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Proxythromycin
04.07.2020, 15:44
Hallo zusammen,

ich hoffe, hier im richtigen Unterforum zu sein! Ansonsten vorab ein dickes Sorry!
Es geht um die Fachrichtung Chirurgie. Ich hätte richtig Lust darauf. Nur leider höre ich seit meinem ersten Semester meistens nur Negatives und das hat mir im Lauf der Zeit doch ein wenig zugesetzt. Es ist schon demotivierend, wenn alle Kommilitonen und Freunde versuchen, einem sein Traumfach auszureden.Ich hab das Gefühl, ein falsches Bild von diesem Fach gehabt zu haben.
Deshalb frage ich hier meine fertigen Kollegen und erhoffe mir ein differenzierteres Bild von diesem, zumindest in meinen Vorstellungen, tollen Fach.

Würdet Ihr das Fach weiterempfehlen bzw. es im Nachhinein nochmal machen? Ist es wirklich nicht mit Familie und Sozialleben vereinbar? Wie ist die Arbeitsbelastung im Vergleich zu anderen Fächern an der Klinik, bspw. Innere? Und würdet Ihr lieber an eine Uniklinik gehen oder an ein städtisches Haus und ist der Wechsel in beide Richtungen "gleichschwer"?

Ich wäre auch für nur allgemeine Infos dankbar!

Liebe Grüße!

Heerestorte
04.07.2020, 16:23
Und deie Kommilitonen können davon berichten, weil sie wie lange als Chirurgen gearbeitet haben?
In welchem Semester bist du? Wenn 11 stimmt, dann bist du doch im PJ vermutlich und hast chirurgische Famulaturen hinter dir? Mit ärzten mal geredet? Oder dir selbst die Arbeitsbedingungen angeschaut?

anignu
05.07.2020, 00:28
Es ist schon demotivierend, wenn alle Kommilitonen und Freunde versuchen, einem sein Traumfach auszureden.
Also alles Leute vom Fach??? Wie Heerestorte schon angedeutet hat: du lässt die Sachen von Leuten erklären die aufgrund von Hörensagen Experten sind? Na dann...

Würdet Ihr das Fach weiterempfehlen bzw. es im Nachhinein nochmal machen?
Ich mache Gefäßchirurgie. Das ist spannend, aufregend, wichtig, interessant, frustrierend, langatmig, kreativ, wild, desillusionierend, endgültig, hoffend, usw... es ist einfach sehr viel. Wie soll ich aus so einer Sammlung dir eine klare Empfehlung geben? Geht nicht. Für mich passt es. Und ich kann sagen, dass beispielsweise dieses "Innere" nichts für mich ist. Null. Ich sag einfach nur "aus Gründen".

Ist es wirklich nicht mit Familie und Sozialleben vereinbar?
Doch. Ich hab sowohl Familie als auch Sozialleben. Wenn auch anders als vielleicht manche anderen Leute. Planungssicherheit ist in der Gefäßchirurgie sicherlich deutlich weniger als in anderen Fächern. Damit hab ich auch eine Partnerin die dafür Verständnis hat und mir einigermaßen den Rücken frei hält und hab auch Kinder. Und grad schreib ich nach einem Grillabend mit Freunden. Die Frage ist halt was du willst und erwartest. Einer der Freunde die heute da waren ist Beamter. Dessen Tag endet pünktlich. Jeden Tag. Keine Arbeit am Wochenende und so... ist halt kein Chirurg. Wär jetzt auch nicht meins was der macht.

Wie ist die Arbeitsbelastung im Vergleich zu anderen Fächern an der Klinik, bspw. Innere?
Die gefühlte oder die tatsächliche Arbeitsbelastung ;-) Was willst du denn hören? Internisten-Bashing? Sowohl die Arbeit als auch die Arbeitsweise ist unterschiedlich. Der "gefühlte Stress" oder die "gefühlte Belastung" kann bei Internisten auch mal deutlich mehr sein. Ist auch Typ- und Abteilungs-abhängig. Von daher kann ich nur dringend warnen vor "ich mach jetzt mal Innere, denn die tun den ganzen Tag nichts". Da gibt es Abteilungen mit Schlagzahlen da graust mir davor. Ich hab meist die Zeit meine gefäßchirurgischen Patienten kennen zu lernen. Und wenn nicht im ersten Aufenthalt dann eben beim Nächsten :-)

Und würdet Ihr lieber an eine Uniklinik gehen oder an ein städtisches Haus und ist der Wechsel in beide Richtungen "gleichschwer"?
Und auch hier: was willst du denn hören? Lies doch mal alte Threads durch.
Es läuft doch drauf raus dass viele Leute in der Uniklinik tendentiell Stunden arbeiten als in städtischen Häusern. Es geht also nicht nur drum ob man bzgl. Wechsel eine Stelle bekommt, sondern auch ob man damit zurecht kommt plötzlich deutlich mehr Stunden zu arbeiten für... was auch immer.

cartablanca
05.07.2020, 00:44
Würdet Ihr das Fach weiterempfehlen bzw. es im Nachhinein nochmal machen? Ist es wirklich nicht mit Familie und Sozialleben vereinbar? Wie ist die Arbeitsbelastung im Vergleich zu anderen Fächern an der Klinik, bspw. Innere? Und würdet Ihr lieber an eine Uniklinik gehen oder an ein städtisches Haus und ist der Wechsel in beide Richtungen "gleichschwer"?

Ich wäre auch für nur allgemeine Infos dankbar!

Liebe Grüße!

Also ich kann dir sagen: Innere Medizin verschlingt den Großteil deines Lebens, wenn du opt out unterschreibst. Ich stand am Anfang meiner Assi-Karriere auch vor der Entscheidung Chirurgie oder Innere zu machen. Leider habe ich mich für Innere entschieden. Manchmal denke ich jetzt noch über einen Fachrichtungswechsel nach. Aber mir hat es damals aufgrund schlechter Erfahrungen im PJ vor der Chirurgie gegraut. Anschreien, Bedrohen, vor versammelter Mannschaft bloß stellen, mit Instrumenten werfen ... all dies habe ich im PJ beobachtet. Damit meine ich Assistenzärzten gegenüber, die dort arbeiteten, aber ich habe es teilweise auch erlebt. Im Verlauf habe ich jedoch zahlreiche eher kleinere Häuser kennen gelernt wo es deutlich sozialer zu ging. Wenn dir Chirurgie Spaß macht, probier es definitiv aus. Alternativ: Hast du schon mal darüber nach gedacht, eine Richtung einzuschlagen, wo man sich operativ oder konservativ mehr oder weniger aussuchen kann? Sowas wie HNO, Augenheilkunde, Gyn, Uro. Ich denke, da hat man eine häufiger eine geringere Arbeitsbelastung als in der Chirurgie. Und man kann sich auch besser niederlassen. Mit Chirurgie ist eine Niederlassung zwar heutzutage noch möglich, aber sehr schwierig geworden.
Ich schätze, dass man im Bereich Innere Medizin eher einen Vertrag ohne opt out unterschreiben kann als in der Chirurgie aber sicher bin ich mir nicht.
Wenn du Chirurgie machst, such die für den Anfang besser ein kleines Haus.

Kackbratze
05.07.2020, 01:24
Man sollte immer auf andere Leute hören, eigene Erfahrungen werden völlig überschätzt.
Wenn du im Studium bist, mach deine Famulaturen in der Chirurgie und in anderen Fächern, dann kannst du selber vergleichen, mach dein PJ in einer gut bewerteten Klinik und frag die Ärzte vor Ort, bzw. schau dir Alles dabei mit offenen Augen an.

Das hier ist das Internet, hier werden dir anonyme Leute, genau wie die Blitzbirnen in deinem Semester, Sachen erzählen aus ihrem Blickwinkel, mit ihren Ideen und ihren Schlussfolgerungen.

Was ist, wenn du eine Familie gründest, die es gewohnt ist, dass Du in der Klinik bist und dir den Rücken frei hält?
Keiner der Chirurgen hier kann direkt die Arbeitszeiten und Arbeitseigenarten mit anderen Fächern vergleichen, hat ja auch keiner Beides gemacht...
Jeder findet seinen Job hier gut, sonst würde er/sie/es den nicht machen.
Und bzgl. des Arbeitsortes gibt es fantastrilliarden Threads zu dem Thema, deren Grundtenor mit, "da wo es dir Spass macht und dein persönliche Erfolg/Ausbildung am Besten ist" zusammenzufassen ist.

Wenn Du so viel auf die Meinung anderer gibst, bist Du sicher, dass die Entscheidung für Medizin deine eigene war?

GelbeKlamotten
05.07.2020, 11:35
Um hier mal eine klare Meinung zu äußern und nicht so ein Pipapo: Ich finde rein chirurgische Fächer kacke.

Und gerade von den weiblichen Kollegen die mit 40+ immer noch im OP stehen sind die meisten Furien und von Neid zerfressen auf Kolleginnen anderer Fachrichtungen wie mich, die sich das nicht antun müssen.

Kackbratze
05.07.2020, 14:03
1. Noch eine Einzelmeinung
2. N=1, Du hast das falsche Umfeld.

WackenDoc
05.07.2020, 14:24
Was soll man eigentlich ab 40 als Frau in der Chirurgie machen? Wenn man laut Gelbeklamotten dann nicht mehr in den OP geht?

CrashStudios
05.07.2020, 14:29
Wahrscheinlich heiraten, Kinder kriegen und als Hausfrau arbeiten:-oopss

t0rchy
05.07.2020, 15:02
Noch bin ich zwar nicht fertig mit dem Studium, aber in Famulaturen und PJ sieht und hört man ja doch genug.

Generell kann ich nach drei chirurgischen Famulaturen nur sagen: Es kommt auf das Haus an. Ich habe von katastrophalen Arbeitsbedingungen ohne Weiterbildungsqualität oder Freizeitvolumen (Urologie, UKH) bis hin zu fast jeden Tag pünktlich Ende mit Frühstücks- und Mittagspause für die nicht im OP eingeteilten Assistenzärzte (Mittelgroßes Haus, öffentlich, 800 Betten) sehr große Schwankungen erlebt. Natürlich hat das Fachgebiet einen Einfluss, aber es gibt noch ganz andere Hebel die sich da in Bewegung setzen.

Man kann übrigens auch nach einem Jahr wechseln. Oder nach zwei. Du hast in der Zeit ja trotzdem Geld verdient und Erfahrung gesammelt, egal ob du es dir anrechnen lassen kannst oder nicht.

Nebenbei: Ja, Ärzte im öffentlichen Gesundheitswesen haben es entspannter als Unfallchirurgen. Müsste ich mich entscheiden, würde ich letzteres wählen.

Corinna
05.07.2020, 15:17
Nebenbei: Ja, Ärzte im öffentlichen Gesundheitswesen haben es entspannter als Unfallchirurgen.

das haben alle immer gedacht. und dann kam corona. möcht grad nicht im gesundheitsamt sitzen, die letzten xx ruhigen jahre hätten würde es nicht wettmachen...

coloneo
05.07.2020, 15:48
Ich kann dir die HNO ans Herz legen: Im Gegensatz zu den „großen“ chirurgischen Fächern, darfst du viele kleinere Eingriffe relativ früh selbstständig durchführen. Ich bin seit diesem Jahr in dieses schöne Fach eingestiegen und habe es bisher nicht bereut. Wir haben an meinem Maximalversorger Schichtdienst und die Arbeitsbelastung ist schon hoch, dank hohem Patientendurchlauf.

Dafür bekommst du aber deinen OP-Katalog schnell voll, eine vielfältige Diagnostik, hast ein breites Patientenspektrum vom Kleinkind bis zum Greis und Spezialisierungsmöglichkeiten in z.B Schlafmedizin, plastische Operationen und Allergologie. Und du kannst dich später gut niederlassen, wenn du nicht in der Klinik bleiben möchtest mit entsprechend besserer Work-Life Balance.

GelbeKlamotten
05.07.2020, 20:02
das haben alle immer gedacht. und dann kam corona. möcht grad nicht im gesundheitsamt sitzen, die letzten xx ruhigen jahre hätten würde es nicht wettmachen...

Dein Ernst? Als ob es jetzt soo schlimm wäre beim Gesundheitsamt zu arbeiten. Die gehen dort immer noch pünktlich nach Stechuhr nach Hause. Jetzt müssen sie halt gerade ein bisschen mehr telefonieren als früher.

WackenDoc
05.07.2020, 20:27
Vielleicht können dich die Kolleginnen auch einfach nicht leiden, weil du auch im RL solche Ansichten verbreitest. Und mit der Abteilungsmatraze will in der regel auch keiner befreundet sein.

GelbeKlamotten
05.07.2020, 21:21
Vielleicht können dich die Kolleginnen auch einfach nicht leiden, weil du auch im RL solche Ansichten verbreitest. Und mit der Abteilungsmatraze will in der regel auch keiner befreundet sein.

Was für Ansichten? Dass ich Chirurgie kacke finde? Das sag ich den Chirurgen so nicht ins Gesicht.

Aber wenn die chirurgische Oberärztin aus dem OP mit zerzausten Haaren und schlechter Laune zu mir kommt und mich anmault, warum Befund xy noch nicht fertig ist und ob ich nur hübsch gestyled auf dem stuhl sitze oder auch mal was arbeite, dann erkläre ich ihr von Frau zu Frau, dass sie sich ihren dämlichen job selbst ausgesucht hat und ich nichts dafür kann, dass sie ständig in irgendwelche anstrengenden OPs muss, was andere Frauen in ihrem Alter nicht nötig haben.

Das führte übrigens dann zu einer Beschwerde bei meinem Chef, der darauf mir gegenüber sehr gelassen reagiert hat, weil er weiß, dass ich fachlich gut bin und genug leiste.

Das mit der Abteilungsmatratze kann ich nicht nachvollziehen. Ich habe von meinen aktuellen Kollegen mit keinem einzigen geschlafen. Und das nicht, weil von deren Seite kein Interesse bestünde.

Kackbratze
05.07.2020, 21:24
Dein Ernst? Als ob es jetzt soo schlimm wäre beim Gesundheitsamt zu arbeiten. Die gehen dort immer noch pünktlich nach Stechuhr nach Hause. Jetzt müssen sie halt gerade ein bisschen mehr telefonieren als früher.

Stimmt. Du hast es genau erfasst.

Feuerblick
05.07.2020, 21:28
Och komm... mit Klischess provozieren ist schon bisschen billig, finde ich...

ehem-user-21-08-2020-1502
06.07.2020, 00:13
Zum Ursprungsthema:

Meiner Meinung nach muss man "ein Typ" für Chirurgie sein (gilt auch für andere FA). Man entscheidet sich ja nicht nur für den OP sondern auch für eine Peergroup und eine gewisse Arbeitskultur. Chirurgen haben oft (nicht immer) eine andere Mentalität als Allgemeinmediziner oder Psychiater oder Mikrobiologen. Man muss auch damit rechnen, in seiner Peergroup auf Leute zu treffen, die kein Problem mit einer 90 Stunden-Woche haben und vom AZG nichts halten, weil sie ihren Katalog zügig vollbekommen wollen, der Ton kann gerade an der Uni gewöhnungsbedürftig sein, wobei der AA natürlich alle anderen hofieren muss

Kackbratze
06.07.2020, 06:20
Sind das eigene Erfahrungen oder stammt das aus dem Bergdoktor?

Trüffel
06.07.2020, 08:30
Naja, so ganz von der Hand zu weisen ist es ja leider nicht. Ich finde das archaische Hierarchiesystem in der Medizin insgesamt sehr bitter. Schon die Abhängigkeit vom Doktorvater und das vollständige Ausgeliefertsein seiner Willkür während des Studiums. Im Job setzen sich ähnliche Strukturen dann weiter fort. Natürlich gibt es in allen Branchen maligne Chefs. Aber ich kenne keinen anderen Job, wo man sich mit massiven Überstunden und Schleimerei beweisen muss, um das tun zu dürfen, für das man eingestellt wurde. Man stelle sich einen Junior Developer vor, der täglich 4 Stunden Hilfsaufgaben abarbeiten und 2 unbezahlte Überstunden schmeißen muss, um als "Belohnung" Programmieren zu dürfen. So etwas gibt es echt nur in der Medizin, und da auch in meiner Erfahrung überproportional häufig in den chirurgischen Fächern. Das kann einem den Job schon verleiden.