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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Untere GIB - klinikinterne Abläufe



hipo
08.08.2020, 11:21
Hallo Kollegen - ein Fall von letzter Woche, zu dem ich gern Kommentar höre.
Eine ältere Dame kommt mit der typischen Anamnese für eine akute untere GIB. Frisches Blut beim Toilettengang. Kreislaufstabil, Hb 6,6 mmol/l, normochrom, normozytär. In der körperlichen Untersuchung finden sich Hämorrhoiden Grad 3. Der Chirurg der Notfallambulanz bestätigt die Diagnose.Bei Aufnahme 6 Jahre zuvor waren bereits in Kolo Hämorrhoiden Grad 2 festgestellt, ohne Indikation für beispielsweise Sklerosierung. Die Dame wird aufgenommen, und erhält jetzt eine Gastro und eine Kolo. Es finden sich Hämorrhoiden Grad 2-3 und sonst nichts. Bei jeweils Serumspiegeln im unteren Normbereich wird eine Substitution mit Eisen, Folsäure und B12 begonnen. Dann wurde die Patienten entlassen, und gebeten sich in einer Woche in der allgemeinchirurgische Sprechstunde vorzustellen. Da wird sie voraussichtlich einen Termin für eine OP der Hämorrhoiden erhaltenen. Hätte man es nicht irgendwie hinbekommen können, dass die zur Aufnahme führende Diagnose-blutende Hämorrhoiden-im Rahmen des ersten Aufenthaltes versorgt werden? Auf Nachfrage hieß es, dass bei jeder gastrointestinalen Blutungen zuerst ÖGD und dann Koloskopie durchgeführt werden. Meiner Meinung gilt das aber vor allem für kreislaufinstabile Patienten, bei denen eine variköse Blutung möglich ist. Weiterhin hieß es, dass eine zweite Blutungsquelle zuerst ausgeschlossen werden sollte, bevor man die Hämorrhoiden versorgt. Klar, wäre natürlich blöd, wenn man aktuell nicht blutende Hämorrhoiden versorgt und dann 4 Monate später die Lungenmetastasen eines kolonkarzinoms auffallen. Trotzdem - für mich ziemlich viel Diagnostik und Tara um das eigentliche Problem drumherum. Oder? Meinungen?

davo
08.08.2020, 17:20
Ist das nicht überall Standard? Bis zum Beweis des Gegenteils gilt jede GI-Blutung als Malignomverdacht, oder?

hipo
08.08.2020, 20:32
Ich habe noch ein wenig dazu gelesen - vor allem zur operativen Versorgung von Hämorrhoiden. Ich bin danach etwas zurückhaltender bei der Therapie - Komplikationen und Rezidive. Basistherapie, v.a. Stuhlregulation, war bei der Patientin noch nicht erfolgt. Also die Re-Kolo nach 6 Jahren - OK. Die ÖGD ist denke ich maximal "kann", persönlich würde ich drauf verzichten. Andere Meinungen?

*milkakuh*
12.08.2020, 05:17
Die Hämmorhoiden scheinen ja nicht mehr akut geblutet zu haben sonst hätte man die Patientin sicher nicht nach Hause geschickt. Dass sie kreislaufstabil war spricht ja auch deutlich für ein chronisches Geschehen. Zur Diagnostik gehört immer eine vollständige Koloskopie. Alles andere ist meiner Einschätzung nach sogar ein Kunstfehler. Ich habe jedem Patienten mit peranalem Blutabgang die Durchführung einer (ambulanten) Kolo empfohlen. Ein konservativer Therapieversuch der Hämmorhoiden sollte immer erfolgen. Lokale abschwellende und analgetische und stuhlregulierende Maßnahme. Für die operative Versorgung gibt es mehrere Möglichkeiten, sie aber eigentlich alle mit einer Rezidivgefahr einhergehen.

pineapple
12.08.2020, 17:05
Ne ögd dauert 2 min. Warum sollte man das nicht in einem Rutsch mitmachen ?! Die Wahrscheinlichkeit dort was zu finden, ist einfach erhöht.

mbs
01.09.2020, 01:20
Sicherlich könnte man auch erstmal mit einer Prokto-oder Rektoskopie anfangen, aber bei einer Koloskopie sieht man eben gleich "alles". Und welches Gerät man nun reinschiebt spielt unter Umständen jetzt auch nicht so die große Rolle in dem Fall - zumindest nicht für den Patienten.

Dazu muss man unterscheiden um welche Form von "Blut" es sich genau handelt - einfach nur Beimengungen die zu Hause beobachtet wurden oder spritzt schwallartig perirektales Blut heraus? Läuft einem bei der digital rektalen Untersuchung sofort frisches Blut entgegen oder sind nur einzelne Spuren mit Schleim vermischt am Handschuh? Das macht bezüglich des Vorgehens schon einen Unterschied. Eine richtige Hämorrhoidenblutung ist meist fulminant, das Kolonkarzinom oder die Divertikelblutung macht sich nach außen hin da schon etwas weniger bemerkbar - zumindest meistens.

Ein anderer Punkt ist sicherlich auch die Abrechnung - wenn man umfassend endoskopiert kommt am Ende mehr Geld zusammen als wenn man jemanden einfach nur "zur Beobachtung" auf Station legt. Wenn dazu dann noch nicht blutende Hämorrhoiden vorhanden sind dann macht man nen zweiten Fall draus. Dann verdient die Klinik zweimal. Kann mir durchaus vorstellen dass das auch eine Rolle spielen mag.

Eine Klinik wird ja auch immerhin nicht daran gemessen wie volkswirtschaftlich effizient oder verantwortungsbewusst sie handelt oder wie hoch der Patientenkomfort ist, sondern vor allem daran ob am Ende des Jahres eine schwarze Zahl in der Bilanz steht.