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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : "Macht" der einzelnen Facharztgruppen in der KV



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ehem-user-21-08-2020-1502
04.08.2020, 23:13
Ich hatte heute mit einem Arzt ein Gespräch über die Stellung der einzelnen Facharztgruppen.
Ich würde gerne wissen, was ihr von folgender Aussage haltet:

„Honorare sind hauptsächlich Ausdruck der Macht der jeweiligen Facharztgruppe in der Kassenärztlichen Vereinigung“, sagt Jörg Weidenhammer, Geschäftsführer des Instituts für Gesundheits-System-Forschung (igsf). „Mit Behandlungsqualität hat das jedenfalls nichts zu tun.“

Die höchsten Honorare bekommen die "geräteintensiven" Fachrichtungen wie z.B. Radiologen. Sind diese Fachrichtungen wirklich "mächtiger" als andere? Die Anzahl der niedergelassenen Radiologen oder Fachinternisten ist doch deutlich geringer als die von Haus- oder Kinderärzten bzw. Gynäkologen.
Operativ tätige Augenärzte haben statistisch einen höheren Gewinn als operativ tätige Urologen. Ob die Kosten bei auch so viel höher sind?
Haben die vergleichsweise wenigen niedergelassenen FÄ deutlich mehr Macht als die zahlenmäßig stark vertretenden Hausärzte? Gerade die geringe Vergütung von Hausbesuchen und die fehlende finanzielle Planbarkeit müssten doch von der größten FÄ-Gruppe angegangen werden.Auch wenn die Frage vielleicht auf viele wieder naiv wirkt, ich weiss es wirklich nicht und die Frage ist ernst gemeint. Der Arzt wusste es auch nicht

urinbeutel
05.08.2020, 09:12
Kommt drauf an, was mit Macht gemeint ist. Wenn du den das Einkommen meist, mit dem die Ärzte nachhause gehen, dann stehen diese Ärztegruppen historisch wesentlich besser da:
- Geräteintensive (Radiologen, Strahlentherapeuten, Nuklearmedizin)
- Einsendepraxene (Pathologen, Labor, Humangenetik)
- Operative Fächer

Einfach weil die Vergütung besser ausgelegt ist. Auf der anderen Seite werden sprechlastige Berufe schlecht vergütet (Psychiatrie als Beispiel).
Diese Dynamik ist jedoch einem Wandel unterworfen. Die ehemals operativen Fächer wie HNO und Orthopädie müssen wohl ihre OPs an die Krankenhäuser abgeben und verdienen dadurch deutlich weniger. Solche kleinen patientennahen Fächer werden als "GOUDAH" zusammengefasst. Also konservative, patientennahe Fächer.

Ob man als individueller Arzt seine beruflich Zukunft von der Vergütungssituation abhängig machen sollte, kann man so einfach nicht beantworten. Mitunter kann man sich in vielen Fächern nicht mehr niederlassen.

edit: Ich glaube, dass die Macht einfach daher kommt, dann die Gerät bspw Millionen kosten können und man die Vergütungssätze nicht beliebig anpassen kann. Quasi je höher der Umsatz, desto höher das Honorar und entsprechend der Reinertrag, da dieser nur einen geringen Anteil des Umsatzes macht. Würde ich annehmen (als Laie). Man kann ja bei einem Umsatz von einer Millionen nicht so planen, dass der Arz mit 100k nachhause geht, sonst gehen ja alle pleite.

pineapple
05.08.2020, 09:32
Hast du Angst, es kommt zur Machtergreifung durch Urologen und zur Errichtung einer nephrologischen Diktatur?

daCapo
05.08.2020, 10:07
Machtergreifung durch Urologen

Naja da gibt es schon einige komische Entwicklungen in DE. So werden Prostata-CA Patienten garnicht über die Möglichkeit Radiotherapie und OP aufgeklärt (wie es in der Leitlinie steht). Es operieren Kliniken mit niedrigen Fallzahlen (=Operateur mit niedriger Routine) zum Teil metastarsierte Patienten (auch entgegen der LL) nur um die Fallzahlen gerade so zu erreichen.
Und für diese TOP Qualität darf man dann die hohen KK Beiträge zahlen.



edit: Ich glaube, dass die Macht einfach daher kommt, dann die Gerät bspw Millionen kosten können und man die Vergütungssätze nicht beliebig anpassen kann. Quasi je höher der Umsatz, desto höher das Honorar und entsprechend der Reinertrag, da dieser nur einen geringen Anteil des Umsatzes macht. Würde ich annehmen (als Laie). Man kann ja bei einem Umsatz von einer Millionen nicht so planen, dass der Arz mit 100k nachhause geht, sonst gehen ja alle pleite.

Es gibt einen hohen Wunsch nach radiologischer Diagnostik und Therapie. Ob das alles so notwendig ist, und man nicht dort sparen könnte ist eine andere Frage. Die Dichte an radiologischen Geräten ist in DE extrem hoch (z.B. Versorgung mit MRT).
Soweit mir bekannt, hat nur der Inhaber den höheren Verdienst, Angestellte nicht.
Dafür trägt er das Risiko z.B. wenn er bei einer Grippewelle die Praxis (=Personalmangel)/Gerätedefekte schließen muss. Er selbst kann natürlich alternativ 16h vor Ort sein. Er trägt das Risiko bei eigener schwerer Erkrankung, die ihn Monate in Zwangspause schicken. Er trägt das Risiko, wenn Fehler passieren, was so üblich ist bei Selbstständigkeit mit der Besonderheit, dass teure Geräte ungenutzt rumstehen können.

nie
05.08.2020, 10:21
Hast du Angst, es kommt zur Machtergreifung durch Urologen und zur Errichtung einer nephrologischen Diktatur?

Nephrologische Diktatur klingt gut... man munkelt auch, dass Dialysegeräte in Wahrheit Gelddruckmaschinen sind.

urinbeutel
05.08.2020, 10:29
Es gibt einen hohen Wunsch nach radiologischer Diagnostik und Therapie. Ob das alles so notwendig ist, und man nicht dort sparen könnte ist eine andere Frage. Die Dichte an radiologischen Geräten ist in DE extrem hoch (z.B. Versorgung mit MRT).
Soweit mir bekannt, hat nur der Inhaber den höheren Verdienst, Angestellte nicht.
Dafür trägt er das Risiko z.B. wenn er bei einer Grippewelle die Praxis (=Personalmangel)/Gerätedefekte schließen muss. Er selbst kann natürlich alternativ 16h vor Ort sein. Er trägt das Risiko bei eigener schwerer Erkrankung, die ihn Monate in Zwangspause schicken. Er trägt das Risiko, wenn Fehler passieren, was so üblich ist bei Selbstständigkeit mit der Besonderheit, dass teure Geräte ungenutzt rumstehen können.[/QUOTE]

Das Risiko tragen ja auch andere gerätelastige Fächer. Dadurch, dass es eigentlich nur noch Großpraxen gibt, ist ws das Risiko des Personalausfalls verteilt. Für Radiologie gibt es bundesweit keine freien Niederlassungsmöglichkeiten, der Versorgungsgrad ist überall über diesen 110%. Es wird wohl die Anstellung die Zukunft dort sein.
Hab nur das Gefühl, dass in letzter Zeit die Anstellung als "Lifestyle" Wahl vermarktet wird, was ich mir nicht vorstellen kann. Nachdem ein Arzt mit Kassensitz das dreifache des angestellten Arztes verdient, kann dieser ja seine Arbeitslast einfach auf die Angestelltes überwälzen. Glaube, dass man als Angestellter in der Regel den Kürzeren zieht. Gibt ja genug Leute in der Radio, die sich niederlassen wollen, es aber nicht können wegen Niederlassungssperre und dem politischen Wunsch nach MVZ

Evil
05.08.2020, 11:46
Naja, das Kuratorium für Heimdialyse war ja schon vor der MVZ-Gründungswelle eine der Syndikat-Strukturen in Deutschland, da sind jetzt halt die Praxennetze dazugekommen. Gerade das KfH hat aber mittlerweile an Einfluss verloren, ist halt Lobbyismus wie überall. Keine wirklich neue Erkenntnis.

ehem-user-21-08-2020-1502
05.08.2020, 17:52
"Macht" bedeutet wohl eher Durchsetzungsfähigkeit. Warum die große Zahl der Haus- bzw. GOUDAH-Ärzte sich von einer kleinen Arztgruppe die Butter vom Brot nehmen lassen, erschließt sich mir trotzdem nicht. Das Gerätemedizin besser vergütet werden muss ist klar, aber es sollte im Verhältnis stehen
Meine FA-Wahl würde ich niemals von der Vergütung abhängig machen, sondern nur vom Interesse. Gibt nichts schlimmeres als täglich in einem Fach zu arbeiten, was einen nicht interessiert. Zumal sich im Gesundheitssystem schnell sehr viel ändern kann. Wenn z.B. die PKV abgeschafft wird und einige Fachrichtungen wie Derma, Radio etc. einen hohen Prozentsatz ihrer Einnahmen davon erhalten

daCapo
05.08.2020, 19:35
Wenn z.B. die PKV abgeschafft wird und einige Fachrichtungen wie Derma, Radio etc. einen hohen Prozentsatz ihrer Einnahmen davon erhalten

Alles viel zu verkrustet, das wird hochwahrscheinlich nicht geschehen.

Thomas24
05.08.2020, 20:46
Alles viel zu verkrustet, das wird hochwahrscheinlich nicht geschehen.

Wenn der Schmerz groß genug wird, kann alles ganz schnell gehen. Unsere jetzigen sozialen Sicherungssysteme - Gesundheit, Rente, Pflege etc.- und zwar sowohl die Umlagebasierten, als auch die teils Kapital gedeckten- sind ohne schmerzhafte Einschnitte nicht mehr auf Dauer finanzierbar. Das ist allen eigentlich klar, aber niemand macht sich gerne unpopulär. Besser man überlässt den Scherbenhaufen lieber der nächsten Legislaturperiode und kann sich dann empört von seinen Amtsnachfolgern distanzieren ...nachdem man seiner Klientel noch schnell ein paar teure und unnötige Goodies wie Mütterrente etc. zugeschustert hat. Der Generationenvertrag wirds schon richten - oh wait:D

ehem-user-21-08-2020-1502
05.08.2020, 21:16
Ich glaube auch, dass die PKV einfach nicht mehr finanzierbar ist. Eine Abschaffung aus "ideologischen" Gründen halte ich für deutlich weniger wahrscheinlich. Und ein Ende der PKV wird einige FA-Gruppen deutlich härter treffen. Ob 10% oder 40% des Umsatzes Wegbrechen ist schon ein Unterschied, selbst wenn der mit 40% noch deutlich mehr Honorar haben sollte. Die Kosten sinken ja nicht

Thomas24
05.08.2020, 21:58
Ich glaube auch, dass die PKV einfach nicht mehr finanzierbar ist. Eine Abschaffung aus "ideologischen" Gründen halte ich für deutlich weniger wahrscheinlich. Und ein Ende der PKV wird einige FA-Gruppen deutlich härter treffen. Ob 10% oder 40% des Umsatzes Wegbrechen ist schon ein Unterschied, selbst wenn der mit 40% noch deutlich mehr Honorar haben sollte. Die Kosten sinken ja nicht

Kann man alles nicht mit hinreichender Gewissheit wissen. Es gibt wie immer kein Schwarz- weiß Szenario, nur Grautöne.
Und wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, ändern die Akteure ihr Verhalten.

schnix25
05.08.2020, 22:22
Die PKV wird mit Sicherheit nicht abgeschafft werden. Ist ja auch eine private Versicherung und auf dem privaten Markt kann man sich für alles versichern. Vllt kommt eine gesetzliche Versicherungspflicht für alle, aber privat wird man sich weiterhin für alles versichern können was man will. Wie viele das tun ist natürlich die frage. Und die Selbstzahler wird es weiterhin geben. Viele jetzt privat versicherte haben vllt keine Lust auf eine private Zusatzversicherung, aber zahlen im Zweifelsfall mal einmalig ihre 600€ fürs MRT als 3-4 monate zu warten.

daCapo
05.08.2020, 23:18
Naja die ganzen Beamten müssten mal aus der PKV raus, wenn sie die Grenze nicht überschreiten. Aber das ist eine politische Entscheidung und die konservativen Kräfte im Land werden nix verändern. Ebenso werden diese Kräfte die PKV erhalten um jeden Preis. Sinnvoll bzw. solidarisch ist das natürlich alles nicht.

anignu
05.08.2020, 23:55
Naja, ganz so dass sich gar nichts tut ist es ja nicht. Aber es tut sich alles sehr sehr langsam.
Dass sich was tut zeigt sich zum Beispiel bei Beamten in Hamburg. https://www.vzhh.de/themen/gesundheit-patientenschutz/krankenversicherung/pauschale-beihilfe-fuer-beamte-was-ist-zu-beachten ist da sicherlich nicht der beste Link dazu, aber ein guter Hinweis was ich meine.

daCapo
06.08.2020, 08:13
Naja, ganz so dass sich gar nichts tut ist es ja nicht. Aber es tut sich alles sehr sehr langsam.
Dass sich was tut zeigt sich zum Beispiel bei Beamten in Hamburg. https://www.vzhh.de/themen/gesundheit-patientenschutz/krankenversicherung/pauschale-beihilfe-fuer-beamte-was-ist-zu-beachten ist da sicherlich nicht der beste Link dazu, aber ein guter Hinweis was ich meine.

Das richtet sich eher an Teilzeitkräfte oder Leute mit geringem Gehalt. Die "individuelle" Beihilfe beträgt meist ca. 80%, so dass sich die PKV eindeutig lohnt insb. in jungen Jahren. Dazu kann man auch noch Chefarzt und Einbettzimmer abwählen (würde ich eh jedem raten).

freak1
06.08.2020, 09:46
Beihilfe gehört halt einfach abgeschafft. Ein Staat der die eigenen Angestellten primär in die PKV schickt und nicht ins eigene System grenzt an Lächerlichkeit. System wie in NL: Pflicht-GKV für alle und die Möglichkeit zur Zusatzversicherung wer möchte.

daCapo
06.08.2020, 17:17
Beihilfe gehört halt einfach abgeschafft. Ein Staat der die eigenen Angestellten primär in die PKV schickt und nicht ins eigene System grenzt an Lächerlichkeit. System wie in NL: Pflicht-GKV für alle und die Möglichkeit zur Zusatzversicherung wer möchte.

Ja ein System wie in NL würde ich auch favorisieren, dort man es geschafft es in den 2000ern umzustellen. Hier kann ich mir sowas einfach nicht vorstellen, zu viele Leute (Lobbyisten), die an ihren Pfründen hängen

Evil
06.08.2020, 19:38
Was genau ist jetzt der Vorteil an einem reinen Umlagesystem, was mit zunehmender Umkehrung der Alterspyramide immer immer mehr Beiträge von immer weniger Beitragszahlern verlangt? Könnte es nicht doch sein, daß Rückstellungen (die gerade gierig von verschiedenen kurzfristig denkenden Politikern beäugt werden) einen gewissen Sinn haben und deshalb vom Staat für Beamte eingerichtet wurden? Fragen über Fragen...

daCapo
06.08.2020, 20:22
Was genau ist jetzt der Vorteil an einem reinen Umlagesystem, was mit zunehmender Umkehrung der Alterspyramide immer immer mehr Beiträge von immer weniger Beitragszahlern verlangt? Könnte es nicht doch sein, daß Rückstellungen (die gerade gierig von verschiedenen kurzfristig denkenden Politikern beäugt werden) einen gewissen Sinn haben und deshalb vom Staat für Beamte eingerichtet wurden? Fragen über Fragen...

Was ist der Vorteil von einem System an dem sich alle beteiligen? Es ist gerecht. Es gäbe keinen Sonderstatus/Entzug von Beamten und Wohlhabenden vom System. Tja aber auf diese Pfründe mag niemand verzichten.