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Haematopoesie
09.07.2020, 18:14
Das Medizinstudium ist intellektuell sehr gut zu schaffen. Da braucht es kein 1er Abi. Das schwierige am Studium ist eher, dass man seine verfügbare Zeit gut nutzt um alles unter einen Hut zu bekommen. Ein Beispiel: an meiner Uni ist das 3. Semester die pure Hölle. Man hat Physiologie, Biochemie und den kompletten Präpkurs auf einmal. Alle 3-4 Wochen Testate an der Leiche, alle zwei Wochen ein BC Testat (das man bestehen muss um zur Klausur zugelassen zu werden...) und dazu noch im Hinterkopf, das man Physiologie unbedingt bestehen muss, sonst fällt man mitunter ein ganzes Jahr (!) zurück + am Ende noch die jeweiligen Abschlussklausuren... Ich sag dir - da war JEDER am Ende des Semesters physisch und auch psychisch ziemlich durch. Dazu kommt, dass der Präpkurs noch im Winter ist und sich jeder mit der alljährlichen Erkältung (im Fall einer Kommilitonin hat sich das dann zu ner Lungenentzündung entwickelt...) trotzdem hingeschleppt hat... einfach, weil man nicht Fehlen konnte und niemand den Präpkurs oder was drum rum wiederholen wollte. Praktisch gesehen hatte man also fast ein volles Jahr (Oktober- mdl. Physikum September) Dauerstress.
Wenn du schreibst, dass die Ausbildung jetzt schon (die jetzt 3 Monate? geht?) deine ganze Kraft einfordert und du keine Zeit mehr für Freizeit hast, dabei aber so unnötige Sachen wie Klassensprecher bist, kann das im Studium nur schiefgehen. Du hast eben NICHT ein sehr gutes Ergebnis, wenn du dich aufs (sorry) Kotzen freust und du überhaupt keine Freude mehr empfindest.
Mir hat es während der Ausbildung immer geholfen dran zu denken, dass man auch so jetzt schon medizinisch tätig ist und schon Vieles mitnimmt. Vielleicht versuchst du mal so an die Sache ran zu gehen?
Was ist dein Plan B, falls das mit Medizin nix wird?

WackenDoc
09.07.2020, 19:08
Was spricht denn dagegen, die Ausbildung abzuschließen und damit dann später das Studium zu finanzieren? Gerade das Durchziehen, obwohl es keinen Spass macht, wirst du auch im Medizinstudium brauchen.

Bille11
09.07.2020, 19:23
Was man als junger Mensch übersieht, ist die Tatsache, dass man gerade als Medizinstudent und Arzt sehr lange sehr abhängig von äusseren Faktoren ist und sich noch weit bis in die Facharzt- und auch folgende Hierarchiestufen im Krankenhaus ziemlich wenig zu melden hat. Man ist zunächst abhängig vom System (Student), dann den Ausbildern (Assistent), dann den umgebenden Teams (Facharzt) und selbst mit Mitte 30/Mitte 40 noch abhängig von Ober- und Chefärzten der eigenen und der fachgebietsnahen Abteilungen.
Es besteht sehr lange ein Verhältnis, wie es sich als zwar Erwachsener mit Anfang/Mitte 20 auch zu Mutti oder Vati verhält. Man kann und darf vieles, aber Einfluss und Struktur geben die, die einem die Grundlagen/das Haus geben.

Elaphia
09.07.2020, 19:31
Was man als junger Mensch übersieht, ist die Tatsache, dass man gerade als Medizinstudent und Arzt sehr lange sehr abhängig von äusseren Faktoren ist und sich noch weit bis in die Facharzt- und auch folgende Hierarchiestufen im Krankenhaus ziemlich wenig zu melden hat. Man ist zunächst abhängig vom System (Student), dann den Ausbildern (Assistent), dann den umgebenden Teams (Facharzt) und selbst mit Mitte 30/Mitte 40 noch abhängig von Ober- und Chefärzten der eigenen und der fachgebietsnahen Abteilungen.
Es besteht sehr lange ein Verhältnis, wie es sich als zwar Erwachsener mit Anfang/Mitte 20 auch zu Mutti oder Vati verhält. Man kann und darf vieles, aber Einfluss und Struktur geben die, die einem die Grundlagen/das Haus geben.


Du sprichst mir aus der Seele.

ProximaCentauri
09.07.2020, 20:54
So als Frage: warum hast du denn genau die Ausbildung angefangen? Und sind die Gründe dafür, dass du die Ausbildung angefangen hast (notabene erst vor einigen Monaten) denn nun komplett hinfällig?

haferkeks
10.07.2020, 14:12
Ich habe die Ausbildung nur angefangen, weil das die Bedingung von meinen Eltern ist und ich den Zeitpunkt für den TMS dieses Jahr ganz knapp verpasst habe. Und es stört mich absolut nicht an der Ausbildung, dass sie stressig ist oder ich keine Freizeit habe, das alles finde ich völlig in Ordnung, wenn es wenigstens Spaß machen würde! Ich kann mit Pflege halt absolut nichts anfangen, es ist intellektuell nicht herausfordernd, es interessiert mich auch einfach nicht. Ich soll 8h am Tag Leute waschen und lagern, Vitalzeichen messen und das war’s. Und dann sehe ich halt, was die Assistenzärzte und die PJler machen. Ich finde Pflege einfach ganz furchtbar und ja, ich erkenne, dass ich vermutlich mit der Ausbildung zum Notfallsanitäter deutlich besser aufgehoben wäre. Aber auch da ist die Anmeldefrist vorbei und ich müsste ein Jahr warten, das ist Schwachsinn weil es nur eine weitere Verzögerung bedeuten würde. Mein Plan wäre eigentlich echt, bis nächstes Jahr zu jobben, nochmal in eine Klinik wegen der Bulimie gehen, die Finanzierung klären und den TMS zu schreiben. Und falls möglich, das Pflegepraktikum zu machen. Ja in der Theorie klingt es gut, vorher die Ausbildung abzuschließen, aber in der Praxis sieht es so aus, dass ich furchtbar unglücklich bin und es mir total schlecht geht. Das kann doch dann nicht richtig sein?? :( Mich würde aber auch interessieren, wie euch das Studium gefallen hat! Bislang klingt das alles so negativ. Ja, viele Testate, viel zu lernen. Aber hat es nicht auch Spaß gemacht und war interessant?

Feuerblick
10.07.2020, 15:02
Interessant? Ja. Spaß? Geht so. Das Studium ist komplett verschult und man lernt zu einem nicht geringen Teil Dinge, die einen einfach nicht interessieren. Geht schon in der Vorklinik mit Physik und Chemie los und geht in der Klinik mit diversen Fächern weiter, die langweilig sind oder die man aufgrund eigener Interessen einfach nur machen muss, aber mehr auch nicht. Es ist halt ein Studium, keine Spaßveranstaltung.

rafiki
10.07.2020, 15:15
....es ist intellektuell nicht herausfordernd....

Das trifft auf meine Tätigkeit auch zu 90% zu, leider.:-blush
So geht halt Geldverdienen.

GelbeKlamotten
10.07.2020, 15:44
Ich fand große Teile des Studiums interessant. Zumindest so 60-70% schätze ich. Auch in der Vorklinik.

Im Medizinstudium werden nur die absoluten Grundlagen in Physik und Chemie gelehrt. Ich finde es schade, wenn man das schon als Argument gegen das Studium sieht und sich darauf nicht einlassen kann und ein grundlegendes Interesse dafür entwickeln kann.

Und ich finde meinen Job jeden Tag interessant und intellektuell herausfordernd.

WackenDoc
10.07.2020, 16:38
Notfallsanitäter mit einer psychiatrischen Erkrankung die zur Zeit voll aktiv ist. Das wird nix.

haferkeks
10.07.2020, 16:42
Ich fand große Teile des Studiums interessant. Zumindest so 60-70% schätze ich. Auch in der Vorklinik.

Im Medizinstudium werden nur die absoluten Grundlagen in Physik und Chemie gelehrt. Ich finde es schade, wenn man das schon als Argument gegen das Studium sieht und sich darauf nicht einlassen kann und ein grundlegendes Interesse dafür entwickeln kann.

Und ich finde meinen Job jeden Tag interessant und intellektuell herausfordernd.

Endlich mal jemand der nicht so negativ eingestellt ist!!! Ich habe die Naturwissenschaften in der Schule geliebt, hatte damals sogar überlegt, Biochemie zu studieren 😁 wie sieht das Studium in der Praxis aus? Man geht jeden Tag zur Uni und hinterher liest man in dem Büchern nach und schreibt Zusammenfassungen oder Lernpläne? Also befasst sich einfach weiter mit dem Stoff, um ihn zu vertiefen? Oder muss man wirklich jeden Tag nach der Uni noch mal stundenlang Auswendiglernen? Ich will meinen dass ich eine rasche Auffassungsgabe habe, aber ich weiß auch, dass ich um das Auswendiglernen nicht drum herum kommen werde. Wie viel ist stupides Auswendiglernen? Und wie viel von dem Stoff behält man drin, einfach weil man sich für ihn interessiert und Zusammenhänge herstellen kann?

haferkeks
10.07.2020, 16:44
Notfallsanitäter mit einer psychiatrischen Erkrankung die zur Zeit voll aktiv ist. Das wird nix.

Aber Krankenschwester geht? :D lol, natürlich würde das als Notfallsanitäter gehen! Es geht ja auch jetzt in der Ausbildung. Ich Kotze auch nicht jeden Tag. Und ich lerne und ich gehe zur Arbeit! Bulimie ist für mich persönlich ein Problem, aber nicht für meine Arbeit!

WackenDoc
10.07.2020, 17:02
Was willst du eigentlich von uns? Eine Absolution um die Ausbilung abzubrechen? Wirst du nicht bekommen.

Deine Ausflüchte sind übrigens die gleichen, die ich jedes Mal von meinen Drogen- und Alkoholabhängigen höre.

Feuerblick
10.07.2020, 17:09
Naja, mit Naturwissenschaften hat das Studium allenfalls am Rande zu tun. Wenn das deine Motivation ist, dann lass es lieber.
Ja, es ist viel stupides Auswendiglernen. Das fällt zwar teilweise leichter, wenn man die Zusammenhänge versteht und etwas abstrahieren kann, aber Anatomie, Histologie, später in der Klinik die ganzen Krankheitsbilder... das wirst du weitestgehend auswendig lernen müssen. Und zwar mit Zeitdruck, denn die nächste Klausur, das nächste Testat kommt bestimmt.

Du bist aber doch offenbar überzeugt, dass nur das Studium dich glücklich machen wird. Also brich die Ausbildung ab, kümmer dich um deine Erkrankungen, kümmer dich um den TMS und wenn du nächstes Jahr immer noch der Meinung bist, dass du es unbedingt willst, dann tu es. Ich würde an deiner Stelle nochmal mit dem jeweiligen Therapeuten reden. Denn derjenige kennt dich und wird dich beurteilen können. Und wird damit umgehen können, dass du alle Bedenken nicht hören willst... Eine Absolution für den Abbruch der Ausbildung wirst du von uns hier nicht bekommen.

Choranaptyxis
10.07.2020, 17:29
Und es stört mich absolut nicht an der Ausbildung, dass sie stressig ist oder ich keine Freizeit habe, das alles finde ich völlig in Ordnung, wenn es wenigstens Spaß machen würde!

Den Satz finde ich sehr bedenklich. Ich kenne Leute, die die Ausbildung gemacht haben, und habe auch mit einer Auszubildenden zusammengewohnt. Ja klar, die Ausbildung macht sich nicht von alleine, aber sie sollte, selbst mit Klassensprechertätigkeit nicht komplett tagfüllend sein. Selbst im Studium hatte ich immer Freizeit, mal mehr, mal weniger, aber (in meinem Fall) sportliche Aktivität mit Wettkampfteilnahme ging trotzdem. Und das dürfte bei den meisten der Fall (und sonst wäre es ja auch etwas grausam, gar nichts nebenher zu machen).
Studium und Spaß? Ich finde es oft interessant, Spaß ist es aber nicht immer. Und ja, es ist stressig, und es gibt Phasen, wo selbst unsere gefestigsten Leute mal ihren Einbruch haben. Das bleibt nicht aus bei vielen Sachen, die man nicht kontrollieren kann, seien es unfaire Prüfungen oder ganz andere Dinge.
Ausbildung fertig machen, an der eigenen Gesundheit arbeiten und dann sehen, ob das ganze im Studium (welchem auch immer), oder in einer anderen Ausbildung mündet, erscheint mir das sinnvollste. Und dafür neben der Ausbildung die freie Zeit für sich selbst nutzen.
Zu sagen, brech ab, konzentrier dich voll auf das Studium, fände ich auch sehr fahrlässig. Dafür kennt dich hier keiner gut genug, und es klingt einfach nicht (subjektiv natürlich) nach dem richtigen Weg unter den genannten Umständen IMHO.

Shairon
10.07.2020, 18:47
Ich denke, man muss deine ganze Situation etwas differenzierter betrachten. Denn zunächst ist es doch wirklich mal positiv hervorzuheben, dass du einen Traum hast, etwas im Leben erreichen möchtest und dafür auch bereit bist, dich anzustrengen. Vielen psychiatrischen Patienten fehlt es doch leider an so einem Traum, an dem sie sich festhalten können, da ist der Motor einfach komplett aus.

Ich finde im Gegensatz zu manchen anderen hier, dass du das Medizinstudium machen solltest. Aus deinem Text kann man ja erfahren, dass dich dieser Gedanke wirklich sehr beschäftigt und er dich auch von der Erfüllung in deinem aktuellen Beruf etwas abbringt. Ich bin fest überzeugt, dass man auch als Krankenschwester Erfüllung finden kann und man da mit der Zeit eben auch Dinge findet, die einem Freude bereiten und für die man es gerne macht - aber dieser Mechanismus, in jedem Beruf auch die guten Seiten zu erkennen, wird natürlich verunmöglicht, wenn du permanent den Gedanken hast "wie wäre es, nun doch Medizin zu studieren?". Durch diesen Gedanken kannst du dich einfach überhaupt nicht auf deinen aktuellen Beruf einlassen. Und da sage ich ganz pragmatisch: Dann mach es, studier Medizin! Selbst wenn du dann nach 1-2 Semestern erkennst, dass es einfach nicht funktioniert oder dass es dir nicht liegt, dann ist das Thema immerhin abgehakt, du kannst das Studium abbrechen und mit freiem Kopf einer neuen Tätigkeit nachgehen. Und mal ehrlich, es gibt unvernünftigere Dinge, als ein Medizinstudium zu versuchen. Ich denke nicht, dass man dir danach daraus einen Strick drehen wird, nur weil du 1-2 Semester Medizin studiert hast. Aber: Es ist dann auch wichtig, dann ehrlich zu sich zu sein und es wirklich zu lassen, wenn man nach 1-2 Semestern sieht, dass es einfach nichts wird! Das soll nun keine endlose Geschichte werden - du beginnst das Medizinstudium, lässt dich voll drauf ein, ziehst nach einem Jahr ein Fazit und lässt es dann sein, wenn es nichts war und suchst dir was anderes.

Es herrscht ohnehin ein krasser Mangel im Pflegebereich. Auch in 2 Jahren kannst du da die Ausbildung immer noch machen, wenn Medizin dann nichts geworden ist (vielleicht auch als Kinderkrankenschwester, könnte dir mehr liegen). Oder du machst dann eben was anderes. Aber ich hab das Gefühl, es ist dir nicht geholfen, wenn du dir nun die nächsten Jahre immer wieder die Frage stellst: "Was wäre gewesen, wenn ich doch noch Medizin studiert hätte?". Drum mach es einfach, um der Erfahrung Willen.

Bille11
10.07.2020, 19:22
Wie ich es empfunden habe:

Das Studium selbst ist sehr stupide, aber macht Spass, wenn man eine gute Resilienz hat und sich in Themen für eine gewissen Zeit verbeissen, diese anschliessend dann wieder loslassen kann.
Sehr viele beklagen den hohen Druck und die Arbeitslast, sehr schnell sehr viel Wissen zu verinnerlichen, nie genügend Zeit für eine wirkliche Betätigung mit dem Feld zu finden, weil stets 2-3-4 grössere Gebiete parallell erarbeitet und Testaterarbeitet werden müssen. Meinungen interessieren im Medizinstudium weniger, sondern Erfüllung der Aufgaben. Das wird oft als ungerecht empfunden.
Mir hat das Studium über weite Strecken Spass gemacht und ich habe es in manchen Zeiten sehr verabscheut, mir bis dann und dann Fakten reinzukloppen. Menschen, die gerne wissen wollen, WIE es geht, sind mit einem naturwissenschaftlichen Studium wohler aufgehoben, diese wechseln oft im Zeitraum der Vorklinik oder brechen ab.
Man muss zu den Staatsexamina das Wissen der vorigen 2, bzw 4 Jahre auf einen Knopfdruck abrufen können, hat dafür so etwa 100Tage Zeit (veranschlagt), die meisten machen es sicher auch in kürzerer Zeit. Das ist schon eine sehr stupide Zeit in der man den Schreibtisch von morgens bis abends eigentlich nur für Sport, einkaufen und Familie/Freund‘in verlässt. Der Druck, der sich zu den 2, bzw 3 schriftlichen Prüfungstagen hin aufbaut ist enorm. Ich habe zeitweise - als sehr gelassene Person, was Wissenlücken angeht - psychotische Gedanken kennengelernt, die mit Abschluss der Prüfung (herausgehen aus dem Gebäude) tatsächlich von jetzt auf gleich abfielen. In der Hinsicht habe ich seither in meinem Beruf als Anästhesistin, Intensivmedizinerin und Notärztin trotz einer hohen Arbeitslast und schwerer Schicksale, schlafloser Nächte, bisher nie wieder solches verspürt. Die Prüfungen, das weiss ich, würde ich nicht wieder machen wollen. Das Physikum noch eher als das 2/3 Stex.
Als junge Ärztin bin ich bis zum Facharzt hin immer unter Beobachtung, habe etliche Dienste gehabt, viele Gegenteiltage erlebt, in der alles was ich vorgeschlagen und gesagt habe falsch war. Und viele gute Erfolge erlebt. Das Leben von jungen Ärzten lässt sich sicher auch hier in den Foren gut nachverfolgen.. man ist mit Mitte 30 noch der Willkür der oberen ausgeliefert, bzw muss in leitender Position mit Mitte 30 Kollegen überprüfen, die gleich alt sind oder älter, jünger und hat die Verantwortung für die Menschen, mit denen man arbeitet, unsere Patienten. Man muss jedem Patienten gerecht werden, das gelingt einem nicht immer gleich gut. Jeder hat Wünsche und Forderungen. Man darf vieles nicht an sich selbst gerichtet sehen, sondern den Umständen entsprechend aus der Biografie der Patienten. Und soll dabei ruhig bleiben, muss sich selbst zurückstellen. Man hat viele Heldenmomente, viel Arbeit und muss es mögen, so zu leben. Mit Feierabend kann ICH das meist gut ablegen, aber auch das hört man von anderen anders. Und ich habe da lange dran gearbeitet. Man muss vertrauen können. Man muss mit einer guten Resilienz ausgestattet sein.

Sowohl für Studium als auch Arzttätigkeit ist eine gute Resilienz und gesunder Umgang mit sich selbst ohne selbstzerstörerische Gedanken/Tätigkeiten (auch Workaholic sein ist selbstzerstörerisch) wichtig. Nicht aus dem blauen heraus gibt es eine deutlich höhere Suizid- und auch Substanzienabusus-Quote unter den Ärzten als in der Bevölkerung. Sogar noch höher als unter den anderen Akademikern.

Und das ist der Punkt, weswegen Dir erfahrene Menschen mit einer Kenntnis all dessen in Deiner Situation nicht raten können, dieses Ziel ‚Medizinstudium’ als einziges Lebensziel zu sehen. Sondern Dich breit aufzustellen, eine Basis aufzubauen, Deine Resilienz zu stärken, Deine Gesundung derzeit - die Du jetzt schon im Angriff hast, das ist super! - zu verfolgen und die Erfahrungen aus der Krankenpflege und mit einem gesunden Sozialleben während des vielleicht in 3-5 Jahren angetretenen Studiums zu nutzen. Viele Ärzte besitzen Vorerfahrungen ausserhalb des Studiums und möchten diese nicht missen.

Cor_magna
10.07.2020, 19:34
Ich habe die letzten 7 Jahre sehr genau bei ein paar Menschen und insbesondere einer mir sehr sehr nahestehenden Person beobachten können, wie es ist ein Medizinstudium mit psychischen Problemen zu bewältigen ( genauer will ich hier nicht darauf eingehen, das gehört nicht in ein Forum und ich will nicht Dinge anderer Leute ausplaudern, selbst wenn es hier anonym ist...).

Und eins kannst du mir glauben: Les dir die Beiträge der erfahrenden Ärzte sehr genau durch (ich betone hier insbesondere Feuerblick, da sie selbst lange mit dem Arztdasein gehadert hat und mittlerweile ausserhalb der Klinik arbeitet. Aber auch WackenDoc und Rafiki, welcher übrigens Psychiater ist, haben genau meine eigene Erfahrung mit Studium mit ihren Kommentaren bestätigt). Am Anfang des Studiums hätte ich deinen Ausführungen wrs zugestimmt. Jetzt nicht mehr. Du willst es vielleicht (noch) nicht glauben, aber die Meinungen der genannten Personen trifft zu. Punkt. Wenn dir das klar ist, dann studier Medizin.

Ein Problem ist auch: Du willst anscheinend unbedingt in die harte somatische bzw. klinische Sparte der Medizin. Und ja, Psychiatrie ist hart. Wer da nicht stabil ist, wird scheitern. Wäre auch nix für mich, bin da ganz ehrlich.
Es gibt auch weniger belastende Bereiche, vor allem die ohne Station und noch besser: Ohne/wenig Patienten. Aber ich vermute stark du willst unbedingt eine klassische Ärztin werden, und da ist es eben rau. Siehst du ja gerade in deiner Ausbildung.

Und noch ein Problem: Du bist von deiner Entwicklung anscheinend noch nicht so weit eigene erwachsene Entscheidungen zu treffen. Oder alternativ: Im Moment kannst du es anscheinend nicht. Mit erwachsen meine ich: Man muss nunmal im Leben Entscheidungen treffen und mit den Folgen leben. Und NIEMAND kann bzw sollte dir diese Entscheidungsfindung abnehmen. Du frägst hier nur, damit jemand zu dir sagt: "Ja sehr gut mach das das wird auf jeden Fall klappen!" Aber so läuft das Leben nicht, es gibt keine Garantie auf Erfolg. Tu es, oder tu es nicht, aber frag hier nicht nach Dingen die dir keiner beantworten kann oder soll. Es ist dein Leben.

Viel Erfolg und Kraft bei der Bewältigung der nächsten Jahre wünsche ich dir.

haferkeks
10.07.2020, 20:31
Ihr Lieben, ich danke euch für eure ausführlichen Beiträge. Ich hatte vorhin auch ein Telefonat mit meinem älteren Bruder, der nichts anderes sagt, als dass ich diese Ausbildung durchziehen soll, um zu beweisen, dass ich jetzt mal standhaft bleibe. Ihr habt alle recht und ich weiß, dass ich noch einen weiten Weg vor mir habe, wenn ich das Studium psychisch schaffen möchte. Resilienz habe ich glaube ich null. Nada. Ich werde das jetzt einfach durchziehen! Denn dann kann ich sehr gut überprüfen, wie es mir in drei Jahren geht, wie es dann mit der Bulimie aussieht und wie ich damit klar komme, für ein Examen zu lernen. Auch wenn im Studium WEIT mehr zu lernen sein wird, einfach weil es länger ist, ist es trotzdem für mich glaube ich eine ganz gute Überprüfung. Denn ich bin ja wirklich seit sechs Jahren aus dem Lernen raus. Der Beitrag von Bille11 zeigt mir eigentlich, wie sehr ich das Studium möchte, ich bin nicht abgeschreckt, sondern sehr angesprochen! Es wird bestimmt noch ein zwei Tage dauern und eine pro contra Liste bedeutet, aber ab dann werde ich auch mit einer sehr anderen Einstellungen diese Ausbildung angehen. Als ob ich so bescheuert bin drei Jahre lang das zu machen und parallel dazu nur rumzuheulen. NICHT EFFIZIENT. Mittlerweile konnte ich durch die Therapie dann doch ganz gut lernen, die Dinge anders zu sehen, positiv zu denken und so weiter 😁 ich kann euch ja auf dem Laufenden halten, falls es euch interessiert. Habt noch einen schönen Abend!

haferkeks
10.07.2020, 20:35
Und natürlich habe ich definitiv noch genug Zeit neben der Ausbildung für andere Sachen. Ich merke es ja an Tagen wo ich nicht breche, dass ich nach einer Frühschicht dann doch noch sehr viel Zeit habe. Ich sollte dringend daran arbeiten wir jetzt ein gesundes Privatleben auch super! Denn wenn ich das habe, schaffe ich es durch das Studium. Davon bin ich überzeugt!