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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Anästhesie und Allgemeinmedizin - Brauche Rat



Aeonflux
08.05.2020, 12:09
Zu mir: ich bin 39, weiblich, 2 Kinder (4&1), seit 2014 FA Anästhesie und die letzten 10 Jahre an der Uni angestellt. Zunächst Vollzeit, nach Kind 1+2 in 75%. Da ich die Arbeitszeiten und die Verantwortung in Kombi mit 2 kleinen Kindern zu heftig fand, hab ich in Elternzeit Nr 2 gekündigt und die WB Allgemeinmedizin begonnen. Nun, nach einem halben Jahr stelle zu meiner Überraschung fest, wie sehr mir das Fach fehlt. Vielleicht auch etwas Corona getriggert, aber auch schon vorher. Mir fehlt das Reinstechen, der Monitor, die Notfallmedizin und ganz besonders meine große Liebe, die Intensivmedizin. Und obwohl Mo bis Fr ohne Wochenende erstmal gut klingt, fehlt mir die Variabilität mit Diensten oder Schicht. Die Bezahlung ist gleich, das bessere Potential hat natürlich die eigene Praxis, das hilft aber nichts, wenn es nix ist. Dabei macht mir die Diagnostik in der AM durchaus Spaß, ich freue mich darüber, endlich mein Studium mal zu brauchen und fühle mich auch intellektuell heraus gefordert. Aber gleichzeitig nerven mich die Psychnerverl, die man mindestens alle 14 Tage rekompensieren muss, die Miniwehwehchen, die nur meine Zeit verschwenden die und die begrenzten disgnostischen Möglichkeiten, wenn wirklich mal was ist mit der Konsequenz, alles Interessante weg zu überweisen.
Ich überleg hin und her. Weiter machen, Facharzt sichern? Und wenn ich dann zurück will, treffe ich nach 3Jahren auch nur noch eine periphere Vene? Von RA ganz zu schweigen. Aber Anästhesie alleine und auf Dauer ist auch nix. Entweder es ist zu aufregend oder zu wenig aufregend. Kann man beides machen? 2 Tage die Woche Anästhesie und 2Tage Allgemeinmedizin? Ist sowas denkbar oder macht jemand hier so was? Gibt's hier überhaupt jemand mit diesem Luxusproblem? Und an die Mamis: wie kriegt ihr die Familie organisiert, ohne dass ihr die Kinder vernachlässigt oder den Job (sofern das möglich ist)?

Muriel
08.05.2020, 13:18
Eine Freundin (FÄ Anästhesie) arbeitet 75% an einem Krankenhaus, wobei sie 50% Ambulanz/Notaufnahme macht und da völlig ungefiltert alles sieht, aber eben auch meist mit mehr "die erhaben wirklich was" als in der Praxis, sowie 25% in der Anästhesie ist. Für sie eine gute Kombi.

Rettungshase
08.05.2020, 16:17
Hast du die spezielle Intensiv gemacht?

Kannst du dir an der Uni vorstellen, die Schmerzmedizin zu bedienen? Zu forschen? Vielleicht kann man 1-2 Tage die Woche Anstellung in der Forschung in den Rest der Zeit klinische Arbeit raushandeln.

Ansonsten... Venen pieksen ist wie Fahrradfahren. Regionale... kann man mit genügend Case-Load auch im Halbschlaf ;)
Mitunter gibt es ja auch Wiedereingliederungskonzepte, die man im Bewerbungsgespräch erfragen kann.

Das mit der Verantwortung verstehe ich nicht so recht: Hast du als Hausarzt etwa soviel weniger Verantwortung?


Und an die Mamis: wie kriegt ihr die Familie organisiert, ohne dass ihr die Kinder vernachlässigt oder den Job (sofern das möglich ist)?

Meine mütterlichen Kolleginnen an der Uni sagen unisono, dass man einfach Abstriche machen muss. Man kann nicht 120% in beiden Sparten geben.

hebdo
08.05.2020, 16:31
Mir geht es ähnlich. Bin seit 8 Monaten in der Praxis und mich stören die gleichen Dinge. Ich mache jetzt schon 2-3mal pro Monat NEF-Dienste, aber irgendwie reicht es nicht. Die Patienten nerven mit ihren unglaublichen Ansprüchen, ihrer Beratungsresistenz und den Klagen.

Ich habe mir überlegt auf 50% zu reduzieren, und wochenweise in der Praxis und in einem Krankenhaus zu arbeiten. Mein Vertrag läuft im Sommer aus. Ich bin gerade auf der Suche nach Stellen. Würde auch gerne auf der Intensivstation arbeiten; aber mit knapp 40 und 2 Kindern sind die Nachtdienste schwierig...

Kiddo
08.05.2020, 17:11
Wir haben in der Anästhesie eine Kollegin, die zu 50% in der Anästhesie arbeitet und zu 50% in eigener psychotherapeutischer Praxis. Nebenbei übernimmt sie hin und wieder einen Notarztdienst.

LasseReinböng
08.05.2020, 20:47
Eine Freundin (FÄ Anästhesie) arbeitet 75% an einem Krankenhaus, wobei sie 50% Ambulanz/Notaufnahme macht und da völlig ungefiltert alles sieht, aber eben auch meist mit mehr "die erhaben wirklich was" als in der Praxis, sowie 25% in der Anästhesie ist. Für sie eine gute Kombi.

Korrekt. In manchen Anzeigen werden für Stellen in der ZNA neben Internisten, Allgemeinmedizinern, Allgemeinchirurgen auch Anästhesisten gesucht.

In meinem letzten Haus gab es auch eine Anästhesistin, die als Fachärztin ( Oberärztin ?) in der ZNA arbeitete....seitens der Kollegen der Inneren wurde da jedoch viel Kritik an der fachlichen Qualifikation der Kollegin geäußert. Ohne die Person, die Struktur der ZNA im Detail gekannt zu haben - ich kann mir selber nicht vorstellen, daß die Anästhesie einen für die Tätigkeit in der ZNA so gut qualifiziert.
Werden Anästhesisten vielleicht eher deswegen genommen, weil der Job unattraktiv ist und es schlichtweg an Bewerbern mangelt ? Ewig in der Notaufnahme arbeiten...will auch nicht jeder.

Gibt es Anästhesisten hier die aus eigener Erfahrung berichten können ?

nie
08.05.2020, 21:04
Unsere Notaufnahme ist auf Fach- und Oberarztebene fast komplett durch Anästhesisten besetzt. Die Assistenten kommen aus der Inneren und Neuro, bisher hab ich noch keine Klagen gehört.

hebdo
09.05.2020, 06:53
Das sollte kein Problem sein, wenn Anästhesisten in der Notaufnahme arbeiten. Denke dass alles eine Frage der Erfahrung ist. gerade mit dem neuen FA Klinische Notfallmedizin werden die Teams aus unterschiedlichen Bereichen zusammengesetzt aber mit einem einheitlichen Curriculum ausgebildet. Das sollte schon funktionieren bzw. gut ergänzen

Aeonflux
09.05.2020, 07:00
Danke für eure vielen Antworten.
@Rettungshase: Schmerztherapie und Forschung sind beides nicht mein Ding.
Was die Verantwortung angeht: Sicher kann man auch als Hausarzt was übersehen, aber es geht doch eher selten um Leben und Tod.
Ich habe bisher 3Tage/Wo als FA in TZ gearbeitet und war jeden Tag wo anders eingeteilt. Oft auch in Bereiche, wo ich 5 Jahre nicht mehr war, mit 3 Anfängern zum Beaufsichtigen ( und idealerweise teachen) und wenn ich um Hilfe bitte ( weil ich mich z.B. nicht traue, das behinderte Kind alleine anzufangen, wenn die letzte Kindernarkose Jahre zurück liegt, dann heißt es nur "Sie sind doch Facharzt". Das schaffe ich nicht mehr. Da komme ich so fertig raus und dann habe ich immer noch 2 Kinder und den Haushalt..

Am liebsten würde ich auf Intensiv arbeiten, aber das geht wohl nicht so, dass weder die Familie noch die Arbeit leidet. Sniff.
Notaufnahme klingt schon auch interessant, habe ich aber außer Schockraum noch nie gemacht. Haben in meinem alten Haus die Chirurgen gemacht. Weiß auch nicht, ob man von mir was genäht haben will. Immerhin schmerzfrei 😜

Mal sehen, ich denke, ich ziehe den FA AM durch, kann man immer brauchen. Aber es beruhigt mich schon, dass es sowas gibt, in zwei Fachbereichen zu arbeiten.

Rettungshase
09.05.2020, 15:43
Ah, verstehe. Das sind natürlich unglückliche Arbeitsbedingungen.
Was mir noch einfällt: Vielleicht hat deine alte Klinik - sofern die für dich infrage käme - eine Frauen- und Familienberatung. Oft haben die ja auch noch gute Ideen.

Mano
09.05.2020, 20:42
Du bist seit 6 Jahren FA, kannst Dienste machen und hast keine OA-Ambitionen. ZB Intensiv?
Dürfte doch kein Problem sein, eine Anästhesieabteilung zu finden mit besseren Bedingungen die dich mit Kusshand nimmt. Klingt für mich so, als wenn du an nem großen Maximalversorger warst wo die Leute einfach verbrannt werden. Eine Klinik mit überschaubaren Spektrum sollte dann doch die richtige Mischung aus verantwortbarer Anspannung bieten.

Notaufnahme ist wohl nochmal was ganz anderes. Aber als Anästhesistin (und bald zusätzlich Allgemeinmedizinerin) dürfte das die optimale Kombination sein.
Warum Internisten oder Chirurgen die besseren Ärzte für die ZNA sein sollen erschließt sich mir übrigens nicht - der Kardiologe dürfte während seiner Weiterbildung auch nicht mehr genäht haben als der Anästhesist und der UCHler hat vermutlich im Studium das letzte mal ein spannendes EKG gesehen...

anignu
10.05.2020, 00:36
Warum Internisten oder Chirurgen die besseren Ärzte für die ZNA sein sollen erschließt sich mir übrigens nicht - der Kardiologe dürfte während seiner Weiterbildung auch nicht mehr genäht haben als der Anästhesist und der UCHler hat vermutlich im Studium das letzte mal ein spannendes EKG gesehen...
Daher sind in einer Notaufnahme ja auch meist Internisten UND Chirurgen. Aber ich merk schon. Dein Vorschlag sind Anästhesisten. Die können zwar dann weder nähen noch ein EKG beurteilen aber im Zweifel den Patienten in Narkose legen. Dann bekommt er zumindest nichts mehr mit ;-)

Lizard
10.05.2020, 05:39
Achwas, so ein bisschen Narkose kann doch jeder !

][truba][
10.05.2020, 07:54
Ich kenne eigentlich fast nur Anästhesisten die ein EKG gut beurteilen können. Zumindest besser als Chirurgen :-D

Aeonflux
10.05.2020, 08:30
Also ich für meinen Teil kann schon ein EKG beurteilen, aber über Katheter festnähen ging oder mal einen Einzelknopf auf eine Drainage setzen geht es nicht hinaus.
In mein altes Haus zieht mich nichts zurück. OA möchte ich auch wirklich nicht werden.
Wie regeln eure Kliniken das mit Intensiv? In meinem alten Haus gab es nur die Möglichkeit je ein Jahr für Allgemeine oder Spezielle Intensiv dort zu sein oder als OA. Gibt es das, dass man nur dort arbeitet? Ist wahrscheinlich die nächsten Jahre eh nicht möglich mit so kleinen Kindern, aber ich träume davon.

Aeonflux
10.05.2020, 08:38
@Mano: Danke für die aufmunternden Worte. Ja, so war es wohl. Es war meine erste Stelle, da fehlt einem der Vergleich.

crossie
10.05.2020, 13:48
Ich finde Anästhesie und AM haben viel gemeinsam. Von allem so ein bisschen Ahnung aber von nichts so richtig. Deswegen ist das auch genau mein Fach :-D
Mal im Ernst, keiner hat sonst so einen kompletten Blick für die Patienten wie wir. Ideal für die ZNA, wo es primär drum geht zu sehen was der Patient hat und ihn entsprechend zu bahnen. Und wenns dem Patienten so richtig schlecht geht sind wir eh genau richtig. Unser Rea-Telefon wird zu 50% von den Innere-/Chirurgie Kollegen aus der ZNA angerufen weil irgendwas ganz schlimm is.

tragezwerg
10.05.2020, 18:45
Ich finde Anästhesie und AM haben viel gemeinsam. Von allem so ein bisschen Ahnung aber von nichts so richtig. Deswegen ist das auch genau mein Fach :-D
Mal im Ernst, keiner hat sonst so einen kompletten Blick für die Patienten wie wir. Ideal für die ZNA, wo es primär drum geht zu sehen was der Patient hat und ihn entsprechend zu bahnen. Und wenns dem Patienten so richtig schlecht geht sind wir eh genau richtig. Unser Rea-Telefon wird zu 50% von den Innere-/Chirurgie Kollegen aus der ZNA angerufen weil irgendwas ganz schlimm is.

Unser Rea-Telefon wird auch nur in 5% wegen Reanimationen angerufen. Der Rest entfällt auf Intubationshilfe auf einer der internistischen Intensivstationen. Und auf irgendwelche seltsamen Notfälle in der Radiologie, die immer als Anaphylaxie gemeldet werden und fast immer Panikattacken sind.

Mano
10.05.2020, 20:49
Unser Rea-Telefon wird auch nur in 5% wegen Reanimationen angerufen. Der Rest entfällt auf Intubationshilfe auf einer der internistischen Intensivstationen. Und auf irgendwelche seltsamen Notfälle in der Radiologie, die immer als Anaphylaxie gemeldet werden und fast immer Panikattacken sind.

Dann gebt den Reafunk doch einfach den Psychiatern :-))