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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : polizeiliche Blutentnahme und Untersuchung



SarahJulia90
26.04.2020, 05:14
Hi Leute,

hatte in meinem letzten Nachtdienst in der Psychiatrie einen Patienten mit RTW und Polizei zugeliefert bekommen, bei dem laut Polizei eine staatsanwaltschaftlich angeordnete Blutentnahme durchgeführt werden musste. War mir da unsicher, mein Oberarzt meinte am Telefon, ich müsse das machen. Nach der BE hat mir ein Polizeibeamter einen Bogen hingehalten und gemeint, dass ich den auch noch ausfüllen müsse, der gehöre zur BE quasi dazu. Das war ein ausführlicher Befundbogen. Ich habe den Patienten dann körperlich untersucht und die Befunde eingetragen. Blöderweise (mitten in der Nacht, viel Stress usw.) hab ich bei "erhaltene Medikation" "unbekannt" eingetragen, obwohl ich dem Patienten etwa eine halbe Stunde vorher 5 mg Haldol oral verabreicht hatte. Jetzt muss so eine Untersuchung laut Rechtstext ja "nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden, und dem gegenüber steht der ärztliche Kunstfehler. Frage mich gerade, was ich da jetzt im schlimmsten Fall zu befürchten habe.

rafiki
26.04.2020, 06:36
Sowas ist bei mir nie vorgekommen. Ich hätte das abgelehnt, da ich nicht der Büttel der Polizei bzw. Staatsanwaltschaft bin. Aber wenn dein OA das in Ordnung fand, muss es ja evtl. mittlerweile so sein. Dann muss der dir aber auch bei deinem dadurch entstandenen Problem weiterhelfen, allerdings sehe ich da keinen Kunstfehler, sondern einen Dokumentationslapsus, den man ganz einfach korrigieren kann.

FirebirdUSA
26.04.2020, 07:47
Wenn deine Klinik eine Vereinbarung mit der Polizei hat musst du es tatsächlich machen... wenn nicht, musst du gar nichts.

WackenDoc
26.04.2020, 08:39
Sprich Montag mit deinem Oberarzt wie ihr den Fehler aus der Welt schafft. Die einfachste Lösung wäre, ein Schreiben aufzusetzen in dem der Fehler richtiggestellt wird. Von wegen "mir war in dem Moment entfallen, dass der Patient bereits ein Medikament enthalten hatte. Es muss richtig heissen: Gabe von 5mg Haldol um xy Uhr"

Bei dem Bogen geht es darum, in welchem Zustand der Patient z.B. zum Zeitpunkt einer Straftat war. Zu dem Zeitpunkt kannst du ihn aber naturgemäß nicht untersucht haben. Eine Medikamentengabe kann aber zu erheblichen Abweichungen im Zustand führen. So dass man aus dem von dir erhobenen Befund nicht einfach auf den Zustand zum Zeitpunkt x schließen kann. Das muss einfach bekannt sein.
Ein Kunstfehler ist es nicht, nur eine fehlerhafte Dokumentation. Solange das zeitnah berichtigt wird, ist das aber nicht das Problem. Fehler passieren halt und die Haldolgabe ist ja in euren Unterlagen ordentlich dokumentiert.

anignu
26.04.2020, 09:20
Ich hätte das abgelehnt, da ich nicht der Büttel der Polizei bzw. Staatsanwaltschaft bin.
Bla bla "ich weigere mich ... zu tun, das ist unter meinem Niveau"...

Ich empfehle zuvor im eigenen Arbeitsvertrag nachzuschauen.
Es gibt genug Arbeitsverträge in denen steht beispielsweise ein Passus wie "Ggf. sind Tätigkeiten wie polizeiliche angeordnete Blutentnahmen als Dienstaufgaben wahrzunehmen." oder auch "Der Arzt ist zur Blutentnahme bei Personen die unter Alkoholverdacht stehen und zur Erstellung der dazugehörigen Untersuchungsberichte verpflichtet."
Dann kann man das schon machen. Gibt dann halt einen Einlauf wahlweise von einem Vorgesetzten oder der Verwaltung.

Pflaume
26.04.2020, 12:04
Jetzt muss so eine Untersuchung laut Rechtstext ja "nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden, und dem gegenüber steht der ärztliche Kunstfehler. Frage mich gerade, was ich da jetzt im schlimmsten Fall zu befürchten habe.

Es ist doch noch überhaupt nichts passiert, außer dass du vergessen hast, was einzutragen. Weißt du, welche Polizei-Dienststelle das war? Weißt du, wie der oder die Untersuchte hieß? Vor Montag wird da eh nichts weitergeleitet. Ich würde da anrufen und versuchen, denjenigen zu erreichen, der es weiter bearbeitet. Dem schilderst du dann, dass du vergessen hast, die Medikation einzutragen, schickst noch ein entsprechendes Statement per Fax oder Post hinterher und das wars.

Da du es im Rahmen deiner Kliniktätigkeit gemacht hast, bist du auch über die Klinik versichert, falls doch irgendwelche Vorwürfe kommen sollten (was aber nicht der Fall sein wird). Eventuell kann es sein, dass du als Zeugin vor Gericht bestellt wirst, um nochmal zu deinen Untersuchungsergebnissen Auskunft zu geben. Wenn da so eine Korrektur von dir nachgeschoben wird, steigt dadurch natürlich das Risiko, dass der verteidigende Rechtsanwalt versuchen will, dein ärztliches Zeugnis vor Gericht zu erschüttern. Aber da mußt du dann halt durch.

Dass dir irgendeiner einen ernsthaften Strick daraus dreht, dass du "unbekannt" reingeschrieben hast, weil du in dem Moment vergessen hast, dass du dem oder der Untersuchten eine Tbl. Haldol gegeben hast, ist für mich kaum vorstellbar.

Übrigens werden auch die Polizeibeamten, wenn du da anrufst, vermutlich sehr nett und kooperativ sein, denn insbesondere die Sachbearbeiter dieser Untersuchungen wissen genau, dass sie auf die Kooperation der Ärzte, die so etwas machen, angewiesen sind. Wenn du die Beamten das nächste Mal ne halbe Stunde warten läßt, weil du dich das letzte Mal geärgert hast, haben die auch nichts dadurch gewonnen.

Falls du über die Polizei nicht weiter kommst, könntest du dich ggf. noch an das für deinen Bezirk zuständige offizielle amtlich bestellte Labor wenden, das diese Untersuchungen durchführt. Zumindest das müßte dir die Polizei sagen können. Wenn du dich da meldest, können die ggf. dafür sorgen, dass die für deine Blutentnahme zuständige Polizei-Dienststelle sich nochmal mit dir in Verbindung setzt.

Alles in allem: Entspann dich.

Rettungshase
26.04.2020, 21:46
Ist es korrekt, dass man dem Patienten vor der Anamnese, Blutentnahme und Untersuchung sagen muss, dass man für die nächsten x Minuten nicht deren behandelnde Arzt ist, sondern für die Polizei arbeitet und die für den Zeitraum erhobenen Befunde an die Polizei weitergeben muss?

Pflaume
26.04.2020, 22:10
Ich frage die Begutachteten grundsätzlich vor Beginn, ob sie einverstanden sind mit der Blutentnahme. Und ich weise jeden darauf hin, dass alles, was über die Blutentnahme hinaus geht, freiwillig ist. Bevor ich mich an die Untersuchung mache, weise ich nochmal darauf hin, dass das, was jetzt kommt, freiwillig ist, dass alles, was sie mir sagen und ich beobachte, nicht der ärztlichen Schweigepflicht unterliegt, sondern von mir aufgeschrieben wird und der Polizei übergeben wird. Letzteren Hinweis gebe ich zum einen aus Fairness und zum anderen aus Faulheit, denn wenn jemand verweigert, notiere ich das einfach so und bin schneller fertig. Ist ja kein Beschuldigter verpflichtet, aktiv mitzuarbeiten. Fast alle machen trotzdem freiwillig und mehr oder weniger vollständig mit.

Dass der Hinweis rechtlich vorgeschrieben ist, glaube ich nicht, kann es aber rechtlich nicht beurteilen. Jedenfalls habe ich keine schlechten Erfahrungen damit gemacht, diesen Hinweis zu geben.

WackenDoc
27.04.2020, 05:06
Normalerweise musst du den Patienten aufklären, dass du jetzt eine andere Rolle hast- nämlich Gutachter und nicht behandelnder Arzt.
In der Arbeitsmedizin machen wir das auch- das sind bei uns sogar zwei verschiedene Datenschutzbögen/aufklärungen für Vorsorge und Eignung.

SarahJulia90
27.04.2020, 13:58
Erstmal danke für die Antworten. Mit dem jetzigen Abstand ärgere ich mich schon ziemlich, dass ich die Untersuchung durchgeführt habe. War ja mein Patient, was mache ich da eine Untersuchung für die Staatsanwaltschaft, die letztlich ja fast Gutachtencharakter hat. Egal, hab ich was gelernt fürs nächste mal. Differenzierte Überlegungen anstellen funktioniert bei mir irgendwie nachts um 2 nur eingeschränkt, wenn mehrere Notfallpatienten gleichzeitig versorgt werden müssen.

Pflaume
27.04.2020, 16:05
Du hast doch sogar den OA angerufen, und der hat gesagt, du müßtest das machen. Hast du dich inzwischen nochmal erkundigt, wie das bei euch geregelt ist?

Ich finde es grundsätzlich richtig, solche Untersuchungen zu machen, denn wenn Leute besoffen Mist bauen, sollen sie sich auch adäquat dafür verantworten. Auf der anderen Seite handelt man sich als Arzt damit meiner Meinung nach mehr Streß ein als das Geld wert ist. Kann einem ja auch immer passieren, dass man als Zeuge noch vor Gericht vorgeladen wird. Natürlich muß man das dem Arbeitgeber mitteilen, der den Dienstplan üblicherweise dann so praktisch schreibt, dass man da in seiner eh schon knappen Freizeit hin darf.

FirebirdUSA
27.04.2020, 21:39
Erstmal danke für die Antworten. Mit dem jetzigen Abstand ärgere ich mich schon ziemlich, dass ich die Untersuchung durchgeführt habe. War ja mein Patient, was mache ich da eine Untersuchung für die Staatsanwaltschaft, die letztlich ja fast Gutachtencharakter hat. Egal, hab ich was gelernt fürs nächste mal. Differenzierte Überlegungen anstellen funktioniert bei mir irgendwie nachts um 2 nur eingeschränkt, wenn mehrere Notfallpatienten gleichzeitig versorgt werden müssen.

Bevor du dich ärgerst klär wie geschrieben erstmal, ob es nicht zu deinen Pflichten gehört. Bei uns hat die Polizei eine vertragliche Vereinbarung mit meinem AG. Da kann man das gar nicht verweigern.