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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Doktorarbeit parallel zur Arbeit?



Melina93
22.04.2020, 11:43
Ich stehe kurz vor Ende meines Studiums und habe mich schweren Herzens dazu entschieden meine experimentelle Doktorarbeit abzubrechen. Die Betreuung war am Ende eine Vollkatastrophe, bereits erhobene Daten waren verschwunden und meine Doktormutter fand es "spannend" gefühlt alle vier Wochen mein Thema zu verändern. Ich kam trotz Freisemester nicht wirklich voran meine Doktormutter hat sich lieber um andere Projekte gekümmert und mir teilweise Monate nicht geantwortet. Das hat mich erst einmal sehr demotiviert, promovieren würde ich mittel- bis langfristig trotzdem gerne.

Meint ihr es macht Sinn sich primär an Unikliniken zu bewerben wenn man noch promovieren möchte?
Oder ist diese Türe ohnehin zu, da diese eine bereits begonnene Dissertation verlangen?
Man darf ja nur eine bestimmte Zeit an der Uni angestellt sein ohne Dr. Titel , oder? Verlangen sie dann eher, dass man ihn macht (bei Ihnen) oder wird man da eher vor die Türe gestellt? Wie sind da eure Erfahrungen?

Macht es Sinn dies zu Beginn bereits zu kommunizieren oder würdet ihr euch da eher zurückhalten?

Bitte zerfleischt mich nicht für meine, vielleicht dummen, Fragen. Ich würde nur gerne eure Erfahrungen und Meinungen hören, um mir ein besseres Bild machen zu können.

Bonnerin
22.04.2020, 13:25
Ich kann da jetzt nur für mich sprechen:

In meinem Bewerbungsgespräch an der Uni wurde schon recht viel nach meiner Diss gefragt, an der ich momentan arbeite. Dass es ein völlig anderes Fachgebiet war, hat keine Rolle gespielt.
Es folgte auch der ausdrückliche Hinweis, dass man als nicht-promovierter Arzt nur befristet eingestellt wird (6 Jahre, plus ein Jahr für jedes Kind, dass ich bekommen würde). Eine Entfristung des Vertrags könne nur nach erfolgter Promotion erfolgen. Ich würde vermuten, dass das Thema so oder so fallen wird. Aber dann solltest du vermutlich vorbereitet sein und wissen, woran in der Klinik hauptsächlich geforscht wird. Manche Stellenanzeigen enthalten ja sogar bereits den Hinweis auf die Möglichkeit der Dissertation und eventuell der Habilitation.

Da ich in der Abteilung PJ gemacht habe, kenne ich natürlich auch einige der Assistenzärzte. Vielleicht ein Drittel hatte zu dem Zeitpunkt, als ich da war, das Dr. med. auf dem Namensschild stehen. Viele waren aber aktiv mit der Doktorarbeit beschäftigt, teils in anderen Abteilungen, teils in der gleichen Klinik. Die Kollegen, die in der gleichen Abteilung an der Diss gearbeitet haben, sind auch öfters mal freigestellt worden, damit die Forschung vorangetrieben wird.
Ähnliches habe ich auch in der Abteilung der Uniklinik-Chirurgie erlebt, in der ich mein Chirurgie-Tertial gemacht habe. Da wurden die Leute durchaus auch mal für ein paar Wochen komplett im Labor eingeteilt. Klar, im Krankheitsfall mussten sie dann natürlich in den OP oder die Station schmeißen, aber das war eher die Ausnahme als die Regel.

Ich würde auf jeden Fall eine klare Kommunikation empfehlen, egal, ob du in der Abteilung auch promovieren willst oder nicht. Verschweigen kommt da halt einfach nicht gut, denke ich, es wird ja so oder so früher „rauskommen“.

milz
22.04.2020, 13:30
Bewerbe dich an Unikliniken, wenn du dahin willst, auch die suchen m.E. Personal (außer Berlin oder München vielleicht).
Nicht für alle Ärzte gilt das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, es kommt auf den Vertrag an.
Und 6 Jahre an der Uni sind in jedem Fall möglich.
Schau dir mal die Homepage der Abteilungen der versch. Unikliniken an, da wirst du auch Unpromovierte finden.

Melina93
22.04.2020, 13:47
Ich habe nur etwas die Befürchtung, dass es nicht gut kommt wenn ich meine abgebrochene Arbeit erwähne. Wobei ich selbstteflektiert nicht behaupten würde es lag an meiner Motivation. Aber möglich, dass man es mir so auslegen könnte.
Ich habe selber im Studium viel in der Lehre mitgearbeitet und finde Forschung an sich auch spannend und könnte mir deshalb generell eine Uniklinik vorstellen. Die Dissertation an sich wäre jetzt also nicht der einzige Punkt für eine Uniklinik.
Meine Doktormutter hatte selbst zwei Doktoranden, die als Assitenzärzte bei ihr promovieren, da ihr Vertrag sonst nicht verlängert wird. Das waren aber zwei Kollegen aus einer anderen Stadt, sodass sich mir die Frage gestellt hat, ob sie an ihrer Klinik schlicht keine Disseration angeboten bekommen haben?
Ich fand es ja während des Studiums schon außergewöhnlich schwierig überhaupt an eine Arbeit zu kommen, sodass ich nicht einschätzen kann, ob es gar dreist rüberkommt als Assistenzarzt mehr oder weniger danach zu fragen? Allerdings müsste die Uniklinik ja auch ein Interesse an meiner Promotion haben, oder sehe ich das zu naiv?

Bonnerin
22.04.2020, 14:10
Naja, ob du halt explizit sagen willst „Nein, ich habe kein Diss begonnen/gemacht im Studium“ und damit halt offensichtlich lügen willst ist natürlich deine Entscheidung. Ich persönlich fände das zu heikel, weil man durchaus ja rausfinden kann, ob und wo du im Labor warst. Ob sich die Abteilung diese Mühe machen will ist natürlich eine andere Frage.

Ja, die Uniklinik will ja eigentlich schon, dass die Leute die beiden vielsagenden *hust* Buchstaben auf dem Schild stehen haben. Darum würde ich mich auch da bewerben, wenn du da hin willst. Und halt definitiv schauen, was in den Abteilungen so geforscht wird, falls das Thema drankommt (was es sicherlich wird).

Feuerblick
22.04.2020, 14:13
Ich würde da offensiv mit umgehen. Sag doch, dass du dich unter anderem an einer Uni beworben hast, weil du sehr gerne noch promovieren möchtest, es aber aufgrund einer ungünstigen Konstellation bisher nicht geklappt hat. Damit dürften deine Chancen im Vergleich zu den Leuten, die schon an einer Diss dran sind, nicht wirklich schlechter werden... Es kommt halt auch immer auf das Fach an, in dem du arbeiten willst, ob die fehlende Doktorarbeit grundsätzlich ein Problem ist oder ob man da sehr offen ist und gerne seine Assistenten nebenher noch an der Diss basteln lässt.

Melina93
22.04.2020, 14:34
Naja, ob du halt explizit sagen willst „Nein, ich habe kein Diss begonnen/gemacht im Studium“ und damit halt offensichtlich lügen willst ist natürlich deine Entscheidung. Ich persönlich fände das zu heikel, weil man durchaus ja rausfinden kann, ob und wo du im Labor warst. Ob sich die Abteilung diese Mühe machen will ist natürlich eine andere Frage.

Ja, die Uniklinik will ja eigentlich schon, dass die Leute die beiden vielsagenden *hust* Buchstaben auf dem Schild stehen haben. Darum würde ich mich auch da bewerben, wenn du da hin willst. Und halt definitiv schauen, was in den Abteilungen so geforscht wird, falls das Thema drankommt (was es sicherlich wird).

Meine begonnene Arbeit zu verheimlichen steht für mich auch gar nicht wirklich zur Debatte. Ich weiß ja auch, dass es viele gibt, deren Arbeit nicht wirklich funktioniert und es einige gibt, die abbrechen. Trotzdem wird das selten thematisiert und ich möchte mir nicht mit meiner Begründung die Optionen verbauen. Die Wahrheit wäre ja, dass ich völlig lost war, da kaum Betreuung durch eine Doktormutter, die mich alle paar Wochen zusammengefaltet hat wenn sie mal wieder auf die Idee kam mir zu antworten. Das zu sagen wirkt ja auch nicht gerade auffallen positiv in einem Bewerbungsgespräch. Zumindest ist das meine Befürchtung.

Lizard
22.04.2020, 14:53
Also ich arbeite seit 6 Jahren an der Uni ohne Promotion. Hat bei der Einstellung überhaupt niemanden interessiert.
Unbefristete Verträge gibt es selbstverständlich auch ohne Promotion. Zwar erst als FA und nicht für jeden, aber immerhin.
Rausgeschmissen wurde bei uns auch noch niemand wegen "fehlender" Promotion.
Klar gibt es kleinere Fächer in denen das ggf strenger gehandhabt wird oder titelgeile Chefs.
Mittlerweile müssen halt auch die Uni-Chefs erkennen, dass die Zeiten des (vermeintlichen) Rosinenpickens vorbei sind ^^

nie
22.04.2020, 15:24
Ich arbeite ohne Promotion an der Uniklinik, habe im Studium nie eine Promotion begonnen und es war im Vorstellungsgespräch kein Thema. In meiner Abteilung sind etwa 2/3 der Assistenten promoviert, davon auch einige sehr forschungsaffin, was aber in einer Uniklinik nicht überraschend ist.

Ich musste bei Einstellung tatsächlich irgendwas unterschreiben bezüglich Wissenschaftszeitgesetz und max. 6 Jahre, dann muss Promotion her. Hatte aber ohnehin nicht vor, so lange hierzubleiben und in den mir bekannten Abteilungen ist es üblich, dass Mitarbeiter, die man länger halten will auch zum passenden Zeitpunkt einen Dr. vor dem Namen haben und nicht vor die Tür gesetzt werden.

Habe mittlerweile auch noch eine Doktorarbeit begonnen. Bin damit aktiv auf meinen Chef zugegangen und habe nachgefragt, es war mein Wunsch und nicht der Wunsch der Klinik.
Mir wurde auch direkt kommuniziert, dass es primär mein „Freizeitvergnügen“ ist aber ich habe bei der letzten Rotation den unstressigsten Arbeitsplatz bekommen und kann auch zwischendurch innerhalb der Arbeitszeit bzw. von meinem Arbeitsplatz aus Daten erheben (wenn ich nicht stattdessen am Handy spiele, wie jetzt gerade....).
Manche eine Klinische Studie, da gibts halt keine Freistellungen für. Laborfreistellungen hängen so ein bisschen von der Abteilung ab. In machen ist’s weniger problematisch, in anderen kaum möglich. In unserer Abteilung muss man in Sachen Forschung schon sehr viel Engagement haben und einiges vorweisen können um freigestellt zu werden.

Rettungshase
22.04.2020, 20:30
Hattest du erwähnt, in welchen Fachbereich du möchtest?

Als Personaler würde ich es positiv werten, wenn es jemand trotz blöd gelaufener erster Dissertation noch einmal versuchen möchte. Das spricht für eine gute Frustrationstoleranz und dafür, dass du zielgerichtet bist. Außerdem hast du ja in der Methodik ein paar Kenntnisse erworben; auch das ist ein Pluspunkt.

Melina93
01.05.2020, 13:16
Eigentlich Derma. Aber da wird an vielen Unis schon eine gut fortgeschrittene Dissertation verlangt. Habe auch schon etwas gefunden,was theoretisch passen könnte. Da wird zumindest von seitens der Uniklinik damit geworben, dass man auch promovieren und habilitieren könnte.

Ich kenne alleine in meinem näheren Studienumfeld vier Personen, die ihre Doktorarbeit komplett geschmissen haben, einige hängen etwas verloren drin und bei einigen lief alles wie am Schnürrchen. Habe schon den Eindruck, dass es auch viel mit Glück zu tun halt ob so etwas zustande kommt. Umso ärgerlicher sind dann Aussagen wie "Sie wissen doch, ohne Doktor kein richtiger Arzt"- kam von einem Chefarzt. Hoffe doch, dass sich dieses Denken langsam aber beständig ändert, dadurch dass jetzt doch immer mehr nicht mehr promovieren.

-Bella-
01.05.2020, 19:10
Solch eine Aussage kommt immer zusammen mit einem bestimmten Typ Mensch & Chef - da weiß ich direkt, dass ich da nicht arbeiten werde. Denn dann stimmt auch vieles andere nicht.

Rettungshase
01.05.2020, 19:27
Nach meiner Erfahrung war bei denen, die ihre Diss nicht zu Ende gebracht haben neben einer gehörigen Prise Pech auch eine unzureichende Recherche vor Beginn der Dissertation relevant. Sprich: Die Frage, ob es bei dem Betreuer oder Doktorvater schon vorkam, dass Doktoranden unverschuldet die Arbeit nicht abschließen konnten oder es unfassbar lange Antwortintervalle bei Fragen gab. Das sollte man unbedingt vorher bei anderen Doktoranden abgeklopft haben, bevor man sich ins Projekt stürzt.

Bei den Chefs hat die abgeschlossene Diss ihrer Mitarbeiter tatsächlich nicht nur den Hintergrund des Standesdünkels, sondern an den Unis haben sie dadurch mehr Spielraum bei der Verlängerung der Verträge: Einen unpromovierten Mitarbeiter müssen sie deutlich früher entbefristen als einen promovierten.

-Bella-
01.05.2020, 20:43
Bei "Sie wissen doch, ohne Doktor kein richtiger Arzt“ geht es aber um etwas anderes…. Ich hab mich gewundert, wie viele Ärzte in der Schweiz keinen Doktortitel haben. Nicht wenige wollen den ganz sicher nicht oder "schauen mal ob vielleicht irgendwann mal“…selbst an einer großen Uniklinik….

Und wie viele Chefärzte in der Schweiz „nur“ einen Doktortitel haben, keinen Prof. Dr. oder gar Prof. Dr. Dr. :-D...

ProximaCentauri
01.05.2020, 23:14
Ja, gerade die Habil zeigt halt primär das Forschungsinteresse und ist nicht immer auch ein Zeichen für einen guten Kliniker (häufig sogar das Gegenteil).

freak1
01.05.2020, 23:44
Dafür haben die Personen auf ihrem Forschungsgebiet dann meistens exzellente Kentnisse.

Melina93
03.05.2020, 08:34
Rückblickend muss ich sagen, ich hätte schlicht auf mein Bauchgefühl hören sollen. Ich hatte von Beginn an kein gutes Gefühl, hatte es aber ignoriert,weil ich dachte das legt sich wenn ich mich an die Situation im Labor gewöhnt habe. Ich habe erst später erfahren, dass andere Doktoranden auch unzufrieden waren bzw abgebrochen haben. Wie gesagt ich finde es ist immer noch ein ziemliches Tabuthema.

Hat jemand von euch schon mal was von medi cum laude gehört? Mein ehemaliger Arbeitskollege im Labor hat es mir genannt und meinte ich solle es da mal versuchen. Er selber hat das aber nie in Anspruch genommen und leider findet man sonst nicht viel im Internet dazu.

ProximaCentauri
03.05.2020, 12:42
Du brauchst kein Coaching sondern Betreuungspersonen die sich für dich und den erfolg deiner Doktorarbeit interessieren.

davo
07.05.2020, 15:52
Tabuthema? Abbrecher gibt es doch ohne Ende. Kümmert IMHO überhaupt niemanden.

Sag einfach, dass du gerne auch eine Doktorarbeit im Rahmen deiner Anstellung machen möchtest. Damit hat wohl kaum jemand ein Problem.

Und falls wer nachfragen sollte, kannst du ja sagen, dass du schonmal viel Zeit in ein Projekt investiert hast, aber daraus dann leider nichts geworden ist. So what.

PrinzessinAmygdala
14.05.2020, 17:59
Ich kann deine Sorgen verstehen. Habe auch abgebrochen und bei manchen meiner Freunde sieht es auch nicht gut aus. Aus der anfänglichen großen Enttäuschung ist mittlerweile eine Akzeptanz geworden, dass eben auch mal nicht alles klappt. Es wird schon irgendwie noch einen anderen Weg geben. Habe mittlerweile schon sehr oft in Stellenanzeigen gelesen, dass die Möglichkeit zur Promotion geboten wird und das nicht nur in Unikliniken. Ich glaube in der aktuellen Lage (v.a. je nach Ort) müssen die Kliniken zum Teil auch einiges bieten, dass sie Personal bekommen und auch halten.