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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wie an halben KV-Sitz rankommen?



Evimattis
05.09.2019, 14:05
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich bin Fachärztin für Gyn/Geburtshilfe und derzeit in einer Praxis angestellt.
Das passt im Moment sehr gut mit einem kleinen Kind, langfristig möchte ich mich jedoch gerne
verändern.
Ich könnte mir rein theoretisch vorstellen eine Praxis zu übernehmen wenn jemand in Rente geht,
bin allerdings der Meinung dass ein halber KV-Sitz erstmal optimal für mich wäre.
Hat jemand einen Tipp für mich wie ich an so einen halben Sitz rankommen könnte?
Meine Connections sind leider nicht so gut da ich erst vor kurzem in diese Region gezogen bin.
Irgendwie kriegt man hier äußerst selten mit dass jemand einen Nachfolger oder Mitarbeiter sucht,
eigentlich nie.
Ich möchte auch nicht dass mein jetziger Chef etwas von meinen Ambitionen mitbekommt.
Er selbst würde seinen Sitz nie im Leben mit mir teilen.
Würdet ihr eventuell direkt niedergelassene Kollegen anschreiben oder sie sogar in ihrer Praxis
aufsuchen?
Oder erstmal an die KV wenden?
Oder würdet ihr mir sogar von einem halben Sitz abraten und wenn ja warum?
Vielen Dank für eure Hilfe!

Noch einen schönen Tag wünscht Evimattis

tarumo
05.09.2019, 14:26
Die beiden Möglichkeiten sind 1) einen bestehenden halben Sitz zu übernehmen oder 2) einen ganzen Sitz zu übernehmen und zu teilen (schwierig).
Über existierende unbesetzte halbe Sitze gibt die jeweilige KV gerne Auskunft, nach meiner Einschätzung sind die Chancen gar nicht schlecht, z.B. in MVZ fündig zu werden, da hier nicht oftmals alle Sitze wg. Personalmangel oder EZ besetzt werden können.
Geld würde ich für einen Sitz nicht ausgeben, da Gyn zu den sog. GOUDAH-Fächern gehört.

Was ist die Motivation für den halben Sitz?
Mit einem vollen KV-Sitz ist die Verpflichtung zu (derzeit) 25h Sprechstunde verknüpft. Also keine Vollzeitstelle wie im KH. Mit einem vernünftigen Praxiskonzept/Terminmanagement und starkem Rücken hält man das durchaus durch und kann den Rest der Zeit entweder für Bürokram, Freizeit oder Privatsprechstunde nutzen.
Mit dem halben KV-Sitz halbiert man dagegen sicher nur seine zugeteilten KV-Einnahmen, kann sich aber trotzdem (dann aber unbezahlt) von Patienten überrennen lassen. Teilweise wird noch nicht mal die Dienstfrequenz der KV-Dienste halbiert.

Reflex
05.09.2019, 18:44
Gibt es bei Euch keinen Zirkel der niedergelassenen Gynäkologen? Da bekommt man durchaus mit, wenn in der Umgebung jemand in Ruhestand gehen will und seinen Sitz abgeben oder kürzer treten möchte. Allerdings haben viele noch Preisvorstellungen, die jenseits von gut und böse sind und oft dem Markt gar nicht angemessen sind.

Alternativ gibt es KV Börsentage mit Infoveranstaltungen, wo man Beratung bekommt, aber auch mit Ärzten in Kontakt kommen kann, die ihre Praxen abgeben möchten.

Sinnvoll ist es auf jeden Fall bereits vorher als Facharzt sich im Arztregistern auf nehmen zu lassen und sich auf die Warteliste für die favorisierten Gebiete setzen zu lassen, wo man sich vorstellen kann sich niederzulassen.
Es gibt auch Sitze, die von der KV direkt vergeben werden. Je nach Gebiet und Quotenregelung des Fachgebietes kann man sich darum bewerben (da zählt auch die Wartezeit auf der Warteliste) und diese kostenfrei übernehmen. Wenn man aber in einem gesperrten Bereich arbeiten will und räumlich nicht flexibel ist, kann es aber auch passieren, dass man nicht darum kommt ggf. Geld für einen Sitz in die Hand nehmen zu müssen.

Evimattis
06.09.2019, 14:10
Vielen lieben Dank für eure Antworten.
Das stimmt schon, wahrscheinlich wäre es sinnvoller gleich einen ganzen Sitz zu übernehmen.
Ich habe mir halt eingebildet mit einem halben Sitz könnte man selbständig sein und trotzdem nur
circa 30 Stunden die Woche arbeiten. Das ist vielleicht naiv aber ich denke nicht dass man mit einem
ganzen Sitz mit 40 Stunden die Woche hinkommt.
Habe auch mitbekommen dass viele ältere Kollegen immer noch denken sie könnten für ihren Sitz
100.000 Euro und mehr verlangen.
Das ist wohl absolut nicht mehr zeitgemäß, oder?
Werde mich mal umhören ob es hier so einen Gynäkologen-Stammtisch oder-Zirkel gibt, das ist eine
sehr gute Idee!
Das mit der Warteliste werde ich auch in Angriff nehmen.
Vielen Dank und ein schönes Wochenende!
Evimattis

tarumo
06.09.2019, 14:36
Eine süddeutsche KV hat aktuell 17 gynäkologische Praxen als "abzugeben" gelistet. Ich kenne Gynäkologen, die ihre Praxis ohne Nachfolger dichtgemacht haben- unter diesen Umständen ist es eher eine Wunschvorstellung, dafür Geld zu verlangen (Inventar als VHB ausgenommen). Manche probieren es halt...wie bei ebay.
Es sollen auch schon Cleverle nach einem Zuschuss FÜR die Praxisübergabe gefragt haben- nicht ganz abwegig, es spart der Abgeber nämlich die Weiterbetreuung des Archivs.

Ob man mit der 40h Woche hinkommt oder nicht, liegt im Ermessen des Praxisbetreibers, verpflichtend verlangt (und bezahlt) werden nämlich nur 25h.

Evil
06.09.2019, 15:19
Ob man mit der 40h Woche hinkommt oder nicht, liegt im Ermessen des Praxisbetreibers, verpflichtend verlangt (und bezahlt) werden nämlich nur 25h.
Das bezieht sich nur auf die Praxisöffnungszeit. Reine Arbeitszeit mit Papierkram und Verwaltung ist schon noch mehr, wenngleich beim Gyn selten Hausbesuche dazukommen. Zwischen 40 und 45 Wochenstunden Arbeitszeit ist bei gut organisierter Praxis realistisch.

tarumo
06.09.2019, 15:46
Mit einem vollen KV-Sitz ist die Verpflichtung zu (derzeit) 25h Sprechstunde verknüpft.

Ich zitiere mich mal selbst. Also z.B. jeden Tag fünf Stunden Sprechzeit ausweisen (z.B. vormittags) und die Nachmittage offiziell für Fortbildung, Bürokratie reservieren. Oder Privatsprechstunde um die GKV-Patienten querzusubventionieren. Das reicht KV-rechtlich völlig. Und selbstverständlich kann man bei schönem Wetter oder freitagnachmittag die Bürokratie Bürokratie sein lassen. Der Trend zu "Quartalsferien" greift auch gerade bei den Gynies immer mehr um sich, wie ich gehört habe.

annekii
06.09.2019, 17:08
Ich habe einen halben Sitz, zusammen mit dem halben Sitz meiner Kollegin der BAG sind wir dann halt eine ganze Praxis. Wir haben uns damals gefunden, als ein alter Kinderarzt aufhören wollte. Das kam über Mundpropaganda und stand nirgendwo. Daher bin ich keine Hilfe, wie man da dran kommt.

Wir haben jede von Anfang an offiziell 17,5h Sprechstunde angegeben, aber 21,5 h gemacht. Wir hätten jeder 10, jetzt 12,5 h zu machen. Mit diesen 21,5 h plus Bürokratie komme ich auf ungefähr 35 h in der Woche.

Evimattis
07.09.2019, 12:47
Liebe annekii,

das liest sich sehr interessant, so ähnlich würde ich mir das auch vorstellen.
Wieso macht ihr jeweils genau 21,5 Stunden Sprechstunde?
Muss man sich dann nicht auch immer mit der KV rumstreiten dass man auch
alles bezahlt kriegt was man gemacht hat?
Auf jeden Fall vielen Dank für deine Antwort!
Evimattis

annekii
07.09.2019, 13:54
Unsere Sprechstunde ist so:
Mo 8-13, 15-17:30 Uhr,
Di eine von uns 8-13 Uhr, die andere 14-18 Uhr,
Mi + Fr 8-13, aber jede von uns macht nur einen Tag davon
Do 8-13 oder 14-18 (andersrum zu Di).

Das sind dann halt 21,5 h. Wir haben keine Zahl angestrebt, sondern nur versucht, es für uns passend zu gestalten. Ein bisschen abgeschaut haben wir es uns aus der Praxis, in der wir Assistenten waren, aber haben doch deutlich reduziert, weil wir ja nur je einen halben Kassensitz haben. Und wir legen Wert auf viel Platz für Gespräche und Austausch, fachlich und persönlich.
Da wir nur Montags gleichzeitig da sind, haben wir uns da eine längere gemeinsame Mittagspause eingebaut. An den anderen Tagen ist die Stunde dazwischen etwas Puffer und Übergabezeit.

Wir streiten uns nicht rum, sondern wissen, was geht und was nicht. Wir entscheiden halt, ob wir es auch ohne Bezahlung machen oder nicht. Manche Dinge sind "in der Pauschale abgegolten", z.B. EKG, Nasensondelegen, usw. oder werden einfach nicht als notwendig gesehen. Da kann man entscheiden, dass man es trotzdem macht, weil man es wichtig findet. Wir finden es sehr wichtig, im EKG drin zu bleiben und machen es daher auch.

Lakemond
07.09.2019, 19:19
100000€ für ne Gyn-Praxis ist doch ein Schnäppchen, oder?

aschenputtel1977
07.09.2019, 20:27
Ich habe einen ganzen Sitz, den geteilt und auf dem anderen halben die Kollegin angestellt. Fragt mich nicht warum, aber das wurde uns so geraten. So werden wir zumindest nicht bei 3% mehr gedeckelt, so wie sonst bei Anstellung, sondern erst bei 10%+. Und wenn sie dann weg ist, muss ich ja die Patienten auch irgendwie alleine schaffen nicht wahr? :) Ich habs jetzt so gemacht, dass ich die 25 Stunden in 4 Tagen unterbringe, am 5. Tag ist Sprechstunde nur mit Terminen, keine akuten Fälle. Das macht das ganze etwas kontrollierbarer.... Momentan arbeiten wir noch gemeinsam, also sie kommt quasi zu mir dazu. Erscheint mir als Chef und als Neue momentan noch nicht korrekt, dass ich "frei" machen wenn der Rest arbeitet.

hebdo
07.09.2019, 22:02
Darf ich mal fragen, wie die KV die tatsächlich abgehaltenen Sprechstundenzeiten kontrolliert?

Reflex
07.09.2019, 23:27
100000€ für ne Gyn-Praxis ist doch ein Schnäppchen, oder?

Kommt drauf an, wo Du tätig sein willst... es gibt KV, die werfen Dir nen Sitz kostenlos hinterher. Da wäre dann 100000€ noch überteuert. In Nordrhein aber zum Beispiel gibt es bis auf wenige Ausnahmen in den meisten Fachrichtungen vorwiegend gesperrte Bereiche, wo Du nur als konkreter Nachfolger einen Sitz übernehmen kannst und das wird Dich dann Geld kosten, insbesondere wenn der Sitz in einem Strukturstarken Einzugsgebiet liegt. In Nordrhein sind derzeit wenn hauptsächlich PT und Allgemeinmedizinische Sitze frei, auf die man sich bewerben kann.