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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Glomerulonephritis



Fr.Pelz
23.11.2019, 18:53
Das ist ein Thema, das ich schon im Studium gehasst habe, jetzt bin ich wieder drüber gestolpert und habe meinen alten Herold rausgekramt. Da steht drin, GN ist die zweithäufigste Ursache einer terminalen Niereninsuffizienz - und ich bin ihr in Epikrisen von Dialysepatienten auch schon begegnet, habe aber selbst noch nie eine gesehen - und hab jetzt natürlich Angst etwas zu übersehen. Wie würde ich das denn im klinischen Alltag bemerken bei meinen allgemeinchirurgischen Patienten? Ein Anstieg der Retentionsparameter und dann Hämaturie und Proteinurie? Und was mach ich dann? Da gibt es ja laut Herold X Differentialdiagnosen. Was ist denn da die "red flag", bei der man den Nephrologen ruft? Reicht diese Kombi für sich schon oder muss da noch Klinik dazu kommen wie Hypertonie? Die allermeisten Patienten nehmen ja Antihypertensiva, wäre das dann nicht maskiert?
Fragen über Fragen - ich weiß schon, warum ich mich gegen Innere entschieden hab....

...im "Raum für Notizen" im Herold hab ich aber noch eine Schemazeichnung einer TAPP, ein vergessenes Album von Fleetwood Mac und ein Rezept für Salatdressing gefunden...

Muriel
23.11.2019, 19:27
Das ist ein Thema, das ich schon im Studium gehasst habe
Dito... Genau wie Leukämien. Irgendwas mit Halbmonden und Kernschatten, der Rest war mir immer sowohl verhasst als auch egal ;-)

nie
23.11.2019, 19:37
Proteinurie, vor allem in Kombination mit deutlichen Wassereinlagerungen, ist definitiv eine red flag, die den Nephrologen auf den Plan rufen sollte. Hämaturienn ist dagegen eher selten.

Der Hypertonus ist oft therapieresistent, da reicht die durchschnittliche Standardmedikation nicht aus.

Anstieg der Retentionsparameter bei bisher nierengesunden Patienten sollte man auch immer hinterfragen. Wobei ab einem gewissen Alter die Patienten meist nicht nierengesund sondern eher noch nicht diagnostiziert sind.

Der Großteil der Patienten, die bei uns zur Abklärung einer Nierenerkrankung vorstellig wird, fällt wegen einer Proteinurie (in der Regel im Rahmen eines nephrotischen Syndroms) auf.

Letzten Endes läuft es immer auf Nierenbiopsie hinaus, wenn man eine endgültige Diagnose haben will. Klinisch kann man da nur mutmaßen eben weil es etliche Differentialdiagnosen gibt.

Fr.Pelz
24.11.2019, 18:40
Ok vielen Dank. Und der Patient erkennt die Proteinurie höchstens mal an schaumigem Urin, oder? Was hat es mit trübem Urin auf sich? HWI?

nie
24.11.2019, 21:02
Trüber Urin ist eher HWI, stimmt.

Klinisch fallen die Patienten halt meist durch massive Ödeme/Gewichtszunahme auf und/oder irgendwer stixt den Urin und da fällt dann die Proteinurie auf.

][truba][
29.11.2019, 21:41
So, da sich ja hier auch Nephrologen tummeln (und ich keiner bin) hatte ich heute einen Patienten mit ++ Protein im Urin. Relativ junger Typ. Keine Vorerkrankungen. Müsste an ja vielleicht wenigstens mal eine Abklärung empfehlen oder sowas?

nie
30.11.2019, 06:08
Würde ich schon machen. Einmal ambulante Vorstellung bei Nephrologen empfehlen. Im besten Fall kommt nichts bei raus und manchmal stecken auch harmlose Dinge dahinter aber wenn’s wirklich was problematisches ist, dann kann einem die frühe Diagnose halt sehr viel Elend ersparen.

WackenDoc
30.11.2019, 08:05
Ich würde es einfach zeitnah nachkontrollieren und wenn es beim zweiten Mal auffällig ist, den Urin ins Labor schicken statt Stixen.
Kann auch der Hausarzt machen- hängt davon ab, wie lange der noch bei euch ist.

][truba][
30.11.2019, 11:46
Der kommt erst Dienstag zur OP.

Dann kann ich den Urin nochmal verschicken.
Auf was muss ich den denn untersuchen und was könnte ursächlich sein?

WackenDoc
30.11.2019, 12:09
Hauptursache ist schlichtweg Verunreinigung der Probe.
Also gute Chance, dass man es einfach wegkontrolliert bekommt.
Ohne genauen Verdacht kannst mal nen Sediment im Labor machen lassen und ggf. Albumin bestimmen lassen.

][truba][
30.11.2019, 12:21
Ok, werde versuchen dran zu denken. Vielen Dank

GelbeKlamotten
30.11.2019, 17:17
Fitnessstudio Besucher? Wer oben viel Whey Protein reinkippt und zusätzlich exzessiv an gewichten trainiert, der pinkelt gerne auch mal etwas protein wieder aus.
War schon mit vielen so Fitness Studio Typen zusammen und habe bei fast allen schäumenden Urin bemerkt (so viel Schaum, dass selbst nach dem Spülen noch was übrig bleibt). Habe auch einen mal drauf angesprochen und er hat mir das auch bestätigt. Sieht man wohl auch in den Pissoirs in den Fitnessstudios immer.

][truba][
30.11.2019, 18:00
Nee, warn ganz dünner Junge. Das wars leider nicht. Bzw. weiß ich nicht ob er viel Protein reinkippt aber er sah nicht so aus (was ja nix heißen muss :-dance

inglebird
22.01.2020, 20:41
Zwar kein Nephrologe, aber mehrjährige nephrologische Erfahrung. "Verstehen" kann man die GNs mit dem Herold nicht, das hat für den Nicht-Internisten aber auch überhaupt keine Relevanz, ob minimal-change, IgA-Nephropathie, membranoproliferativ, membranös oderoder...

Die ursprüngliche Frage kam ja von einer Chirurgin, die das Relevante für den Alltag wissen möchte. Dass ein Nierenversagen perioperativ durch eine GN (wie in den Lehrbüchern beschrieben) verursacht wird, ist äußerst unwahrscheinlich. Weitaus am häufigsten sind die Klassiker "prärenal" (Krea wird besser wenn bewässert), "postrenal" (Krea wird besser wenn entlastet) oder kardiorenal ("hilft irgendwie alles nix so richtig und meistens weiß man gar nicht, was man jetzt machen soll und manchmal gehts auch nur mit temporärem Ersatzverfahren").

Wie schon beschrieben fallen die meisten GNs auf durch Proteinurie (Cave: Stix misst NUR Albumin), Kreatininanstieg oder nephrotisches(Hypalbuminämie, Proteinurie, Ödeme und Hyperlipidämie [das letzte als kompensatorische Reaktion der Leber, um Eiweißverlust auszugleichen; falls es jemand wissen will]) oder nephritisches Syndrom (Hypertonie, (Mikro-)Hämaturie, Ödeme und Flankenschmerz). Der Weg zur Diagnose ist theoretisch rasch geebnet, durch die Kombination aus Urinsediment, Serologie und letztlich Nierenbiopsie. Entscheidend ist nur, die Patienten zu filtern, die man biopsieren möchte.

Bei perioperativen Patienten sind die Kriterien von nephritischem und nephrotischem Syndrom für den "klassischen Chirurg" etwas undankbar. Ödeme oft vorbestehend (Herzinsuffizienz, Venöse Insuffizienz, Eiweißmangel), Hämaturie durch den zuvor liegenden Dauerkatheter oder urologisch bedingt, Bluthochdruck und Hyperlipidämie haben eh fast alle; eine niedrig-gradige Niereninsuffizienz, die auf perioperative Volumenverschiebungen mit Kreatininanstieg reagiert sieht man auch oft ("Mit Vollelektrolyt verdünnen, Krea sinkt" :-nix )
Wenn man eine GN in der Diagnosenliste sieht, handelt es sich also in der Regel um Patienten, bei denen eins der obigen Kriterien irgendwann mal zugetroffen hat und die dann nephrologisch abgeklärt wurden.

Eine Sache wäre noch hervorzuheben, die rapid progressive GN (RPGN). Wird zwar histologisch definiert (durch Schlingennekrosen oder "Halbmonde"), die Ursache kann jedoch unterschiedlich sein und der Begriff bezieht sich auf den zeitlichen Verlauf. Häufig als systemische Erkrankung mit Multiorganbeteiligung (bspw. Pulmorenales Syndrom mit alveolärer Hämorrhagie), die innerhalb von Wochen, wenn Patienten zu spät kommen perakut zum Multiorganversagen und Tod führen kann. Aber auch dass man diese Diagnose auf der chirurgischen Allgemeinstation mal stellt, ist äußerst selten.

Basisdiagnostik, an die man denken kann, wäre wie von jemand anderem schon beschrieben einmal der Protein/Kreatinin-Quotient im Urin (korreliert sehr gut mit der 24h-Eiweißausscheidung, der klassische Sammelurin ist dadurch fast obsolet geworden), damit kann man die Proteinurie besser quantifizieren ("Pro +++" im Stix ist vielleicht "semiquantitativ" aber definitiv nicht hilfreich und zu leicht beeinflussbar...) und dann eben das "Urinsediment". Hierbei können dysmorphe Erys, genauer gesagt Akanthozyten und Erythrozytenzylinder nachgewiesen werden, welche letztlich die glomeruläre Beteiligung beweisen.

Letztlich: Je älter und multimorbider, desto früher internistisches Konsil, um Komplikationen frühzeitig behandeln zu können...
(Das soll übrigens nicht herablassend gemeint sein. Nach mehreren Jahren Nephrologie habe ich es immer noch nicht richtig verstanden...)

inglebird
22.01.2020, 20:46
Fitnessstudio Besucher? Wer oben viel Whey Protein reinkippt und zusätzlich exzessiv an gewichten trainiert, der pinkelt gerne auch mal etwas protein wieder aus.
War schon mit vielen so Fitness Studio Typen zusammen und habe bei fast allen schäumenden Urin bemerkt (so viel Schaum, dass selbst nach dem Spülen noch was übrig bleibt). Habe auch einen mal drauf angesprochen und er hat mir das auch bestätigt. Sieht man wohl auch in den Pissoirs in den Fitnessstudios immer.

Auch wenn ich kein Experte bin, ist bei Nierengesunden ein erhöhter Proteinintake nicht mit einer pathologischen Proteinurie verbunden. Die Proteine bis ca 70kDa werden ja vor der Filtration geschützt, letztlich ist die Konzentration da egal. Zumindestens im Bereich bis 3g/kg KG/Tag ist eine Proteinurie bei Nierengesunden nicht beschrieben. (Beim 80kg-Pumper bedeutet das 240g Eiweiß am Tag, das schafft man auch mit Eiweißpulver nur, wenn man unbedingt möchte...)
An den Pissoirs im Fitnessstudio habe ich das übrigens noch nie beobachtet