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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Sinnkrise - Viszeral vs. Plastische



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Sait
11.05.2020, 10:23
Hallo liebe Community,

in der Regel schreibe ich hier nichts rein, dass mit meinen persönlichen Problemen zu tun hat. Aber dieses Mal bräuchte ich mal einen guten Rat von euch!

Ich habe bereits 2 Jahre chirurgische Erfahrung in verschiedenen Abteilungen sammeln können (Unfall-, Viszeral-, Allgemeinchirurgie). Dabei hat sich dann herauskristallisiert, dass mich Viszeral am meisten interessiert; Unfall leider garnicht, sonst hätte ich das Fach gewählt, allein wegen der Möglichkeit der Niederlassung. Mein Ziel bevor ich mit dem Arbeiten begonnen habe, war es eigentlich eine akademische Laufbahn einzuschlagen. Die Arbeitsbedingungen in der Uniklinik waren jedoch so schlecht, dass ich einfach das Interesse daran verloren habe und hat sich auch die fehlende Freizeit mit meinen Vorstellungen und Werten im Leben einfach nicht decken können.

Nun arbeite ich in einem Krankenhaus in der Viszeralchirurgie mit super Arbeitsbedingungen, wenig Arbeitsstunden und einem super guten Team. Ich hätte auch die Möglichkeit hier zu bleiben und unter diesen traumhaften Bedingungen weiterhin zu arbeiten und meinen Facharzt zu machen. Doch so schön die Arbeitsbedingungen hier auch sein mögen, jedes Mal wenn das Telefon in der Nachtschicht klingelt quäl ich mir einen ab beim Aufstehen und da stellt sich mir die Frage, ob ich mein Leben lang tatsächlich am Krankenhaus bleiben möchte?

Mein Traum wäre es eigentlich zu wissen, dass ich auch in Zukunft unabhängig arbeiten könnte und mich selbstständig mache. Und obwohl Viszeralchirurgie mir fachlich gut gefällt, weiß ich dass die Möglichkeiten mit der Niederlassung sehr beschränkt sind und auf Proktologie habe ich gar keine Lust, das ist das was ich am wenigsten mag an dem Fach.

Mir schoss der Gedanke in die plastische Chirurgie zu wechseln öfters durch den Kopf. Hier hätte man wenigstens die Möglichkeit später in einer Praxis sich anstellen zu lassen, oder selbst unternehmerisch etwas zu starten, die Idee gefällt mir sehr gut. Allerdings muss ich offen und ehrlich zugeben, dass ich nie ein großes Interesse an diesem Fach hatte - hab mich auch einfach nie wirklich mit dem Fach auseinandergesetzt, weil mir das "idealistische" gefehlt hat.

Mit zunehmenden Alter jedoch ist bei mir nicht mehr so viel vom Idealismus geblieben und ich stell mir die Frage, ob ich nicht doch vielleicht in der plastischen aufgehen könnte? Letzten Endes macht man ja etwas chirurgisches, der Hauptkern meiner Interesse. Andererseits habe ich Sorge, dass ich evtl. irgendwann in der Zukunft den Schritt bereuen könnte, weil mir einfach das medizinische wie in der Viszeralchirurgie fehlt.

Auch muss ich ehrlich zugeben, dass das Finanzielle für mich mit zunehmenden Alter immer mehr an Wichtigkeit zunimmt, da ich aus keiner reichen Familie stamme und schon den Traum hätte mir vernünftigen Wohlstand aufbauen zu können.

Ich fühle mich hin- und hergerissen und hoffe ein paar weise Ratschläge von euch zu hören. Evtl. gibts ja unter uns ein paar Ärzte, die in der gleichen Situation waren, oder aus dem Hintergrund ihrer langen Arbeitserfahrung mir einige Weisheiten erzählen können.

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit und fürs Lesen!

Nessiemoo
11.05.2020, 17:03
Hm, könnte vielleicht Urologie ein guter Kompromiss für dich sein? Gute Niederlassungsmöglichkeiten und doch ganz viel "medizinisches" als du es nennst?

Sait
11.05.2020, 18:00
Hm, könnte vielleicht Urologie ein guter Kompromiss für dich sein? Gute Niederlassungsmöglichkeiten und doch ganz viel "medizinisches" als du es nennst?

Leider garnicht! Hab schon alles durch an Möglichkeiten. Und es sind echt nur noch diese zwei Fächer ...

Heerestorte
11.05.2020, 18:04
Ich kenne mich nicht aus, aber gibt es vllt ein MVZ, in dem du als Viszeraler tätig sein könntest und das vllt ohne Proktologie?

Kackbratze
11.05.2020, 18:18
Ich hab beides gemacht, das Problem für mich war die Umstellung von indizierten kurativen Eingriffen zu ästhetisch Patienten-Wunsch-Eingriffen. Ich sehe mich mehr als Arzt als "Gesundheitsdienstleister", der für Geld im Zweifel die Ohrmuschel an den Oberschenkel näht.
Es gibt in der PCH auch kurative Teilbereiche (Rekonstruktion, Karzinom/Sarkomchirurgie, Verbrennung), aber damit lässt man sich nicht nieder.

Im Zweifel arbeite in der PCH, ein Jahr wird auf einen chirurgischen Facharzt problemlos angerechnet.

davo
11.05.2020, 18:28
Ich denke auch, dass du der Urologie noch ein zweites Mal Nachdenken gewähren solltest.

Und was ist mit der Phlebologie?

Sait
11.05.2020, 19:17
Ich hab beides gemacht, das Problem für mich war die Umstellung von indizierten kurativen Eingriffen zu ästhetisch Patienten-Wunsch-Eingriffen. Ich sehe mich mehr als Arzt als "Gesundheitsdienstleister", der für Geld im Zweifel die Ohrmuschel an den Oberschenkel näht.
Es gibt in der PCH auch kurative Teilbereiche (Rekonstruktion, Karzinom/Sarkomchirurgie, Verbrennung), aber damit lässt man sich nicht nieder.

Im Zweifel arbeite in der PCH, ein Jahr wird auf einen chirurgischen Facharzt problemlos angerechnet.

Ich sehe das ganz vom Konzept her so ähnlich wie du. Habe Schwierigkeiten es mit mir selbst zu vereinbaren, dass ich mich nur noch als medizinischen Dienstleister sehen würde. Aber stellt sich mir die Frage, ob das irgendwann nicht egal ist und man mehr ein ruhiges Leben mit Wohlstand vorzieht? Wie siehst du das, gehen dir die Dienste mittlerweile nicht mega auf die Nerven?

Sait
11.05.2020, 19:18
Ich denke auch, dass du der Urologie noch ein zweites Mal Nachdenken gewähren solltest.

Und was ist mit der Phlebologie? Nee, echt nicht. Das kann ich nicht, will ich auch nicht. Obwohl es von der Idee ganz gut wäre.

Markian
11.05.2020, 19:52
Warum nicht Dermatologie? Man kann sich sehr gut niederlassen und tolle Plastiken machen, hat ja durchaus Überschneidungen mit Plastischer Chirurgie.

Kackbratze
11.05.2020, 20:25
Wie siehst du das, gehen dir die Dienste mittlerweile nicht mega auf die Nerven?

Nein, es könnten weniger sein, aber einer muss es ja tun. Und in der Nacht als FA oder OA hast zwar mehr Verantwortung, aber auch mehr Freiheit.

John Silver
11.05.2020, 22:29
Man kann sich auch als Viszeralchirurg ein schönes Leben machen. Ich habe fast immer pünktlich Feierabend, muss im Schnitt 2x pro Jahr nachts in der Klinik anrücken, und verdiene mehr, als die meisten Kollegen in Akuthäusern. Dabei komme ich nie in die Verlegenheit, OPs zu indizieren, die nicht indiziert sind, muss keine Schnepfen zu Botox und Silicon bequatschen, und die meisten Patienten sind sehr dankbar. Die VCH ist ein weites Feld, und wenn man bestimmte Ziele hat, muss man lediglich die Schwerpunkte richtig wählen. Ich kann jederzeit Fachbereichsleiter werden (also Chefarztgehalt, und es gibt immer mehr Kliniken, die daran interessier sind, ich bekomme regelmäßig Anfragen) oder mich niederlassen, und eine gut laufende Praxis mit Schwerpunkten Prokto oder Hernien bringt gutes Geld, das mit dem Verdienst eines Plastikers durchaus konkurrieren kann.

Wenn Du eine wirklich gute Klinik hast, setze das nicht wegen irgendwelcher theoretischer Möglichkeiten in einem anderen Fach aufs Spiel.

anignu
12.05.2020, 01:43
Dabei hat sich dann herauskristallisiert, dass mich Viszeral am meisten interessiert; Unfall leider garnicht, sonst hätte ich das Fach gewählt, allein wegen der Möglichkeit der Niederlassung.
Mir schoss der Gedanke in die plastische Chirurgie zu wechseln öfters durch den Kopf. Hier hätte man wenigstens die Möglichkeit später in einer Praxis sich anstellen zu lassen, oder selbst unternehmerisch etwas zu starten, die Idee gefällt mir sehr gut. Allerdings muss ich offen und ehrlich zugeben, dass ich nie ein großes Interesse an diesem Fach hatte
Das wiederum versteh ich nicht: dich interessiert Unfall nicht, also willst du es nicht machen. Dich interessiert Plastische auch nicht, aber das willst du machen?
1. Frage: warum willst du denn tatsächlich etwas perspektivisch machen das dich nicht interessiert?
2. Frage: und wenn dich zwei Sachen nicht interessieren warum schließt du dann das Eine aus?

Sait
12.05.2020, 18:39
Das wiederum versteh ich nicht: dich interessiert Unfall nicht, also willst du es nicht machen. Dich interessiert Plastische auch nicht, aber das willst du machen?
1. Frage: warum willst du denn tatsächlich etwas perspektivisch machen das dich nicht interessiert?
2. Frage: und wenn dich zwei Sachen nicht interessieren warum schließt du dann das Eine aus?
Es ist jetzt nicht so, dass es mich nicht interessiert. Ich mag Viszeral einfach vom akademischen Gesichtspunkt mehr als die Plastische. Aber Urologie würde ich nicht machen wollen, da mir das Fach und auch die anatomische Region einfach nicht zusagt und Unfall würde ich nicht machen wollen, da ich kein Fan bin von Knochen und "grober"Chirurgie

Kackbratze
12.05.2020, 18:44
Spricht es, bricht den Tumor aus dem Becken und näht das endständige Stoma ein.

davo
12.05.2020, 18:49
Wenn man zu viele Bedingungen stellt, bleibt am Ende keine Option mehr über.

CrashStudios
13.05.2020, 15:52
Hast du denn überhaupt Aussicht auf eine Stelle? Stellen sind rar und auf die bewerben sich extrem viele Assis und fertige Fachärzte. Ich kenne eine Klinik, da bekommt die PCH-Abteilung 10 Bewerbungen pro Tag, auf eine nicht einmal freie Stelle.

Im Übrigen denken VIELE Assistenzärzte in den anderen chirurgischen Fächern genauso wie du. Du bist keinesfalls eine Ausnahme. Und auch wenn du Facharzt für plastische Chirurgie bist, hast du nicht automatisch gute Perspektiven in der Niederlassung. Im Gegenteil, der Markt ist gefühlt seit ein paar Jahren gesättigt (cave: meine subjektive Meinung als Assi und ich spreche nur vom niedergelassenen Bereich, Ästhetik) und ich kenne persönlich einige Fachärzte für PCH, die ihren kleinen Beautytempel wieder geschlossen haben, weil einfach keine Patienten kommen und die Konkurrenz groß ist (nicht nur durch Plastiker, sondern auch HNO, MKG, Derma, Allgemeinchirurgie usw.).

Meine Meinung: Ich würd dir raten MKG zu machen. Kleines Nischenfach mit kaum Konkurrenz, sehr guten (finanziellen) Perspektiven und gleichzeitig kannst du auch Ästhetik machen, falls es dich interessiert.

Kackbratze
13.05.2020, 15:58
... Und nur einem Zweitstudium dazu...

CrashStudios
13.05.2020, 15:59
... Und nur einem Zweitstudium dazu...

ja, da ist der flaschenhals:-))

juke5489
13.05.2020, 17:32
wenn du etwas machen möchtest, was auch gut in der niederlassung geht, warum nicht handchirurgie?
mach deinen facharzt für chirurgie und dann noch die zusatzbezeichnung handchirurgie.
da gibt es genug sachen, die man später in der niederlassung gut operieren kann. auch in der klinik gibt es genug möglichkeiten als handchirurg ein entspanntes anstellungsverhältnis zu finden, wo du frakturen, CTS und die diversen anderen klassiker wegoperierst. je nachdem wie ambitioniert du bist machst du notfälle bis hin zur replantation oder eben nicht (kommt natürlich auch auf das haus an). gibt genug möglichkeiten und die perspektiven in der niederlassung sind auch nicht schlecht, gerade, wenn du gepaart mit dem facharzt für chirurgie auch die kleine chirurgie anbieten kannst.

Heerestorte
13.05.2020, 17:51
wenn du etwas machen möchtest, was auch gut in der niederlassung geht, warum nicht handchirurgie?
mach deinen facharzt für chirurgie und dann noch die zusatzbezeichnung handchirurgie.
da gibt es genug sachen, die man später in der niederlassung gut operieren kann. auch in der klinik gibt es genug möglichkeiten als handchirurg ein entspanntes anstellungsverhältnis zu finden, wo du frakturen, CTS und die diversen anderen klassiker wegoperierst. je nachdem wie ambitioniert du bist machst du notfälle bis hin zur replantation oder eben nicht (kommt natürlich auch auf das haus an). gibt genug möglichkeiten und die perspektiven in der niederlassung sind auch nicht schlecht, gerade, wenn du gepaart mit dem facharzt für chirurgie auch die kleine chirurgie anbieten kannst.

Wenn er kein Fan von Knochen ist, weiß ich aber nicht, ob ihm Handchirurgie taugen würde.

Ich habe jetzt im PJ paar Mal mit einem Handchirurg, der in Bad Neustadt ausgebildet wurde, operiert und finde die HC persönlich sehr cool!