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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Anorexie-BMI-welcher Fachbereich ist wann zuständig



Relaxometrie
04.01.2020, 19:07
Auf einer unserer Stationen (Innere mit ca. 130 Betten) lag kürzlich eine 18-jährige Patientin mit einer Anorexia nervosa und BMI von 12,4. Ich habe es nur am Rande mitbekommen, weil ich bis vor Kurzem auf dieser Station eingesetzt war und mich kürzlich, während eines Visitendienstes an den Feiertagen, mit der dort diensthabenden Schwester verquatscht habe. Wie die Patientin überhaupt bei uns in der Inneren gelandet ist, kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall sollte sie verlegt werden; nach Schilderung des Pflegepersonals wollte man sie in die Psychiatrie verlegen, da das Anmeldeprocedere an einer psychosomatischen und auf Essstörungen spezialisierten Klinik -wo eine solche Patienten meiner Meinung nach eigentlich auch behandelt werden sollte- wohl langwierig und somit keine Option für eine Akutverlegung sei.
Abgesehen davon, daß das Krankheitsbild der Anorexie meines Wissens nach nicht in eine psychiatrische Klinik gehört, habe ich mir die Frage gestellt, ab welchem BMI eine psychiatrische Abteilung einen solchen Patienten überhaupt nehmen würde? Oder lehnen Psychiatrien Patienten mit einer Anorexie grundsätzlich, also auch unabhängig vom BMI, sowieso ab?

Zum Verlauf kann ich noch sagen, daß die Patientin bei uns wohl weiter an Gewicht verloren hat, dann auf die ITS verlegt wurde und ein Berufsbetreuer bestellt werden sollte, damit eine Zwangernährung begonnen werden kann. Das ist ja bei diesem lebensbedrohlichen BMI auch der richtige Weg. Oder würde eine Klinik für Psychosomatik auch eine Zwangsernährung durchführen, bevor dann -mit halbwegs lebenstauglichem BMI- die echten Therapien beginnen können?

jijichu
04.01.2020, 19:23
Also meine ehemalige Klinik hat bis BMI 13 abgelehnt, ab BMI 13 wurden sie aufgenommen. In meiner aktuellen hab ich jemanden mit BMI 11,3 verlegt, allerdings aus anderen Gründen, der war compliant, hatte jedoch internistische Komplikationen. Die Psychosomatischen Kliniken, die von uns Patienten übernommen hatten, haben einen BMI von mindestens 14 verlangt, alles andere wurde strikt abgelehnt.

rafiki
04.01.2020, 20:06
daß das Krankheitsbild der Anorexie meines Wissens nach nicht in eine psychiatrische Klinik gehört,

Warum denn das? Anorexie dieses Ausmaßes ist eine schwerwiegende psychische Erkrankung und gehört selbstverständlich in eine psychiatrische Behandlung. Das Hirn funktioniert in diesem Zustand in etwa so wie bei schweren hirnorganischen Störungen oder Psychosen, das heißt mit netten Gesprächen ist da nicht viel zu erreichen. Oft ist es dann ja auch eher eine Palliativbehandlung, mit so etwas beschäftigen sich Psychosomatiker eher nicht.

vanilleeis
04.01.2020, 20:33
Wir (KJP) nehmen weniger stringent an BMI orientiert, als am klinischen Zustand, insb. Perikarderguss, ansonsten gehts erst in die Kinderklinik. Psychosomatik nehmen häufig erst ab BMI 14, teilweise gibt es aber auch Komplex-/Intensivstation für geringe BMIs, z.B. in Prien. Wie rafiki schrieb, verstehe ich auch nicht, warum es kein psychiatrisches Krankheitsbild sein soll?
Bei einer Zwangssondierung brauchst Du (meines Wissen nach) auch ein Psych-KG, bzw. 1631, spätestens dann ist der Psychiater mit drin

Relaxometrie
05.01.2020, 09:36
Warum denn das? Anorexie dieses Ausmaßes ist eine schwerwiegende psychische Erkrankung und gehört selbstverständlich in eine psychiatrische Behandlung. Das Hirn funktioniert in diesem Zustand in etwa so wie bei schweren hirnorganischen Störungen oder Psychosen, das heißt mit netten Gesprächen ist da nicht viel zu erreichen. Oft ist es dann ja auch eher eine Palliativbehandlung, mit so etwas beschäftigen sich Psychosomatiker eher nicht.

Daß bei einem Patienten mit Anorexie und extrem niedrigem BMI nette Gespräch nicht helfen, ist klar. Daher ist ja auch erstmal die somatische Behandlung (Zwangsernährung) erforderlich, bevor die Therapie der Anorexia, also der zugrundeliegenden Psychopathologie, angegangen werden kann.
Während meiner knapp zweijährigen Psychiatriezeit habe ich einen solchen Fall am Rande mitbekommen und es wurde immer wieder gesagt, daß die Patientin eigentlich langfristig in eine psychosomatische Klinik gehöre. Vielleicht habe ich daraus jetzt falsch abgeleitet, daß nach der Zwangsernährung eher die Psychosomatik, als die Psychiatrie zuständig ist.

xyl15
05.01.2020, 12:46
Das ist auch mein unsystematischer Kenntnisstand.

Kaas
06.01.2020, 05:38
Bei uns gilt ein BMI von 13 als Grenze, alles darunter geht in die Somatik. An unserem Haus ist vor Kurzem eine junge Frau mit Anorexie mit einem BMI unter 13 am Refeeding Syndrom gestorben, trotz rascher Verlegung auf die ITS. Das geht schneller, als man denkt.