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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Opt Out



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philfanatic
24.10.2019, 12:36
Hi,

ich habe echt ein leidiges Thema und keiner kann mir dazu sichere Auskunft geben. Ich hoffe irgendjemand von euch hat das Problem schon durch und kann mir weiterhelfen.

Seit August 2019 mussten wir uns vertraglich entscheiden, ob wir auf die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden bestehen oder einen Opt-out Vertrag unterschreiben mit 52 Wochenarbeitsstunden im Durchschnitt (vorher hat sich keiner darum gekümmert und wir haben ohne Regelung einfach maximal Dienste geschoben).

Ich habe dieses Vertrag mit Limitierung auf 52 Wochenarbeitsstunden unterschrieben. Mein Arbeitgeber bestand darauf, dass der Vertrag rückdatiert wird auf den 1.1.
Nun hat mein Arbeitgeber festgestellt, dass meine durchschnittliche Wochenarbeitszeit 55 h für das laufende Jahr waren (generiert in der Zeit Januar bis August) . Daraus resultiert, dass ich freigestellt werden muss (nach EU-Arbeitszeitrichtlinie). Bei diesem Anteil an geleisteter Mehrarbeit handelt es sich nicht um Überstunden, sondern um Dienststunden im Bereitschaftsdienst (hier fallen in unserer Klinik keine Überstunden an, die Zeit im Bereitschaftsdienst wird vergütet).

Mein Arbeitgeber will mir nun für diese Freistellung Minusstunden berechnen. Ist dies rechtens oder kann eine Freistellung damit ich wieder rechnerisch auf die 52 Wochenarbeitsstunden im Durchschnitt komme ohne Minusstunden für mich erfolgen? Kann mir jemand dazu eine Quelle zum Nachlesen zukommen lassen (meine google-Suche war erfolglos)?

Danke!

Jukka666
24.10.2019, 13:18
Hi!

Ich bin da kein Experte, wir hatten aber so einen ähnlichen Fall. Verstehe ich das richtig, ihr habt ein Arbeitszeitkonto, auf dem Überstunden und Stunden aus dem BD auflaufen und gesammelt werden?

Diese kannst du doch - wenn möglich - als Freizeitausgleich "abfeiern" ?

Wenn dem so ist, bleibst du daheim und dein Stundenkonto schmilzt = Minusstunden. Klingt erstmal ok.

Die Frage, wo ich mir jetzt nicht sicher bin, ob der Arbeitgeber das einfach so diktieren kann..

philfanatic
24.10.2019, 13:30
Bei uns werden Überstunden nur generiert, wenn ich z.B. nach der Regelarbeitszeit später heim gehe.
Nach einem 24h-Dienst (10 Uhr bis 10 Uhr) entstehen keine Überstunden und keine Minusstunden. Die Zeit, die ich nach einem Dienst am Folgetag fehle wird von der BD-Zeit abgezogen, die restliche Zeit wird vergütet.
Daher entstand bei dem hohen Dienstaufkommen der letzten Monate keine Überstunden durch die vielen Dienste. Da BD-Zeit als Arbeitszeit gilt, habe ich nun aber eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit 55 h, die nach EU-Arbeitszeitrichtlinie nicht zulässig ist. Mein Arbeitgeber will mich nun "ins Frei" schicken um im Schnitt wieder 52h zu erreichen.
Habe ich auch nichts dagegen, aber leider kriege ich dafür die Minusstunden angelastet, da ich für die geleistete Mehrarbeit ja kein Plus auf dem Überstundenkonto erhalten habe.

Autolyse
24.10.2019, 13:36
Auf wie viel Streit bist Du erpicht?

§ 7 IIa ArbZG fordert eine Einwilligung. Einwilligung im Deutschen Zivilrecht ist aber zwingend eine vorherige Zustimmung (Legaldefinition in § 183 BGB). Das Rückdatieren wäre insofern lediglich eine Genehmigung (Legaldefinition in § 184 I BGB). Da das nicht auf die Arbeitszeitrichtlinie zurückgeht, sondern eine bewusste Entscheidung des Umsetzungsgesetzgebers ist gilt auch keine abweichende Definition, andernfalls hätte der Umsetzungsgesetzgeber anders formuliert.

Damit ergibt sich aufgrund § 134 BGB die Nichtigkeit des Opt-Outs wegen eines bewussten Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 7 IIa ArbZG ist in diesem Fall die Verbotsnorm, weil sie eine Einwilligung für die Überschreitung der Höchstarbeitszeit fordert, das wird man aus der Entscheidung 5 AZR 129/16 übertragen können, die § 3 ArbZG als Verbotsnorm qualifiziert). Ist die Abrede aber nichtig, dann haftet der Arbeitgeber für den Verstoß gegen das gesetzliche Verbot (siehe 5 AZR 129/16). Das Bußgeld der Bezirksregierung für den Arbeitszeitverstoß gibt es dann noch gratis dazu.

Muriel
24.10.2019, 13:38
Die einfachste Lösung sollte doch eigentlich sein, so lange keine Dienste zu machen, bis wiEder der Durchschnitt vom 52h erreicht ist. So machst Du kein Minus und verzichtest nur auf Dienstzulagen.

philfanatic
24.10.2019, 13:50
Ein Bisschen Streit "kurz vor" Weihnachten schadet nicht ;)
@ Muriel: Klar. Daran dachte ich auch. Allerdings müssten die anfallenden Dienste durch Honorarärzte geleistet werden (wie aktuell bereits 40-50% unserer Dienste) . Dann ist es günstiger mich ins Frei zu schicken und mich auch noch dafür bezahlen zu lassen.

Autolyse
24.10.2019, 14:00
Dann empfehle ich etwas Drohkulisse aufzubauen. Das wäre noch teurer als jeder Honorararzt.

kartoffelbrei
24.10.2019, 16:38
Wenn du eh nachträglich die Opt Out Erklärung unterschreibst, was spricht dann dagegen, die Stundenzahl für den Zeitraum einfach auf 55 Stunden hochzusetzen?

Docdoc84
24.10.2019, 16:48
Oder kein opt out unterschreiben und das schöne Leben bei weniger Diensten geniessen oder bekommst du so gut bezahlt für die dienste? Wenn nein was bekommst du sonst dafür dass du unterschreibst? Und wenn würde ich auch keinen ZA nehmen sondern weniger Dienste machen.

Muriel
24.10.2019, 16:54
Der Arbeitgeber kann einen Arbeitnehmer soweit ich weiß in den Zwgangs-FZA schicken, wenn Überstunden da sind. Allerdings existieren hier ja offiziell gar keine, so dass ich mich frage, ob man zu Minusstunden gezwungen werden darf. Bist Du MB-Mitglied? Da würde ich am ehesten eine vernünftige Aussage zu erwarten, mit der Du auch argumentieren kannst

Feuerblick
24.10.2019, 18:00
Ich übersetze das mal für mich: Du bist deinem Arbeitgeber entgegengekommen und hast Opt Out nicht nur unterschrieben sondern auch noch rückdatieren lassen. TROTZDEM hast du zu viele Stunden für den Jahresdurchschnitt gemacht. Sprich, der Arbeitgeber ist offenbar nicht in der Lage, seine Abteilung so zu besetzen, dass das AZG eingehalten wird und nun will er dich für sein Versäumnis mit Minusstunden bestrafen? Nicht sein Ernst, oder???

John Silver
24.10.2019, 19:16
Ich würde das definitiv juristisch prüfen lassen.
Im Prinzip ist das Angebot u.U. gar nicht mal schlecht. Ich würde mal genau (schriftlich!) klären, wie man auf der Arbeitgeberseite vorhat, die Minusstunden abzubauen. Hat die Verwaltung da keine Idee - einfach mal FZA nehmen. Am Ende sind Minusstunden das Problem der Klinik.

FirebirdUSA
24.10.2019, 22:36
Minusstunden können sie schon anordnen... nur denke ich kein Gehalt einbehalten.
Insofern finde ich John Silvers Vorschlag nicht schlecht. Um eine entsprechende Beratung durch einen Anwalt wirst du aber nicht drum rum kommen.

philfanatic
25.10.2019, 04:23
Wenn du eh nachträglich die Opt Out Erklärung unterschreibst, was spricht dann dagegen, die Stundenzahl für den Zeitraum einfach auf 55 Stunden hochzusetzen?


Sofern sich keine andere Lösung findet was die anfallenden Minusstunden angeht, werde ich sowas vorschlagen. Die Gefahr, dass ich zu massiv vielen Diensten in den letzten beiden Monaten des Jahres herangezogen werde, ist gering. Zudem ist die Opt out Regelung bis 31.12.19 befristet.


Im nächsten Jahr werde ich mich lieber für weniger Dienste entscheiden und nicht unterschreiben. Der finanzielle Vorteil rechtfertigt nicht den Verlust an Freizeit, zumal die Dienste bei uns auch kein Spass sind.
Bin kein MB-Mitglied. Das sollte ich für die Zukunft nachholen.

philfanatic
25.10.2019, 04:33
Ich übersetze das mal für mich: Du bist deinem Arbeitgeber entgegengekommen und hast Opt Out nicht nur unterschrieben sondern auch noch rückdatieren lassen. TROTZDEM hast du zu viele Stunden für den Jahresdurchschnitt gemacht. Sprich, der Arbeitgeber ist offenbar nicht in der Lage, seine Abteilung so zu besetzen, dass das AZG eingehalten wird und nun will er dich für sein Versäumnis mit Minusstunden bestrafen? Nicht sein Ernst, oder???

Genau so sehe ich es auch. Es ist ja nicht so, dass ich mutwillig diesen Umstand herbeigeführt habe. Vielmehr musste ich diese Dienstanzahl absolvieren aufgrund der verfehlten Personalpolitik und Organisation seitens des AGs.


Ich würde das definitiv juristisch prüfen lassen.
Im Prinzip ist das Angebot u.U. gar nicht mal schlecht. Ich würde mal genau (schriftlich!) klären, wie man auf der Arbeitgeberseite vorhat, die Minusstunden abzubauen. Hat die Verwaltung da keine Idee - einfach mal FZA nehmen. Am Ende sind Minusstunden das Problem der Klinik.

Ja, mir wurde heute ein "großzügiges" Angebot unterbreitet (telefonisch). Jetzt soll ich freigestellt werden und von den zukünftigen Diensten werden 3h im Bereitschaftsdienst nicht vergütet und stattdessen als Überstunden aufgeschrieben, damit ich so die Minusstunden kompensieren kann. Nett.

Muriel
25.10.2019, 06:35
Ich hoffe, Du bist in schallendes Gelächter ausgebrochen und hast das Gespräch beendet.

FirebirdUSA
25.10.2019, 06:40
Ja, mir wurde heute ein "großzügiges" Angebot unterbreitet (telefonisch). Jetzt soll ich freigestellt werden und von den zukünftigen Diensten werden 3h im Bereitschaftsdienst nicht vergütet und stattdessen als Überstunden aufgeschrieben, damit ich so die Minusstunden kompensieren kann. Nett.

Von dem Angebot hast du erstmal keinen Nachteil, ich würde nur darauf bestehen dass die Zuschläge für die 3h abgegolten werden und den AG gleich darauf hinweisen dass das ausgleichen eine Weile dauert (das "abarbeiten" der Minusstunden dauert ja ohne OptOut auch eine ganze Weile)

John Silver
25.10.2019, 09:56
Ich würde das großzügige Angebot ausschlagen. Mal sehen, was sie dann machen. Wenn die Verwaltung versucht, alles auch ohne Deine Zustimmung umzusetzen, würde ich gleich mit juristischen Konsequenzen drohen (Anzeige wegen Unterschlagung etc.). Außerdem empfehle ich Dir, alles in schriftlicher Form zu verlangen, und nichts am Telefon zu besprechen.

FirebirdUSA
25.10.2019, 11:06
Also, ich fasse mal zusammen:
Du hast OptOut unterschrieben und mit Datum 1.1.19, in der Zeit bis August 2019 hattest du eine Durchschnittliche WAZ von 55h und bist damit über den 52h. Der Ausgleichszeitraum beträgt 12 Monate, insofern kann dich die Klinik bei vollem Gehalt freistellen um keine Verletzung des Arbeitszeitgesetz zu riskieren. Natürlich sind das Minusstunden wenn du dafür Geld erhälst, das ist alles korrekt. Natürlich können diese Minusstunden auch mit Diensten in der Zukunft oder Überstunden verrechnet werden, in welchem Umfang und wie lange muss ggf. ein Anwalt prüfen.

Da du unterschrieben hast und vermutlich nicht nachweisen kannst, dass es rückdatiert wurde hast du eigentlich aus meiner Sicht alle Trümpfe aus der Hand gegeben... andere Meinungen?

Ich sehe bei dem ganzen noch nicht, wie man in der Situation ist in schallendes Gelächter auszubrechen, das Gespräch zu beenden oder mit juristischen Konsequenzen drohen kann. Natürlich darf der Arbeitgeber einen mit Minusstunden frei stellen wenn er ansonsten das Arbeitszeitgesetz verletzt, er muss es sogar. Da du nicht mehr nachweisen kannst, dass du gar nicht zugestimmt hattest wird es vermutlich schwierig etwas anderes zu beweisen.

Wie gesagt: Las dich juristisch beraten, das kostet für eine Erstberatung in der Regel keine Unsummen, ist vermutlich steuerlich absetzbar und dann hast du mehr Klarheit.

Feuerblick
25.10.2019, 12:05
Naja, rechtens ist das vermutlich im Prinzip. Aber wir wollen mal nicht unterschlagen, dass der Arbeitgeber sein Verschulden (ausreichende Besetzung, damit das AZG zumindest mit Opt-out eingehalten wird) auf den Mitarbeiter (Anfallen von Minusstunden oder weniger Vergütung bei Freistellung) abwälzen will. Da klappt einem ja schon die Kinnlade runter.
Ich würde mich definitiv juristisch beraten lassen und dem Arbeitgeber für die Zukunft klarmachen, dass ich nicht mehr Stunden arbeite als im AZG vorgesehen. Sprich: Weniger Dienste.