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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Privatärztlich Tätig sein auf dem Dorf stundenweise möglich?



Mometasonfuroat
11.08.2020, 10:16
Hallo zusammen,

ich weiß nicht ob mein Anliegen zu ambitionistisch geprägt ist, aber ich würde sehr gerne in der Region meiner Schwiegermutter als Arzt etwas aushelfen.
Derzeit gibt es in dem 200 Seelendorf lediglich einen Arzt der eigentlich längst das Rentenalter erreicht hat und medizinisch ist die Versorgung dort eine Katastrophe, was dazu führt dass wenn wir meine Schwiegermutter derzeit einmal im Monat besuchen sich mittlerweile herumgesprochen hat, dass ich Arzt bin und nun regelmäßig Einwohner aus der Region bei meiner Schwiegermutter aufschlagen mit diversen Hautausschlägen, Herzkreislauferkrankungen, Fragen zu Medikation etc weshalb ich derzeit schon diverses Equipment mitnehme, um mir einiges genauer ansehen/anhören zu können. Ich bin leider auch jemand der schlecht im Nein sagen ist. Meine mehrmaligen Verweise auf den Hausarzt in dem Ort wird mir stets mit "Oh ne, da geh ich nicht wieder hin" kommentiert und weiter gelegene Ärzte sind für einige betuchte Nachbarn wirklich schwer zu erreichen, aufgrund der mangelnden Infrastruktur/keine Familienangehörigen.
In der Straße gibt es eine Physiotherapiepraxis und kann mir gut vorstellen, dass ich diese für 2-3 Stunden einmal im Monat benutzen könnte, um dort die Patienten adäquat privatärztlich zu behandeln und dort eine Sprechstunde anzubieten.
Weiß jemand ob das rechtlich ok wäre, hat bereits jemand Erfahrungen damit? Gibt es etwas was ich beachten müsste oder gehe gar zu blauäugig an die Sache heran?

tarumo
11.08.2020, 11:35
Meine Einschätzung: sobald Geld ins Spiel kommt (und das wird es bei Selbstzahlern) ist die weit überwiegende Anzahl der Fälle dann doch nicht mehr soooooo wichtig. Geschäftsmodell "Selbstzahlerpraxis" in einem 200 Einwohner-Dorf ist vielleicht noch auf Sylt tragfähig, anderswo aber nicht.
Wenn die Patienten wirklich "betucht" wären, dann könnten sie einfach ein Taxi in die nächste Stadt nehmen, oder?
Verwaltungs- und arbeitstechnische Komplikationen einer "mal ebenso nebenbei Arztpraxis" erwähne ich nicht, weil mir Dein beruflicher Hintergrund nicht bekannt ist.

Wenn Du angestellt bist, sollte nach Abzug von Miete, Steuern, Gerätschaften, EDV, Versicherung, Ärzteversorgung, Aufwand für Anreise etc. ein Betrag rauskommen, der DEUTLICH höher ist als das, was Du im Krankenhaus in der gleichen Zeit verdient hättest (ich gehe davon aus, daß Du angestellt bist). Eine Tätigkeit, bei dann unterm Strich gerade mal die Kosten rauskommen, ist nicht nur wirtschaftlich unsinnig, unklug im Sinne der Nachhaltigkeit, sondern wird möglicherweise dann vom Finanzamt auch noch als Liebhaberei eingestuft.

Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß Versicherungen und Beihilfe bei Rechnungen von Nicht-FA mauern...

rafiki
11.08.2020, 11:56
Ich bin leider auch jemand der schlecht im Nein sagen ist.

Willst du nicht erstmal an dieser Fähigkeit feilen? Die ist auch in anderen Bereichen durchaus hilfreich.

roxolana
11.08.2020, 12:05
Du musst dich offiziell privatärztlich niederlassen inkl. entsprechender Haftpflicht, Teilnahme am Notdienst etc. pp. Möglicherweise musst du deinen Arbeitgeber auch vorher um Erlaubnis bezüglich der Nebentätigkeit fragen.

Lass es. Die Nachbarn kannst du in Zukunft damit abwimmeln, dass du sie aufgrund fehlender Versicherung nicht behandeln darfst.

Moorhühnchen
11.08.2020, 15:39
Ich könnte mir vorstellen, dass die "betuchten" Nachbarn eher "betagt" sind. ;-)

Relaxometrie
11.08.2020, 15:49
@Mometasonfuroat:
Ich finde es super, dass Du zu der schlechten Infrastruktur-Situation in der Gegend Deiner Schwiegermutter nicht einfach sagst:" Was soll's. Mir egal.".
Aber vermutlich ist es für eine Einzelperson tatsächlich eine Nummer zu groß. Die Zustände, die Du dort vorfindest, herrschen ja nicht nur an diesem einen Platz, sondern an vielen Orten Deutschlands. Insofern ist es eher die Aufgabe der Lokalpolitik, konstruktive Lösungen zu erarbeiten. Mit Deinem wirklich lobenswerten Engagement wirst Du auf Dauer aber vermutlich eher die Besuche bei der Schwiegermutter für Dich und die anderen Familienmitglieder unerfreulich machen, weil Du dann eben nicht "zu Besuch kommst und Zeit hast", sondern arbeitest. Tritt doch mal in Kontakt mit einem Vertreter der Lokalpolitik.

Rettungshase
11.08.2020, 21:45
Sehe ich genauso, dass ich es eher lassen würde.

Außer acht lassen sollte man auch Folgendes - im status quo - nicht:
"(...)Ein Grund hierfür findet sich bereits in der (Muster-)Berufsordnung Ärzte (MBO-Ä). § 12 MBO-Ä normiert, dass der Verzicht auf Honorarforderungen grundsätzlich unlauter ist. Gemäß § 12 Abs. 2 MBO-Ä dürfen Ärzte auf Honorarforderungen ganz oder teilweise verzichten, wenn sie Verwandte, Kollegen, deren Angehörige und mittellose Patienten behandeln."
ganz abgesehen von der versicherungsrechtlichen Seite....
Quelle: https://medizinrecht.ra-glw.de/index.php/kostenlose-aerztliche-leistungen/

Schreib der Politik einen herzerwärmenden Brief über die Nöte der Menschen. Wenn du da heftig Lust drauf hast, schreibst du ans örtliche Käseblättchen.
Vielleicht tun sich dann der lokale Friseur, der lokale Bäcker und der Bürgermeister zusammen, um einem niederlassungswilligen jungen Arzt und dessen Familie ein Rundum-Sorglos-Paket zu basteln ;)

Achja... btw. eine gute Gelegenheit, Nein zu sagen zu trainieren. Du bist da zum Privatbesuch, nicht um mit mitgebrachtem Equipment irgendwelche (!) Leute zu behandeln.

Mometasonfuroat
12.08.2020, 09:23
Hallo zusammen,
vielen lieben Dank für die vielen Informationen und den Input es waren wirklich die „betagten“ gemeint und nicht betuchte 🙈
Ihr habt sicher absolut recht nichtsdestotrotz kann ich mich nur schwer von der Idee lösen und würde sehr gerne helfen vielen Dank auch an den Tipp mich vielleicht einmal an die Lokalpolitiker vor Ort zu wenden.
Worüber ich mir noch nicht im Klaren bin sind die monatlichen Kosten die anfallen Miete müsste ich nicht zahlen das Equipment ist vorhanden ein Laptop ebenso das einzige was mich erwarten würde wären doch die erhöhten Versicherungsbeiträge oder?
Noch kurz zu mir ich stehe kurz vor meiner Facharztprüfung und könnte mir eine Praxis auf dem Land in den kommenden Jahren auch sehr gut vorstellen.
Zur Zeit bin ich angestellt, eine Erlaubnis meines Arbeitgebers hätte ich sogar da ich mit ihm schon einmal darüber gesprochen hatte ,es würden sich auch wirklich nur um zwei, drei Stunden maximal einmal im Monat handeln die Frage ist natürlich ob wirklich jemand dann bereit ist auch Geld zu zahlen ich würde es auch nur sehr locker handhaben wollen. Eine richtige Praxis eröffnen hatte ich eigentlich nicht vor, gibt es vielleicht noch irgendein anderes Modell was man hier fahren könnte?

Feuerblick
12.08.2020, 09:33
Egal, ob du das sehr locker handhaben wollen würdest... du müsstest genauso dokumentieren und abrechnen wie jede normale Praxis. Mit allem drum und dran. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich der Aufwand am Ende lohnt.

tarumo
12.08.2020, 12:34
Worüber ich mir noch nicht im Klaren bin sind die monatlichen Kosten die anfallen Miete müsste ich nicht zahlen das Equipment ist vorhanden ein Laptop ebenso das einzige was mich erwarten würde wären doch die erhöhten Versicherungsbeiträge oder??

Du hast ein EKG, Sonogerät, Defi, Basic-Labor, ein Grundinstrumentarium an Instrumenten für HNO und kleine Chirurgie vorrätig und natürlich die entsprechenden Geräte zum Sterilisieren? Und genug Praxisbedarf wie Handschuhe, Spritzen, Verbandsmittel und einen Grundstock an Medikamenten? Und auf dem Laptop ist auch schon ein Praxisverwaltungsprogramm aufgespielt?
Beneidenswert!
Wenn nicht: dann erst mal für 50.000 oder 100.000 EUR shoppen gehen. Es hat schon seinen Grund, daß es so "Hobbypraxen" eher in den Psy-Fächern gibt.

Bedenke: Dein Geschäftsmodell soll sein, den Leuten für ihr gutes Geld eine entprechende Leistung zu bieten. Wenn Du aber jeden Brustschmerz, jede Kolik, jede Platzwunde oder auch nur eine Coerumenentfernung weiterschicken mußt, wird jeder Besuch eines der umworbenen Selbstzahler der erste und der letzte gewesen sein.
Das Risiko für Klagen gibt´s gleich noch mit dazu wg. Sub-Standard.
Falls Du in derartiger Umgebung arbeiten willst, empfehle ich eine x-beliebige KV-Bereitschaftspraxis, wo eine solche spartanische Ausrüstung sowohl den GKV-Sätzen als auch dem Minimalprinzip nach WANZ Rechnung trägt.

Übrigens müssen in ´schland "Untermieter" sauber getrennt sein, d.h. Du wirst um Abmahnungen zu vermeiden, eigene Räumlichkeiten in der PT-Praxis benötigen. Und ob die dem Standard (exemplarisches Stichwort: berührungsfreie Wasserhähne) für eine Arztpraxis genügen?

tarumo
12.08.2020, 14:11
Nachtrag:

Es gibt durchaus verschiedene "Leuchtturm" und "Pilot" Projekte, wo über die KV angestellte Ärzte stundenweise Dienst auf irgendwelchen Dörfern versehen. Der mittlerweile eingestellte Medibus war eins davon. Es ist also durchaus möglich, auch ohne Übernahme einer KV- (Teil)- Zulassung stundenweise irgendwo zu praktizieren. Wobei die KV vermutlich nicht vom Facharztstatus abweichen wird.

Aber Dein Post war ja so formuliert, daß Du das ja eben nicht willst, und die Großherzigkeit dort endet, wo Kassenpatienten ins Spiel kommen, oder?

Selbstzahler (die auch auch in der GKV sein können) dürfen und werden einen gewissen Komfort und Mindeststandard erwarten, der sich eben auch gerätetechnisch vom Lambareneniveau unterscheidet. Und die notwendigen Investitionen wird man mit einer nur stundenweisen Tätigkeit nie erwirtschaften können, selbst wenn man alle anderen rechtlichen Schwierigkeiten gelöst hat.

Vielleicht ist das gut zu begreifen?

Wenn Du Dich einbringen willst, dann biete Dich als ehrenamtlicher Fahrer für einen Bürgerbus an, der die Leute zum Einkaufen oder zum Arztbesuch in die nächste Stadt bringt. Ein Bürgerbus ist auch leichter auf die Beine zu stellen als eine Arztpraxis und Du mußt nur mit ca 60 EUR für einen Personenbeförderungsschein in Vorleistung gehen.