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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : FA Allgemeinm. - Stellen mit möglichst wenig Patientenkontakt



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miked
25.01.2020, 13:52
Hi,
ich bin rel. frisch gebackener FA für Allgemeinmedizin und arbeite gerade in einer sehr spezialisierten Praxis mit seeehr intensivem Patientenkontakt, die ich jetzt gekündigt habe. Bin nun auf der Suche nach was Neuem. Früher wollte ich immer viel Patientenkontakt, aber mittlerweile gehen mir die meisten Patienten (und noch mehr die Angehörigen) nur noch auf die Nerven. Ich habe ständig das Gefühl, dass diese von mir wollen, alle ihre medizinischen und nichtmedizinischen Probleme zu lösen bzw., dass sie mich für ihre Misere verantwortlich machen. Ständig muss man diskutieren und sich scheinbar "rechtfertigen" In der Hausarztpraxis und der ZNA der Inneren im KH fand ich es besonders schlimm, in der UCH gings einigermassen, da ich da ja viel im OP war und die Patienten intubiert waren ;-) ZNA war aber da auch furchtbar. Jetzt frage ich mich, in welchem Bereich ich als Allgemeinmediziner arbeiten könnte und dabei möglichst wenig Patientenkontakt hätte. Industrie als Allgemeiner gut mgl.? Arbeitsmedizin? Wie nervig sind da die "Patienten"? Doch noch was operatives, wobei ich da ja nochmal mehrere Jahre FA-Ausbildung inkl. ZNA-Dienste machen müsste... Mibi/patho/labor?, aber wie viel bringt mir da meine bisherige Ausbildung? MDK? Aber da ist man ja auch quasi "der Feind"...

Ich wäre für Ideen/ meinungen/ Erfahrungen sehr dankbar!

Grüsse

Feuerblick
25.01.2020, 14:01
MDK wäre eine Alternative. Und wieso wärest du der „Feind“?

WackenDoc
25.01.2020, 14:05
Äh- die Arbeitsmedizin hat auch noch mehrere Jahre FA- Ausbildung (ok, für die Zusatzbezeichnung ein Jahr, für den Facharzt 2 1/2 Jahre).

Die Arbeitsmedizin ist entgegen anderer Erwartungen ein sprechendes Fach. Es sind zwar keine Patienten, sondern Probanden oder Versicherte und ggf. Kunden (dsa sind aber eher die AG), aber Forderungen an einen hat eigentlich jeder. Wenn du dich da nicht abgrenzen kannst, bekommst du schnell Probleme.

miked
25.01.2020, 14:18
@wacken: das ist eben auch meine Befürchtung bezgl. Arbeitsmedizin und eben das Abgrenzen ist mein großes Problem...; ein bisschen zusätzliche Facharztausbildung OHNE ZNA-Dienste wäre prinzipiell kein Problem....

@feuerblick: "Feind" aus Sicht des kurativ tätigen Arztes bzw. des Patienten bei z.B Pflegegradbegutachtung; aber vielleicht habe ich auch falsche Vorstellungen vom Arbeitsalltag eines Arztes beim MDK

Feuerblick
25.01.2020, 14:21
Ich glaube auch, dass du falsche Vorstellungen hast... „Feind“ ist man selten - zumindest nicht dann, wenn die ärztlichen Kollegen aus dem kurativen Bereich wissen, in welchem Regelwerk sie sich bewegen. :-))
Problematisch kann das fehlende Abgrenzungsvermögen aber auch beim MDK werden, wenn Patientenkontakt z.B. bei AU- oder Rentenbegutachtungen notwendig wird. Das ist nicht immer so nett - je nachdem, was der Versicherte gerne hätte.

miked
25.01.2020, 14:26
Mhm, "Feind" war ja bewusst überspitzt formuliert, aber muss man sich da nicht ständig mit den kurativen und den begutachteten/ forderungen stellenden Patienten rumstreiten?

Feuerblick
25.01.2020, 14:39
Kommt auf den Bereich an... Wenn du weitestgehend Aktenlage-Gutachten schreibst (und das ist in einigen Bereichen mehr als gut möglich, weil es da um formale Vorgaben geht, die du im Patientenkontakt nicht herausfinden kannst sondern die dir vom behandelnden Arzt geliefert werden müssen - für jemanden, der keinen direkten Kontakt möchte, sind solche Abteilungen perfekt!) oder nur Verweildauer- und DRG-Gutachten, dann hast du relativ wenig mit Patienten und Ärzten persönlich zu tun. Und Krankenhausbegehungen sind fast immer auf einem professionellen Niveau, so dass man da auch seltener streitet. Wenn du mal vors Sozialgericht geladen würdest (kommt nun auch nicht sooo oft vor), dann ist das letztlich auch kein persönliches Streiten. Man streitet immer um die Sache oder ggf. über die Auslegung von Regularien.
Ein Streiten mit Versicherten oder Ärzten auf persönlicher Ebene ist hingegen selten.
Man sollte aber schon ausreichend A**** in der Hose haben, sein Gutachten nicht von persönlichen Angriffen oder Gejammer beeinflussen zu lassen. Denn natürlich werden manche Versicherte in ihren Widerspruchsschreiben unangenehm, frech und beleidigend. Aber 1. ist es nur Papier und 2. hat man notfalls eine Rechtsabteilung, die den Versicherten mal in seine Schranken weist. Beleidigen lassen muss man sich definitiv nicht. Sollte man aber mit einem Gutachten falsch gelegen haben (auch Gutachter sind nur Menschen), dann kann man selbstverständlich im Widerspruch sein Urteil revidieren.
Kurz: Ja, es gibt natürlich auch beim MDK unangenehme zwischenmenschliche Kontakte. Aber die sind zum einen davon abhängig, was genau man begutachtet und zum anderen bei weitem nicht so häufig wie in einer Praxis und meist ganz gut beizulegen.

WackenDoc
25.01.2020, 14:57
Wenn dein Problem das Abgrenzen ist, dann solltest du daran arbeiten. Wenn du Arzt bist, wird immer jemand was von dir wollen.

Bei uns geht´s ja. Das Hauptgeschäft sind ja die Vorsorgen und da geht es um nichts. Hauptproblem ist da eigentlich die Terminvergabe, wenn die Kapazitäten knapp sind. Das trägt die Hauptlast bei uns aber z.B. die Dispo.
Spannender sind schon Eignungen. Oder wenn es um die Bescheinigungen von Einschränkungen etc. geht. Oder Firmenchefs die was von einem wollen, für das man nicht zuständig ist. Man darf sich halt von keiner Seite zum Erfüllungsgehilfen machen.

Bei mir speziell muss man immer mal mit Meckereien über die eigentliche BG klar kommen. Manche Angelegenheiten lassen sich niederschwellig klären oder zumindest erklären ,aber an sich sind wir schlichtweg nicht zuständig und das muss man auch so kommunizieren.

Feuerblick
25.01.2020, 15:03
Man darf sich halt von keiner Seite zum Erfüllungsgehilfen machen.Das unterschreibe ich für den MDK auch. :-)

Reflex
25.01.2020, 18:04
Bei Problemen sich Abgrenzen zu können hilft eher eine Psychotherapie und meist weniger ein neuer Job...

miked
25.01.2020, 20:49
Vielen Dank erstmal für die aufschlusssreichen Antworten!
Zum Thema Abgrenzung:
@Reflex: das mit der PT zur Verbesserung der Abgrenzungsfähigkeit ist ein guter Vorschlag und wird sicher bei manchen zu einem gewissen Grad eine deutliche Verbeserung heribeiführen können;
ohne jetzt in die Tiefe gehen zu wollen, kann ich dir jedoch sagen, dass ich schon so einiges durch hab und bei mir biografisch- und persönlichkeitsbedingte Ursachen das Erlernen einer ausreichenden Abgrenzungsfähigkeit stark erschweren; ich will icht sagen, dass es unmöglich wäre, aber ich glaube, dass der Wechsel in einen Bereich, in dem diese Fähigkeit weniger gefordert wird als beispielsweise in der Allgemeinmedizin, die einfachere und perspektivisch gesündere Alternative für mich sein könnte; in anderen Worten, ich habe die Option, mich und meine Persönlichkeit so zurechtzubiegen, dass es bezüglich Abgrenzung keine größeren Probleme mehr geben dürfte , aufgegeben.

Trotzdem vielen Dank für deinen TiP!

Ich bitte dennoch darum, in diesemThread keine Vorschläge zu machen, wie ich mich meiner jetzigen Tätigkeit anpassen könnte, sondern alternative Fachrichtungen/ Berufsfelder aufzuzeigen, in denen der Patientenkontakt auf ein erträägliches Maß reduziert ist und eher zu meinen Vorstellungen passe könnten. Vor allem Erfahrungsberichte von Leuten, die einen kompletten Fahrichtung hinter sich haben, wären hier interessant; Grüße

ProximaCentauri
25.01.2020, 21:09
Ich kenne jemanden, der noch die Ausbildung zur medizinischen Codierung gemacht hat, je nach dem wird einem das vom Arbeitgeber direkt bezahlt, die Person hat dann zuerst einfach als ärztlicher Codierer gearbeitet, und dann dort eine Managementposition eingenommen. Klinische Erfahrung ist dafür sehr wichtig, aber man hat 0 Patientenkontakt.

WackenDoc
25.01.2020, 21:54
Ja, aber da wollen ja andere Leuter wieder was von einem.

Edit: Ich glaube unter den Voraussetzungen ist Arbeitsmedizin nichts für dich.

JumpRopeQueen
26.01.2020, 05:55
Wie wäre es mit quereinsteigen in die Labormedizin oder MiBi? Ich bin gerade selber am Überlegen was ich machen soll, wenn ich den zwischenmenschlichen Kontakt (nicht nur zu Patienten, sondern auch zwischen Berufsgruppen) auf Dauer nicht ertrage.
Für Labormedizin braucht man ja noch 3 Jahre? 2 Jahre patientenbezogen hast du.

Reflex
26.01.2020, 07:00
Vielen Dank erstmal für die aufschlusssreichen Antworten!
Zum Thema Abgrenzung:
@Reflex: das mit der PT zur Verbesserung der Abgrenzungsfähigkeit ist ein guter Vorschlag und wird sicher bei manchen zu einem gewissen Grad eine deutliche Verbeserung heribeiführen können;
ohne jetzt in die Tiefe gehen zu wollen, kann ich dir jedoch sagen, dass ich schon so einiges durch hab und bei mir biografisch- und persönlichkeitsbedingte Ursachen das Erlernen einer ausreichenden Abgrenzungsfähigkeit stark erschweren; ich will icht sagen, dass es unmöglich wäre, aber ich glaube, dass der Wechsel in einen Bereich, in dem diese Fähigkeit weniger gefordert wird als beispielsweise in der Allgemeinmedizin, die einfachere und perspektivisch gesündere Alternative für mich sein könnte; in anderen Worten, ich habe die Option, mich und meine Persönlichkeit so zurechtzubiegen, dass es bezüglich Abgrenzung keine größeren Probleme mehr geben dürfte , aufgegeben.

Trotzdem vielen Dank für deinen TiP!

Ich bitte dennoch darum, in diesemThread keine Vorschläge zu machen, wie ich mich meiner jetzigen Tätigkeit anpassen könnte, sondern alternative Fachrichtungen/ Berufsfelder aufzuzeigen, in denen der Patientenkontakt auf ein erträägliches Maß reduziert ist und eher zu meinen Vorstellungen passe könnten. Vor allem Erfahrungsberichte von Leuten, die einen kompletten Fahrichtung hinter sich haben, wären hier interessant; Grüße

Ich fürchte nur, dass der Job egal ist. Denn selbst in Patientenfernen Fächern wird es immer fordernde und für Dich dementsprechend unangenehme Mitmenschen (Vorgesetzte, Kollegen, Probanden, zuarbeitende Fachrichtungen) geben. Es mag kurzfristig attraktiv sein solche Kontakte zu minimieren und solche Situationen zu meiden. Langfristig wird es Dich aber in der zwischenmenschlichen Interaktion noch unsicherer machen. Denn das Problem der fehlenden Abgrenzungsfähigkeit wird Dich auch in alle anderen Jobs begleiten.

miked
26.01.2020, 09:50
Sicher, das Problem wird in jedem Job bestehen, die Frage ist nur, in welchem Ausmaß; es ist schon ein Unterschied, ob ich 90 % des tages im op/vor dem mikroskop/ vor owtrischalen sitze und die restlichen 10 % mich mit iwelchen leuten rumärgern muss oder ob das verhältnis wie beim hausarztdasein genau andersrum ist

miked
26.01.2020, 09:53
Wenn ich abends nach Hause komme, will ich oft nichts mehr sehen oder hören, meine sozialen Kontakte sind deshalb auch kaum noch vorhanden, obwohl ich früher ein seeehr reges sozialleben führte...

miked
26.01.2020, 10:11
..... Langfristig wird es Dich aber in der zwischenmenschlichen Interaktion noch unsicherer machen.

Ich denke auch nicht, dass es Unsicherheit in der zwischenmenschlichen Interaktion ist, im Gegenteil, ohne jetzt prahlen zu wollen, klappt diese eigentlich sehr gut und ich bin bei den Patienten sehr beliebt; es strengt mich nur sehr an und ich kann dieses "es sind immer nur die anderen Schuld und ICH habe doch das Recht dazu und MIR zahlt die Krankenkasse nichts weil MERKEL die ganzen SCHMAROTZER ins Land geholt hat und für MICH doch das Sozialamt die ganze Zeit Kassenbeiträge gezahlt hat usw." *sarkasmus off*
In anderen worten: der Egoismus und die Dummheit vieler Patienten gepaart mit ständigen Schuldzuweisungen und mangelnder Selbstreflexion gehen mir einfach mittlerweile mächtig auf die E**r ; klingt vielleicht arrogant, ist aber leider so

daCapo
26.01.2020, 11:12
Wie wäre es mit quereinsteigen in die Labormedizin oder MiBi? Ich bin gerade selber am Überlegen was ich machen soll, wenn ich den zwischenmenschlichen Kontakt (nicht nur zu Patienten, sondern auch zwischen Berufsgruppen) auf Dauer nicht ertrage.
Für Labormedizin braucht man ja noch 3 Jahre? 2 Jahre patientenbezogen hast du.

Letztendlich wird man in allen Disziplinen Anfragen haben. Labor/Mibi/Transfusionsmedizin/Radiologie sind hier Optionen.

In der Strahlentherapie gibt es viel Kontakt zu anderen Berufsgruppen/Kollegen anderer Fächer und auch Patientenkontakt. Im ambulanten Bereich ist das ein erfüllender Beruf. Daneben beschäftigt man sich mit der Auswertung von CT/MRT/PET Bildern zur zum Teil komplexen Planung der Therapien. Also eine Mischung aus Onkologie und Radiologie. Ich würde den Kontakt/abwechslungsreiche Arbeit vermissen.

Der stationäre Bereich ist vollkommen anders: Patienten und ihre Angehörigen treten (teilweise) aggressiver und fordernder auf, es gibt zahlreiche soziale Probleme, die Berufsgruppe Pflegepersonal kann (je nach Hausstandards/Personenabhängig) ebenso sehr fordernd und unprofessionell werden. Es gibt allerdings besser organisierte Häuser. Die Arbeit auf Station ist nicht abwechslungsreich und repetitiv. Planung macht man dort aus Zeitgründen kaum bis eher garnicht. Auf der Station arbeiten die Kollegen im 1. WB-Jahr oder man rotiert dorthin (für 3-6 Monate) um anderen Kollegen die Rotation in die Ambulanz zu ermöglichen.

escitalopram
26.01.2020, 11:31
Wie hast du den FA durchgezogen, wenn du den Patientenkontakt hasst? Immerhin waren das 5 Jahre und Innere stationär ist mindestens genau so sprechend wie HA-Praxis. Ich würde bei deiner nächsten Entscheidung zusehen, dass du ein Fach wählst, das du tatsächlich magst. Ich merke das gerade jetzt am Beginn der FA-Weiterbildung, was das für ein Unterschied ist, wenn man gerne arbeiten geht, im Vergleich zum PJ oder den Blockpratika, die mich zu 90 % nicht interessiert haben.


es strengt mich nur sehr an und ich kann dieses "es sind immer nur die anderen Schuld und ICH habe doch das Recht dazu und MIR zahlt die Krankenkasse nichts weil MERKEL die ganzen SCHMAROTZER ins Land geholt hat und für MICH doch das Sozialamt die ganze Zeit Kassenbeiträge gezahlt hat usw." *sarkasmus off*
In anderen worten: der Egoismus und die Dummheit vieler Patienten gepaart mit ständigen Schuldzuweisungen und mangelnder Selbstreflexion gehen mir einfach mittlerweile mächtig auf die E**r ; klingt vielleicht arrogant, ist aber leider so

Das ist nicht arrogant; ich denke, jeder hat im Alltag mehr oder weniger mit Menschen niedrigen sozioökonomischen Status zu tun. Da muss man sich abgrenzen können oder das aktiv lernen (können übrigens Psychiater sehr gut). Ewige Diskussionen bringen wenig und mit einigen Techniken kann man Gespräche sinnvoll führen.

Wie wäre es mit einer Privatpraxis? Bisher zeigen mir meine Erfahrungen, dass P-Patienten natürlich fordernd sein können, aber meistens gesundheitsbewusster und offener sind.