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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Selbstzweifel nach Zulassungsangebot



Martin512
16.09.2020, 17:28
Hallo liebes Forum,

ich wende mich an euch, weil ich momentan nicht so richtig weiter weiß. Ich verstehe nämlich ehrlich gesagt nicht, was gerade mit mir los ist.
Das klingt echt komisch und ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas hier ein mal schreibe, aber ich überlege, nachdem ich nach jahrelangem Kämpfen um meinen berufliche Traum endlich einen Medizinstudienplatz habe (und dann auch noch an der Charité), alles abzublasen und nicht Medizin zu studieren.

Wenn ich das so schreibe, denke ich irgendwie, das bin nicht ich, der das denkt. Ich weiß einfach echt nicht, was ich jetzt tun soll.

Also, um euch wenigstens ein bisschen mit meiner Situation vertraut zu machen, versuche ich mal meine Vergangenheit hier zusammenzufassen:

Ich bin jetzt 21 Jahre alt und komme schulisch von einer Realschule. Seit der 4. Klasse bin ich Jugendrotkreuz und Schulsanitätsdienst gewesen (später im DRK). Dort hatte ich meine ersten Berührungspunkte mit der (Notfall-)Medizin. Meint man im Jugendrotkreuz gar nicht so. Aber wir hatten sehr engagierte Rettungsassistenten als Betreuer und dort mit 13 Jahren schon an Puppen Zugänge gelegt und endotracheal intubiert :-)) Das war echt cool. Und hat mir richtig Lust auf einen medizinischen Beruf gemacht.

Nach einem Praktikum im Krankenhaus, das ein kompletter griff ins Klo war, weil ich Nichts außer putzen und Essen verteilen durfte, war ich irgendwie enttäuscht vom Krankenhausalltag. (Gut ich war damals so 15 glaube ich, da geht versicherungstechnisch auch wahrscheinlich nicht mehr). Auch die Ärzte in der Bekanntschaft haben vom Medizinstudium abgeraten. All deren Kinder machen was anderes. Es sei viel zu stressig und nicht zu empfehlen.

Gleichzeitig habe dann meine Faszination für's Fliegen entdeckt, die wirklich groß war.

Als die Realschule dann zu Ende ging, war ich mir sehr klar, was ich dann machen will.

Von Medizin rieten mir viele ab. Gleichzeit habe ich immer wieder (nicht nur von meiner Mutter :D sondern auch von Freunden oder Leuten aus dem JRK oder Schulsanitätsdienst) gehört, dass ich mit den Patienten, die, bis auf die einigen Schulsanitätsdienst-Einsätze, allerdings nur Schauspieler waren, super umgehe. Ich wüsste wirklich viel (hatte dann auch Spaß Fachbergriffe auswendig zu lernen und ja eigentlich alles was Notfallmedizin angeht) und würde sehr empathisch und einfühlsam mit den Patienten umgehen.

Als ich dann aber einerseits die riesen Faszination für’s Fliegen, andererseits den Spaß als ehrenamtlicher Helfer (Ab 18 als Sanitäter) hatte, wollte ich beides in meinem Leben in der Zukunft haben. Ehrenamtlich, ohne den Stress eines Arztes/Studenten als Sanitäter helfen und hauptberuflich Verkehrspilot sein. Das war mein Traum.

Also habe ich die Realisierung in Angriff genommen.

Nach der Realschule ging es sofort auf ein technisches Gymnasium. Nach sehr gutem Abi (2019), habe ich mich dann bei Lufthansa beworben. Nach mehreren Monaten warten und mehreren Tagen an Testungen bin ich im letzten Test rausgeflogen. Die Begründung war: Da ich im letzten Test ja nachgelassen habe, denken sie, dass ich nicht genug Ausdauer und Belastbarkeit habe. Gleichzeitig wurde mir gesagt, dass meine Leistungen, bis auf den letzten Test alle hervorragend waren und ich es auf jeden Fall noch bei Eurowings versuchen soll.

Das habe ich getan und bin dort auch wieder im letzten Test nach mehreren Tagen Testung rausgeflogen, diesmal ohne angaben von Gründen, was für mich den Zusammenbruch, all meiner Träume bedeutet hat. Denn es gibt bzw. gab vor Corona keine andere Möglichkeit ziviler Berufspilot zu werden, ohne knappe 100.000€ zu riskieren.

Also war’s das mit Pilot. Im Nachhinein hatte ich echt Glück, dass es nicht geklappt hat. Mit Corona wäre es sowieso aussichtslos gewesen. Ich will gar nicht an die ganzen Pilotenschüler denken, die jetzt vor gar nichts außer 10tausenden € an Schulden stehen.

In den Wintermonaten vor Corona habe ich mich dann noch bei einer Frachtfluggesellschaft, einer privaten Flugschule für die Pilotenausbildung , sowie einem Flughafen für ein duales Elektrotechnikstudium beworben.

Private Flugschule und die Frachtfluggesellschaft war mir dann doch zu riskant (auch wenn ich da den Eignungstest wieder bestanden habe).

Beim Flughafen wurde ich nach (Ihr erratet es kaum :D) einigen Test auch angenommen, habe dann aber auch wieder einen Rückzieher gemacht, weil ich zu dem Zeitpunkt noch nicht sicher war, ob ich mich wirklich einem Unternehmen verpflichten will (auch wenn das einen sehr sympathischen Eindruck gemacht hat). Ich wollte lieber zum Wintersemester die freie Wahl haben. Zu dem Zeitpunk habe ich wieder über Medizin als Studium nachgedacht.

In meiner Zeit am technischen Gymnasium habe ich meine Begeisterung für die Elektrotechnik entdeckt und viel in meiner Freizeit gebastelt, gelötet und sogar ein bisschen programmiert.

Um jetzt mal nicht einen kompletten Roman zu schreiben :D Komme ich jetzt mal zur Gegenwart.

Medizin, mit seiner großen Sinnhaftigkeit und daraus resultierendem Wertgefühl für die Arbeit habe ich über ein Elektrotechnik Studium gestellt. Ich habe einfach gedacht, bei Elektrotechnik sitze ich dann in irgendeiner Firma, womöglich noch bei einem Autobauer und so, und entwickle irgendwelche sinnlosen Gadgets die mit ihrem Strom- und Ressourcenverbrauch den Klimawandel anfeuern (Ich bin sehr umweltbewusst). Für mich war dann klar, ich mache Medizin.

Also habe ich mich daran gesetzt, den Ham-Nat, Ham-SJT und TMS geschrieben und an allen 38 Unis beworben. Alle 3 Test sind wirklich gut gelaufen, deutlich im oberen Drittel.

Ich war dann so irgendwie in der Stimmung: Ja Medizin ich hab’s versucht. Aber ich mach dann halt Elektrotechnik, das ist genauso interessant aber auch viel entspannter. Und dann arbeite ich danach bei einem Energieversorger und baue Windräder oder so. Dann tue ich was gegen den Klimawandel, das ist vielleicht sogar noch sinnhafter und befriedigender als Arzt.

Und dann Bumm, 15 Zulassungen inkl. Charité . Worüber sich jeder „normale“ Mensch wahnsinnig freuen würde, und ich hätte gedacht ich auch, kann ich es irgendwie nicht. Ich stehe nur da und bin irgendwie planlos und auch gefühllos. „Was ist mit mir los?“ habe ich mich gefragt. „Ich muss mich jetzt wahnsinnig freuen, ich habe es geschafft!“ Aber irgendwie kam nichts. Ganz anders als bei den Untertest bei der Pilotenselektion. Als ich die geschafft habe habe ich Tage lang gegrinzt.

Meine eigene Reaktion hat mich seit dem sehr verunsichert. Ist es doch nicht das richtige für mich.

Dann kam noch dazu, dass ich für all die Eignungstest mir ein Jahr freigenommen habe um mich voll darauf konzentrieren zu können und nicht nachher für irgendein 450€ Job den TMS vergeige.
Dieses 1 Jahr zuhause herumsitzen war zwar für die Tests wahrscheinlich die richtige Entscheidung, für meine Psyche aber glaube ich sehr schlecht. Dazu kam Corona, was auch bei mir zu massivem Rückgang jeglicher sozialen Interaktion geführt hat.

Nach diesem Jahr habe ich, der sonst eigentlich gerne neues gelernt hat, gerne gereist ist und Menschen begegnet ist (wenn auch mit einiger Schüchternheit) irgendwie auf gar nichts mehr Lust. Nein, ich muss sogar sagen, die Vorstellung so ins kalte Wasser geschmissen zu werden, macht mir richtig Angst.

Das ganze ist jetzt in den letzten Tagen wirklich ziemlich übel geworden. Ich habe mittlerweile Schlafmangel, kleinere Panikattacken, Appetitlosigkeit und bin lustlos und müde. Und ja, ich weiß, dass das die Symptome für eine Depression sind. Das macht mir noch mehr Angst, sowas hatte ich noch nie. Ich habe einfach rießige Selbstzweifel. Zum einen, dass ich das Studium nicht schaffe, zum anderen ob ich mit dem Ausziehen zu Recht komme (darüber habe ich irgendwie noch nie Nachgedacht). Plötzlich kann ich mir es gar nicht vorstellen, so lange, so weit (wir wohnen im Schwarzwald) von meinen Freunden und besonders von meinen Eltern (wir haben ein sehr enges Verhältnis) getrennt zu sein.

Ja und da bin ich also nun. Ich denke, dass ich einfach aufgrund des langen „Zuhauserumsitzens“ den Faden im Leben komplett verloren habe. Ich lerne nichts neues kennen, keine neuen Freunde, jeden Tag nur Faulenzen. Und der Verlust von dem gewohnten löst in mir diese nie dagewesene Panik aus.

Ich beginne in einigen Tagen den ersten 30 Tage Abschnitt meines Krankenpflegepraktikums. Ich hoffe, dass das mich so bisschen ins normale Leben zurückholen wird. Auch wenn ich mir jetzt schon sicher bin, dass die ersten Tage absolut be… (Ihr wisst schon) sein werden.

Auch versuche ich mir zu sagen, dass die Zweifel o.k. sind. Ich bin halt so einer, der immer Grübelt und es damit manchmal übertreibt :D. Ich versuche auch, die Überwindung zu finden und wenigstens mit dem Studium in Berlin zu beginnen. Niemand zwingt mich das fertig zu machen. Wenn mir das aus irgendeinem Grund nicht gefällt, fahr ich einfach von heute auf morgen nach hause und breche es ab. Und dann kann ich immer noch zum Sommersemester mit Elektrotechnik beginnen. Ich hoffe nur, dass ich nicht schon vorher abspringe. Aber ich muss es zumindest mal versuchen!

Wobei ich mir dann auch wieder sage, das ist doch mieß von mir. Es gibt so viele Leute die unbedingt Medizin studieren wollen und ich mach es dann vielleicht gar nicht fertig oder nur so halbherzig, währen jemand anderes viel mehr davon hätte.

Ja, vielleicht könnt ihr mal eure Gedanken mit mir teilen. Ging oder geht es euch vielleicht auch so? Irgendwie mache ich aus dem eigentlichen Vorteil, viele Interessen zu haben (Elektrotechnik, Medizin, könnte mir auch Physik oder etwas in Umweltrichtung vorstellen) einen Nachteil, in dem ich mich nicht entscheiden kann. Am liebsten würde ich einfach die Zeit anhalten und so all den Problemen, Fragen und dem "Aufwachen" aus meinem Trott nie begegnen müssen. Ich fühle mich wirklich so. Wie wenn man nach einer kurzen Nacht morgens um halb 7 für die Schule aufstehen muss und der Wecker klingelt. Man weiß, man muss irgendwann aufstehen, aber man hat das Gefühl alles wiegt 100 kg und man schafft es irgendwie nicht. Und jetzt wünsche ich mir eigentlich genau das, dass ich aufwache und mein Alltag läuft und ich habe einfach Spaß im Leben und, vor allem, eben einen Ziel auf welches ich wieder selbstbewusst hinarbeite. Ich glaube das fehlt mir am Meisten, ein Ziel hinter dem ich zu 100% stehe.

Ich wünsche euch allen, das es euch nicht so geht wie mir, sondern, dass ihr euren Traum verwirklichen könnt und voller Freude in eure Traumstadt zu eurem Traumstudium zieht könnt.

Alles Gute und viel Kraft wünsche ich euch.

Martin (Nicht mein richtiger Name, ich möchte hier anonym bleiben)

Feuerblick
16.09.2020, 17:36
Was du nicht schreibst, was aber das Allerwichtigste ist: Welchen BERUF möchtest du später ausüben? Wo siehst du dich? Im Krankenhaus mit Diensten, Überstunden, Stress, mit Menschen, kranken Menschen? In der Elektrotechnik? Als Pilot?
Mach dir klar, in welchem Beruf du arbeiten willst. „Befriedigend“ kann jeder Job sein. Absolut anstrengend, enervierend und hassenswert auch. Da irgendwelche Wertigkeiten (Arzt ist wertiger als ein Igenieur) zu konstruieren, ist Quatsch. Selbst der Müllmann macht einen wertvollen Job.

Ganz ehrlich? Ich lese in deinem Beitrag so gar nicht, mit welcher Motivation du überhaupt Medizin studieren willst.

judas4444
16.09.2020, 18:05
Stell mal all deine Grübeleien nach hinten und denke realistisch. Könntest du nach dem Medizin Studium in Richtung Elektrotechnik gehen? Ja denn Elektrotechnik ist zulassungsfrei in DE.
Könntest du nach dem Elektrotechnik Studium wieder irgendwas mit Medizin machen? Wohl kaum. Da kommst du niewieder rein.

minifussel
17.09.2020, 08:32
Was ich lese, ist eine ganze Bandbreite an Interessen, die man zur Not gut als Hobbies ausüben könnte - man muss kein Notarzt sein, um Notfallmedizin zu machen (Sani bist du ja schon), wenn es nicht reicht, geh noch zur Feuerwehr, da hast du Action. Pilot? Naja, es gibt ja nun doch die Flugschulen, es müssen nicht direkt die großen Maschinen sein. Fang klein an. Elektrotechnik - es tut mir leid das so zu sagen, aber ein bisschen Basteln und Löten heißt noch nicht, dass man damit das ganze Leben verbringen möchte.

Du scheinst ein sehr vielseitiger Mensch zu sein, jedoch ohne die Richtung, in die es BERUFLICH gehen soll. DU musst dir die Frage beantworten, wo du dich beruflich in 20 Jahren siehst, deinen Hobbies kannst du auch in der Freizeit nachgehen. Aber um den Hobbies nachgehen zu können, musst du dich irgendwie finanzieren.

xRambaZamba
17.09.2020, 09:00
Was mir auch direkt aufgefallen ist, dass Du irgendwie ein bisschen von allem machen willst, aber eben - wie Du selber schreibst - Dich nicht so recht entscheiden kannst.
Ich würde mir an deiner Stelle, bevor ich mir überhaupt Gedanken um das Studium an sich mache, überlegen, in welchem Beruf Du später deinen Alltag siehst, so wie Feuerblick auch schrieb.
Es bringt Dir nichts alles toll zu finden, aber nicht zu wissen, wie deine Zukunft aussehen soll - die kannst Du immerhin beeinflussen.

Auch dein letzter Absatz, dass es ja unfair andern gegenüber ist, wenn Du annimmst & dann abbrichst.... Meine ehrliche Meinung? Pech gehabt. Du musst an Dich denken, es ist dein Leben. Dein Leben läuft nicht besser bzw. schlechter, weil jetzt diese eine Person, die Du nicht kennst, eben erst im Sommersemester den Platz bekommt. Wenn man sich das wirklich vorwerfen will, nur zu, daran können wir nichts ändern. ABER wenn Du es nicht auch nur versuchst - und die Chance einer Zulassung kriegst Du eben nicht jedes Winter-/Sommersemester - wirst Du Dir das ewig vorwerfen & Dich fragen, ob nicht doch das Medizinstudium eher dein Leben erfüllt hätte. Und glaube mir, daran würdest Du länger nagen als daran, dass Du jemandem den Platz weggenommen hast für ein Semester. Bei dem Du nicht mal weißt, ob der nicht sogar irgendwann abbricht oder Sonstiges.

Und zu guter Letzt, weil es Dich ja scheinbar auch sehr beschäftigt: Ja, das Studium ist stressig, zeitintensiv, gefühlt ein Full-Time-Job. Muss man ehrlich zugeben. Aber ist das wirklich ein Problem oder eher eine Ausrede aufgrund deiner Ängste? Ich meine, Du zeigst relativ deutlich, dass Du wissbegierig bist & gerne lernst. Das ist schon einmal eine wichtige Voraussetzung, weil ums Lernen kommst Du nun mal nicht drum rum. Stressig ist dann sowieso etwas subjektives. Ich weiß nicht, wie die Semester an der Charité aussehen, ich kann nur von Homburg (Saarland) reden.
Ich kann Dir aber immerhin sagen, dass es ganz darauf ankommt, was Du daraus machst. Ob Du Dich stressen lässt oder nicht.
Ein Semester lang Anatomie + Neuroanatomie mit 3 mündlichen Testaten ist stressig. Keine Frage. Im Nachhinein muss ich aber sagen, dass eher die Leute stressig waren, die Stress hatten, nicht das Semester selber. Genauso wie die Physikumszeit.
Aber das Gute an der Sache ist: mit Stress kann man lernen umzugehen. Du darfst halt nicht vergessen, dass Du trotzdessen, dass Du Medizin studierst & Arzt wirst, immer noch ein lebender Mensch mit Bedürfnissen bist.
Wir (oder ich :D) sitzen nicht 24/7 vor den Büchern & lernen. Während nem normalen Semester lernt man so viel wie man eben braucht, aber auch nicht zu viel. Das macht man in den eigentlichen Examenszeiten genug. Viele kleine Fächer, wie z.B. Patho in der Klinik oder bei uns sogar Kardio, bestehst Du sogar nur mit Altklausuren. Was ja okay ist, wenn man sowieso eine komplett andere Fachrichtung machen möchte.

Mein Schlusswort was ich an Dich richte:
Mein Rat wäre es, es zu versuchen. Dich nicht von andern stressen lassen. Spaß daran haben. Und wenns nichts wird oder nicht passt kannst Du immerhin stolz behaupten es versucht zu haben, statt Dir eventuell immer die Frage zu stellen "Was wäre wenn...?"

xRambaZamba
17.09.2020, 09:01
Was mir auch direkt aufgefallen ist, dass Du irgendwie ein bisschen von allem machen willst, aber eben - wie Du selber schreibst - Dich nicht so recht entscheiden kannst.
Ich würde mir an deiner Stelle, bevor ich mir überhaupt Gedanken um das Studium an sich mache, überlegen, in welchem Beruf Du später deinen Alltag siehst, so wie Feuerblick auch schrieb.
Es bringt Dir nichts alles toll zu finden, aber nicht zu wissen, wie deine Zukunft aussehen soll - die kannst Du immerhin beeinflussen.

Auch dein letzter Absatz, dass es ja unfair andern gegenüber ist, wenn Du annimmst & dann abbrichst.... Meine ehrliche Meinung? Pech gehabt. Du musst an Dich denken, es ist dein Leben. Dein Leben läuft nicht besser bzw. schlechter, weil jetzt diese eine Person, die Du nicht kennst, eben erst im Sommersemester den Platz bekommt. Wenn man sich das wirklich vorwerfen will, nur zu, daran können wir nichts ändern. ABER wenn Du es nicht auch nur versuchst - und die Chance einer Zulassung kriegst Du eben nicht jedes Winter-/Sommersemester - wirst Du Dir das ewig vorwerfen & Dich fragen, ob nicht doch das Medizinstudium eher dein Leben erfüllt hätte. Und glaube mir, daran würdest Du länger nagen als daran, dass Du jemandem den Platz weggenommen hast für ein Semester. Bei dem Du nicht mal weißt, ob der nicht sogar irgendwann abbricht oder Sonstiges.

Und zu guter Letzt, weil es Dich ja scheinbar auch sehr beschäftigt: Ja, das Studium ist stressig, zeitintensiv, gefühlt ein Full-Time-Job. Muss man ehrlich zugeben. Aber ist das wirklich ein Problem oder eher eine Ausrede aufgrund deiner Ängste? Ich meine, Du zeigst relativ deutlich, dass Du wissbegierig bist & gerne lernst. Das ist schon einmal eine wichtige Voraussetzung, weil ums Lernen kommst Du nun mal nicht drum rum. Stressig ist dann sowieso etwas subjektives. Ich weiß nicht, wie die Semester an der Charité aussehen, ich kann nur von Homburg (Saarland) reden.
Ich kann Dir aber immerhin sagen, dass es ganz darauf ankommt, was Du daraus machst. Ob Du Dich stressen lässt oder nicht.
Ein Semester lang Anatomie + Neuroanatomie mit 3 mündlichen Testaten ist stressig. Keine Frage. Im Nachhinein muss ich aber sagen, dass eher die Leute stressig waren, die Stress hatten, nicht das Semester selber. Genauso wie die Physikumszeit.
Aber das Gute an der Sache ist: mit Stress kann man lernen umzugehen. Du darfst halt nicht vergessen, dass Du trotzdessen, dass Du Medizin studierst & Arzt wirst, immer noch ein lebender Mensch mit Bedürfnissen bist.
Wir (oder ich :D) sitzen nicht 24/7 vor den Büchern & lernen. Während nem normalen Semester lernt man so viel wie man eben braucht, aber auch nicht zu viel. Das macht man in den eigentlichen Examenszeiten genug. Viele kleine Fächer, wie z.B. Patho in der Klinik oder bei uns sogar Kardio, bestehst Du sogar nur mit Altklausuren. Was ja okay ist, wenn man sowieso eine komplett andere Fachrichtung machen möchte.

Mein Schlusswort was ich an Dich richte:
Mein Rat wäre es, es zu versuchen. Dich nicht von andern stressen lassen. Spaß daran haben. Und wenns nichts wird oder nicht passt kannst Du immerhin stolz behaupten es versucht zu haben, statt Dir eventuell immer die Frage zu stellen "Was wäre wenn...?"

Kackbratze
17.09.2020, 13:27
Schonmal an Lehramt gedacht? Dann kannst Du in den Schulferien die Elektrik der Krankenwagen reparieren und dein Segelflugzeug nutzen. Und wenn es zeitlich nicht passt, eben nach Verbeamtung noch krank machen.

Ansonsten ist das Internet nicht der erste Ort an den ich denken würde, wenn ich meine Zukunft planen will.
:-meinung

davo
17.09.2020, 17:39
Das Elektrotechnik-Studium ist sicher nicht "viel entspannter" als das Medizinstudium. Sondern sehr wahrscheinlich sehr viel intensiver. Das Medizinstudium ist echt nicht besonders schwer. Es gibt diverse Hürden, ja, wie z.B. der Präpkurs oder das Physikum, aber die Durchfallquoten sind auch da meist recht niedrig. Nicht zu vergleichen mit einem Studiengang wie Elektrotechnik. Aber jemand mit deinem Background wird, sofern du in Mathe gut bist, beide Studiengänge bestehen können.

Allerdings kann der Beruf als Arzt durchaus stressig sein, und es gibt sicher Ingenieure, die bei weniger Stress mehr verdienen. Andererseits ist beim Medizinstudium die Karriere gewissermaßen vorgezeichnet, und selbst die schlechtesten Absolventen haben de facto eine Garantie, kurzfristig vernünftig zu verdienen und mittelfristig gut zu verdienen. Als Ingenieur ist das definitiv nicht der Fall - da gibt es eine sehr große Diskrepanz zwischen Konzernen mit gutem Tarifvertrag einerseits und Dienstleistern oder kleineren Arbeitgebern andererseits.

Ob dir das Pflegepraktikum gefällt oder nicht, sagt überhaupt nichts darüber aus, ob das Medizinstudium sinnvoll für dich ist, ob der Arztberuf sinnvoll für dich ist. Es ist halt ein Pflichtpraktikum, das es in fast keinem anderen Land der Welt gibt. Mehr nicht. Erledigen, abhaken, vergessen.

Versuch herauszufinden, was dir besser gefallen würde - eine typische Laufbahn als Arzt oder eine typische Laufbahn als Elektrotechniker. Denn darum gehts ja letztlich. Nicht um das Studium - das dauert ja nur ein paar Jahre.

WackenDoc
17.09.2020, 17:49
Das ist doch alles nix halbes und nix ganzes. Geht schon damit los- wenn du unbedingt Medizin studieren wolltest (oder halt auch Pilot werden)- warum nicht gleich das Abi? Warum nicht z.B. eine Ausbildung als Notfallsanitäter, Bewerbung für eine Elektrikerlehre, wenn dir sowas Spass macht, du aber nicht weisst, ob das mit dem Studium so das Wahre ist?

Martin512
18.09.2020, 16:06
Liebe Forumsmitglieder,

erst mal ein ganz großes Dankeschön für eure Zeit und ehrlichen Antworten. Besonders an xRambaZamba.
Mir geht es mittlerweile auch schon ein bisschen besser. Ich glaube ich war einfach überfordert nach all der Zeit die Zulassung so ins "Gesich geschmissen" zu bekommen.

Man darf glaube ich auch wirklich nicht das Wesentliche und Langfristige aus den Augen verlieren. Kurzfristig werde ich durch den Stress des Umziehens, Unterkunft finden, als Dorfkind in einer Millionenstadt zurecht kommen und natürlich all den Hürden im Studium mich durchbeißen müssen. Aber wie xRambaZamba schon sagt: Das wird in meinem Leben nur ein mittellanger Abschnitt sein. Viel länger ist der nach dem Studium, die Zeit in der man arbeitet.

Als Arzt hat man danach so viele Möglichkeiten. Man kann Intensivmediziner in einer Maximalversorgungsklinik werden, Landarzt oder sogar „nur“ Amtsarzt mit sicherlich nicht mehr so hohem Gehalt, aber einem sehr (gut wahrscheinlich auf Dauer schon zu) entspannten Job. Und das so ziemlich an jedem Fleck dieser Welt.

Also Pilot kann man „nur“ Flugzeuge fliegen und es ist sehr schwer an seinem Wunschort sesshaft zu werden. Also Elektrotechniker, wie davo sagt, kann man zum einen mit deutlich weniger Gehalt da stehen, zum anderen auch ganz schön durch die Welt gejagt werden, was Dienstreisen und so angeht. Und das Elektrotechnikstudium ist sicher viel weniger Auswendiglernerei, aber eben in anderen Punkten deutlich anspruchsvoller. Und Mathe war ich zwar immer gut, aber nie sehr gut oder hatte großen Spaß dabei. Höchstens wenn es mit Naturwissenschaft verknüpft war, wie im Physikunterricht. Und das passt ja dann eher beim Medizinstudium.

Auch wenn im Studium mir sicher nicht alles super viel Spaß machen wird, denke ich, ist das schon die beste Wahl. Langfristig.

Klar, man kann all dem was mir jetzt Sorgen macht, wie WackenDoc erwähnt hat, aus dem Weg gehen und einfach NotSan werden oder so. Aber dann muss man später 40h arbeiten um das zu verdienen was ein Arzt in weniger als der halben Zeit verdient und die Behandlung immer letztendlich den Arzt machen lassen (Spätestens da würde ich mir denken, dass ich das jetzt machen könnte, hätte ich damals bloß...).

Und wie ihr sagt, ich unterschreibe nirgends einen Vertrag. Ich kann mich von heute auf morgen immer noch jederzeit umentscheiden und was anderes machen. Nur umgekehrt, wie judas4444 gesagt hat, wenn ich jetzt erst mal ein anderes Studium versuche, steht eine erneute Zulassung, mit als der Unsicherheit durch das neue Verfahren, in den Sternen.

Ich denke, ich werde das Studium auf jeden Fall bis zum Ende des 1. Semesters durchziehen, komme was wolle. Dann kann ich problemlos zum Sommersemester zu vielen (klar nicht allen, weil ja noch kein WS ist) anderen Studiengängen wechseln. Und, ob ich das mache… Denke eigentlich nicht wirklich.

Als jemand, der, bis auf Info-Tage, eine Uni noch nie von innen gesehen hat oder weg von den Eltern gezogen ist oder oder oder … sind halt die nächsten Monate ein Batzen tonnenschwerer Ungewissheit. Und ich bin glaube ich eher ein Typ für Kontrolle und manchmal sogar fast pedantisch/perfektionistisch. Erst recht nach dem Jahr Auszeit in der der Alltag komplett ohne Verpflichtungen zu 100% in meiner Hand lag. Dieser Kontrollverlust löst, so denke ich, in mir die Angst aus.

Also, ich danke euch, für all eure ehrlichen und wirklich hilfreichen Antworten. Ich werde jetzt mal nach einer Unterkunft suchen, Infos zu den ersten Veranstaltungen einholen und der Ungewissheit die da vor mir schwebt eine Planung ins Gesicht schmeißen :D . Auch werde ich jetzt den Monat, der mir hier bei meinen Eltern noch bleibt, so gut es geht genießen und kaufe schon mal eine gute Webcam, für’s Videotelefonieren mit ihnen und meinen Freunden :)

Ich wünsche euch allen, egal wie eure Zukunft aussieht, eine tolle und glückliche Zeit! :)

Alles Gute!

HopeDoc
18.09.2020, 17:27
Den meisten Mitstudenten, die mit dir anfangen geht es ähnlich, bist also nicht alleine :)

Martin512
26.09.2020, 14:26
Ja ich denke auch. Das zu wissen hilft wirklich enorm :)

anonymhund123455667
27.09.2020, 08:43
Naja also du kannst schon erst E-Technik studieren, du musst nur deine Bachelorarbeit bis zur erneuten Zulassung schieben und dich dann ggfs. doppelt immatrikulieren.

Also irgendwie finde ich persönlich, dass dein Profil enorm nach Bundeswehr riecht. Kann man sich da nicht sogar auf die Piloten Ausbildung und ein E-Technik Studium bewerben?!
Auch SanOA die Zivil schon zugelassen werden würden sind da wohl gerne gesehen, habe ich gehört.

Was die Arbeitsbedingungen angeht kann ich nur vermuten.
Es mag wohl Ingenieure geben die mit 85k bei einer 35h Woche als Doktorand bei einem IGM Laden einsteigen. Das werden wohl aber nur die Top 10% der Studenten an den TUs schaffen.

][truba][
27.09.2020, 17:03
Studier einfach Medizin. Du bist jetzt 21. Das heißt du bist mit 27/28 fertig. Da hatte ich noch nicht mal mein Physikum.
Wenn du dann doch nicht Medizin machen willst, kannst du noch immer E-Technik machen.

Kann man die Tests bei Lufthansa nur 1 x machen? Alter, ich wäre auch gern Pilot geworden aber bin leider blind wie ein Maulwurf. Meine Entscheidung wäre klar gewesen. Aber das Gras ist auf der anderen Seite immer grüner. Arzt ist ein guter Beruf aber die Arbeitsbedingungen sind meistens eher mies.

Du bist jung. Bleib cool und Zweifel nicht so viel an dir.

medboss22
13.10.2020, 20:37
Vielleicht sind deine Ängste auch ganz normal. Ein wenig kennt das wohl jeder!
Kann es sein, dass du vielleicht auch Angst hast, dass das Medizinstudium von dir so viel Zeit in Anspruch nehmen könnte, dass du all deine anderen Interessen vernachlässigen musst? Das ist etwas was mir jedenfalls bekannt vorkommt.

Vielleicht hilft es dir wenn du mit dem Medizinstudium anfängst und diese Entscheidung aber nicht als endgültig siehst. Du kannst deinen Studiengang immer noch wechseln. Und das ist kein Weltuntergang, glaub mir!

Martin512
21.10.2020, 23:09
Hallo zusammen,

ich danke euch von Herzen für eure Antworten. Ich muss wirklich sagen, dass Ihr mir damit weitergeholfen habt.
Ein Monat meines Krankenpflegepraktikums liegt mittlerweile hinter mir. "Erledigen, abhaken, vergessen" (um mal davo zu zitieren) war an manchen Tagen echt mein Motto :D Aber nur an manchen, an denen ich so bisschen das Gefühl hatte, als kostenlose Arbeitskraft ausgenutzt zu werden. Aber ich muss sagen, es war wirklich gut, dass jetzt schon gemacht habe. Nicht nur habe ich dann natürlich während dem Studium einen Monat mehr Freizeit, sondern ich habe auch wieder Selbstbewusstsein gewonnen, schöne wie traurige Momente erlebt und auch bei Untersuchungen und Behandlungen zuschauen dürfen, was wirklich spannend war. Insgesamt hat mir das Praktikum wirklich gutgetan.

@anonymhund: Danke Dir für deinen Vorschlag, aber Bundeswehr ist glaube ich nichts für mich. Ich bin wie gesagt nicht der mega selbstbewusste Typ und Soldat zu sein (was man da ja schon, mal mehr, mal weniger ist) kann ich mir wirklich nicht vorstellen. Auch wenn natürlich, wenn einen das militärische nicht stört oder man es sogar mag, die Bundeswehr ein super Arbeitgeber sein kann.

@truba: Den Test kann man nur einmal machen. Und in den kommenden Jahren wird es keinen Bedarf an Pilotenschülern geben, wegen der laufenden Krise. Im Nachhinein hatte ich echt Glück, dass das nicht geklappt hat (Hätte ich nie, wirklich niemals gedacht, dass ich das mal sagen würde). Im besten Fall wäre ich mit abgebrochener Ausbildung und "
nur" ein paar Tausend € Schulden Ausbildungskosten rausgekommen. Oder eben auch mehr. So kann's gehen...


@medboss22: Ja, der Gedanke, für das eigentlich Wichtigste im Leben, die Menschen um einen rum, zu wenig Zeit zu haben, ist wirklich in meinem Kopf. Grade eben aufgrund der weiten Strecke zwischen Berlin und der Schwarzwaldregion ist ein Besuch nicht so einfach machbar, wie aus Tübingen oder so.
Aber wie Du sagst, nichts ist in Stein gemeißelt. Ich habe nirgendwo einen Ausbildungsvertrag unterschrieben und bin niemandem verpflichtet. Ich könnte mich ja sogar zum Sommer exmatrikulieren und in Tübingen bewerben. Letzten Sommer wäre ich, hätte ich meinen TMS da schon gehabt, mit meinen sonstigen Leistungen und einem TMS von 102 reingekommen. Und jetzt ich habe einen Standardwert von 107.
Aber das plane ich definitiv noch nicht. Zumal das auch ganz schön unsicher wäre. Erst einmal plane ich das Studium in Berlin fertig zu machen.

Also, ich danke eucht allen für eure Antworten. Ich glaube ich habe einfach ein bisschen Zeit gebraucht um innerhalb von ein paar Monaten meine komplette Lebensplanung von Pilot über Elektroingenieur zu Arzt gleich 2 Mal über den Haufen zu werfen. Jetzt habe ich das Gefühl, bin ich wieder auf Kurs.

Ich wünsche euch allen alles Gute und (aus gegebenem Anlass natürlich besonders) Gesundheit. :)