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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ersthelfer bei schwerem VU/ was tun und was lassen?



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Relaxometrie
22.12.2019, 14:44
Angesichts eines heute in der örtlichen Tageszeitung veröffentlichen Bildes eines Verkehrsunfalls (Riesengroßer Lastwagen liegt auf die Beifahrerseite umgekippt in der Böschung einer Landstraße. Der Beifahrer wurde herausgeschleudert und ist schwerstverletzt, der Fahrer tot.) frage ich mich, was man als Ersthelfer unternehmen sollte und was man aus Eigenschutz besser lässt.
Jetzt so in Ruhe vom Schreibtisch aus lässt sich die richtige Reihenfolge ja leicht aufsagen: Selbstschutz (auf den vielleicht noch fließenden Verkehr achten, so sicher wie möglich parken, Warnweste anziehen), Unfallstelle absichern. Wenn einer der Verletzen und aus dem Fahrzeug herausgeschleuderten Personen aber z.B. eine starke Blutung aufweist und nicht gerade auf der Fahrbahn liegt, würde man vermutlich erst versuchen, eine Blutstillung einzuleiten, dann den Rettungsdienst alarmieren, und dann -wenn überhaupt erforderlich- endlich die Unfallstelle mittels Warndreieck absichern. Mit "wenn überhaupt erforderlich" meine ich in dem Fall: wenn die Unfallstelle z.B. hinter einer Kurve liegt. Denn einen umgefallenen LKW sehen die Fahrer des fließenden Verkehrs auf gerader Strecke ja sowieso eher, als ein im Vergleich kleines Warndreieck. Wenn das verunfallte Fahrzeug ein PKW ist, ist die Absicherung der Unfallstelle natürlich auf jeden Fall erforderlich.
Daß ich von wilden Kletteraktionen in ein LKW-Führerhaus absehen würde, ist klar. Aber wie sieht es mit der Brandgefahr eines Fahrzeugs (PKW) oder mit verspäteter Airbagauslösung aus? Beides könnte einen als Ersthelfer ja selbst gefährenden, wenn man versucht, bewusstlose Personen aus dem PKW zu retten.

Heerestorte
22.12.2019, 14:51
Wenn es geht, unter dem Lenkrad durchgreifen und die Zündung deaktivieren bzw den Schlüssel ziehen. Verhindert dann verzögertes Auslösen des Airbags. Bei modernen Autos weiß ich es aber nicht. Vermutlich Start Stop Knopf drücken?

Und das eigene Auto mit vollem Lenkeinschlag nach rechts abstellen, wenn man rechts steht. Wenn jemand dann nämlich hinten drauf fährt und nicht zu schnell ist, wird das Auto nach rechts rollen und nicht noch geradeaus in die eventuelle Unfallstelle rein.

Und ich würde auch sagen sofortige Blutstillung und dann Notruf absetzen. Ansonsten sofort Notruf absetzen. Und vllt die Opfer irgendwie vom Auto entfernen bezüglich Brandgefahr. Aber natürlich schwierig, alleine z.b. einen 120 Kg LKW Fahrer weg zu ziehen.

Relaxometrie
22.12.2019, 14:57
Und das eigene Auto mit vollem Lenkeinschlag nach rechts abstellen, wenn man rechts steht. Wenn jemand dann nämlich hinten drauf fährt und nicht zu schnell ist, wird das Auto nach rechts rollen und nicht noch geradeaus in die eventuelle Unfallstelle rein.
Wenn möglich, würde ich an der Unfallstelle vorbeifahren und dann parken. Wenn dann jemand von hinten in die Unfallstelle reinfährt, fährt er in das eh schon verunfallte Auto und nicht in meins. Wenn "nur" mein Auto durch einen weiteren Auffahrunfall geschrottet würde, wäre es ja noch ok. Aber doof wäre es, wenn man noch im Auto sitzt, gerade aussteigen möchte, und einem dann der nächste hinten auffährt.

Heerestorte
22.12.2019, 14:59
Wenn möglich, würde ich an der Unfallstelle vorbeifahren und dann parken. Wenn dann jemand von hinten in die Unfallstelle reinfährt, fährt er in das eh schon verunfallte Auto und nicht in meins. Wenn "nur" mein Auto durch einen weiteren Auffahrunfall geschrottet würde, wäre es ja noch ok. Aber doof wäre es, wenn man noch im Auto sitzt, gerade aussteigen möchte, und einem dann der nächste hinten auffährt.

Stimmt, das ist natürlich noch besser!

Feuerblick
22.12.2019, 15:33
Kurzen Überblick verschaffen (wenn du sowieso dran vorbeifährst, weil du vor der Unfallstelle parkst, siehst du ja, wie viele Fahrzeuge und ggf. Menschen beteiligt sind) und direkt Notruf wählen. Gelbe Warnweste anziehen (!!), Warndreieck kannste suchen, während du telefonierst. Erst (!!) absichern, dann weitersehen. Natürlich ist man voller Adrenalin und will was tun, aber ohne Absicherung der Unfallstelle ist die Gefahr riesig, dass irgendwer da reinbrettert. Daher erst absichern, dann helfen. Und da man im Eifer des Gefechts oft mit einem verspäteten Notruf Zeit verschenkt, sollte man den direkt absetzen. Dann kann die Leitstelle schon mal Einsatzkräfte rausschicken. Wenn du weitere Informationen nach genauerer Sichtung haben solltest, könntest du das der Leitstelle auch noch nachträglich mitteilen. In aller Regel sind die ersten Einsatzkräfte aber so schnell da, dass du vermutlich gerade gesichtet hast und die dir schon in den Hacken stehen.
Bevor du zu den Unfallfahrzeuen gehst, unbedingt erst einmal schauen, ob da Gefahren drohen (Feuer, auslaufende Betriebsstoffe o.ä.). Ich erinnere mich lebhaft an eine MANV-Übung mit einem LKW, der Gefahrstoffe geladen hatte, was nur bei sehr genauem Hinsehen ersichtlich war und zack, waren Notarzt, LNA, eine RTW-Besatzung und die ersteintreffenden Feuerwehrler „tot“. :-))
Zündung aus und Schlüssel abziehen nur, wenn du da gefahrlos drankommst.
Wenn du kannst und die Situation es hergibt: Blutstillung, stabile Seitenlage, ggf. auch kurzer Bodycheck bei nicht bewusstlosen Verletzten.
Falls Leute aus den Fahrzeugen auf der Fahrbahn rumlaufen: Hinter die Leitplanke oder deutlich neben die Straße mit denen. Schau, ob dir irgendwer hilft oder ob einer der ansprechbaren Verletzten in der Lage ist, die anderen zu versorgen und zu bewachen.

Relaxometrie
22.12.2019, 15:42
Kurzen Überblick verschaffen (wenn du sowieso dran vorbeifährst, weil du vor der Unfallstelle parkst, siehst du ja, wie viele Fahrzeuge und ggf. Menschen beteiligt sind) und direkt Notruf wählen.
Genau darüber habe ich nachgedacht. Wahrscheinlich ist es wirklich das Beste, den Notruf noch aus dem eigenen Fahrzeug heraus abzusetzen, sofern man sicher parken konnte; sonst erst nach vorsichtigem Aussteigen und Aufsuchen eines sicheren Standorts, z.B. im Gründstreifen mit ausreichendem Abstand zur Fahrbahn.
Mit einer Blutstillung würde man sich vermutlich eher verzetteln. Das Wichtigste ist wirklich, professionelle Helfer an den Unfallort zu bekommen.

Relaxometrie
22.12.2019, 15:43
Ich erinnere mich lebhaft an eine MANV-Übung mit einem LKW, der Gefahrstoffe geladen hatte, was nur bei sehr genauem Hinsehen ersichtlich war
Sprich: nach Sichten der Gefahrstoffkennzeichung auf dem LKW?

Feuerblick
22.12.2019, 15:44
Und nach Erkennen, dass da was ausgelaufen war. War ein doch recht kompliziertes Szenario - aber eben dazu angetan, dass man sich vergegenwärtigt hat, nicht nach oberflächlichem Sichten irgendwo hinein zu laufen. Deshalb durften wir danach auch weiterspielen, obwohl wir eigentlich „tot“ waren...

Und ja, ich würde vorrangig dafür sorgen, schnellstmöglich Profis an die Unfallstelle zu bekommen und danach mich selbst und mobile Unfallbeteiligte von der Fahrbahn runterzubekommen. Sobald das erledigt ist, kann man gerne versuchen, etwas mehr zu tun - soweit das mit einem Autoverbandkasten (mehr haben die meisten ja nicht dabei) überhaupt geht.

epeline
22.12.2019, 16:00
Ich hänge da mal die Frage an, was ihr so an Ausrüstung dabei habt. Das hatten wir in der Arbeit mal diskutiert und die Meinungen gingen sehr auseinander.
Eine Kollegin fährt eine halbe NA Ausrüstung mit sich rum, ohne eine zu sein.
Ich habe eher nur den Verbandskasten und Einweghandschuhe.

Feuerblick
22.12.2019, 16:04
Ich habe nur Verbandkasten und Handschuhe im Auto. Nicht mehr. Früher hatte ich noch eine Beatmungsmaske im Auto. Die ist aber irgendwann mal verschwunden. Bis ich im Ernstfall nach Sicherung der Unfallstelle und erstem Überblick meinen Krempel rausgeräumt und irgendwas Suffizientes getan hätte, wären die Profis zumindest hier bei uns schon vor Ort.

epeline
22.12.2019, 16:16
Ich habe nur Verbandkasten und Handschuhe im Auto. Nicht mehr. Früher hatte ich noch eine Beatmungsmaske im Auto. Die ist aber irgendwann mal verschwunden. Bis ich im Ernstfall nach Sicherung der Unfallstelle und erstem Überblick meinen Krempel rausgeräumt und irgendwas Suffizientes getan hätte, wären die Profis zumindest hier bei uns schon vor Ort.

Genau das ist auch mein Argument.
Davon abgesehen bin ich für Erwachsene kein Profi und kann auch nicht für jeden Fall alles dabei haben, was am Ende verfällt

WackenDoc
22.12.2019, 16:28
Ich hatte eine Weile regelmäßig einen Rettungsrucksack im Auto. Allerdings war der Inhalt von meinem Arbeitgeber bestückt und wurde auch dienstlich verwendet.
Da der ganze Kram abgelaufen ist, ist nur noch ein Verbandskasten, zusätzlich ein Tourniquet, ein Israelibandage und 2 Fleecedecken drin.

Auto da abstellen wo es sicher ist. Mit etwas Glück staut es sich eh gleich oder du hast irgendwas wo du rechts ranfahren kannst. Am wichtigsten ist eigentlich die Warnblinkanlage- die wird dann doch eher wahrgenommen als das Warndreieck zumal letzteres ne Weile braucht. Überleg halt einfach, ob man die Unfallstelle rechtzeitig sieht. Ansonsten kann man auch andere Leute einteilen.
Ob vor oder hinter dem verunfallten Auto- vermutlich ergibt es sich eh eher aus der Gesamtsituation. in Fahrtrichtung davor hätte den Vorteil dass dein Auto als Puffer dient, wenn doch jemand reinrauscht.

Notruf- eigentlich nach dem ersten Überblick. Lieber die 1-2 min für die Informationssammlung investieren. Läuft irgendwas aus? Gefahrstoffzeichen? Wo bin ich überhaupt? Du brauchst eh Zeit um dich zu sortieren (been there- linke Spur Autobahn und 4-5 Fahrzeuge vor mir hat sich ein Porsche in einen kleinen Metallwürfel verwandelt- dem Fahrer ist quasi nichts passsiert). Nicht in das Fahrerhaus klettern, wenn das Fahrzeug nicht stabil steht. Und ansonsten halt (c)-ABC-Schema abarbeiten. Damit bist dann auch schon beschäftigt genug.
Wenn Zeug ausläuft die Nummern auf der Gefahrguttafel durchgeben und fragen, ob du dran kannst. Wenn nur normaler Betriebsstoff ausläuft und nichts raucht, explodierts eigentlich auch nicht.

Achso- und wenn Fahrzeuge da verunfallen, wo sie so gar nicht hin gehören- die Möglichkeit von Sprengstoffen im Fahrzeug in Betracht ziehen.

Kandra
22.12.2019, 16:35
Ich habe einen CPR-Key am Schlüsselbund falls ich mal wen beatmen muss, ansonsten nix.

epeline
22.12.2019, 16:51
Ich habe einen CPR-Key am Schlüsselbund falls ich mal wen beatmen muss, ansonsten nix.

Hatte ich auch, bis mir mein Schlüssel neulich ins Klo gefallen ist :-oopss

Heerestorte
22.12.2019, 16:51
Ich hab nur zusätzliche Handschuhe in einen Verbandkasten getan und 5 Warnwesten.
Und eine CPR Maske am Schlüssel.

Wichtig ist auch auf die unter Schock stehenden zu achten. Nicht, dass die plötzlich wieder von der Mittelleitplanke zurück zum Auto wollen und quer über die Fahrbahn rennen.



Achso- und wenn Fahrzeuge da verunfallen, wo sie so gar nicht hin gehören- die Möglichkeit von Sprengstoffen im Fahrzeug in Betracht ziehen.
Meinst du jetzt sowas wie wenn ein Auto z.b. in ein Kaufhaus gerast ist oder eine Fußgängerzone etc?

WackenDoc
22.12.2019, 17:31
Ja, z.B. oder auf den Weihnachtsmarkt oder wenn sonstige Umstände komisch sind.

Pflaume
22.12.2019, 21:27
Ich finde, dass die Absicherung immer wieder unterschätzt wird. Wenn man an der Unfallstelle steht, hat man einen anderen Blick als derjenige, der auf die Unfallstelle zufährt (und vielleicht dabei auch nicht hundertprozentig aufmerksam ist). Außerdem unterschätzen diejenigen, die an einer Unfallstelle vorbei fahren, häufig, wie schnell sie sind, und dass da Leute rum laufen, die nicht ganz klar im Kopf sind.

Meine Meinung: Fast immer befinden sich die Leute, die sich (als Beteiligte oder Ersthelfer) außerhalb von Fahrzeugen an einer Unfallstelle befinden, in einer größeren Gefahr, weitere Schädigungen zu erleiden, als diejenigen, die sich verletzt in Fahrzeugen befinden.

Der Vorteil daran, sein eigens Fahrzeug hinter der Unfallstelle abzustellen, ist, dass man nach Anrücken der Rettungskräfte leichter in die Richtung weiterfahren kann, in die man eigentlich wollte, weil die Straße ggf. hinter einem blockiert ist und nicht vor einem. Ich stelle mein Fahrzeug aber gern vor einer Unfallstelle oder einem Pannenfahrzeug ab, bei dem ich helfen will, weil ich beim Helfen ja evtl. an dem Pannen- oder Unfallfahrzeug tätig werde. Ich bin dazu auch schon von einer Unfallstelle wieder ein Stück zurückgefahren, um mein Auto einige Meter vor der Unfallstelle abzustellen. Wenn mein Fahrzeug mit Warnblinkanlage *vor* der Unfallstelle steht, bedeutet das für denjenigen, der an die Unfallstelle heranfährt, dass er früher merkt, dass da was nicht stimmt, früher anfängt, abzubremsen, und somit an der Unfallstelle, an der ich und andere möglicherweise herumstehen, (hoffentlich) langsamer ist. Wenn es hart auf hart kommt und der nix mitkriegt und in mein Auto reinfährt, dann dürfte das in den meisten Fällen für mich immer noch besser sein, als wenn er ins verunfallte Auto reinfährt. Eventuell kann ich durch den Knall auch noch zur Seite springen. Gelegentlich bin ich auch schon an er Unfallstelle vorbeigefahren und habe es hinter der Unfallstelle, aber in Gegenrichtung, abgestellt, so dass für anfahrende Fahrzeuge noch deutlicher zu sehen ist, dass da was nicht stimmt, weil man mein Fahrzeug auf / neben der Gegenfahrbahn von vorn sieht, was selbst für den unaufmerksamen Verkehrsteilnehmer eben ein stärkeres Warnsignal ist.

Abgesehen davon wüde ich raten, irgendwelche Fragen darüber, was man tun kann oder soll, einfach dem Notruf zu stellen. Die können einem da oft viel weiterhelfen als man sich das selbst vorher theoretisch zurechtlegen und dann aber in der Situation eh nicht abrufen kann.

Rettungshase
23.12.2019, 15:23
(...)dann den Rettungsdienst alarmieren, und dann -wenn überhaupt erforderlich- endlich die Unfallstelle mittels Warndreieck absichern. Mit "wenn überhaupt erforderlich" meine ich in dem Fall: wenn die Unfallstelle z.B. hinter einer Kurve liegt. Denn einen umgefallenen LKW sehen die Fahrer des fließenden Verkehrs auf gerader Strecke ja sowieso eher, als ein im Vergleich kleines Warndreieck. Wenn das verunfallte Fahrzeug ein PKW ist, ist die Absicherung der Unfallstelle natürlich auf jeden Fall erforderlich.(...)

Es ist immer erforderlich.
Man denkt sich selbst natürlich "Das wird man ja wohl sehen."
Eben nicht. Dafür gibt es zu viele Suchergebnisse für "Ersthelfer überfahren"...
Und im Zweifel erleidet der primär Verunfallte noch mehr Schaden, weil ihm nicht geholfen wird, wenn der Ersthelfer zerfetzt auf der Straße liegt.

Auf die Ursprungsfrage antwortend, kann man pauschal sagen:
1) Auf Eigensicherung achten (inkl. Absicherung) und Notruf absetzen
2) ABCDE
Und davon arbeitet man ab, was man kann bzw. wozu man in der Lage ist

Pflaume
23.12.2019, 17:17
Es ist immer erforderlich.
Genau das dachte ich mir an dieser Stelle auch. ich wollte nur nicht noch mehr schreiben als ich eh schon geschrieben habe. Aber ein Warndreieck hat so viele Funktionen. Wenn es ein Stück weiter weg ist, kann es zum Beispiel auch dazu beitragen, dass jemand nicht hinten in ein Auto rein fährt, das vor der Unfallstelle unerwartet bremst, weil vor ihm auch schon drei andere bremsen.


Man denkt sich selbst natürlich "Das wird man ja wohl sehen."
Eben nicht.
Genau so. Gerade mit stehenden Fahrzeugen und Menschen auf der Straße rechnet man einfach nicht immer. Außerdem hat jeder, der auf eine Unfallstelle zufährt, hat ein anderes Bild, auf das er zufährt, und eine andere Aufmerksamkeit. Vor dem einen ist ein Lieferwagen, der erst in letzter Sekunde um die Unfallstelle herumfährt, und schon sieht derjenige, der hinter dem Lieferwagen war, die Sache erst zu spät. Oder es ist Gegenlicht von der auf- oder untergehenden Sonne, und der, der da ankommt, hat keine Sonnenbrille auf und wird stärker geblendet. Usw.

Ich habe selbst als erfahrener Rettungsdienstler schon erlebt, dass ich an eine als abgesichert und sortiert empfundene Einsatzstelle herangefahren bin und mir hinterher gedacht habe "im Grunde wäre es schon sinnvoll gewesen, die Straße erst mal komplett abzusperren" oder auf andere Weise noch besser abzusichern. Weil selbst Blaulicht manche Leute nicht davon abhält, relativ schnell eine Unfallstelle zu passieren (und dabei möglicherweise sogar noch in die Gegend zu schauen statt nach vorn).

Alleine dieses Wochenende:
Freitag: Habe ich als Notarzt eine Motorradfahrerin versorgt, die in den vor ihr fahrenden PKW hinten reingeknallt ist, als der angehalten hat, weil neben der Fahrbahn ein Fahrzeug auf dem Dach lag. Sie schaute nur auf das auf dem Dach liegende Fahrzeug und nicht nach vorn.
Samstag: 3 PKW fahren in eine bestehende Unfallstelle hinein (https://www.hna.de/lokales/goettingen/goettingen-niedersachsen-horrorunfall-kurz-weihnachten-tote-verletzte-dransfeld-zr-13362485.html).
Sonntag: 3 lebensgefährlich Verletzte (https://www.abendblatt.de/hamburg/polizeimeldungen/article227982503/Wildunfall-Menschengruppe-Autofahrer-Reh-Pinneberg-Landesstrasse.html?service=amp) beim Versuch, ein Reh von der Straße zu ziehen.

Das wird gerade ein bißchen off-topic, weil Relaxometrie ja eher danach fragte, was man medizinisch sinnvoll tun kann. Aber ich finde, das regelmäßige Erleben aus dem Rettungsdienst ist nicht, dass Ersthelfer an einer Unfallstelle irgendwas hätten tun können, was das Outcome des Patienten medizinisch direkt verbessert hätte, sondern das regelmäßige Erleben ist eher, dass die Gefahr, dass noch weiteres passiert, nicht ausreichend abgesichert ist, selbst wenn an der Unfallstelle ein halbes Dutzend Leute rumsteht und jede Menge Zeit gehabt hätte, mal ein Warndreieck aufzustellen oder andere Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen. Ein weiteres regelmäßiges Erleben ist, dass im Notruf entscheidende Dinge nicht korrekt erwähnt worden sind und deshalb zu wenige oder zu viele oder falsche Rettungsmittel entsandt worden sind.

WackenDoc
23.12.2019, 19:46
Der Notruf für besagten Unfall auf der Autobahn war extrem kurios. Also vor mir war noch ein RS der mit mir den Patienten versorgt hat (es wäre für den Patienten völlig egal gewesen, wenn wir gar nichts gemacht hätten.) und noch ein weiteres Fahrzeug dessen Fahrer sich am Notruf versucht hat. Ich wollte nach der Erstversorgung noch was aus meinem Auto holen und habe eben mitbekommen, dass er mit der Leitstelle telefoniert. Er war dann ganz froh drum, dass ich noch mit der LS sprechen wollte um die Patienteninfos durchzugeben. Hab den armen Kerl am anderen Ende quasi angebrüllt, weil ich selber kaum was verstehen konnte wegen dem Verkehr. War dann fertig und dann kam "ja, das ist schon gut, aber kann mir jetzt mal jemand sagen, wo überhaupt die Unfallstelle ist."
Musste dann auch noch mein Warndreieck zur Verfügung stellen, weil die Insassen des anderen Autos nihct wussten, ob sie überhaupt eins dabei haben und wenn dann wäre es irgendwo unter Mengen an Gepäck begraben gewesen. In der Zeit hatte sich der Verkehr aber auch schon ordentlich gestaut.

Und bei meinem eigenen Fahrradunfall hat die Ersthelferin steif und fest behauptet, dass ich bewusstlos wäre. Die Leitstelle muss aber mein Veto gehört haben- zumindest kam nur der RTW und kein NEF mit.

Also erst kurz durchatmen, kurz Überblick gewinnen und dann wählen.