch vergebens). Dann müßte man auch Planwirtschaft bei Juristen, BWlern und Automobilingenieuren einfordern. Nix mehr Spitzengehälter bei KMPG, Audi und Co. Und die Juristen sollen die Studienkosten doch bitte auf irgendeinem Landrats- oder Liegenschaftsamt abarbeiten?
-zweitens , der Steuerzahler sind wir alle. Mit einem OA-Einkommen von knapp 100.000 EUR drückt man pro Jahr schon mal 30.000- 40.000 EUR Steuern ab und hat damit die kolportierten Studien-Kosten von 150.000 EUR schon nach drei, vier Jahren bezahlt. Ein Jahr Fronarbeit im PJ, und die Tatsache, daß jeder Arztarbeitsplatz weitere Arbeitsplätze sichert (die im Gegensatz zu anderen nicht mal eben ins Ausland verschoben werden können), kommt noch hinzu....
-drittens zieht sich der Staat doch gerade zurück: viele tausend Studienplätze in den letzten Jahrzehnte gekürzt, Privatunis schießen überall aus dem Boden und wer sich das nicht leisten kann, muß halt "abarbeiten", siehe "Quote"
-viertens ist es ja nicht so, daß "Kosten Uniklinik geteilt durch Anzahl der Studenten" die Studienkosten ergibt. Gäbe es die Uniklinik nicht, dann stünde dort im Versorgungsplan ein anderer Maximalversorger. Was verursacht denn die Kosten? Ein paar spezielle Institute für die Vorklinik und die Organisation von ein paar MC-Examen. Ein Großteil der Vorklinik und fast die gesamte Klinik läuft doch so nebenbei mit, in ohnehin vorhandenen Räumen und mit HiWis bzw. Dozenten, die das im Rahmen ihrer ärztlichen Tätigkeit noch so miterledigen. Warum das ganze dann so viel teurer kommen soll als eine x-beliebige Geistes- Sport- oder Musikwissenschaft, kann ich nicht so recht nachvollziehen.

Daß eine Meisterausbildung oder ein paar andere Berufsausbildungen kostenpflichtig sind, halte ich auch für ein Unding, das muß jedoch nicht in einem Medizinerforum diskutiert werden.

"Kassen reformieren" "Überversorgung mit Fachärzten" "mehr Planwirtschaft" "und "bessere Vergütungen" paßt überhaupt nicht zusammen. Nebenbei gesagt, wird auch immer wieder der Mangel an Fachärzten/Facharztterminen von der Politik beklagt und mußte auch ausdrücklich als Begründung für das TSsVG und Zwangserhöhung der Sprechstundenzeit herhalten. Haben wir jetzt nun Über-oder Unterversorgung? Bei einer behaupteten "Überversorgung" gäbe es überall leere Wartezimmer und Ambulanzen und jeder Pat. würde mit Handkuss empfangen... bitte nicht auf solche fake news reinfallen...
Die AOK ist da schon weiter und spricht von "Über, -Unter- und Fehlversorgung" (bitte immer das passende raussuchen).

Es gab auch schon mal den Versuch, die "Versorgung" bzw. "Ärzteverteilung" durch eine Mauer zu regeln, was daraus geworden ist, wissen wir ja. Und noch ein paar Jahre zuvor gab es auch die Methode vom Staat, für die Auswanderung Geld zu verlangen. Nannte sich Reichsfluchtsteuer. Das ganze mit dem Argument "Rückzahlung von Studienkosten" hintenrum wieder einzuführen, mag vielleicht im sozialneidgeprägten Spiegel- oder Zeit- Forum ankommen, ich halte das jedoch für sehr fragwürdig und für einen Rückfall in dunkelste Zeiten.

azalee
20.02.2020, 10:34
@tarumo
Danke für diesen Beitrag ( und für die vielen anderen natürlich auch) ��

Mukopolysaccharid
20.02.2020, 16:02
„Insgesamt wäre es begrüßenswert wenn mehr Planwirtschaft Einzug halten würde.“

Wir sind auf dem besten Wege dahin, die Bevölkerung scheint das mit Bewunderung zu begrüßen.

Trotz ernüchternder Bilanz, denkt sie, die deutsche Politik sei in der Lage, es in Zukunft besser zu machen.

Mr. Pink online
20.02.2020, 16:28
Was du sagst ist teilweise richtig, aber eben genau Teil des Problems im Gesundheitswesen. In städtischen Ballungsräumen gibt es meistens keine Unterversorgung mit Fachärzten. Dass die Wartezimmer trotzdem voll sind, hat sehr viel mit falscher Triage zu tun. In Deutschland darf der Arzt machen was er will und der Patient auch. Das macht das System häufig ineffizient. Woran es fehlt sind ausreichend gut ausgebildete Hausärzte, die erstens selber viele der Aufgaben übernehmen (für eine LuFu muss man den Patienten bspw. nicht zum Pneumologen schicken) und zweitens alle weiteren Überweisungen managen.
Teilweise klappt das gut, viel zu häufig aber auch nicht.

Man kann jetzt wie du argumentieren und sagen: "Bildung für alle und für umme und danach darf jeder machen wie und was er will", was ich legitim finde. Andererseits könnte man auch umgekehrt argumentieren und sagen: "der Staat bezahlt den Spaß, also soll er auch nachher mitbestimmen dürfen". Das sollte man dementsprechend natürlich auch auf andere Studiengänge ausweiten, die wichtige Funktionen zum Gemeinwohl erfüllen: Lehramt, Jura, usw.

Bezüglich der Studienkosten hatte ich vor Jahren Mal einen Artikel gelesen in dem alles aufgeschlüsselt war. Sehr viel Kosten waren in den Räumlichkeiten versteckt. Lehrsäale usw. Wieviel von deinen 40.000€ Steuern pro Jahr in den Bildungsetat gehen kannst du dir ja selber ausrechnen und wie lange es dann tatsächlich dauert bis das Studium abgezahlt ist.

h3nni
20.02.2020, 16:30
@anignu @tarumo
Wieso seid ihr beide (und auch andere) eigentlich noch in Deutschland bei einem solch schlechten Planwirtschaftlichen System? Anderswo gibt es ja auch gute Bedingungen, die mir in einem anderen Thread auch vorgeschlagen worden waren.

Ist familie bspw wirklich so ein starkes Argument, nicht ins Ausland zu gehen oder in die Industrie?

milz
20.02.2020, 18:03
Also als Arzt mit Familie geht es eigentlich (LSK3, Ehegattensplitting, Kinderfreibeträge, Beitragsbemessungsgrenze, kostenlose Mitversicherung in der GKV). Als Single hat man weniger Ausgaben, aber >50% vom Gehalt an den Staat abdrücken würde mich auch nerven...

tarumo
21.02.2020, 08:23
Was du sagst ist teilweise richtig, aber eben genau Teil des Problems im Gesundheitswesen. In städtischen Ballungsräumen gibt es meistens keine Unterversorgung mit Fachärzten.

Du bist nicht so ganz informiert. Gerade bei den Fachärzten in städtischen Regionen gibt es Probleme (bitte mal "Termin Augen/Kinderarzt Berlin/Hamburg" o.ä. googlen). Exakt damit hat man ja das TSVG begründet. Es gibt im übrigen maximal soviele niedergelassene FA, wie die Planwirtschaft vorgesehen hat ("Bedarfsplanung"). Daß jetzt auch die FA-Praxen zunehmend verwaisen, aber trotzdem eine "Überversorgung" auf dem Papier besteht, ist eine Sache, die die Politik zu verantworten hat. Der Trend geht im übrigen dahin, daß MVZ Sitze aufkaufen, verlagern und dann mit (Teilzeit)ärztInnen statt dem 60h-Wöchler-Selbstständigen besetzen, so daß die Zahl der Termine sinkt, obwohl auf dem Papier alle Sitze belegt sind.



In Deutschland darf der Arzt machen was er will und der Patient auch.

Aussage 1 falsch, Aussage 2 richtig (Gruß ans IMPP). Im KV-System ist jeder Handgriff, jedes Medikament und selbst die aufzubringende Zeit penibel standardisiert. Eigentlich auch die Terminanzahl (1 FA-Besuch pro Fachrichtung pro Quartal für GKV-Mitglieder, siehe Bundesmantelvertrag) .Verstöße werden auch bestraft :"Regresse". Auch im Krankenhaus ist ja z.B. die Liegezeit penibel vorgegeben...

Die Patienten dürfen in der Tat weitgehend machen was sie wollen, zu allen Tages- und Nachtzeiten Leistungen anfordern, Dritt, Viert- und Achtmeinungen einholen...alles for free. Daran wird das System auch scheitern. Eine Kostenbeteiligung ist zum einen politisch unpopulär und würde zum anderen schlagartig die massive Unterfinanzierung transparent machen (wenn der Arzt 30 EUR fürs ganze Quartal bekommt, mit welchem Betrag soll der Pat. sich bitte "beteiligen"? 10% wären 3 EUR. Im Quartal. Dafür vielleicht fünfmal zum Arzt sind 60ct "Selbstbeteiligung". Eine Witznummer...)



Wieviel von deinen 40.000€ Steuern pro Jahr in den Bildungsetat gehen kannst du dir ja selber ausrechnen und wie lange es dann tatsächlich dauert bis das Studium abgezahlt ist.

Es gehen in absoluten EUR immer noch mehr davon in den Bildungsetat, als wenn ich "irgendwas mit Medien" gemacht hätte oder aus Gründen der Selbstverwirklichung Kunstgeschichte, Politik, Ägyptologie oder sowas studiert hätte und anschließend entweder mangels Einkommen kaum Steuern zahle oder nur von Transferleistungen lebe. Was rätst Du diesen Leuten bzgl. Rückzahlung?
Psst: der übrige Anteil meines Einkommens wird auch in den Wirtschaftskreislauf geschleust, entweder sofort via Konsum oder später via Investitionen und langfristigen Anlagen. Auch hier Steuern in Hülle und Fülle....MwSt etc..Auch die bis zu 1000km, die ich in machen Wochen berufsbedingt zurücklegen mußte, haben das Staatssäckel via MwSt, Mineralölsteuer und Co. ordentlich aufgefüllt...




Bezüglich der Studienkosten hatte ich vor Jahren Mal einen Artikel gelesen in dem alles aufgeschlüsselt war. Sehr viel Kosten waren in den Räumlichkeiten versteckt.

An meinem Studienort gab es genau drei Räumlichkeiten, die NUR für die Medizinerausbildung genutzt wurden (und vermutlich auch keine/kaum Drittmittel haben): Die Anatomie, das Institut für Physiologie und das für Medizingeschichte. Alles alte Gebäude , teils über 100 Jahre alt, mit erheblichen Sanierungsstau, bestückt mit ein paar W2 Professoren und vielen HiWis. An allen anderen Fakultäten/Lehrstühlen der Vorklinik wurden die Hörsääle/Praktikumsräume nur stundenweise durch die Humanmedizin genutzt...in der Klinik erst recht...ob das ganze so viel teurer ist als ein nagelneues Institut für Sprachwissenschaften, Angewandte Physik oder Organische Chemie, was man auf die grüne Wiese gesetzt und mit modernster Technik ausgestattet hat, bezweifle ich.

Ich fürchte aber, wir werden das hier nicht klären können: die Unis leben ja von Zahlungen des Staates und sind daher interessiert daran, alles möglichst teuer zu rechnen.

tarumo
21.02.2020, 08:56
@anignu @tarumo
Wieso seid ihr beide (und auch andere) eigentlich noch in Deutschland bei einem solch schlechten Planwirtschaftlichen System? Anderswo gibt es ja auch gute Bedingungen, die mir in einem anderen Thread auch vorgeschlagen worden waren.


Es gibt auch noch Zwischenstufen zwischen Ausbeuten lassen in einer Planwirtschaft und Auswandern. Zum Beispiel sich nicht auf irgendwelche miesen Einheitstarifverträge einlassen (ab FA geht das). Oder die Kassenzulassung abgeben oder gar nicht erst beantragen. Oder in der ANÜ arbeiten "Honorararzt". Oder hauptberuflich Gutachter. Oder MDK. Oder in die Politik gehen (Huml). Oder Unternehmensberater. Oder reich heiraten...oderoderoder... eine Nische findet sich immer. Auch im Sozialismus.
Blöd ist es natürlich für die Patienten, denen die ÄrztInnen abhanden kommen. Hier gilt aber "wie gewählt, so geliefert". Das ganze Problem besteht in anderen westlichen Industrieländern ja kaum bis gar nicht, und Diskussionen, ob man duch Auswanderung oder Ausweichen in andere Berufsfelder besser dran ist, kannte man früher sonst eher aus Osteuropa oder Afrika.

Evil
21.02.2020, 12:33
In der aktuellen Planwirtschaft ist es aber tatsächlich gar nicht so schwer, als hausärztlich niedergelassener FA für Allgemeinmedizin in Einzelpraxis bei 40 - 50 Wochenstunden einen Praxisgewinn von 200k zu erwirtschaften, ohne Betrug zu begehen. Und laut Rückmeldung der meisten Patienten höre ich zu und nehme mir Zeit, sogar bei der wöchentlichen Altenheimvisite.
So ganz schlimm ist es also noch nicht, wenngleich ich durchaus den einen oder anderen Verbesserungsvorschlag hätte ;-)

tarumo
21.02.2020, 12:49
Daß es durchaus möglich ist, stellt ja auch keiner in Abrede. Speziell in der KVNO sind die Pauschalen aber so hundsmiserabel, daß das für FA speziell der GOUDAH-Fachrichtungen quasi unöglich ist. In NRW scheint das aber auch nicht der Regelfall zu sein, sonst müßte man die Absolventen nicht mit Strafzahlungen in verwaiste Praxen prügeln. Und in anderen Regionen stellen sich die Allgemeinmediziner aufgrund spezieller Verträge gut auf (weißt Du ja sicher). Das sind aber alles Dinge, die von einer zunehmend erratischen Politik jederzeit geändert werden können, weswegen sich man darauf nicht verlassen kann (und sollte).

Evil
21.02.2020, 14:56
Man kann durchaus davon ausgehen, daß sich die derzeitigen Gegebenheiten in absehbarer Zeit nicht grundlegend ändern, doch.
Woran sonst soll man sich orientieren? Dein teils paranoid wirkender Pessimismus scheint mir erstens überzogen und zweitens noch weniger hilfreich als Handlungsempfehlung.

tarumo
21.02.2020, 16:05
Woran sonst soll man sich orientieren? Dein teils paranoid wirkender Pessimismus scheint mir erstens überzogen und zweitens noch weniger hilfreich als Handlungsempfehlung.

Meine Handlungsempfehlung lautet lediglich, sich bei wichtigen Dingen nicht von irgendwelchen staatlichen Vorschriften oder Vorgaben/Empfehlungen abhängig zu machen. Egal ob das jetzt ein Autokauf ist, eine Zusatzrente oder die Planung der Berufslaufbahn in einem staatlichen Gesundheitssystem.

Daß im deutschen Gesundheitswesen das Glas eher halbleer als halbvoll sein sollte, ist weder paranoid noch hat das was mit ungerechtfertigtem Pessimismus zu tun.

Beispiel aus meinem Fachgebiet: die KV kürzt ab April sämtliche Schnittbilddiagnostik rasenmäherartig um mehr als 10%. Einfach so. Wird ja auch alles billiger. Und die Sozialkassen sind ja *angeblich* voll. Daß ein Umsatzrückgang von 15% den Überschuss fast 30% einbrechen läßt, hatte ich schon mal vorgerechnet. Parallel dazu schraubt die Regierung den eh schon europaweit höchsten Strompreis via Gretasteuer noch weiter hoch.
Ich glaube, eine Einkommenskürzung durch den Staat von mehr als 20% würde kein Forist hier einfach so hinnehmen.

Ja, ich weiß, Radiologen sind alles Millionäre und ein Umsatzrückgang im sechsstelligen Bereich und Mehrkosten für Strom im fünfstelligen Bereich nimmt man aus der Portokasse. Aber wer sagt, daß man nicht in 2023 oder 2025 nochmal 15% kürzen kann? Hat die letzten Jahre ja auch funktioniert. Wenn es dann keine Einzelpraxen mehr gibt, sondern nur noch MVZ-Ableger von Ketten und Krankenhäusern, ist dann das Gejammer wieder groß. Nächstes Jahr kürzt man dann vielleicht die konservativen Orthopäden um 10%. Oder die Psychiater? Wer weiß das schon? Ich rechne im übrigen gerne in drei, vier Jahren mal vor, wieviele Praxen alleine diese beiden politischen Maßnahmen ab 2020 gekillt haben...

Evil
22.02.2020, 05:06
Oh, dass das Glas im Gesundheitswesen eher leer als voll ist bestreite ich ja gar nicht, im Gegenteil, der Sozialismus im System nervt mich mindestens so wie Dich. Es gibt mehr als genug zu ändern, zumal die EBM-Änderungen ab April auch für mich unterm Strich nicht positiv ausfallen.
Dennoch halte ich Deine Kassandra-Beiträge für überzogen, denn wirklich schlecht geht es uns Ärzten auch nicht.

Muriel
22.02.2020, 07:17
Kommt aber durchaus auf die Praxis an. Wir haben bei uns zwei Standorte, einmal die Hauptpraxis mit dem OP, einmal eine kleine Nebenstelle, die rein konservativ läuft. Diese Praxis brummt, wir machen mit 25 Wochenstunden dort 1500 Scheine, nur zwei MFAs dort, Personalkosten also niedrig. Diese Praxis für sich betrachtet macht Verlust. Wir könnten natürlich Patienten nur annehmen, wenn sie mindestens drei IGeL-Kreuze gemacht haben, tun wir aber nicht. Wir haben halt das Glück, dass das Hauptgeschäft noch in der operativen Praxis läuft und die normale Brot und Butter Patientenversorgung deswegen querfinanziert werden kann bzw natürlich auch als Akquise für OPs gesehen werden kann. Wie ein rein konservativ tätiger Kollege, ohne seine Patienten mit Selbstzahlerleistungen über den Tisch zu ziehen, überleben kann, ist mir schleierhaft.

Mr. Pink online
23.02.2020, 11:44
@tarumo

Ich hatte ja gesagt du hast in Teilen Recht. Dass die Bedarfsplanung (nach der eben meistens keine Unterversorgung besteht) nicht funktioniert, hat vor allem damit was zu tun, dass mehr FÄ in Anstellung arbeiten und auch mehr in Teilzeit, was in der Berechnung keine Berücksichtigung findet. Das heißt hier gibt es eben genau keine Planwirtschaft, sondern bestenfalls den Ansatz einer solchen die dann aber nicht konsequent durchgezogen wird.

Der approbiert Arzt darf in Deutschland sehr wohl weitestgehend machen was er will: er darf sich seine Fachrichtung frei aussuchen, darf (zumindest soweit Kassenplätze vorhanden) zwischen Niederlassung und Anstellung in der Klinik entscheiden, darf seinen Tätigkeitsort weitestgehen frei wählen, etc. Für mich sind das ebenfalls Selbstverständlichkeiten, denn ein Jurist oder ein Soziologe darf das schließlich auch. Aber mit Planwirtschaft hat das rein gar nichts zu tun. Dass es auch anders laufen kann, kann man bspw. in Frankreich sehen. Zustände wie dort wünsche ich uns freilich auch nicht.

Fazit für mich: in D gibt es höchstens einen minimalen, nicht konsequent gelebten Ansatz einer Planwirtschaft in unserem Gesundheitswesen. Keineswegs aber so ausgeprägt wie du es hier subjektiv empfindest.

tarumo
25.02.2020, 08:38
https://freie-aerzteschaft.de/pressemitteilung-vom-18-02-2020/

Dem ist nichts hinzuzufügen. Nachdem die Praxisbörsen der KVen, des DÄB und der Länder-Ärzteblätter samt und sonders frei zugänglich sind, kann sich auch jeder selbst davon überzeugen. Auch davon, daß es auch in erheblichem Ausmaß Fachärzte betrifft.

Christoph_A
25.02.2020, 13:08
https://freie-aerzteschaft.de/pressemitteilung-vom-18-02-2020/

Dem ist nichts hinzuzufügen. Nachdem die Praxisbörsen der KVen, des DÄB und der Länder-Ärzteblätter samt und sonders frei zugänglich sind, kann sich auch jeder selbst davon überzeugen. Auch davon, daß es auch in erheblichem Ausmaß Fachärzte betrifft.

Nennt sich aber auch zu großen Teilen Demographie. Viele der niedergelassenen Kollegen sind Ende 50, Anfang 60, da ist klar, daß eine große Anzahl Sitze die nächsten Jahre frei werden. Von unten kommt, der künstlichen, annähernd 3 Jahrzehnte anhaltenden, Verknappung der Studienplätze sei Dank, nicht die Zahl an Fachärzten nach, die benötigt werden. EU Ausländer sind, aus mannigfaltigen Gründen (Sprachbarriere, Unkenntnis des Systems, etc.) nur bedingt als Niedergelassene einsetzbar, also werden viele Sitze,v.a. auf dem Land leer. macht es aber andererseits auch angenehmer, allgemeinmedizinische Sitze kriegt man momentan, außer in Großstädten geradezu nachgeschmissen, haben uns selber erst so einen Sitz zum Dumpingpreis geholt.
Also alles halb so wild. Viel dramatischer ist der Fakt, daß 90% der vakanten Sitze in strukturschwachen Räumen sind, viele begehrte Reviere, insbesondere in den reicheren Vierteln der Großstädte aber auf Jahrzehnte gesperrt bleiben werden, da hier, lokal betrachtet, eine FA Schwemme mit Überanzahl an Spezialisten besteht.
Die Aufgabe der Politik liegt nun darin, einen Ausgleich zwischen diesen beiden Gegenpolen zu erzielen. Daß da viele, insbesondere linke, Politiker erst mal die Idee einer Zwangsverschiffung haben, ist ein natürlicher, aber halt dummer, Beißreflex. Denke, da wird es aber ohne massive staatliche Förderung ansonsten auch keine Erhöhung der Landarztquoten geben.
Was auf einem anderen Blatt steht, ist das, was Muriel oben bereits anklingen ließ. Die Zeit der konventionellen Einzelfacharztpraxen ist vorüber, dieses Modell trägt sich nicht mehr. Ohne Interventionalistisch/operative Tätigkeit ist hier ein Überleben nicht mehr möglich und das geht nur in der Gruppe, sprich, v.a. im MVZ. Sehe das aber völlig ohne Nostalgie, da sich in einem gut aufgestellten MVZ richtig schöne Gewinne erzielen lassen und die Arbeitszeit hierfür nicht ausufern muß.