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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kirchenaustritt nach Stellenbeginn bei katholischem Träger?



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Gro?erLiLaLauneB
11.11.2020, 21:06
Hey,
fange jetzt bald meine erste Stelle bei einem katholischen Träger an (Caritas) und in deren Grundordnung steht, dass ein Kirchenaustritt eines katholischen Mitarbeits als Kündigungsgrund gesehen werden kann:

https://www.caritas.de/neue-caritas/heftarchiv/jahrgang2015/artikel/wer-aus-der-kirche-austritt-verstoesst-gegen-die-grundordnun

Jetzt mal abgesehen, dass das ziemlich daneben ist, da wir im 21. Jahrhundert leben, habe ich doch eh nichts zu befürchten, wenn ich evangelisch bin, oder? Oder soll ich auf Nummer sicher gehen und die Probezeit abwarten? Hat da jemand Erfahrungen gemacht?

Kandra
11.11.2020, 21:20
Hey,
fange jetzt bald meine erste Stelle bei einem katholischen Träger an (Caritas) und in deren Grundordnung steht, dass ein Kirchenaustritt eines katholischen Mitarbeits als Kündigungsgrund gesehen werden kann:

https://www.caritas.de/neue-caritas/heftarchiv/jahrgang2015/artikel/wer-aus-der-kirche-austritt-verstoesst-gegen-die-grundordnun

Jetzt mal abgesehen, dass das ziemlich daneben ist, da wir im 21. Jahrhundert leben, habe ich doch eh nichts zu befürchten, wenn ich evangelisch bin, oder? Oder soll ich auf Nummer sicher gehen und die Probezeit abwarten? Hat da jemand Erfahrungen gemacht?

Du wirst auch nach der Probezeit rausgeworfen wenn du aus der Kirche austrittst.

freak1
11.11.2020, 21:21
Oder sie lassen es in der Hinterhand bis man dich wegen irgendetwas loswerden will. Wenn du schon ausgetreten bist wenn sie dich einstellen sieht es ggf. anders aus.

Gro?erLiLaLauneB
11.11.2020, 21:25
Naja, aber in deren Richtlinien schreiben sie explizit, die haben ein Problem damit, wenn Katholiken austreten, Ich bin aber kein Katholik, sondern Protestant. Sollte das nicht einen Unterschied machen?

freak1
11.11.2020, 21:28
Kann dir keiner genau sagen. Im Zweifelsfall werfen sie dich raus und du musst durch 3 Instanzen klagen um - vielleicht - Recht zu bekommen.

tragezwerg
11.11.2020, 21:34
Das Risiko würde ich nicht eingehen...die Kirchen sind da sehr humorlos.
Ein ehemaliger Oberarzt von mir hat seine langjährige Lebensgefährtin erst nach Weggang aus einer katholischen Klinik geheiratet, weil er schonmal geschieden war. Eine erneute Heirat hätte die fristlose Kündigung bedeutet.

Relaxometrie
11.11.2020, 21:42
Ich bin aber kein Katholik, sondern Protestant. Sollte das nicht einen Unterschied machen?
Das macht gar keinen Unterschied. Aus der Kirche auszutreten, verkraften Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft nicht :-wand:-wand:-wand

Du kannst aus der Kirche austreten und der Personalabteilung (die Dich fragen wird, warum es keine Kirchenzugehörigkeit gibt) sagen, dass Du nie getauft worden bist. Dann werden sie Dich vermutlich einstellen. Dann musst Du aber aufpassen, dass das Kirchensteuermerkmal beim Finanzamt schleunigst geändert wird und der Status "Kirchenmitglied" nicht an die Personalabteilung Deines zukünftigen Arbeitgebers weitergeleitet wird. Aber ich weiß nicht, wie das jetzt, wo man ja keine Papier-Lohnsteuerkarte mehr abgibt, geregelt ist.

Ich habe den Mist in mehreren Bewerbungsanläufen durchexerziert und finde diese gesetzlich erlaubte Diskriminierung von Atheisten total daneben. Aber ich habe auf die Frage, ob nicht getauft oder ausgetreten, immer die Wahrheit gesagt, weil ich für diese widerlichen Kirchen nicht lüge. Das hatte jedesmal zur Folge, dass ich die Stelle, selbst wenn ich sie im Vorstellungsgespräch schon mündlich zugesichert bekommen habe, nicht bekommen habe.
Seitdem bewerbe ich mich halt nicht mehr an kirchlichen Häusern, weil ich dieses Spielchen ja jetzt kenne und nicht immer wieder brauche.

Zusammenfassung: jegliche Konfession ist ok. Nicht getauft worden zu sein ist auch ok; dann wird man halt als unschuldiges, armes Sünderlein angesehen. Aber aus einer christlichen Kirche ausgetreten zu sein ist too much für die kirchlichen Trägerschaften. Mal sehen, wie lange sie dieses unterirdische Spielchen noch treiben dürfen.

anignu
11.11.2020, 22:32
Aber aus einer christlichen Kirche ausgetreten zu sein ist too much für die kirchlichen Trägerschaften.
Das Argument ist dass man sich AKTIV gegen die Kirche entscheidet. Noch nie Mitglied heißt dass man einfach (noch) nicht zum Glauben gefunden hat. Aber ja, austreten ist zu viel.

Ich weiß, das sind Grundsatzdiskussionen und die triggern bei ziemlich vielen Leuten offensichtlich. Aber du entscheidest dich selbständig und aktiv gegen eine Gruppe und findest es dann unfair wenn du bei denen keine Arbeitsvertrag bekommst?
Mal ein fieses Beispiel: wer ein Reichsbürger ist und die BRD GmbH damit nicht anerkennt UND das aktiv als Mantra vor sich her trägt, der wird auch nicht verbeamtet werden. Total fies. Ich weiß. Und intolerant. Und unfair. Und ...

Das mit den Eheschließungen ist wieder was anderes, ich hab das Gefühl dass es da Bewegungen gibt und viel weniger streng gehandhabt wird. Aber sich aktiv gegen die Kirche entscheiden und dann dort arbeiten zu wollen da sind sie allergisch. Vor allem wenn man es dann auch noch überall ausdrücklich sagt. Dann hält man halt mal sein Maul. Ein privater Träger wird auch allergisch wenn jemand ständig sagt dass man diese Krankenhausform aus zu tiefster Verachtung ablehnt.

mbs
11.11.2020, 23:02
Das wäre eine krasse Benachteiligung von Katholiken - sobald man Mitglied in dem Verein ist dürfte man ja dann ein verfassungsrechtlich gesichertes Grundrecht nicht mehr ausüben.

Finde es auch heftig, dass so was heutzutage überhaupt möglich ist. Vor allem angesichts der Tatsache, dass selbst Kliniken in so genannter kirchlicher Trägerschaft durch öffentliche, weltliche Quellen finanziert werden - da stellt sich mir ehrlich die Frage was das für einen Sinn haben soll oder wie sich die Kirche da genau einbringt. Vermutlich geht es nur darum möglichst viele Leute zur Zahlung von Kirchensteuer zu gewinnen. Aus welchem Grund auch immer ein moderner Staat an so was Interesse haben sollte.

rafiki
12.11.2020, 05:03
Aber ich habe auf die Frage, ob nicht getauft oder ausgetreten, immer die Wahrheit gesagt, weil ich für diese widerlichen Kirchen nicht lüge. Das hatte jedesmal zur Folge, dass ich die Stelle, selbst wenn ich sie im Vorstellungsgespräch schon mündlich zugesichert bekommen habe, nicht bekommen habe.


Naja, dieses Vorgehen würde ich eher einer gewissen Selbstdestruktivität zurechnen.

Im Übrigen hängt es sicher sehr von der einzelnen Klinik ab: Ich wurde am katholischen Haus nicht nach meiner nicht mehr vorhandenen Landeskirchenzugehörigkeit befragt und wurde als OA eingestellt.

Bonnerin
12.11.2020, 06:18
Das wäre eine krasse Benachteiligung von Katholiken - sobald man Mitglied in dem Verein ist dürfte man ja dann ein verfassungsrechtlich gesichertes Grundrecht nicht mehr ausüben.

Finde es auch heftig, dass so was heutzutage überhaupt möglich ist. Vor allem angesichts der Tatsache, dass selbst Kliniken in so genannter kirchlicher Trägerschaft durch öffentliche, weltliche Quellen finanziert werden - da stellt sich mir ehrlich die Frage was das für einen Sinn haben soll oder wie sich die Kirche da genau einbringt. Vermutlich geht es nur darum möglichst viele Leute zur Zahlung von Kirchensteuer zu gewinnen. Aus welchem Grund auch immer ein moderner Staat an so was Interesse haben sollte.

Nicht nur das. Es gibt auch Leute (wie mich), bei denen verwaltungstechnisch die sexuelle Orientierung ein Problem sein kann. Eine gleichgeschlechtliche Ehe ist nämlich auch gegen das Kirchenrecht und damit ein fristloser Kündigungsgrund. Wie die Lage für Abtreibungsbefürworter aussieht, kann ich nicht genau sagen, glaube, es ist auch da eher mau.

kartoffelbrei
12.11.2020, 07:21
Das Argument ist dass man sich AKTIV gegen die Kirche entscheidet. Noch nie Mitglied heißt dass man einfach (noch) nicht zum Glauben gefunden hat. Aber ja, austreten ist zu viel.

Ich weiß, das sind Grundsatzdiskussionen und die triggern bei ziemlich vielen Leuten offensichtlich. Aber du entscheidest dich selbständig und aktiv gegen eine Gruppe und findest es dann unfair wenn du bei denen keine Arbeitsvertrag bekommst?
Mal ein fieses Beispiel: wer ein Reichsbürger ist und die BRD GmbH damit nicht anerkennt UND das aktiv als Mantra vor sich her trägt, der wird auch nicht verbeamtet werden. Total fies. Ich weiß. Und intolerant. Und unfair. Und ...


Sehr ich anders. Ich gehe mit den christlichen Werten d'accord (wie so ursprünglich gemeint sind, also Nächstenliebe etc., nicht die Diskriminierung von sexuellen Minderheiten o.ä.). Ich bin aber nicht bereit, deshalb einen hohen zweistelligen Betrag im Monat zu zahlen und deshalb ausgetreten.

Und deshalb soll ich nicht als Arzt arbeiten, obwohl sich die kirchlichen Häuser aus genau den gleichen Töpfen finanzieren wie die weltlichen? Der Beruf hat NULL mit Religion zu tun. Wenn ich mich als Religionslehrer bewerben würde, wäre das natürlich was anderes , aber so?
Ich dachte auch eigentlich, das Thema wäre gerichtlich inzwischen durch. Es gab doch inzwischen schon mehrere Urteile, dass kirchliche Arbeitgeber nur religiöse Regeln für ihre Angestellten aufstellen dürfen, wenn diese auch in irgendeiner Form mit Religionsvermittlung zu tun haben.

Markian
12.11.2020, 07:33
Das Argument ist dass man sich AKTIV gegen die Kirche entscheidet. Noch nie Mitglied heißt dass man einfach (noch) nicht zum Glauben gefunden hat. Aber ja, austreten ist zu viel.

Ich weiß, das sind Grundsatzdiskussionen und die triggern bei ziemlich vielen Leuten offensichtlich. Aber du entscheidest dich selbständig und aktiv gegen eine Gruppe und findest es dann unfair wenn du bei denen keine Arbeitsvertrag bekommst?
Mal ein fieses Beispiel: wer ein Reichsbürger ist und die BRD GmbH damit nicht anerkennt UND das aktiv als Mantra vor sich her trägt, der wird auch nicht verbeamtet werden. Total fies. Ich weiß. Und intolerant. Und unfair. Und ...



Das heißt, wenn ich privat lieber mit der Bahn fahre, dann darf ich nicht mehr bei Mercedes arbeiten? Voll gerecht.

eny
12.11.2020, 07:42
Wenn Du die Zeit, den Nerv und im Notfall eine Alternative hast, kannst Du es ja drauf ankommen lassen.
Generell würde ich mir die Frage stellen, inwiefern ich Lebenszeit in eine Institution investieren will, die ich im Grunde verachte.

Relaxometrie
12.11.2020, 08:57
Naja, dieses Vorgehen würde ich eher einer gewissen Selbstdestruktivität zurechnen..
Mit "immer die Wahrheit gesagt" meinte ich nur, dass ich auf die Frage, warum auf der Lohnsteuerkarte kein Kirchensteuermerkmal eingetragen sei, geantwortet habe, dass ich aus der Kirche ausgetreten sei. Ich hätte ja auch lügen können: "ich bin nicht getauft" wäre die für mich zielführendere Antwort gewesen, wäre aber gelogen. Über die Kirche gewettert habe ich in solchen Situationen in keinster Weise.

Zilia
12.11.2020, 10:27
Ich bin zwischen 2 Jobs aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Jetzt suche ich wieder, bewerbe mich aber eher in nicht-konfessionellen Häusern. Ich glaube aber nicht, dass es für Absagen aus konfessionellen Häusern eine große Rolle gespielt hat bei mir. Mein Glaube ist privat und ich muss keine Kirchensteuer zahlen, um glauben zu dürfen. So sehe ich das. Ich habe Studienkredite abzuzahlen.

inglebird
12.11.2020, 11:36
Ich (katholisch) bin in der Kirche geblieben, weil ich in einem katholischen Haus gearbeitet habe und Sorge hatte, gekündigt zu werden bei Austritt.
Eine Dame aus der Mitarbeitervertretung hat mir dann erzählt, es sei ohne weiteres nicht mehr möglich, da es in der Vergangenheit bereits Fälle gegeben hätte von Mitarbeitern, die austraten und nicht gekündigt wurden und aufgrund dessen Gleichbehandlung nicht mehr gegeben wäre. Keine Ahnung, wie das rechtlich zu sehen ist und ob es stimmt.
Habe es mich trotzdem nicht getraut und bin erst ausgetreten, als ich beim nicht-kirchlichen Arbeitgeber war. Ärgert mich bis heute, sind über 1000 Euro/Jahr gewesen.

Evil
12.11.2020, 12:01
Das heißt, wenn ich privat lieber mit der Bahn fahre, dann darf ich nicht mehr bei Mercedes arbeiten? Voll gerecht.
Das weniger, sondern eher so "ich kaufe keinen Mercedes, weil ich Mercedes für Schei$$-Bonzenkarren halte".
Und dann bei Mercedes arbeiten wollen ist halt etwas inkonsequent.

Ich persönlich würde ja bei dem Kirchenverein garantiert nicht arbeiten wollen, egal in welcher Funktion, wenn ich den so schlecht finde, daß ich aktiv austrete. Aber das muss jeder selber wissen.

Miss_H
12.11.2020, 12:49
Ich persönlich würde ja bei dem Kirchenverein garantiert nicht arbeiten wollen, egal in welcher Funktion, wenn ich den so schlecht finde, daß ich aktiv austrete. Aber das muss jeder selber wissen.
Und ich würde sagen jeder ist käuflich. In meiner Stadt gibt es 4 Kliniken mit meiner Fachrichtung. Uniklinik (dort sehe ich mich nicht. Keinerlei Reaktion auf meine Bewerbung.), ein städtisches Krankenhaus (leider pleite, also keine Neueinstellungen) und zwei kirchliche Häuser. Bleibt also pendeln (kommt für mich nicht so richtig in Frage, da ich nach einem Dienst nicht mit Auto fahren möchte und ich eher so 1,5 Stunden pro Weg unterwegs bin).
Also nochmal kurz überlegt, kein Kirchenaustritt für die Weiterbildungszeit. Ist natürlich nicht konsequent und verlogen. Aber für mich völlig okay.

kartoffelbrei
12.11.2020, 13:20
Wenn eine Mitgliedschaft in der Kirche nicht so teuer wäre, würde sich für viele das Problem doch gar nicht stellen. Dann wäre ich auch einfach Mitglied geblieben und fertig.

Es geht ja meist nicht darum, dass überzeugte Satanisten unbedingt bei einem kirchlichen Träger arbeiten wollen. Da wäre anignus Reichsbürger-Vergleich vielleicht passend. Was mir sauer aufstößt, ist dass ich viel Geld im Monat bezahlen soll, nur um nicht von vornherein als potentieller Arbeitnehmer ausgeschlossen zu werden. So als dürfte man nur bei der Bahn arbeiten, wenn man auch eine Bahncard 50 kauft. Das ist ja schon fast Nötigung.

Wenn mir umgekehrt als Arbeitnehmer bei einem kirchlichen Träger die Kirchensteuer erlassen werden würde, hätte ich kein Problem damit, wieder einzutreten... :D