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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : 1.Stelle Psychiatrie kündigen? Bitte um Rat



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Martidoc
14.04.2020, 12:05
Hallo liebe Leute!

Hatte gehofft, dass die Ostertage Besserung bringen aber dem ist nicht so. Daher schreibe ich euch einen schnellen Text in der Mittagspause.

Ich hatte im Studium eine 4 wöchige Famulatur in der Psychiatrie absolviert und es damals interessant gefunden. War damals 2,5 Wochen auf der offenen, 1 Woche auf Akut und 3 Tage auf Geronto. Offene Psychotherapiestation hatte mir gut gefallen, Geronto hat mir nicht gefallen und Akut war ok. Scheinbar habe ich auf Akut aber damals eine wirklich gute, ruhige Woche erwischt. Auf Sucht konnte ich keine Erfahrung sammeln.

Habe am 15.März in der Psychiatrie angefangen, habe also jetzt 4 Wochen hinter mir. Das Problem ist, dass mir die Akutpsychiatrie gar nicht zusagt. Hohes Aggressionspotenzial, ständig Zwangsmaßnahmen mit Fixierungen, Medikation, tätliche Auseinandersetzungen zwischen Patienten und teils Personal, ständiges Hämmern und Treten gegen Türen, schreie und Rufe zwischendurch, teils verwahrloste Patienten etc.

Das Positive ist, dass Kollegen sehr nett sind und Arbeitszeiten meist einzuhalten sind.

Ich überlege eigentlich schon seit den ersten Tagen ob ich nicht doch ein anderes Fach machen soll da ich mir irgendwie nicht vorstellen kann, dass mir Akut jemals zusagen könnte. Und die Dienste bestehen ja letztlich fast ausschließlich aus Akutpsychiatrie.

Also stellt sich die Frage: Lieber schnell und schmerzlos kündigen und anderes Fach probieren oder Augen zu und durch und hoffen , dass es irgendwie besser wird und offene/Psychotherapie dann doch mein Ding werden? Bin für jeden Ratschlag dankbar.

Nulllinie
14.04.2020, 12:09
Letztenendes eine Entscheidung, die nur du alleine treffen kannst.
Schon einmal einen Klinikwechsel in Betracht gezogen?
Oder, wenn dich die offenen Psychotherapiestationen interessieren, einen Wechsel in die Psychosomatik?

Martidoc
14.04.2020, 12:33
Klinikwechsel denke ich würde nicht allzuviel bringen, da die anderen Kliniken in der Umgebung eher dafür bekannt sind noch schwierigeres Klientel zu haben. Denke es ist zwischen "Augen zu und durch" oder "schnelle Kündigung und Fachwechsel".

Ich denke ich könnte mich durch die Akutrotation irgendwie schleppen, aber ich frage mich halt ob der Aufwand Sinn macht, da ich in allen Diensten wieder Akut hätte. An unserem Haus sind es 4 Dienste im Monat. Ist halt die Frage ob ich mich damit anfreunden kann auf die nächsten Jahre , zumindest in den Diensten, immer wieder akut zu machen.....ist schwierig abzuschätzen finde ich.
Macht Psychiatrie-Weiterbildung mit 0% Affinität zu Akutpsychiatre Sinn?

Alternativ kämen Psychosomatik (keine Famulaturerfahrung), oder KJP (2-wöchige Famulatur aber leider auch "nur" im offenen Setting---ist Akut in KJP vergleichbar mit Erwachsenenpsychiatrie?)....in Frage.

Nulllinie
14.04.2020, 12:40
Versteh mich bitte nicht falsch, aber wie soll denn den Patienten geholfen sein, wenn du dich durch die "Akutrotation schleppst"?
Was genau hat dir denn an Psychiatrie gefallen? Also ausschließlich eine bestimmte psychotherapeutische Richtung? Oder wie kam es zu der Idee Psychiatrie zu machen?

Ich vermute du hast aktuell Urlaubssperre als Anfänger und kannst daher nicht anderweitig hospitieren, oder?

Martidoc
14.04.2020, 12:59
Ich seh das ähnlich wie Du JenRic. Den Patienten ist damit sicherlich nicht geholfen.

Ich hatte die damalige Famulatur insgesamt in meinem Gedächtnis als positiv verbucht. KJP ebenfalls. Zudem fand ich beim Lernen für das Examen die psychiatrischen Fälle immer am interessantesten zu lesen. Hatte mir auch ein Lehrbuch Psychiatrie zugelegt das ich teilweise durchgearbeitet hatte. Im Vergleich zu den anderen Famulaturen (u.a. Allgemeinmedizin, Anästhesie, Chrirugie) fand ich halt Psychiatrie einfach besser. Ich hatte aber sonst keine ausgedehnteren Erfahrungen in dem Fachbereich.

Jap, hospitieren aktuell wegen Urlaubssperre nicht drin.

Martidoc
14.04.2020, 13:03
Ich denke meine Frage ist am ehesten ob die Weiterbildung Psychiatrie mit scheinbar kaum vorhandener Affinität zu Akutpsychiatrie Sinn macht? Oder gehe ich richtig in der Annahme, dass dadurch das Akut (zumindest in den Diensten) durchgehend vorkommt und präsent sein wird und daher dass ganze Unternehmen früher oder später eher frustran sein wird?

geisterhome
14.04.2020, 13:42
Pass bitte auf, wenn die denken das es "verrueckt" es das man eine solch gute Stelle kuendigt landest du ruckzuck in der dortigen Geschlossenen.

Pflaume
14.04.2020, 13:48
Wo hast du denn PJ gemacht und wie hat dir das gefallen? Was wären die von dir gesehenen Alternativen zur Psychiatrie?

Ich fände es vorschnell, nach 4 Wochen die Flinte ins Korn zu werfen. An vieles, was einem anfangs schwer fällt, gewöhnt man sich mit der Zeit doch und sieht es nach ein paar Monaten oder Jahren ganz anders.

Martidoc
14.04.2020, 13:49
Pass bitte auf, wenn die denken das es "verrueckt" es das man eine solch gute Stelle kuendigt landest du ruckzuck in der dortigen Geschlossenen.

Sorry, stehe etwas auf dem Schlauch....wie meinst Du das? Bzw. hast Du auch Erfahrungen in der Psychiatrie gesammelt?

Martidoc
14.04.2020, 14:07
Wo hast du denn PJ gemacht und wie hat dir das gefallen? Was wären die von dir gesehenen Alternativen zur Psychiatrie?

Ich fände es vorschnell, nach 4 Wochen die Flinte ins Korn zu werfen. An vieles, was einem anfangs schwer fällt, gewöhnt man sich mit der Zeit doch und sieht es nach ein paar Monaten oder Jahren ganz anders.

PJ habe ich in der Augenheilkunde gemacht. Fand ich insgesamt nicht schlecht, wäre denkbar.
Das Chirurgie-Tertial hat mir nicht gefallen (UC noch am ehesten, GC und AC gar nicht). Innere fand ich insgesamt ganz ok, aber die Arbeitsbedingungen waren schon heftig (Arbeiten im Akkord, Assis bis abends da).

Alternativen über die ich gerade nachdenke wären Psychosomatische Medizin oder KJP. Ich frage mich halt bei KJP ob der Akutbereich auch so heftig ist wie in der Erwachsenenpsychiatrie. Ansonsten noch am ehesten klinisch-theoretische Fächer.

@Pflaume: Arbeitest Du auch in der Psychiatrie?

vanilleeis
14.04.2020, 15:07
KJP akut ist nicht vergleichbar mit Erwachsenen. Du hast keine Gerontopatienten, weniger chronifizierte Psychotiker und Sucht ist auch nochmal deutlich anders vom Chronifizierungsgrad her.
Trotzdem auch Fixierungen, Geschrei, etc, aber im Vergleich sicher seltener.
Aber dafür sinds halt Kinder: Du musst viel Elternarbeit machen, Eltern müssen mit allem (theoretisch mit jeder Gabe Ibuprofen z.B.) einverstanden sein, Du hast ständig Ärger mit den Jugendämtern, bist oft ein Sozialarbeiter mit Approbation, ehrlich gesagt öfter sogar Jugendhilfeersatz als Arzt.
Psychotherapie bei Kindern ist auch nochmal was ganz anderes als bei Erwachsenen, falls es das ist, was Dich am Fachbereich reizt.
Du musst für Dich rausfinden, was Du willst. Falls es eher das therapeutische ist, würde ich eher Richtung Psychosomatik als KJP schwenken

roxolana
14.04.2020, 15:30
Ich würde dir empfehlen: Ziehe die Probezeit durch, wenn es nicht allzu schlimm ist. Wenn du dich immer noch so fühlst, dann kündige zum Ende der 6 Monate und such dir was Anderes: Psychosomatik, KJP.

Pflaume
14.04.2020, 15:32
@Pflaume: Arbeitest Du auch in der Psychiatrie?

Nein, habe da auch nie gearbeitet, sondern hauptsächlich in der Inneren. Aber dass sich die Einstellung zu Bereichen der Arbeit, die man anfangs nicht mag, im Lauf der Zeit ändern kann, ist glaube ich fachunabhängig. Genau wie die Tatsache, dass jeder Einstieg erst mal ganz schön hart ist.

Man sollte schon aufpassen, dass man nicht etwas macht, an dem man kaputt geht. Und wenn man sich sicher ist, dass man falsch ist, kann man auch gehen. Aber solange es aushaltbar ist und man nur über die Art der Arbeit überrascht ist / den Eindruck hat, damit nicht so gut zurecht zu kommen wie erwartet, würde ich in den meisten Fällen dazu raten, sich die Sache schon eher 6-12 Monate anzuschauen und vorher nicht aufzugeben.

Ich habe zum Beispiel eine Menge neue Kollegen erlebt, für die Notfälle, in denen man schnell handeln muß, erst der Horror waren, und dann nach einer Weile machte es ihnen Spaß.

Martidoc
14.04.2020, 15:33
Vielen Dank für die Antworten.

Gibt es denn eurer Meinung nach einen Zeitraum dem man dem Fach geben sollte bevor man wechselt? Also sollte man irgendwie 3 oder 6 Monate durchhalten und dann nochmal neu bewerten? Ich bin insgesamt irgendwie ratlos und die Situation ist dann auch insgesamt belastend (wenn man nicht weiß wohin es gehen soll).

Martidoc
14.04.2020, 15:33
Ich würde dir empfehlen: Ziehe die Probezeit durch, wenn es nicht allzu schlimm ist. Wenn du dich immer noch so fühlst, dann kündige zum Ende der 6 Monate und such dir was Anderes: Psychosomatik, KJP.

ok, Danke

Martidoc
14.04.2020, 15:33
Nein, habe da auch nie gearbeitet, sondern hauptsächlich in der Inneren. Aber dass sich die Einstellung zu Bereichen der Arbeit, die man anfangs nicht mag, im Lauf der Zeit ändern kann, ist glaube ich fachunabhängig. Genau wie die Tatsache, dass jeder Einstieg erst mal ganz schön hart ist.

Ok ich verstehe.

roxolana
14.04.2020, 15:43
Vielen Dank für die Antworten.

Gibt es denn eurer Meinung nach einen Zeitraum dem man dem Fach geben sollte bevor man wechselt? Also sollte man irgendwie 3 oder 6 Monate durchhalten und dann nochmal neu bewerten? Ich bin insgesamt irgendwie ratlos und die Situation ist dann auch insgesamt belastend (wenn man nicht weiß wohin es gehen soll).

Einerseits würde ich es davon abhängig machen, was du dir wofür anrechnen lassen kannst (z.B. kannst du dir 6-monatige Psychiatrieabschnitte ziemlich sicher sowohl für Psychosomatik als auch für KJP anrechnen lassen, aber schau noch mal in die WBO deines Bundeslandes). Andererseits würde ich schon auf deine psychische Gesundheit achten. Wenn es gar nicht geht, dann kündige schon früher. Aber du kannst dich zur Not auch zwischendurch oder am Ende für ein paar Wochen krankschreiben lassen, wenn es zu sehr an deiner Substanz nagt. Oder frag, ob du nicht doch vorzeitig in eine andere Abteilung rotieren kannst.

davo
14.04.2020, 16:04
Für mich war Psych auch immer ein heißer Kandidat, hab in dem Fach hospitiert, famuliert und PJ gemacht - und auch einen Monat Famulatur in der KJP gemacht. Mein Eindruck war/ist immer, dass Psych je nach Abteilung sehr unterschiedlich ist. Gerade was die Zwangsmaßnahmen anbelangt. Das zeigen auch die Statistiken zu Zwangsmaßnahmen, die in der Schweiz z.B. im Rahmen des ANQ öffentlich sind. Da gibt es enorme Unterschiede von Abteilung zu Abteilung.

Hängt zum Teil von der Umgebung ab (Großstadt vs. Kleinstadt), aber auch von baulichen Gegebenheiten (im PJ war ich z.B. auf einer Abteilung, die teils Vierbettzimmer hatte und sehr klein war, wenige Möglichkeiten, sich zurückzuziehen bot) und von der jeweiligen Abteilungskultur (das fängt IMHO mit Details an, z.B. damit, wie Aufnahmen gestaltet werden, wieviele Leute präsent sind, wie mit angespannten Patienten gesprochen und umgegangen wird, etc.).

Deine Schilderung klingt schon etwas extrem. So wie du das beschreibst, hab ich das nicht einmal in der Großstadtpsychiatrie in einem sozialen Brennpunkt erlebt. Fragt sich natürlich, ob das daran liegt, dass wir dasselbe unterschiedlich wahrnehmen, oder daran, dass es bei dir tatsächlich besonders schlimm ist.

Wie ein erfahrener Oberarzt mal ganz pragmatisch zu mir meinte: Wenn du Psych machen willst, musst du da halt als Assistenzarzt durch. Nachher kannst du eh machen, was du willst - Psychotherapiestation, Praxis, Ambulanz, Tagesklinik, o.ä.

Bei Psychosomatik würde mich abschrecken, dass es das Fach nur in Deutschland gibt. Damit legt man sich IMHO sehr stark fest. Außerdem finde ich klassische psychosomatische Patienten oft "anstrengender" und "weniger spannend" als klassisch psychiatrische Patienten, z.B. in der Psychose.

KJP ist wirklich eine ganz andere Welt. Ich hab eine Famulatur in der KJP gemacht, und mein erster Eindruck war ähnlich dem, was vanilleeis geschrieben hat:


Du [...] bist oft ein Sozialarbeiter mit Approbation, ehrlich gesagt öfter sogar Jugendhilfeersatz als Arzt.

Aber auch da gilt natürlich: Muss sich jeder selbst anschauen.

Drei Monate würde ich der Abteilung aber schon geben.

P.S.: Nach einem Dienst könnte man einen Hospitationstag vereinbaren. Wäre zwar anstrengend, aber bei geographischer Nähe evtl. machbar.

Nessiemoo
14.04.2020, 17:15
Es ist natürlich schwierig sowas für jemanden anderen "entscheiden" zu können, weil letzendlich kannst nur du wissen, wie kaputt dich diese Stelle macht. Es würde schon Sinn machen nach vier Wochen mindestens sechs Monate durchzuhalten, weil dann kannst du es auf andere Weiterbildungen z.B Allgemeinmedizin anrechnen lassen. Wenn du danach noch z.B sechs Monate in der Psychosomatik bist, hast du auch z.B das Fremdjahr für Neuro absolviert.
Aber klar, wenn irgendwannmal du so tiefst unglücklich bist, dass deine eigene Gesundheit drunter leidet, dann pfeift man halt auf die Weiterbildungszeit und wechselt so. Drei Monatsabschnitte kann man auch auf Allgemeinmedizin anerkennen.

BoBWheeler
14.04.2020, 17:23
KJP

Bei Fragen wegen KJP - schreib mir eine PN, ich gurke dort herum. :-) Erwachsenenpsy könnte ich nicht machen, allein schon wegen der ganzen chronischen Fälle und der vielen Drehtüren.