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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : In der Praxis beginnen - Radiologie Edition



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roxolana
11.06.2020, 12:37
Es wurde ja schon oft diskutiert, wie sinnig bzw. unsinnig es ist, seine Weiterbildung in der Praxis anzufangen. Bei Allgemeinmedizin, Derma und Auge wird ja in der Regel abgeraten, weil man als Anfänger nix wirklich kann und mit der hohen Taktung in der Praxis in Kombination mit schlechter Supervision oft überfordert ist. Wie ist es denn in der Radiologie? Ich habe einige Praxen mit voller Weiterbildungsbefugnis in der Nähe und habe überlegt, mich zu bewerben. In der Klinik muss ja jeder Befund vom OA abgesegnet werden, das wird ja in der Praxis vermutlich auch so sein, oder? Gibt es denn dann überhaupt zwingende Gründe, die gegen einen Beginn in der Praxis sprechen? Vermutlich sieht man in der Klinik mehr Pathologien und in der Praxis öfter Normalbefunde? Vielleicht können ja die ansässigen Radiologen was dazu sagen.

freak1
11.06.2020, 13:47
Willst du denn dauerhaft nur in der Praxis bleiben auch in Zukunft? Oder perspektivisch doch irgendwann mal in die Klinik?

roxolana
11.06.2020, 16:09
Weiß nicht, das hängt auch davon ab, wie es mir in der Praxis gefällt. Aber grundsätzlich finde ich Klinik nicht so attraktiv.

freak1
11.06.2020, 16:58
Du siehst in der Weiterbildung in der Praxis gewisse Sachen selten bis nie(?). Trauma-Schockräume, Strokes, postoperative NC-Köpfe... Ok, wenn du in einer kleinen Wald-und-Wiesen-Klitsche arbeitest siehst du die wahrscheinlich auch nicht. Dafür lernst du früh viel mehr MSK...

escitalopram
11.06.2020, 17:01
Ich weiß, dass es in bestimmten Fächern (z.B. Derma) üblich ist, in einer Praxis die WB zu beginnen, aber ich kann mir nicht vorstellen, wie das funktionieren soll. Wie erkennt man von Anfang an wichtige Befunde, wenn man so gut wie keine Erfahrung hat? Wie übersieht man nichts Wichtiges, das man nicht übersehen darf? Ich persönlich hätte es mir in meinem Fach (Augenheilkunde) nicht vorstellen können.

flopipop
11.06.2020, 17:08
In der Praxis steht nicht die Weiterbildung oder akademischer Aspekt an erster Stelle, sondern die wirtschaftlichen Interessen - d.h. man wird für dich wahrscheinlich nicht viel Zeit haben. Außerdem ist das Spektrum in der Praxis relativ eng, was aber auch für kleinere Krankenhäuser gilt. Die interventionelle Weiterbildung, z.B. Angio, findet in einer Praxis so gut wie nicht statt, man erhält die volle Weiterbildungsberechtigung meistens über Klinik - Kooperationen, die die Sachen dann mehr oder weniger einfach bescheinigen. Wenn man von vornherein weiß, dass man später in der Praxis arbeiten möchte, dann spräche nichts gegen eine solche Praxisweiterbildung. Wer jedoch als Radiologe breit aufgestellt sein möchte, der sollte sich m.E. zumindest ein paar Jahre lang "Klinik - Fraß" mit Nachtdiensten, Polytraumatas und Not - Angios antun.

roxolana
12.06.2020, 11:40
In der Praxis steht nicht die Weiterbildung oder akademischer Aspekt an erster Stelle, sondern die wirtschaftlichen Interessen - d.h. man wird für dich wahrscheinlich nicht viel Zeit haben.

Aber ist das denn im Krankenhaus so viel anders? In meiner Radio-Famulatur im Uniklinikum habe ich beobachtet, dass das Teaching sehr OA-abhängig war. Im CT musste man sich alleine bzw. mit Hilfe der erfahreneren Assis durchwurschteln und der OA kam irgendwann lange nach eigentlichem Dienstschluss mal vorbei, um die Bilder kurz zu besprechen. Beim Röntgen kam der OA jeden Tag 15.00 und es gab ein ausführliches Teaching.


Außerdem ist das Spektrum in der Praxis relativ eng, was aber auch für kleinere Krankenhäuser gilt. Die interventionelle Weiterbildung, z.B. Angio, findet in einer Praxis so gut wie nicht statt, man erhält die volle Weiterbildungsberechtigung meistens über Klinik - Kooperationen, die die Sachen dann mehr oder weniger einfach bescheinigen. Wenn man von vornherein weiß, dass man später in der Praxis arbeiten möchte, dann spräche nichts gegen eine solche Praxisweiterbildung. Wer jedoch als Radiologe breit aufgestellt sein möchte, der sollte sich m.E. zumindest ein paar Jahre lang "Klinik - Fraß" mit Nachtdiensten, Polytraumatas und Not - Angios antun.

Das ist tatsächlich ein Argument. Ich könnte mir auch vorstellen, später als Honorararzt oder Leasingkraft zu arbeiten und da ist es dann doch besser, wenn man sich mit "Klinik-Fraß" auskennt. :-))

Gibt es denn auch Maximalversorger mit guten Arbeitsbedingungen? Die Radiologen, die hier an großen Häusern arbeiten, berichten alle davon, dass sie jeden Tag 1-2 unbezahlte Überstunden machen.

freak1
12.06.2020, 12:42
Gibt genug Kliniken wo das nicht so ist... Auch universitäre Maximalversorger.

flopipop
12.06.2020, 17:22
Aber ist das denn im Krankenhaus so viel anders? In meiner Radio-Famulatur im Uniklinikum habe ich beobachtet, dass das Teaching sehr OA-abhängig war. Im CT musste man sich alleine bzw. mit Hilfe der erfahreneren Assis durchwurschteln und der OA kam irgendwann lange nach eigentlichem Dienstschluss mal vorbei, um die Bilder kurz zu besprechen. Beim Röntgen kam der OA jeden Tag 15.00 und es gab ein ausführliches Teaching.

Es kommt auf das Krankenhaus und die jeweilige Abteilung an. Es gibt Häuser mit guter oder schlechter Betreuung, unabhängig von der Größe des Hauses. Man kann nicht pauschal sagen, dass an Unikliniken die Betreuung schlecht und an peripheren Häusern gut wäre und umgekehrt. Es hängt immer von den jeweiligen Leuten ab, die einen oberärztlich betreuen. Man kann überall Glück oder Pech haben, was übrigens auch für die Praxen gilt.


Gibt es denn auch Maximalversorger mit guten Arbeitsbedingungen? Die Radiologen, die hier an großen Häusern arbeiten, berichten alle davon, dass sie jeden Tag 1-2 unbezahlte Überstunden machen.

Wie definierst du "gute Arbeitsbedingungen"? Ja, Weiterbildung beim Maximalversorger ist anstrengend. Man muss Überstunden machen, Dienste schieben und mit der Bleischürze in der Angio stehen, u.U. auch nachts. So wird man groß. Danach kann man sich dann immer noch in ruhigere Gewässer in ein kleineres Haus oder die Praxis zurückziehen.

roxolana
12.06.2020, 21:49
Denkst du denn, dass man auch umgekehrt wechseln könnte, aus einem kleinen Haus (oder gar Praxis) zum Maximalversorger? Ich wohne in einer sehr beliebten Großstadt und bin örtlich gebunden, daher fürchte ich, dass ich eh nicht so viel Auswahl haben werde, wo ich am Anfang lande.

flopipop
12.06.2020, 22:13
von groß nach klein geht einfacher, als umgekehrt.

schnix25
12.06.2020, 22:27
Es kommt auf das Krankenhaus und die jeweilige Abteilung an. Es gibt Häuser mit guter oder schlechter Betreuung, unabhängig von der Größe des Hauses. Man kann nicht pauschal sagen, dass an Unikliniken die Betreuung schlecht und an peripheren Häusern gut wäre und umgekehrt. Es hängt immer von den jeweiligen Leuten ab, die einen oberärztlich betreuen. Man kann überall Glück oder Pech haben, was übrigens auch für die Praxen gilt.



Wie definierst du "gute Arbeitsbedingungen"? Ja, Weiterbildung beim Maximalversorger ist anstrengend. Man muss Überstunden machen, Dienste schieben und mit der Bleischürze in der Angio stehen, u.U. auch nachts. So wird man groß. Danach kann man sich dann immer noch in ruhigere Gewässer in ein kleineres Haus oder die Praxis zurückziehen.

Man muss es aber auch nicht schlimmer darstellen als es ist. Es gibt genügend universitäre Weiterbildungsstellen, wo Überstunden nicht an der Tagesordnung sind, außer vllt für Forschung. In der Angio steht man insbesondere an der uni als Assistent auch häufig nie, da es nur Fachärzten vorbehalten ist und einem die Zahlen einfach so bescheinigt werden.
Ich bin mir auch nicht sicher ob die Klinik wirklich so viel breiter aufgestellt ist als die Praxis. Klar sieht man an der Klinik ein paar Raritäten, zumindest ab einer bestimmten Größe. Aber dafür fällt der komplette MSK Teil meistens weg. Neurobildgebung findet häufig auch nur noch rudimentär statt durch die häufige Aufsplittung in zwei getrennte Abteilungen. Wenn man langfristig in die Praxis will, was gefühlt würd ich sagen auf ca 80% oder mehr zutrifft, ist es schon einen Gedanken wert seine Weiterbildung in der Praxis zu machen.

schnix25
12.06.2020, 22:31
Ein weiterer wichtiger Punkt in der Radio ist zudem noch das Selbststudium. Man kann sich was Diagnostik angeht eigentlich fast alles selbst aneignen und entsprechend viel nachlesen. Da gibt es extrem viel Material. Selbst wenn die Weiterbildung nicht gut ist, kann man das durch Eigeninitiative ziemlich gut kompensieren.

freak1
13.06.2020, 08:01
Die meisten Abteilungen mit getrennter Neuroradiologie bieten dir aber auch an, dass du 1 Jahr dahin rotierst; eben damit du hinterher auch mal ein bisschen Neuro gesehen hat. Und es gibt noch universitäre Abteilungen die nicht getrennt sind.

Ich bleibe trotzdem dabei: Wenn man später eventuell doch in die Klinik will sollte man seine Ausbildung nicht nur in der Praxis absolvieren. Wenn man sowieso 100% nur in die Praxis will machts nicht so viel aus.

flopipop
13.06.2020, 09:43
Wer es sich zu früh zu schön macht bezahlt später den Preis in Form von eingeschränkten Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Wenn man später eh in die Praxis will und sonst nirgendwohin, dann kann man die Weiterbildung auch direkt in der Praxis machen. Aber weiß man das von Anfang an so wirklich? Oft ändern sich die eigenen Vorstellungen im Laufe der Weiterbildung und da ist es von Vorteil, eine möglichst breite Palette an Möglichkeiten zu haben, die man nun mal in einer großen Klinik erwirbt.


Ein weiterer wichtiger Punkt in der Radio ist zudem noch das Selbststudium. Man kann sich was Diagnostik angeht eigentlich fast alles selbst aneignen und entsprechend viel nachlesen. Da gibt es extrem viel Material. Selbst wenn die Weiterbildung nicht gut ist, kann man das durch Eigeninitiative ziemlich gut kompensieren.

Ohne Selbststudium geht in der Radiologie gar nix. Wer selbst nichts liest, dem hilft auch das beste Haus mit den besten Betreuern nicht.

GelbeKlamotten
13.06.2020, 10:42
Ein weiterer wichtiger Punkt in der Radio ist zudem noch das Selbststudium. Man kann sich was Diagnostik angeht eigentlich fast alles selbst aneignen und entsprechend viel nachlesen. Da gibt es extrem viel Material. Selbst wenn die Weiterbildung nicht gut ist, kann man das durch Eigeninitiative ziemlich gut kompensieren.

Also dass man Radiologie allein durch lesen lernen kann, halte ich für fernab der Realität. Wie in anderen Fachrichtungen sind die schwierigen Fälle ja auch bei uns die, die nicht so eindeutig sind, dass sie im Lehrbuch stehen (oder auf radiopaedia gelistet sind). Man kann sich Grundlagen anlesen, aber wirklich lernen mit den Sachen sicher umzugehen, tut man erst in der Klinikrealität.

Und ich möchte auch nicht die Fachärztin sein, die in der Ausbildung 5 jahre lang in der Praxis Kreuzbandrisse und Bandscheibenprotrusionen diagnostiziert hat und die dann als FÄ auf einmal in der Klinik ohne die Möglichkeit einen Hintergrunddienst zu Kontaktieren den Motorradfahrer als Poly diagnostizieren muss, den es richtig übel durch den Fleischwolf gedreht hat.

Abgesehen davon frage ich mich, ob Praxen überhaupt komplette Anfänger einstellen. Wenn ich Praxisinhaberin wäre, würde ich das nicht machen. Wenn ich mir anschaue, wie die Befunde eines kompletten Anfängers meistens so aussehen, würde ich dafür nicht den Ruf meiner Praxis ruinieren wollen bzw. alternativ jeden Befund noch mal komplett überarbeiten wollen.
Und die meisten Ausschreibungen, die ich von Praxen bisher gesehen habe, suchen FÄ und AÄ in fortgeschrittener Weiterbildung.

facialis
13.06.2020, 14:55
Und ich möchte auch nicht die Fachärztin sein, die in der Ausbildung 5 jahre lang in der Praxis Kreuzbandrisse und Bandscheibenprotrusionen diagnostiziert hat...


...da fehlen noch Innenmeniskusriss, Supraspinatussehnenriss und Knorpelschäden. Damit ist das MSK Spektrum einer Praxis zu 90% ausgeschöpft.

daCapo
13.06.2020, 21:31
...da fehlen noch Innenmeniskusriss, Supraspinatussehnenriss und Knorpelschäden. Damit ist das MSK Spektrum einer Praxis zu 90% ausgeschöpft.

Einige Beispiele:
Wir hatten mal eine Überweisung von einer radiologischen Praxis mit V.a. Hypophysentumor, weil es nicht möglich war KM zu geben (Vene nicht gefunden). Sequenzen in der Praxis waren 4mm Schnitte durch den ges. Kopf (also keine speziellen Sequenzen für Hypophyse).

Dann erhalten wir teilweise von Praxen CT Bilder, wo man Tumore nur zu 50% abbildet im Staging oder es kommen immer wieder mal externe Bilder mit 5mm großen Schnitten bei Kontrolluntersuchungen von sehr kleinen Läsionen, gerne als FAST Sequenz.

Radiologie ist ein Handwerk, was man nicht mit einem Lehrbuch alleine lernen kann.

FirebirdUSA
13.06.2020, 22:38
Einige Beispiele:
Wir hatten mal eine Überweisung von einer radiologischen Praxis mit V.a. Hypophysentumor, weil es nicht möglich war KM zu geben (Vene nicht gefunden). Sequenzen in der Praxis waren 4mm Schnitte durch den ges. Kopf (also keine speziellen Sequenzen für Hypophyse).

Dann erhalten wir teilweise von Praxen CT Bilder, wo man Tumore nur zu 50% abbildet im Staging oder es kommen immer wieder mal externe Bilder mit 5mm großen Schnitten bei Kontrolluntersuchungen von sehr kleinen Läsionen, gerne als FAST Sequenz.

Radiologie ist ein Handwerk, was man nicht mit einem Lehrbuch alleine lernen kann.

Das hat eher mit den Qualitätsvorgaben und der Abrechnung zu tun... wenn ich mit 4 Sequenzen mit einem Hitachi MR das gleiche Geld bekomme wie mit einem hochaufgelöstem 3T MR der Hypophyse welches dann aber doppelt so lange dauert, was mach ich dann?

daCapo
14.06.2020, 10:56
Das hat eher mit den Qualitätsvorgaben und der Abrechnung zu tun... wenn ich mit 4 Sequenzen mit einem Hitachi MR das gleiche Geld bekomme wie mit einem hochaufgelöstem 3T MR der Hypophyse welches dann aber doppelt so lange dauert, was mach ich dann?

Mit den 4 Fast Sequenzen ohne KM kommt man nicht weit mit der Diagnostik (=kann man sich dann direkt ganz schenken). Und die Angabe Vene nicht gefunden, war ganz dubios. Sicherlich ein Einzelfall.