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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Zweifel nach Pflegepraktikum



EliiFii
15.05.2020, 23:21
Hallo, ich brauche etwas Hilfe bei meiner momentanen Situation:

Ich habe letztes Jahr Abitur (mit 1,4) gemacht, mich daraufhin für Medizin beworben und wurde wie erwartet abgelehnt. Hatte mich damals für Humanmedizin entschieden, weil ich schon immer gerne, wenn es zb um Krankheiten ging, gern recherchiert habe und mich allgemein einfach dafür interessiert habe.

Mittlerweile habe ich die ersten 45 Tage des Pflegepraktikums abgeleistet und in ein paar Tagen geht es im nächsten Krankenhaus weiter. Vor allem am Anfang der Praktikums habe ich plötzlich Angst und große Zweifel bekommen ob das Medizinstudium wirklich das richtig ist. Ich habe sehr schnell bemerkt, dass die Arbeit mit Patienten auf Dauer sehr anstrengend und belastend ist, bin während einer OP umgekippt und allgemein habe ich festgestellt, dass das direkte Arbeiten am Körper (damit meine nicht pflegerische Tätigkeiten, sondern Sachen wie zb Katheter legen oder das "verarzten" größerer Wunden) mich doch recht einschüchtern und mir schlecht davon wird. Bin in den ersten Tagen heulend nach Hause gekommen, weil mir der psychische Druck bzw die Arbeit in der Klinik extrem zugesetzt haben. (Es war einfach anders als erwartet, ich hatte nicht das bestäntigende Gefühl das ich erwartet hatte.)

Jetzt wo ich weiß, dass es Montag wieder losgeht und ich auch noch erfahren habe, dass ich auf einer Station mit schwer kranken Kindern (Neuropädiatrie) arbeiten muss habe ich wirklich Panik und große Selbstzweifel.

Natürlich ist mir bewusst, dass die pflegerische Arbeit nicht dem entspricht, was man später machen wird, aber momentan lässt mich das Praktikum dennoch am Studium zweifeln, gerade auch weil ich auch schon früher sehr großen Respekt vor dem schwierigen Medizinstudium hatte. Ich frage mich ob ich dem tatsächlich gewachsen bin, vor allem auch im Bezug auf das ganze Rundherum (Arbeitszeiten, Stress, Verantwortung,...)

Ich hätte dazu gerne ein paar Meinung, vielleicht auch von Personen, die in einer ähnlichen Situation waren...

LG Eli

roxolana
18.05.2020, 17:23
Es ist schwer, was dazu zu sagen. Medizin ist nunmal ein spezieller Beruf, der andere Anforderungen stellt als ein Bürojob. An Vieles kann man sich gewöhnen, aber wie viel dich am Ende des Studiums immer noch stören wird, kann man schwer sagen. Wenn du mitten im Studium wärst, würde ich sagen: Zieh es durch und such dir ein passendes (ggf. patientenfernes) Fach. Aber wenn du jetzt schon vor dem Studium merkst, dass dir Patienten zu anstrengend sind, dann wäre es vielleicht doch überlegenswert, was anderes zu studieren. Was wären denn deine Alternativen bzw. was interessiert dich noch?

WackenDoc
18.05.2020, 18:16
Vielleicht noch ein anderes Praktikum machen?
Z.B. in der Allgemeinmedizin? Oder Innere- das ist mehr Überlegen als große Wunden verarzten.
Warum sollst du plötzlich mit schwerkranken Kindern arbeiten, wenn das eigentlihc nicht so dein Ding ist? Das würde den meisten jungen Menschen zusetzen.
Oder ist das Problem auch, dass du nicht wirklich weisst, was du mit den Patienten anfangen sollst?

Bonnerin
18.05.2020, 19:02
Ob Medizin zu 90%+ was für dich ist, oder nicht, lässt sich aus der Ferne schwer sagen. Da solltest du, wie WackenDoc meinte, mal genauer nachdenken, was dich wirklich am meisten an der Arbeit stört. Wenn es der Patientenumgang und generell der Umgang mit „Krankheit am lebenden Menschen“ ist, solltest du froh sein, es jetzt gemerkt zu haben und nicht erst im Rahmen des Studiums.

Ich würde an deiner Stelle mal schauen, ob du eine generelle Studienberatung in Anspruch nehmen kannst. Eventuell gibt es ja noch andere Fächer, die dich interessieren und wo es insgesamt besser passt. Denn letzten Endes muss man so oder so mehrere Monate am Patienten arbeiten, in den Famulaturen und im PJ kommt man nicht drumherum. Auch für irgendwelche theoretischen Fächer wie MiBi oder Hygiene muss man mindestens 12 Monate lang klinisch tätig sein. Überleg es dir gut und lass dich (soweit das gerade geht) professionell beraten.

Mr. Pink online
19.05.2020, 09:43
Eine Eignung für den Beruf auszusprechen bevor man ihn überhaupt ausgeübt hat, ist generell schwierig. Das Problem am Medizinstudium in D ist, dass du menschlich kaum auf die Probe gestellt wirst, bis es tatsächlich richtig los geht. Also im PJ oder als Assistenzarzt. Überleg dir, ob du bereit bist diese Zeit zu investieren um es rauszufinden. Vorher gibt es leider wenig Möglichkeiten (auch wenn dir vielleicht der eine oder andere was anderes erzählen wird). Keine Famulatur und kein Pflegepraktikum geht nur annähernd an die Belastung der du später als Arzt ausgesetzt sein wirst.

Gewisse Neigungen begünstigen, dass du später glücklich wirst: Interesse für das Fach, Arbeiten mit/am Menschen bspw. Hohe Belastbarkeit.

Was begünstigt, dass du später unglücklich wirst? - fehlende Belastbarkeit, Probleme sich emotional zu distanzieren, chronische Selbstzweifel. Das gilt im übrigen nicht nur für den Arztberuf, aber eben doch besonders für den Arztberuf.

Bei ner OP umkippen kann passieren, vor allem am Anfang. Tagelang abends weinen beim Pflegepraktikum?! Das würde ich schon als dramatischer bewerten und du solltest kritisch reflektieren ob du später höheren Verantwortungen gewachsen bist. Jeder Mensch wächst mit seinen Aufgaben, aber du wirst später mit großer Sicherheit in Situationen kommen, die selbst dem gestandesten Charakter an die Leber gehen.

Um mit was positivem abzuschließen: Ich würde es wieder machen und kann es nur jedem empfehlen. Vor allem euch jungen Leuten, ihr habt noch genug Zeit im Leben was anderes anzufangen!

cicely
27.05.2020, 12:52
Hallo Eli,

ich würde mal ganz ehrlich in mich reinhören, wo genau das Problem liegt. Wovon wird der psychische Druck verursacht, den du spürst? Da gibt es ja zahllose Möglichkeiten... Ist die Arbeit einfach körperlich und psychisch anstrengend im Sinne von "jeder will was anderes von mir, ich bin unerfahren und traue mir Aufgabe x eigentlich gar nicht zu, vom vielen hin und her rennen bin ich abends ganz k.o."? Ist es die Tatsache, dass du so nah wie nie zuvor an Krankheit, Leid, Schmerzen etc. dran bist und dich davon nicht ausreichend abgrenzen kannst? Ist es der ganz physische Ekel vor Blut, Körperflüssigkeiten, Gerüchen? Die Angst, etwas falsch zu machen? Verursacht die ungewohnte Rolle, die du als Teil des Pflege-/Behandlungsteams plötzlich fremden Menschen gegenüber innehast, Berührungsängste, weil du dich dieser Rolle nicht gewachsen fühlst?

Ich hatte damals nach dem Abi im Pflegepraktikum ähnliche Probleme wie du. Bei mir lag der Knackpunkt in der neuen Rolle den Patienten und auch Kollegen gegenüber. Ich war als Schülerin einfach irre schüchtern, schon allein ständig über meinen Schatten springen und mit dermaßen vielen Menschen in dermaßen engen Kontakt treten zu müssen, unangenehme Situationen auszuhalten etc. hat das Pflegepraktikum enorm anstrengend für mich gemacht. Auch die (emotionale) Abgrenzung fiel mir schwer. Da ich das Gefühl hatte, der "ganze Rest" der Arbeit im Krankenhaus/mit Patienten liegt mir dennoch irgendwie, habe ich mich trotz Zweifel für das Studium entschieden. Ich bin nach und nach in die Rolle hineingewachsen und habe inzwischen (letztes Weiterbildungsjahr eines Faches mit intensivem Patientenkontakt und ordentlich Stress und Notfallcharakter, nämlich Neuro) keine Probleme dieser Art mehr. Auch die Fähigkeit zur Abgrenzung wurde besser. Ich würde mich immer wieder so entscheiden und mag meinen Beruf.

Man kann sich an vieles gewöhnen, an vielem wachsen, manches wird einem auch nie liegen. In die Zukunft schauen kann man halt nicht. Wenn du dir vorstellen kannst, in der Medizin glücklich zu werden, dann versuch es einfach (nochmal wechseln kann man auch jederzeit), wenn dir aber die ganze Arbeitssituation im Krankenhaus und am Patienten einfach nur Unbehagen bereitet, dann würde ich mir das Studium und den anschließenden Job nicht antun. Es gibt auch andere schöne Berufe.

Nur meine persönliche Erfahrung als Denkanstoß. Alles Gute dir!

(Ach, und ich finde so ganz harte Kaliber wie Neuropädiatrie muss man sich nicht unbedingt antun als Praktikantin die eh gerade Schwierigkeiten hat mit Patienten und Krankheit. Kannst du nicht ggf. um Versetzung bitten? Die ersten Tage müssten ja inzwischen rum sein, wie hast du es bislang verdaut?)

Lia_v_B
29.05.2020, 09:43
Also ich würde nicht vom Pflegepraktikum auf den späteren Arztberuf schliessen. Das ist ganz was anderes und du hast mit Patienten lange nicht soviel direkten Kontakt wie als Pfleger. Es ist auch ein großer Unterschied ob man "nur" Medizin studieren oder Klinikarzt werden will. Ob man für den Arztjob wirklich berufen ist, wird sich erst dann rausstellen, wenn es mal soweit ist, nämlich ob man auch bereit ist sich dem (kranken) System unterzuordnen. Da sind dann die kranken Patienten das wenigste Problem. Es ist auch keine Famulatur oder PJ mit dem späteren Beruf vergleichbar, weil man da noch unter der Führung und Verantwortung der betreuenden Ärzte steht.

Arrhythmie
29.05.2020, 20:08
Also der letzte Beitrag ist irgendwie missverständlich.

Ob man "Medizin studieren oder Klinikarzt" werden will? Ich würde mal behaupten dass ca. 90 % erstmal in der Klinik anfangen, egal wo die Reise später hingeht. Und "ob man für den Arztjob berufen ist" ? Man wird doch nicht für Medizin/Arzt sein berufen - das ist ein Job wie jeder andere auch. Mit positiven und negativen Aspekten.
In einer Famulatur oder dem PJ kann man schon einen ganz guten Geschmack bekommen vom Klinikalltag und dem "kranken" System.

medimeister84
19.06.2020, 12:44
Ich würde dir empfehlen, den Rat von Ärzten zu suchen. Vielleicht ging es einigen von ihnen am Anfang ähnlich und mit der Zeit haben sie sich dran gewöhnt. Gebe deinen Traum vom Medizinstudium deswegen nicht gleich auf, sondern gib dir noch etwas Zeit um drüber nachzudenken.