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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kurz vor 3. STEX alles hinschmeißen?



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s4oksama
30.12.2019, 14:51
Hallo Mitgliederinnen und Mitglieder,

Ein PJler Kollege bat mich um Hilfe, da er selbst unter rezidiv. depressiven Phase leide und mir die Frage stellte, ob er doch nicht alles hinschmeißen soll. Er habe das Studium aufgrund elterlicher Wünsche aufgenommen, aber die Krankenhausarbeit würde ihn vollständig zerstören. Tatsächlich beobachte ich ihn morgens, wie er bei verschiedenen Aufgaben mehrfach würgt und erbrechen muss. Auf Nachfrage hänge das mit dem Stress zusammen. Er könne das Krankenhaus nicht mehr sehen, will aber das letzte Tertial irgendwie zu Ende bringen.

Um ehrlich zu sein konnte ich ihm nicht wirklich helfen. Ich wollte ihm nun auch nicht direkt raten wirklich abzubrechen, aber im Geheimen denke ich mir, dass das Ganze ohne Krankenhauserfahrung sehr schwierig werden wird...

nie
30.12.2019, 15:08
Ganz allgemein würde ich davon abraten, ein Studium wenige Wochen/Monate vor der Abschlussprüfung abzubrechen. Vor allem wenn man viele Jahre studiert hat. Selbst wenn er niemals als Arzt arbeiten wird. Zwingt einen ja keiner ins Krankenhaus nur weil man einen Abschluss in Medizin hat.

Letzten Endes wird er sich so oder so Gedanken um berufliche Alternativen machen müssen. Egal ob jetzt mit oder ohne Abschluss. Mit Abschluss hat man jedoch eine Rückfallebene, ohne Abschluss hat man etliche Jahre studiert und dennoch nichts in der Hand. Er muss sich halt klar machen, wo das Problem ist. Arbeit im Krankenhaus kann man je nach Fachbereich umgehen, wenn’s um Arbeit gänzlich ohne Patienten geht, wird’s zwar schwieriger aber nicht unmöglich. Ganz ohne Medizin wird die Luft halt dann irgendwann dünn. Da sollte er dann aber sich halt tatsächlich schonmal Gedanken gemacht haben, was er stattdessen will und wie er das am sinnvollsten erreicht. Auch im Bezug auf Zweitstudium usw. Wird ihm vermutlich nicht erst im PJ aufgefallen sein, dass ihm die Medizin widerstrebt.

s4oksama
30.12.2019, 15:24
Ich kaufe ihm das nicht Ganz ab, er hat sicherlich eine gewisse Affinität zur Medizin, sonst hätte er schon zuvor abgebrochen. Ich denke, dass man für die Krankenhaustätigkeit einfach eine gewisse interne Resilienz benötigt, um nicht bei jedem Schmerzensschrei des Patienten tachykard zu werden.

Ich würde ihm ja die Radiologie oder sowas empfehlen; aber verkneife es mir zu tun, da die Zukunft des Faches doch recht unsicher ist.

davo
30.12.2019, 15:33
Man kann im Gesundheitsamt arbeiten, man kann beim MDK arbeiten, man kann in einer Praxis arbeiten. Und wer z.B. in einem Krankenhauslabor arbeitet, hat trotz der ärztlichen Tätigkeit in einem Krankenhaus nicht mit den Nachteilen des Stationsalltags zu kämpfen. Es gibt durchaus Möglichkeiten, schon als Assistenzarzt dem üblichen Krankenhausalltag aus dem Weg zu gehen.

Und es klingt so, als bräuchte er eine Behandlung. In einer psychischen Ausnahmesituation kann man nicht klar denken, da sollte man keine großen Schritte wie einen Studiumsabbruch in die Wege leiten.

Intelligent wäre also: Studium abschließen, parallel dazu Behandlung aufnehmen, dann nach Remission überlegen, welche der vielen Möglichkeiten abseits des üblichen Krankenhausalltages man aufnehmen will.

JumpRopeQueen
30.12.2019, 15:53
Man kann im Gesundheitsamt arbeiten, man kann beim MDK arbeiten, man kann in einer Praxis arbeiten. Und wer z.B. in einem Krankenhauslabor arbeitet, hat trotz der ärztlichen Tätigkeit in einem Krankenhaus nicht mit den Nachteilen des Stationsalltags zu kämpfen. Es gibt durchaus Möglichkeiten, schon als Assistenzarzt dem üblichen Krankenhausalltag aus dem Weg zu gehen.

Sowohl für Gesundheitsamt als auch für MDK braucht man einen Facharzt meistens.
Welche Möglichkeiten als Assi gäbe es denn noch? Ich frage für mich persönlich, weil ich mit der Stationsarbeit ebenfalls nicht klar komme. Ich bin ja im Moment im Innere-Tertial und überlege mir ernsthaft die ganze Zeit, welche Wege es gibt der klassischen Stationsarbeit zu entgehen. Mich stören nicht die Patienten, sondern die 8 Stunden am Tag, die ich arbeiten muss. Ich komme irgendwie mit der 40h-Woche überhaupt nicht klar und merke, dass ich psychisch und körperlich (Ischialgie bds.) ziemlich darunter leide. Bin anscheinend doch nicht so belastbar, wie ich dachte.

s4oksama
30.12.2019, 16:00
Das Problem ist (auch), dass die ganzen isolierten Diagnostikfächer prinzipiell durch eine KI rasch ersetzt werden können.
Ich weiß, dass erzählt man schon seit Jahren, allerdings existieren mittlerweile die Mittel dazu. Und solange Geld den Ton angibt, befürchte ich, dass das Ganze schneller kommt als erwartet.

Versteht mich nicht falsch, ich glaube nicht, dass nun alle Labormediziner oder Radiologen schlagartig arbeitslos werden; allerdings wird sich der Bedarf wahrscheinlich ändern.

davo
30.12.2019, 16:13
Naja, das ist für mich schon etwas überängstlich. Die Mühlen der Realität mahlen langsam, und die des Gesundheitssystems noch viel langsamer. Es geht ja jetzt nicht darum, das gesamte Arbeitsleben deines Kollegen für die nächsten 40 Jahre durchzuplanen, sondern einfach nur darum, ihm den Berufseinstieg trotz einer Aversion gegen die übliche 08/15-Krankenhausarbeit zu ermöglichen. Und das wird er schaffen. Also bitte nicht deine eigenen Ängste noch auf die deines Kollegen draufsetzen, sonst wird der ja nur noch irritierter ;-)

@JRQ: Für Arbeitsmedizin braucht man 2 Jahre in der unmittelbaren Patientenversorgung, für Humangenetik 1 Jahr in der unmittelbaren Patientenversorgung, für Hygiene und Umweltmedizin 1 Jahr in der stationären Patientenversorgung, für Labormedizin 1 Jahr stationäre Innere oder Pädiatrie, für Mibi 1 Jahr in der unmittelbaren Patientenversorgung, für ÖGW 3 Jahre in der unmittelbaren Patientenversorgung. Für Patho (und Neuropatho) und Radio muss man nichts anderes machen. (Alle Angaben für Hessen, YMMV.) Und das war nur eine Auswahl. Gibt noch mehr. Möglichkeiten gibt es also viele. Man muss sie nur nutzen.

s4oksama
30.12.2019, 16:27
Das stimmt schon, ich schleuse eigentlich meine eigenen Gedanken in den Fall mit ein ;) Das muss ich zugeben.

Allerdings können wir Mediziner die Zukunft sehr schlecht abschätzen. Bei schwerkranken Patienten überschätzen wir bspw. die Prognose und sind überrascht wie schnell der Patient am Ende doch verstorben ist.

Selbstverständlich vergleiche ich hier Äpfel mit Birnen, aber die technische Entwicklung verläuft ab einem gewissen Zeitpunkt nicht (mehr) linear, sondern fast schon exponentiell.

Außerdem befürchte ich, dass ein Einstieg in den gewöhnlichen Krankenhausalltag auch später, und vielleicht sogar gerade später, kaum gelingen wird.

davo
30.12.2019, 16:31
Bei mir an der Uniklinik hat in der Inneren eine Ärztin angefangen, die vorher in einem vorklinischen Fach tätig war. Das sagt doch bitte alles über die Arbeitsmarktsituation (und die Möglichkeit einer jederzeitigen Rückkehr in die Klinik) aus. (Ob sie dann lange dort bleiben wird, sobald sie den Innere-Wahnsinn kennengelernt hat, ist eine andere Frage...)

Du machst dir anscheinend auch viel zu viele Gedanken über Dinge, die eh niemand weiß, und die auch niemand ändern kann ;-) Dann doch lieber unbeschwert leben...

s4oksama
30.12.2019, 16:40
Ja, das stimmt :) Und komischerweise sind Assi-Stellen in der Radio gar nicht mal so unbeliebt. Trotz meiner blühenden Theorie XD

s4oksama
30.12.2019, 17:04
(Gelöscht, Beitrag falsch angelegt)

s4oksama
30.12.2019, 17:05
Sowohl für Gesundheitsamt als auch für MDK braucht man einen Facharzt meistens.
Welche Möglichkeiten als Assi gäbe es denn noch? Ich frage für mich persönlich, weil ich mit der Stationsarbeit ebenfalls nicht klar komme. Ich bin ja im Moment im Innere-Tertial und überlege mir ernsthaft die ganze Zeit, welche Wege es gibt der klassischen Stationsarbeit zu entgehen. Mich stören nicht die Patienten, sondern die 8 Stunden am Tag, die ich arbeiten muss. Ich komme irgendwie mit der 40h-Woche überhaupt nicht klar und merke, dass ich psychisch und körperlich (Ischialgie bds.) ziemlich darunter leide. Bin anscheinend doch nicht so belastbar, wie ich dachte.

Das ist äußerst schwer zu beantworten. Auch wenn es ein Leichtes ist hier Patho oder Ähnliches zu empfehlen, so weiß man ja doch, dass derzeit alle medizinischen Fachgebiete kein Zuckerschlecken sind. Und das hat nichtzuletzt auch damit zu tun, dass man mit Menschen arbeitet; und in der Medizin sogar auf mehreren Ebenen...

Feuerblick
30.12.2019, 17:08
Du solltest vielleicht nicht deine pessimistische Einstellung auf deinen Kollegen projizieren. Er/sie sollte das PJ beenden, die letzte Prüfung machen und damit zumindest mal einen Studienabschluss haben. Notfalls auch mit zwischenzeitlicher psychiatrischer/psychotherapeutischer Hilfe. Was dann draus wird, ist primär egal, denn alles ist besser als ein Studium so kurz vor Ende abzubrechen. Schon gar, wenn es das letzte Tertial ist - es sich also nur noch um WOCHEN eines sechsjährigen Studiums handelt. :-meinung

s4oksama
30.12.2019, 17:24
Ja, ja, Mensch, ihr habt Recht :) Vielleicht sollte ich selbst ein wenig an meiner Prognostik arbeiten ;)

davo
30.12.2019, 17:27
Das ist äußerst schwer zu beantworten. Auch wenn es ein Leichtes ist hier Patho oder Ähnliches zu empfehlen, so weiß man ja doch, dass derzeit alle medizinischen Fachgebiete kein Zuckerschlecken sind. Und das hat nichtzuletzt auch damit zu tun, dass man mit Menschen arbeitet; und in der Medizin sogar auf mehreren Ebenen...

Wenn man diesen Ultrapessimismus wörtlich nimmt, wird man in jedem Job scheitern - egal ob Medizin oder nicht :-p

Bitte nicht deinen Kollegen noch weiter verunsichern...

s4oksama
30.12.2019, 17:47
Ich glaube, ich bin eher Realist. Das ist die Wahrheit. Vielleicht bringe ich das Ganze irgendwie zu negativ rüber, da wäre ich derartigen Kollegen auch keine wirkliche Hilfe ;) aber ich kann auch keinem KHK-Patienten verkaufen, dass man durch Stents geheilt ist oder dem Kollegen frohen Mutes berichten, dass er irgendwann wieder Spaß am Beruf haben wird.

All diese Zustände sind gewissermaßen chronisch oder rezidivierend, ich rechne nicht wirklich damit, dass er mit der Medizin (also der Berufung) glücklich sein wird. Das sollte ich ihm lieber nicht erzählen 😷

Feuerblick
30.12.2019, 17:52
Arzt ist keine Berufung sondern ein Beruf. Und in jedem Beruf gibt es Frust, Ärger... aber eben auch Interessantes und Spaß. DAS ist realistisch.

s4oksama
30.12.2019, 17:57
Naja, es ist eben wie es ist.

davo
30.12.2019, 18:03
Das mit der Berufung ist halt ein sehr hoher Anspruch. Arzt ist ein Beruf, man sollte also davon leben können und Freude daran haben - aber "glücklich" werden? Naja. Dafür gibt's andere Aspekte des Lebens.

Ich sehe mich auch als Realist. Aber halt vom glass half full Typ. Außerdem versuche ich, mich nicht über Dinge aufzuregen, die schon geschehen sind oder die ich eh nicht ändern kann. Ist einfach verschwendete Energie. Und ja, vieles kann man nicht heilen, aber dennoch gut behandeln. Mit einer guten Behandlung wird er sich wahrscheinlich allgemein besser fühlen, und wenn er dann noch, wieder gesundet, eine für ihn passende Nische findet, wird er vielleicht auch an der Medizin Begeisterung finden. Du schreibst ihn IMHO vorschnell ab :-p

McLaren422
30.12.2019, 19:32
bitte nicht hinschmeißen, Therapie suchen!

Und dass man keinen Bock auf Stationsarbeit hat, kann ich absolut verstehen. Es gibt Fächer (neben den hier genannten noch Nuk oder Strahlentherapie) wo man die Stationsarbeit auf ein Minimum reduzieren kann (1 Jahr meistens). Vllt hilft deinem Kollegen das, wenn er die Aussicht drauf hat, dass ers nicht ein Leben lang machen muss.