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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Würdet ihr euren Beruf weiterempfehlen und wieder Medizin studieren?



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Appletree36
15.09.2019, 11:55
Hallo Forums-Mitglieder,

es hat zwar schon einmal jemand einen ähnlichen Beitrag gestellt, aber ich frage noch aus einer etwas anderen Perspektive. Ich habe nun 1 Jahr Psychologie studiert und gemerkt, dass ich in den klinischen Bereich möchte, und mich vor allem die biologische Komponente von psychischen/neurologischen Krankheitsbildern sowie die Medikamentengabe interessiert. Auch ist derzeit unklar, in welche Richtung sich das Berufsbild des klinischen Psychologen entwickeln wird.
Ich habe mich nun das letzte Semester ausgiebig mit Medizin auseinander gesetzt, mich auf das Studium beworben und auch schon 45 Tage KPP absolviert.
Einen Studienplatz habe ich auch angeboten bekommen, aber konnte mich noch nicht überwinden, diesen anzunehmen und mich an meiner alten Uni in der Psychologie zu exmatrikulieren, was vor allem daran liegt, dass ich nun einige Assistenzärzte (aus verschiedenen Bereichen) getroffen haben, welche mir vom Studium abgeraten haben und höchst unzufrieden gewirkt haben, mit der abschließenden Aussage, dass sie ins Ausland abwandern möchten. Auch im KPP bekomme ich mit, welche Überstunden (Berichten nach 65 bist 80 h in der Woche, unbezahlte Überstunden etc.) und krassen Arbeitszeiten die Ärzte leisten müssen, und dabei bin ich sogar in einem KH, in welchen die Arbeitsbedingungen gar nicht mal so schlecht sein sollen. Einer der Ärzte meinte, dass man an einem Dienst am Sonntag den ganzen Tag nicht trinken könnte und nicht aufs Klo könnte, da das Telefon alle 20 Sekunde klingelt und man alleine für 150 Patienten zuständig ist. Ein anderer meinte auch sein Job wäre purer Stress und Adrenalin rund um die Uhr. (Nachtdienste und am Wochenende arbeiten finde ich ok, solange man entsprechend entlohnt wird und entsprechend dann einen Ausgleich erhält... Erholung ist ja auch wichtig, um wieder konzentriert Arbeiten zu können.)
Auch habe ich gemerkt, dass mich die eher handwerklichen Bereiche (Chirurgie, internistische Eingriffe wie Endoskopie etc.) eher weniger interessieren, sondern mein Interesse wirklich eher im psychatrischen, psychsomatischen und neurologischen Bereich bzw. darin liegen, welche Wechselwirkungen es im Körper gibt, wie er funktioniert und wie er krank werden kann, aber eben in Verbindung mit der Psyche/Prozessen im Gehirn
(Forschung, Allgemeinmedizin, Orthopädie und Sportmedizin würden ich auch noch interessieren). Da frage ich mich, ob dieses Interesse reicht um sich über das Medizin Studium zu motivieren (ich bin an sich schon sehr leidensfähig und intellektuell bin ich der Meinung würde ich es auch schaffen, aber wenn man nur von so schlechten Aussichten nach dem Studium hört und so viele negative Berichte hat, sinkt die Motivation schon, sich durchs Studium zu bringen... viele Medizin Studenten, denen ich an der Uni begegnet sind, meinten Sie würden sich zum lernen motivieren weil Sie wissen wo es Sie hin bringt und dass es sich lohnt, aber ich frage mich dann, in wie fern es sich lohnen soll, wenn es dann im Beruf so miserabel werden soll und alle Assistenzärzte einen so unglücklichen Eindruck machen?). Dass die schlechten Arbeitsbedingungen größtenteils am Gesundheitssystem liegen ist mir klar, aber ist es im Job später wirklich so schlimm, oder sind es einfach viele schwarze Schafe und vereinzelte negativ Berichte denen ich da begegnet bin? Sicherlich ist es erst mal für jeden ein Schock, nach der Uni ins Berufsleben einzusteigen... und dass es so wie auch in vielen anderen Berufen auch zeitweise hohe Arbeitsbelastungen geben kann, ist ja klar, aber wenn es als Arzt ein Dauerzustand ist, der das ganze Leben lang anhält... das ist ja für den Arzt selbst ungesund und kontraproduktiv für das Gesundheitssystem...
Einerseits habe ich diese vielen negativen Berichte gehört, andererseits höre ich auch oft die Behauptung, dass Ärzte gerne mal "auf hohem Niveau jammern". Kann hier vielleicht noch mal die ein oder andere Person einen Anstoß geben oder eigene Erfahrungen beitragen?

Danke im Voraus und Beste Grüße.

Appletree36
15.09.2019, 11:58
Hallo Forums-Mitglieder,

es hat zwar schon einmal jemand einen ähnlichen Beitrag gestellt, aber ich frage noch aus einer etwas anderen Perspektive. Ich habe nun 1 Jahr Psychologie studiert und gemerkt, dass ich in den klinischen Bereich möchte, und mich vor allem die biologische Komponente von psychischen/neurologischen Krankheitsbildern sowie die Medikamentengabe interessiert. Auch ist derzeit unklar, in welche Richtung sich das Berufsbild des klinischen Psychologen entwickeln wird.
Ich habe mich nun das letzte Semester ausgiebig mit Medizin auseinander gesetzt, mich auf das Studium beworben und auch schon 45 Tage KPP absolviert.
Einen Studienplatz habe ich auch angeboten bekommen, aber konnte mich noch nicht überwinden, diesen anzunehmen und mich an meiner alten Uni in der Psychologie zu exmatrikulieren, was vor allem daran liegt, dass ich nun einige Assistenzärzte (aus verschiedenen Bereichen) getroffen haben, welche mir vom Studium abgeraten haben und höchst unzufrieden gewirkt haben, mit der abschließenden Aussage, dass sie ins Ausland abwandern möchten. Auch im KPP bekomme ich mit, welche Überstunden (Berichten nach 65 bist 80 h in der Woche, unbezahlte Überstunden etc.) und krassen Arbeitszeiten die Ärzte leisten müssen, und dabei bin ich sogar in einem KH, in welchen die Arbeitsbedingungen gar nicht mal so schlecht sein sollen. Einer der Ärzte meinte, dass man an einem Dienst am Sonntag den ganzen Tag nicht trinken könnte und nicht aufs Klo könnte, da das Telefon alle 20 Sekunde klingelt und man alleine für 150 Patienten zuständig ist. Ein anderer meinte auch sein Job wäre purer Stress und Adrenalin rund um die Uhr. (Nachtdienste und am Wochenende arbeiten finde ich ok, solange man entsprechend entlohnt wird und entsprechend dann einen Ausgleich erhält... Erholung ist ja auch wichtig, um wieder konzentriert Arbeiten zu können.)
Auch habe ich gemerkt, dass mich die eher handwerklichen Bereiche (Chirurgie, internistische Eingriffe wie Endoskopie etc.) eher weniger interessieren, sondern mein Interesse wirklich eher im psychatrischen, psychsomatischen und neurologischen Bereich bzw. darin liegen, welche Wechselwirkungen es im Körper gibt, wie er funktioniert und wie er krank werden kann, aber eben in Verbindung mit der Psyche/Prozessen im Gehirn
(Forschung, Allgemeinmedizin, Orthopädie und Sportmedizin würden ich auch noch interessieren). Da frage ich mich, ob dieses Interesse reicht um sich über das Medizin Studium zu motivieren (ich bin an sich schon sehr leidensfähig und intellektuell bin ich der Meinung würde ich es auch schaffen, aber wenn man nur von so schlechten Aussichten nach dem Studium hört und so viele negative Berichte hat, sinkt die Motivation schon, sich durchs Studium zu bringen... viele Medizin Studenten, denen ich an der Uni begegnet sind, meinten Sie würden sich zum lernen motivieren weil Sie wissen wo es Sie hin bringt und dass es sich lohnt, aber ich frage mich dann, in wie fern es sich lohnen soll, wenn es dann im Beruf so miserabel werden soll und alle Assistenzärzte einen so unglücklichen Eindruck machen?). Dass die schlechten Arbeitsbedingungen größtenteils am Gesundheitssystem liegen ist mir klar, aber ist es im Job später wirklich so schlimm, oder sind es einfach viele schwarze Schafe und vereinzelte negativ Berichte denen ich da begegnet bin? Sicherlich ist es erst mal für jeden ein Schock, nach der Uni ins Berufsleben einzusteigen... und dass es so wie auch in vielen anderen Berufen auch zeitweise hohe Arbeitsbelastungen geben kann, ist ja klar, aber wenn es als Arzt ein Dauerzustand ist, der das ganze Leben lang anhält... das ist ja für den Arzt selbst ungesund und kontraproduktiv für das Gesundheitssystem...
Einerseits habe ich diese vielen negativen Berichte gehört, andererseits höre ich auch oft die Behauptung, dass Ärzte gerne mal "auf hohem Niveau jammern". Kann hier vielleicht noch mal die ein oder andere Person einen Anstoß geben oder eigene Erfahrungen beitragen?

Danke im Voraus und Beste Grüße.


Was ich noch vergessen habe: es heißt immer, dass man mit Medizin schier unglaublich viele Möglichkeiten hätte, sich weiterzubilden, um zu schulen, Facharzttitel anzuhängen wie man lustig ist, und international Recht flexibel ist... habe ich zumindest so gehört, kann man das so bestätigen oder ist das auch eine Illusion/Mythos? (ich habe nämlich den Eindruck, dass die unzufriedenen Assistenzärzte denen ich begegnet bin, auch desillusiniert waren).

rafiki
15.09.2019, 12:31
Du wirst hier oder woanders sehr unterschiedliche Meinungen, Erfahrungen und Ansichten mitbekommen. Wenn es dich derartig verunsichert, was andere Leute meinen, solltest du nicht unbedingt in die Medizin gehen. Es ist extrem wichtig, zu wissen, was man selbst wirklich will, was eigene Vorstellungen vom Beruf und vom Leben im Allgemeinen sind. Dann ist alles möglich, anderenfalls kann die Medizin sehr schnell und massiv in Selbst- und Fremdquälerei enden.

GelbeKlamotten
15.09.2019, 13:56
Eine faire Entlohnung der Dienste und Freizeitausgleich kannst du bei vielen Assistenzarztstellen vergessen. Insgesamt bekommst du ein Gehalt, das okay ist, auf die Stunde runtergerechnet ist es aber als assistenzarzt im vergleich zu anderen Jobs nicht gerade fürstlich.

Das Grundgehalt kannst du ja in den Tabellen zu den Tarifverträge nachsehen.
Ich nenne dir einfach mal ein paar Zahlen aus meinem Haus zu den Diensten, damit du eine Vorstellung hast:

- die Anzahl der Wochenenddienste schwankt zwischen 6 und 12 pro Quartal, je nach aktueller Besetzung der Abteilung.

- Ein Wochenenddienst dauert bei uns offiziell 12 Stunden, üblicherweise sind danach noch etwa 2 überstunden nötig, um alles aufzuarbeiten. Eine Pause im Dienst ist selten möglich, ob man mal in Ruhe pinkeln kann ohne dass das Telefon klingelt ist Glücksache. Netto bringt mir so ein Dienst einen Stundenlohn von etwa 10 Euro. Freizeitausgleich gibt es natürlich dafür keinen, d.h. wenn du ein WE mit 2 Diensten hast, arbeitest du 12 Tage ohne freien Tag, was schon sehr anstrengend sein kann.

- Bei Nachtdiensten ist der Tag vor und nach dem Dienst frei. Schlafen ist im Dienst in der Regel nicht möglich, mit Glück vielleicht mal für eine Stunde. D.h. Der Folgetag geht fürs Schlafen drauf und der Rhythmus ist für den Rest der Woche im Eimer. Am Tag vor dem ND hat man aber quasi ein bisschen zusätzliche Freizeit. Allerdings macht man dadurch, dass man nachts nur 12 stunden gearbeitet hat, aber zwei reguläre Arbeitstage a regulär 8 stunden weggefallen sind, ein Minus von 4 stunden. D.h. Man verdient nicht zusätzlich an einem Nachtdienst, sondern zahlt dabei drauf. Die Anspannung in den ND ist in den ersten Jahren hoch, da viel Verantwortung und hohe Hemmschwelle nachts den Oberarzt zu Hause zu wecken.

- Die übliche Arbeitszeit außerhalb der Dienste schwankt zwischen 9 und 12 Stunden am Tag, die meisten Überstunden sind unbezahlt.

Insgesamt macht mir mein Job Spaß, aber die Arbeitsbelastung macht das leider oft kaputt. Ob ich nochmal Medizin studieren würde? Wenn ich für immer Assistenzärztin bleiben müsste ganz sicher nicht. Was sich als FÄ ändert, wird sich dann zeigen. Ich denke aber, dass es dann schon tendenziell besser wird.

Aber: ich arbeite an einem großen Haus und bin keine Psychiaterin, kann sein, dass es als Psychiater in einem kleinen Haus deutlich besser aussieht.

Aiko
15.09.2019, 15:23
Ich war einmal in der gleichen Situation wie du. Vorklinik Psychologie und unzufrieden sowohl was das Fach als auch die beruflichen Perspektiven betrifft. Auch mich hat eher die biologische Komponente interessiert, die zumindest damals im Psychologiestudium nur wenig Raum hatte. Ich habe nach dem Krankenpflegepraktikum dann den Wechsel in die Medizin tatsächlich vollzogen und würde es nie wieder anders machen. Ich habe gerne Medizin studiert und ich arbeite gerne als Arzt. Ich glaube, viel steht und fällt mit dem Umfeld in dem du später arbeiten wirst. Es gibt Kliniken in denen eine gute Atmosphäre herrscht, da kann arbeiten auch Spaß machen. Und dann gibt es auch Disziplinen mit einem hohen oder weniger hohen Burnout-Potential. Man kann es sich ja aber auch aussuchen wo man arbeitet. Ich bin am Ende in der Anästhesie gelandet und bin sehr glücklich damit. Wie du siehst gibt es also nicht nur negative Erfahrungen.

xhm97
15.09.2019, 15:47
Hey,
jenachdem was du für Ärzte befragst, also aus welcher Fachrichtung, wirst du auch nochmal unterschiedliche Antworten bekommen. Es gab vor nicht allzu langer Zeit auch eine Umfrage, wer die 'glücklichsten Ärzte' sind, da sind z. B. Urologen weit vorne und Internisten weit hinten. Ich habe auch das Gefühl, dass diejenigen, die sich auf Fächer wie Gyn, Uro etc. spezialisieren, glücklicher sind als Internisten.
Ich selber würde Medizin nicht noch einmal studieren und ich kenne viele, die das gleiche sagen, genauso kenne ich aber auch viele, die in dem Beruf total aufgehen! Man muss sich bewusst sein, dass 1. das Studium sehr anstrengend ist und viel abverlangt und 2. man im Berufsleben meist mehr arbeitet als viele im Umfeld, die etwas anderes machen (zumindest in patientennahen Fächern).

Was die Entlohnung für die Arbeit angeht bzw. Wochenende und Dienste... Gut geregelt ist das oft nicht. Bei 24 Stunsen Diensten arbeiten wir oft über die zugelassene Zeit als Bereitschaftsdidnst und noch dazu werden nicht alle Stunden bezahlt, sondenr eben nur 16 Std (unter der Woche) weil man ja am nächsten Tag fehlt...
Wenn ich das meinen Bekannten erzähle, schütteln die nur mit dem Kopf. Berechtigterweise.

Ich denke, du solltest auf dein Bauchgefühl hören! Niemand kann die sagen, wie das Studium und das Arbeitsleben speziell für dich sein wird.. Ich glaube aber auch, dass wenn man ein konkretes Ziel verfolgt, dass es auch etwas ist, wofür es sich lohnt, einen anderen Weg einzuschlagen als den, den man gerade verfogt.

WackenDoc
15.09.2019, 15:54
Wo befindet sich dieses Horrorhaus- nicht dass sich da jemand aus Versehen bewirbt.

LasseReinböng
15.09.2019, 16:45
Das Thema wurde kürzlich in extenso in diesem Thread behandelt: www.medi-learn.de/foren/showthread.php?101866-W%FCrdet-ihr-wieder-Medizin-studieren

schnix25
15.09.2019, 17:51
Das Phänomen, dass manche Ärzte dauernd davor warnen Medizin zu studieren ist mir schon im Studium aufgefallen. Dabei kam es mir so vor, dass manche auch einfach nur besonders "hart" wirken wollen, was für einen schlechten Job sie doch haben, und, dass sich sie das auch noch antun. Wenn einem ein Beruf meiner Meinung nach so stark missfällt, dass man anderen davon abrät Medizin zu studieren, dann sollte man sich doch selber was anderes suchen und nicht ständig rumjammern. Den meisten gefällt der Beruf nämlich gut bis sehr, nur hängt es nicht jeder an die große Glocke, wenn einem etwas Spaß macht. Insofern fallen natürlich nur diejenigen besonders auf, die sich ständig beklagen. Und bezüglich solcher Arbeitsbedingungen wie auch hier beschrieben: jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Jeder kann sein Fach frei wählen. Und wer solche Arbeitsbedingungen wie hier eben beschrieben toleriert, hat wohl kein allzu großes Problem damit. Es sollte aber auch klar sein, dass es viele Kliniken gibt mit guten Arbeitsbedingungen und wo es selbstverständlich ist, dass Überstunden aufgeschrieben werden und niemand ein Problem damit hat.

schnix25
15.09.2019, 17:56
Ach, und wenn dich Medizin interessiert mach es einfach und lass dich nicht von den Horrorgeschichten hier im Forum abschrecken. ;) Selbst wenn man später nicht als Arzt arbeiten will hat man noch genug andere Möglichkeiten.

rosa_banana
15.09.2019, 20:01
Mir ist auch aufgefallen, dass alle Ärzte einem damals vom Studium abrieten, aber ich bin froh, dass ich nicht auf sie gehört habe. Ich fand das Studium nicht besonders schwer, es ist nur viel Arbeit. Je nachdem, wie leicht einem das Lernen fällt, kann man das Studentenleben auch durchaus genießen. Auch ich habe zunächst gehadert, ein anderes Studium begonnen und dann gemerkt, es führt nicht zu dem, was ich (damals) machen wollte. Und dann das Beste an der Entscheidung: unendliche Möglichkeiten! Gefällt dir ein Fach nicht, kannst du etwas völlig anderes machen und findest aller Wahrscheinlichkeit nach auch eine Stelle. Wenn die Arbeitsbedingungen mißfallen, kann man sich umorientieren, es gibt viele Stellen zu besetzen. Ich arbeite momentan in der Psychiatrie, und dort arbeitet man sich nicht tot. Aufgrund der Mangelbesetzung kann man oft auch noch was extra für sich rausverhandeln, ob es jetzt Gehalt ist oder Lebensqualität. Ich als Ärztin hier bemitleide eher die PiAs, die sich hier als Ein-Euro-Jobber verdingen und teilweise einen Stationsarzt ersetzen sollen (minus der Dienste).
Dienste finde ich persönlich nicht sehr belastend, ich bin froh, auch mal unter der Woche frei zu haben. Und ich gehe immer aufs Klo wenn ich muss. Und trinke und esse genug. Das ist aber sicherlich individuell sehr unterschiedlich, was man als Belastung empfindet, es ist eben nächtliche Arbeit und es ist Verantwortung.
In der Psychiatrie speziell hat sich auch verdiensttechnisch eine Nische eröffnet, hier werden auch Assistenzärzte als Honorarkräfte mit Stundenlöhnen ab 72 € eingestellt. Wenn man örtlich gerne flexibel ist und gerne was anderes sieht, kann man sich da gerade ein goldenes Näschen verdienen. Es ist aber unklar, ob das noch so sein wird, wenn du fertig bist.

Kandra
15.09.2019, 20:07
Das Phänomen, dass manche Ärzte dauernd davor warnen Medizin zu studieren ist mir schon im Studium aufgefallen. Dabei kam es mir so vor, dass manche auch einfach nur besonders "hart" wirken wollen, was für einen schlechten Job sie doch haben, und, dass sich sie das auch noch antun. Wenn einem ein Beruf meiner Meinung nach so stark missfällt, dass man anderen davon abrät Medizin zu studieren, dann sollte man sich doch selber was anderes suchen und nicht ständig rumjammern. Den meisten gefällt der Beruf nämlich gut bis sehr, nur hängt es nicht jeder an die große Glocke, wenn einem etwas Spaß macht. Insofern fallen natürlich nur diejenigen besonders auf, die sich ständig beklagen. Und bezüglich solcher Arbeitsbedingungen wie auch hier beschrieben: jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Jeder kann sein Fach frei wählen. Und wer solche Arbeitsbedingungen wie hier eben beschrieben toleriert, hat wohl kein allzu großes Problem damit. Es sollte aber auch klar sein, dass es viele Kliniken gibt mit guten Arbeitsbedingungen und wo es selbstverständlich ist, dass Überstunden aufgeschrieben werden und niemand ein Problem damit hat.

hatte ich schon im anderen Thread geschrieben, aber hier gerne nochmal: sobald man ein gewisses Alter überschritten hat, nicht mehr ungebunden ist und gewissen Verpflichtungen unterliegt, sind deine Sätze nett aber wertlos. Dann kann man nämlich nicht mal eben auf der Suche nach annehmbaren Arbeitsbedingungen durch die halbe Republik ziehen sondern muss mit dem was man hat klarkommen. Und das lange Studium steht für mich aktuell in keinem Verhältnis zu dem, was man danach bekommt und zu leisten hat. Ich würde nicht wieder Medizin studieren und kann es auch niemandem empfehlen.

EVT
15.09.2019, 20:37
Naja in München gibt es auch mehrere Kliniken, kandra und in der Umgebung erst recht... Man muss ja nicht nach Flensburg ziehen, aber etwas pendeln geht immer. Pädiatrie ist doch kein kleines Fach wie z.B. Rechtsmedizin. Notfalls muss der Partner eben auch den Job wechseln/weiter pendeln. Du klingst ja wirklich sehr frustriert. Oder erstmal Praxis?

Ich habe das Studium und den Beruf nicht eine Sekunde bereut. Ich mache Innere und bin im 3. Jahr. Ich habe auch schon die Stelle gewechselt und habe auch das nicht bereut. So Sachen wie unbezahlte Überstunden hatte ich aber nie und würde ich auch nie tolerieren. In so einer Klinik würde ich gar nicht erst anfangen. Dafür ist mir meine Lebenszeit zu schade. Aber es gibt Kollegen, die tolerieren schlechte Bedingungen, obwohl es in der gleichen Stadt bessere Alternativen gibt... unverständlich für mich. Man macht dadurch die Bedingungen für alle kaputt.
Mein Vater hat bis weit über das normale Rentenalter als Arzt in seiner Praxis gearbeitet und auch mein Bruder ist sehr zufrieden als Hausarzt. Man muss sich eben was gutes suchen.

Kandra
15.09.2019, 20:56
Naja in München gibt es auch mehrere Kliniken, kandra und in der Umgebung erst recht... Man muss ja nicht nach Flensburg ziehen, aber etwas pendeln geht immer. Pädiatrie ist doch kein kleines Fach wie z.B. Rechtsmedizin. Notfalls muss der Partner eben auch den Job wechseln/weiter pendeln. Du klingst ja wirklich sehr frustriert. Oder erstmal Praxis?


Wenn man die Unikliniken und die Neos in Geburtshäusern und das Herzzentrum wegrechnet gibts in München genau eine Kinderklinik und die nächsten Kliniken außerhalb sind Minimum 30km entfernt, 80 wenn man die volle Weiterbildungszeit will. Soviel schonmal zur vollen Auswahl ;)
Mein Freund hat einen sehr gut bezahlten Job mit tollen Arbeitsbedingungen, ich würde nie im Leben fordern, das aufzugeben. Irgendwer muss ja schließlich irgendwann mal auf unser Kind aufpassen, ich werds ja nicht sein ;)
Wenn ich mir die Arbeitsbedingungen von Freunden ansehe bzw was die in der Zeit, in der ich nach abgeschlossener Ausbildung und abgeschlossenem FH-Studium noch Medizin drangehängt habe, alles erreicht haben, dann bin ich frustriert, ja. Denn die verlorene Zeit steht in keinem Verhältnis zu meinem Verdienst und meinem aktuellen Leben. Vllt wirds später in der Praxis besser, das werden wir sehen, aber bis dahin hab ich noch ein bisschen. Meine Arbeitsstelle gehört vermutlich eher zu den besseren was die Arbeitsbedingungen angeht, v.a. in München wo sich die Kliniken ihre Leute ja tatsächlich noch aussuchen können. Zu viel Zeit in der Klinik verbringe ich trotzdem.

Abiturient2010
15.09.2019, 21:59
Auch ich kann vieles hier geschriebenes leider bestätigen und bin mir selbst, obwohl ich das Fachliche nach wie vor sehr interessant finde, nicht sicher ob ich Medizin nochmal studieren würde.

Die Arbeitsbedingungen als Assistenzarzt sind, selbst in meinem (wie so oft angenommen) "entspannten patientenfernen" Fach der Radiologie teils katastrophal. Musste schmunzeln, als ich den Post von "GelbeKlamotten" las, die im gleichen Fach tätig zu sein scheint. Keine (Pinkel-)Pausen in den Diensten, durchzechte Nächte, Minusstunden durch Dienste und unbezahlte tägliche Überstunden, ohne die das gesamte System zusammenbrechen würde sind leider vielerorts, auch bei mir, Usus.

Obendrein nicht zu vergessen das hohe Stresslevel, die große Verantwortung, die Tatsache, dass man oftmals aufgrund von Zeitdruck den einzelnen Patienten nicht hinreichend gerecht werden kann, dadurch gemachte Fehler, die einem aufgrund der Konsequenzen länger im Hinterkopf bleiben und psychisch belasten, die lange Ausbildung in Form eines in Regelstudienzeit > 6 Jahre dauernden Studiums. Und all das für lächerliche (umgerechnet) 10€ netto die Stunde, während vergleichbare studierte Nicht-Mediziner aus dem Bekanntenkreis bereits mindestens das doppelte, wenn nicht sogar das dreifache pro Stunde verdienen, bei deutlich weniger Verantwortung, stets freien Nächten und Wochenenden und einer relativ stabilen 40 bis maximal 45h-Woche.

Ich glaube keiner hätte ein Problem damit, nachts oder am Wochenende zu arbeiten, wenn er anständig entlohnt würde und/oder Freizeitausgleich bekäme. Gelegentlich anfallende bezahlte Überstunden wären für die Wenigsten ein Drama. Die bittere Realität in vielen deutschen Kliniken sieht leider anders aus.


Und ja, natürlich kann man die Klinik wechseln, es gibt allerdings Fächer abseits von Innere und Chirurgie, in denen die in Frage kommenden Kliniken und offene Stellen sehr begrenzt sind, insbesondere wenn familiär bedingt die geographische Mobilität eingeschränkt ist.

Tarwah
16.09.2019, 07:30
gelöscht

Feuerblick
16.09.2019, 08:36
...so einen Job findest du aber auch als Facharzt ;-)

EDIT: Übrigens nicht in der Beratung... falls das missverstanden wurde...

schnix25
16.09.2019, 10:33
Wenn jemanden die Beratertätigkeit so juckt steht es ja jedem frei so etwas zu machen. Mediziner werden da ja immer gern gesehen. Und den Dr. Titel bringt man ja noch zusätzlich mit. ;)
Vllt hat man als Berater die Wochenenden frei allerdings glaube ich kaum, dass in der Branche weniger gearbeitet wird als in Kliniken. Und 4 Tage die Woche beim "Kunden" zu sein und in iwelchen Hotels abzuhängen ist glaube ich auch nicht wesentlich besser als WE Dienste. Natürlich hat jeder seine angeblichen Freunde, die mit wengier Arbeit mehr verdienen. Aber generell muss man einfach sehen, dass die meisten für ein höheres Gehalt eben auch viel arbeiten. Das ist kein Alleinstellungsmerkmal von Medizinern. Die Verdienststeigerugen sind in manchen Bereichen der Industrie sicherlich auch höher als in 5 oder 6 Jahren als Assistenzarzt, aber spätestens mit dem Facharzt hat man doch viel mehr Möglichkeiten. Es gibt glaube ich auch kaum Branchen, wo man in der Niederlassung als Selbstständiger ein doch relativ sicheres und kriesensicheres Einkommen hat. Notar vllt noch. ;) Aber das muss einem auch erstmal gefallen.

Arrhythmie
16.09.2019, 10:49
In der Unternehmensberatung frei am Wochenende?
LOL.

Ich hab Wirtschaft im Erststudium studiert und auch kurz in dem Beruf gearbeitet. Freunde in größeren Beratungen habe ich auch. Die arbeiten fast jedes Wochenende (ok, sie "dürfen" an anderen Orten arbeiten und dann an den Wochenenden in Hotels umher vegetieren) und kommen abends vor 19 Uhr auch nicht aus dem Büro.
Einer dieser Freunde meinerseits ist nun seit ca. 5 Jahren Single, er behauptet mittlerweile selber von sich dass er nicht beziehungsfähig ist aufgrund seines Jobs.

Ja... in der Beratung ist es sooooo viel besser ;-) Zumindest in den größeren Beratungen wo man dann auch ordentlich verdient ist das mitnichten so...

Und ansonsten: Ab in die Beratung. Spätestens mit dem FA.... Die freuen sich auch über ein paar Ärzte. Einfach mal selber ausprobieren.

Ich persönlich bin allerdings davon geheilt. :-kotz


(PS: Auch die Juristen in großen (Wirtschafts-)kanzleien dürfen sich den Ar*** wundarbeiten mit 80 h die Woche. Bis man evtl. mal Partner wird, wenn man es denn wird oder -im Beispiel der Beratungen- zum Kunden wechseln kann)

Parotis
16.09.2019, 11:54
Also ich persönlich würde sofort wieder Medizin studieren und bin mit meiner Arbeit auch insgesamt sehr zufrieden.

Das mag natürlich auch daran liegen, dass ich als Pathologe in einem kleinen Nischenfach gelandet bin, in dem man keinen Patientenkontakt mit all seinen Unwägbarkeiten hat und in dem ich auch keinerlei Dienste machen muss. Dazu habe ich auch sicherlich Glück eine angenehme Stelle mit netten Kollegen, gutem Chef und weitgehend guten Arbeitsbedingungen gefunden zu haben.

Grundsätzlich kann man als Arzt genauso wie in eigentlich jedem anderen Bereich eine sehr gute oder auch ganz furchtbare Arbeitsbedingungen vorfinden. Als Arzt hast du aber im Gegensatz zu einigen anderen Metiers quasi eine Arbeitsplatzgarantie, kannst dir die Stellen weitgehend aussuchen, hast extrem viele verschiedene Möglichkeiten als Arzt oder auch nicht-ärztlich zu arbeiten und du wirst so gut verdienen wie in kaum einem anderen Fach, zumindest durchschnittlich.

Letztendlich kommt es darauf an, ob dir ganz persönlich die Medizin liegt oder zumindest ein Teilbereich davon, auf den du dich spezialisieren kannst. Wenn das der Fall ist, dann kann ein Medizinstudium Sinn machen. Das Studium ist sicherlich arbeitsintensiv und lang, aber es ist definitiv machbar, wenn man sich für die Materie interessiert.

Danach muss man sich eben noch ein Fach aussuchen, dass zu einem passt und dort eine vernünftige Stelle finden. Das ist natürlich nicht immer ganz einfach, aber einfach ist so etwas nirgendwo, ganz egal was man beruflich macht.

Viel Glück bei der weiteren Entscheidungsfindung.