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davo
10.07.2020, 22:41
Dass dich das Medizinstudium interessiert und fasziniert, finde ich gut. Ich glaub auch, dass das Studium nicht besonders anspruchsvoll ist. Für jemanden mit deinem Abi wird es, wenn man psychisch gesund ist und kein totales Antitalent in Bezug auf Selbstorganisation ist, überhaupt kein Problem sein. Und der Weg zum Medizinstudium ist ja recht eindeutig: TMS machen, Studienplatz bekommen, studieren.

Allerdings ist es ein Problem, dass du deine Erkrankung nicht im Griff hast - die kann dir mittel- und langfristig stark schaden und könnte auch dein Studium zu Fall bringen. Sinnvoll wäre es also, die Behandlung deiner Erkrankung zunächst einmal zur Priorität zu machen, und dich dann ums Studium zu kümmern (natürlich mit Fortführung der Therapie!), sobald es dir besser geht.

Dass du das Medizinstudium und den Arztberuf etwas naiv siehst, ist auch klar, und dass du es als einzigen glückseligmachenden Weg siehst, etwas bedenklich. Aber diese Einstellung haben viele Abiturienten, insofern seh ich darin kein großes Problem. Früher oder später wirst du ein realistischeres Bild vom Arztberuf bekommen. Denn auch die Tätigkeit als Arzt ist meist/oft pure Fließbandarbeit, nur halt mit anderen Tätigkeiten als in der Pflege.

papillon92
12.07.2020, 14:44
Hallo haferkeks, ich würde gerne meine Erfahrungen mit dir teilen.

Ich leide selbst seit meiner Kindheit, also schon über 20 Jahre, an psychischen Erkrankungen (starke Panikstörungen, depressive Episoden und jahrelange Anorexie). Auch ich habe zunächst eine Ausbildung in der Pflege gemacht und muss wirklich sagen, dass ich persönlich diese Ausbildung nicht missen möchte! Ich habe dort sehr viel gelernt, was mich jetzt im Studium noch weiterbringt (fachlich und persönlich).
Allerdings mit dem Unterschied, dass ich diese Ausbildung unheimlich erfüllend fand und den Beruf wirklich mag. Nach der Ausbildung habe ich 2 Jahre auf Intensivstationen gearbeitet, bis ich das Studium begonnen habe, und mache das noch immer nebenher. Sollte ich das Studium aus irgendeinem Grund nicht schaffen, gehe ich mit Freude wieder Vollzeit auf die ITS zurück.

Die anderen hier haben Recht, vor allem die Vorklinik ist sehr verschult und besteht zu einem großen Teil aus Auswendiglernen (ich schreibe nächsten Monat mein Physikum). Das dritte Semester hat mich an meine Grenzen gebracht, obwohl ich zu Studienbeginn wirklich stabil war. Ich hatte nächtelange Panikattacken und war kurz davor hinzuschmeißen. Zum Glück habe ich schnell eine ambulante Psychotherapie gefunden, mit deren Begleitung ich wieder aus diesem Loch kam, ohne Verzögerung im Studium.

Ich persönlich denke, das wichtigste ist, zu sich selbst ehrlich zu sein, sowohl bzgl. des Studiums als auch seiner eigenen Ressourcen.
Ich glaube, so ziemlich jeder romantisiert das Studium, bevor er es beginnt. Umso wichtiger ist es, sich differenziert vor Beginn damit auseinander zu setzen,was einen wirklich erwartet, damit einen die erste nicht bestandene Prüfung nicht gleich völlig aus den Latschen haut. Denn so ziemlich jeder fällt mal irgendwo irgendwann durch, deswegen ist man noch lange kein Versager, aber sich das einzugestehen, ist manchmal gar nicht so leicht. Ich habe früh aufgehört, mich mit anderen zu vergleichen, das macht einen nur wahnsinnig und ist nicht gerade förderlich für die psychische Gesundheit und das Ego.

Auch muss man seine Grenzen erkennen und sich ggf. rechtzeitig (!) Hilfe anfordern können, das habe ich zum Glück bereits in meiner Jugend gelernt und kann das auch gut umsetzen. Es ist keine Schande sich helfen zu lassen.

Bezüglich der Essstörung: Ich hatte in der Ausbildung aufgrund privater Probleme einen Rückfall meiner Anorexie und stand kurz vor der Einweisung. Stelle ich mir diese Situation jetzt im Studium vor... Ich weiß nicht. Es ist nochmal ne ganz andere Hausnummer als die Ausbildung, deswegen finde ich es gut, dass ich körperlich komplett und auch psychisch überwiegend fit bin, alles andere wäre eine ziemliche Quälerei. Und kein Studium, kein Beruf ist es wert, dass man sich dafür kaputt macht. Das Studium ist anstrengend genug, da brauche ich nicht noch meine Essstörung, die mich 24/7 begleitet und mir den Kopf vollmüllt. Als Arzt (und auch in der Pflege!) kann man den Menschen am meisten helfen, wenn es einem selbst gut geht und man mit sich im Reinen ist.

Zur Fachrichtung: Meine Erkrankungen sind für mich genau der Grund, warum ich NICHT Richtung Psychiatrie möchte. Ich kann mich unheimlich gut in Menschen mit Depressionen, Ängsten und Essstörungen hinein versetzen, und gerade deshalb will ich das nicht machen. Da würde früher oder später die professionelle Distanz flöten gehen und das würde widerum mir mehr schaden als nutzen.


Das waren jetzt nur meine persönlichen Erfahrungen, was du aus deiner Situation machst, hängt ganz alleine an dir. Ich wünsche dir alles Gute und dass du den für dich richtigen Weg findest!

Sum93
12.07.2020, 15:10
Zur Fachrichtung: Meine Erkrankungen sind für mich genau der Grund, warum ich NICHT Richtung Psychiatrie möchte. Ich kann mich unheimlich gut in Menschen mit Depressionen, Ängsten und Essstörungen hinein versetzen, und gerade deshalb will ich das nicht machen. Da würde früher oder später die professionelle Distanz flöten gehen und das würde widerum mir mehr schaden als nutzen.





Ich halte diesen Absatz für hervorhebenswert und wichtig und deshalb für stark bedenkenswert für die Threaderstellerin/Ersteller. Ob diese Problematik dann in der Realität wirklich auch so ausgeprägt ist, kann ich selbst leider nicht zu beurteilen, das musst du dann selbst sehen, aber die Gefahr ist sicher absolut da.

haferkeks
13.07.2020, 17:44
Liebe Papillon92, ich danke dir so sehr für deinen ausführlichen Beitrag. Euch allen!
Ich weiß nicht was in den letzten Tagen passiert ist, aber in mir hat eine völlige Gradwendung stattgefunden! Ich habe mir ehrlich eingestehen können, dass ich noch meilenweit entfernt davon bin, ein so herausforderndes Studium zu packen. Und ich habe auch meine negativ-Einstellung gegenüber der Ausbildung geändert: anstatt zu rebellieren und dagegen anzukämpfen, weil ich wütend, frustriert und traurig darüber bin, dass ich durch meine Erkrankung an diesem Punkt gelangt bin- lasse ich mich jetzt völlig darauf ein. Und soll ich euch was verraten? Die letzten Tage waren GUT 😀 anstatt die Pflege zu verurteilen weil sie nicht Medizin ist, werde ich mich diesen Menschen die dort liegen und tatsächlich auf meine Pflege angewiesen sind widmen und es nutzen, dass ich nur Schüler bin und mir deshalb die Zeit nehmen kann! Es sind nur drei Tage, aber die waren völlig anders als die Wochen davor. Ich war auch viel ruhiger und habe den ganzen Stress auf Station irgendwie nicht so an mich rangelassen. Ich bin mal gespannt, was so passieren wird!

Bille11
13.07.2020, 17:51
:-party