PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : NEF: Nicht ansprechbare Person



SkYSkYSkY
01.07.2020, 19:47
Moin aus dem Norden,

ich habe vor kurzem einen Einsatz gehabt und würde diesen hier gerne als "Fallbeispiel" zur Verfügung stellen:

Ihr werdet in der Nacht gegen 2 Uhr zu einer "bewusstlosen Person" alarmiert. Bei Ankunft findet ihr im Flur liegend eine 85-jährige Dame. Der Ehemann gibt an, seine Frau auf dem Boden liegend vorgefunden zu haben. Am Tage sei "noch alles soweit in Ordnung" gewesen. Auf Nachfrage gibt er an, dass seine Frau in den letzten Tagen ein bisschen gehustet hätte.

Auf den ersten Blick seht ihr eine auf dem Boden liegende 85-jährige Patientin, die auf leichte Schmerzreize die Augen öffnet, aber nicht antwortet, Abwehrreaktionen sind gerichtet, Arme und Beine werden jeweils beide bewegt.

Und jetzt ihr :-)

Miss_H
01.07.2020, 20:55
Fangen wir doch mit den Basisdingen an.
Pulsoxy, EKG, Zugang, BZ.
Den Mann fragen wir nach Medikamenten, Arztbriefen und Patientenverfügung/DNR/DNI.

SkYSkYSkY
07.07.2020, 19:32
Die initiale Sättigung war 90%, im EKG seht ihr einen tachykarden Sinusrhythmus mit einer HF von 115/min., der BZ liegt bei 20 mmol/l.

An Medikamenten nimmt die Patientin eine ganze Menge, u.A. ASS und Xarelto. Ein Arztbrief verrät euch als Vordiagnosen u.A. Z.n. TVT, arterieller Hypertonus, KHK, pAVK, Diabetes.

Eine Patientenverfügung existiert nicht. Der Mann kann keine Aussage dazu machen, was seine Frau sich in so einer Situation gewünscht hätte. Es gibt einen vorsorgebevollmächtigten Sohn, welcher aber weit weg wohnt.

FirebirdUSA
09.07.2020, 05:38
Blutdruck?

SkYSkYSkY
09.07.2020, 08:49
Blutdruck war 150/90 mmhg

H&M
09.07.2020, 09:39
Ist irgendein Trauma erinnerlich? Wie hoch ist denn die AF? Temperatur? Wirkt sie luftnötig? Körperliche Untersuchung (Pupillen, Cor/Pulmo/Abdomen/Ödeme...?)

SkYSkYSkY
09.07.2020, 11:50
Erinnerlich ist gar nichts aufgrund der reduzierten GCS, der Mann kann auch keine Angaben machen. Sie wurde aber auf dem Flur liegend aufgefunden, irgendwie muss sie also dort gelandet sein.

Die AF ist 30/min. also tachypneoisch, Temperatur 39,8°C. Bei der körperlichen Untersuchung fällt eine Pupillenanisokorie links>rechts auf. Auf Nachfrage beim Ehemann sei die Patientin vor langer Zeit mal am Auge operiert worden, die Seite ist allerdings nicht erinnerlich. Auskultatorisch sind Pulmo und Cor unauffällig, der Bauch ist weich, Ödeme sind nicht vorhanden.

H&M
09.07.2020, 12:27
Okay. A: frei, Schutzreflexe (?), B: tachypnoeisch C: tachykarder SR D: GCS 8, Anisokorie, hyperglykäm, E: febril, Prellmarken?

Ich würde ihr bei Fieber erstmal 500ml VEL anhängen, je nach aktueller Spo2 bisschen O2 via Maske geben.

Irgendwelche Hämatome, Prellmarken etc beim Bodycheck auffällig? Die Patientin ist auf jeden Fall als kritisch einzustufen (qSOFA 2/3). Die Frage ist ja, warum sie so vigilanzgemindert ist? Krampfanfall mit Sturz, ICB, septische Enzephalopathie, Hyperglykämie?

Als Nicht-Präkliniker würde ich wohl wenig Zeit vertrödeln, einen zweiten Zugang legen und die Patientin unter Voranmeldung Sepsis/Vigilanzminderung unklarer Genese in Intubationsbereitschaft ins nächste Haus mit freiem ITS-Bett fahren.

Zanza
09.07.2020, 12:30
Was ist mit der Pupillomotorik?

Ich würde sie ebenfalls einpacken und einen Maximalversorger mit NCh ansteuern; falls es sowas bei euch vom Konzept gibt mit internistischem Schockraum.

SkYSkYSkY
09.07.2020, 13:06
Okay. A: frei, Schutzreflexe (?), B: tachypnoeisch C: tachykarder SR D: GCS 8, Anisokorie, hyperglykäm, E: febril, Prellmarken?

Sehr gut, endlich ein vernünftiges ABCDE und auch gut zusammengefasst! Die Schutzreflexe waren vorhanden und die Patientin ist während des Transports auch zunehmend wacher bzw. delirant und agitiert geworden.

Ich habe ihr 500 ml VEL angehangen und auch Metamizol gegen das Fieber gegeben. Die SpO2 hielt sich bei 89-92%, also gab es auch etwas Sauerstoff.

In der Traumauntersuchung war eine Prellmarke occipital mit etwas Hämatom feststellbar, sonst keine groben Verletzungen. Mit dem qSOFA von 2 gebe ich dir recht.

Und genau vor dieser Entscheidung stand ich auch. Leider gibt es bei uns keine zentrale Notaufnahme. Somit hast du jetzt 2 Optionen:

1. Mit Z.n. Sturz und V.a. ICB unter ASS und Xarelto in die Neurochirurgie mit sofortigem CT, aber wahrscheinlich Verzögerung einer schnellen Sepsistherapie.

2. Mit V.a. Sepsis und damit einhergehender Vigilanzminderung in die internistisch Notaufnahme. Hier CT auch möglich, aber sicher nicht priorisiert, aber schneller Beginn der Sepsistherapie.

Fahrtzeit ist ungefähr die gleiche, beide Häuser gehören zur Uni.

Was würdet ihr machen?

SkYSkYSkY
09.07.2020, 13:07
Was ist mit der Pupillomotorik?

War nicht so wirklich gut prüfbar. Sie hatte zumindest keinen Herdblick und hat mal nach links und mal nach rechts geschaut.

Matzexc1
09.07.2020, 17:47
Schwierig. Differentialdiagnostisch würde beides in Frage kommen(viellleicht sogar Läuse+Flöhe), gemäß ICH Score(kein präklinischer Score, ohne CT ist der auch wenig aussagekräftig) wäre aktuell eine Mortalität von 26% währscheinlich.

ICB können mit einem Temperaturanstieg und Tachypnoe einhergehen, sie bewegt allerdings alle Extremitäten. Meningismuszeichen?

Ich würde im Moment die Verdachtsdiagnose ICB stellen und in die Neurochirurgie fahren. Die Differentialdiagnose Vigilanzminderung bei Sepsis unklarer Genese würde ich dann dort gleich an die Dienstärzte weitergeben.

FirebirdUSA
09.07.2020, 18:15
Ich würde auch NCh bevorzugen, zumindest bei uns wären die nach negativem CT sowieso raus und der Patient würde direkt in die Innere gehen

Zanza
09.07.2020, 18:31
Ich würde auch die NCh anfahren. Was spricht dagegen, zeitgleich zum CT schonmal AB und großzügig Volumen zu geben? Machste ja erstmal nix kaputt, schlimmstenfalls war es halt umsonst. Blöder wäre es andersherum, wenn sich die Sepsishypothese nicht bewahrheitet und die Patientin nochmal durch die Weltgeschichte gegondelt wird zu den Neurochirurgen...

(Hatte übrigens einen ganz ähnlichen Fall letzte Woche in der pädiatrischen NotA, da war’s dann die Sepsis.)

SkYSkYSkY
09.07.2020, 18:51
Schwierig. Differentialdiagnostisch würde beides in Frage kommen(viellleicht sogar Läuse+Flöhe), gemäß ICH Score(kein präklinischer Score, ohne CT ist der auch wenig aussagekräftig) wäre aktuell eine Mortalität von 26% währscheinlich.

ICB können mit einem Temperaturanstieg und Tachypnoe einhergehen, sie bewegt allerdings alle Extremitäten. Meningismuszeichen?

Eine Sepsis kann aber natürlich auch eine Vigilanzminderung erklären. Meningismuszeichen waren nicht vorhanden.

Letztendlich habe ich mich für die Innere entschieden. Die Patientin hatte aber tatsächlich beides. Zum einen eine Urosepsis mit E. coli in der Blut- und Urinkultur. Es wurde aber nach der Aufnahme auch noch ein CT gemacht, welches eine schmale Parenchymblutung ohne raumfordernden Effekt im Sinne eines Contre-Coup mit geringen subduralen Blutungsanteilen bei Kalottenfraktur occipital gezeigt hat. Hier wurde bei Xareltotherapie PPSB und Tranexamsäure gegeben. Im Verlauf war die Blutung regredient und es bestand kein Interventionsbedarf. Nach Therapie der Sepsis konnte die Patientin entlassen werden.

Ich habe mit der Entscheidung im Nachhinein auch gehadert und würde mich wahrscheinlich jetzt anders entscheiden. Letztendlich ist zum Glück ja aber alles gut gegangen und die Blutung war nicht wirklich relevant.

Vielen Dank für euren Input!

Matzexc1
09.07.2020, 19:29
Vielen Dank für den Fall :-)

H&M
09.07.2020, 19:30
Danke für den Fall:)

FirebirdUSA
09.07.2020, 21:19
Eine Sepsis kann aber natürlich auch eine Vigilanzminderung erklären. Meningismuszeichen waren nicht vorhanden.

Letztendlich habe ich mich für die Innere entschieden. Die Patientin hatte aber tatsächlich beides. Zum einen eine Urosepsis mit E. coli in der Blut- und Urinkultur. Es wurde aber nach der Aufnahme auch noch ein CT gemacht, welches eine schmale Parenchymblutung ohne raumfordernden Effekt im Sinne eines Contre-Coup mit geringen subduralen Blutungsanteilen bei Kalottenfraktur occipital gezeigt hat. Hier wurde bei Xareltotherapie PPSB und Tranexamsäure gegeben. Im Verlauf war die Blutung regredient und es bestand kein Interventionsbedarf. Nach Therapie der Sepsis konnte die Patientin entlassen werden.

Ich habe mit der Entscheidung im Nachhinein auch gehadert und würde mich wahrscheinlich jetzt anders entscheiden. Letztendlich ist zum Glück ja aber alles gut gegangen und die Blutung war nicht wirklich relevant.

Vielen Dank für euren Input!

Danke für das Fallbeispiel. Ich denke am Ende hattest du den richtigen Riecher, die Sepsis war ja wohl führend